Samstag, 30. Mai 2020

So seriös sind die Superspreader von Corona-Fake-News

Könnte sogar Leben gekostet haben: Eine inzwischen enttarnte Fake News, die Corona als eine Art normale Grippe verharmloste.


Je länger die Corona-Pandemie und die zur Bekämpfung der Pandemie vorübergehend notwendigen Beschränkungen bei der Anwendung der unveräußerlichen Grundrechte anhalten, umso mehr Fake News und Verschwörungstheorien verbreiten sich im Netz. Nur wie? PPQ hat untersucht, welche Internetseiten besonders viele Nutzer mit Falschinformationen erreichen.

Wenn sich im Netz ein Artikel, Video oder eine Fotomeme schnell und breit verteilt, spricht der Faktenprüfer häufig davon, dass eine Fake News "viral" geht. Schon lange vor Corona waren solche Nachrichten üblich, ihre Verbreitung erfolgte häufig vollkommen unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt, so dass Falschinformationen etwa zu einer angeblichen russischen Beeinflussung der letzten Präsidentschaftswahlen in den USA jahrelang für Milliarden Klicks sorgten, ehe sich alle entsprechenden Vermutungen mangels auffindbarer Beweise in Nichts auflösten.

Wie bei einem echten Virus verbreiten sich auch Fake News allerdings auch heute noch weiter, sie nutzen dazu verschiedene Wege und nur in wenigen Fällen verläuft die Ansteckung direkt von Person zu Person, etwa über die früher so genannte Mundpropaganda. In vielen Fällen sind es sogenannte "Superspreader", die eine bestimmte Falschmeldung ursächlich in einen dominanten Verbreitungskanal einspeisen, durch den sie an eine große Empfängergruppe gerät. Bei Corona gelten Infizierte als Superspreader, die unwissentlich eine große Zahl von Menschen anstecken, bei Fake News sind es vorzugshalber Internetpräsenzen von Institutionen, führende Politiker und bekannte Nachrichtenseiten, über die viele verschiedene Menschen mit einer irreführenden oder falschen Infomation angesteckt werden.

PPQ, seit Jahren bereits als Fakten-Volonteersseite mit der Prüfung von großen Netzadresse wie Facebook beschäftigt, hat sich auf die Suche nach solchen Fake-News-Superspreadern in Deutschland aufgemacht. Dazu wurde eine Liste mit besonders prägnanten Fällen erstellt, die teilweise Millionen Empfänger erreichten, von denen vermutet werden muss, dass zumindest ein Teil der Betroffenen eindeutig als falsch belegte Informationen für bahre Münze genommen hat.

Platz 1: Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier ging Mitte März in die Vollen. „Kein einziger Arbeitsplatz geht wegen Corona verloren“, versprach der CDU-Politiker in der Fernsehsendung "Hart aber fair" (ohne Komma), die rund 5,5 Millionen Deutsche verfolgten. Erleichterung machte sich daraufhin überall im Land breit, obwohl Altmaier nicht verraten hatte, wie er Entlassungen verhindern werde. Als Superspreader blieb Altmaier fast acht Wochen bei seiner Zusage, selbst als bereits die ersten großen Firmen Entlassungen angekündigt und die ersten 300.000 neuen Arbeitslosen registriert worden waren. Erst Mitte Mai zog der Minister seine Zusage zurück, allerdings ohne sie zu korrigieren. 

Platz 2: Altmaiers Ministerkollege Jens Spahn schafft es mit gleich zwei wochenlang gepredigten Aussagen in die Superspreader-Hitparade. So behauptete der CDU-Mann zu Beginn der Krise, das Virus verbreite sich nicht durch die Luft. Logische Folge war eine zweite Aussage dazu, dass Schutzmasken nicht nötig seien. Jens Spahn ist Bankkaufmann und Politikwissenschaftler, er wusste es mutmaßlich seinerzeit nicht anders oder er hatte, wie renommierte Medien mutmaßen, diese Sprachregelung vertreten müssen, um den galoppierenden Maskenmangel im deutschen Gesundheitswesen öffentlich nicht zutagetreten zu lassen. Spahn versicherte mehrfach, Deutschland sei "gut vorbereitet", eine weitere Falschbehauptung,  die leugnet, dass das Robert-Koch-Institut bereits vor fast zehn Jahren eine solche Vorbereitung angemahnt, aber nie erhört worden war. Verbreitet wurde die Falschinformation, wenn auch als Zitat, dennoch von allen großen deutschen Nachrichtenseiten.

Platz 3: Geht an den Bayrischen Rundfunk, der deutschlandweit zu den ersten engagierten Corona-Leugner gehörte. In einem Aufklärungsfilm enttarnte der Sender Menschen, die vor einer pandemie und einer hohen Ansteckungsgefahr warnten, als rechtsextreme Spalter, die der Gesellschaft schaden wollten, indem sie Menschen verunsicherten. Bei Corona handele es sich um eine eigentlich harmlose Erkältungskrankheit, weit weg in China, das von Verschwörungstheoretikern missbraucht werde, um angeblich geplante Einschränkungen von Grundrechten zu nutzen. Zwar sei "ein bisschen Vorsicht bei Viren nicht verkehrt", aber dass erste Verwirrte "schon mit Mundschutz herumlaufen" zeige allenfalls, dass "das Virus uns fremd ist und das Fremde macht uns Angst".


Platz 4:  Geht an das Bundesgesundheitsministerium, das Mitte März Gerüchten entgegentrat, wonach bald massive weitere Einschränkungen des öffentlichen Lebens ankündigt würden. “Das stimmt nicht”, schrieb das Ministerium offiziell, um anderslautende Behauptungen zu stoppen, die  sich  damals rasch verbreiten. "Bitte helfen Sie mit, ihre Verbreitung zu stoppen", forderte das Ministerium Freiwillige auf.. 24 Stunden später traten weitere massive Einschränkungen in Kraft, darunter „Betretungsverbote für öffentliche Orte“, „vorläufige Ausgangsbeschränkung“, Kontaktverbote, Reiseverbote und die Aufhebung verschiedener unveräußerlicher Grundrechte.

Platz 5: Eine selbstkritische Auseinandersetzung mit eine Falschmeldung, die beim Medienportal PPQ ihren Ausgangspunkt hatte. Anfang April kam es hier zu einem Versagen der internen Kontrollmechanismen, so dass ein angeblicher hochrangiger Mitarbeiter der Hauptgeldfabrik der Eurostaaten Gelegenheit bekam, unter dem Tite"Geldpressen unter Hochdruck: So funktioniert die Trilliardenbombe" zu berichten, wie in angeblichen unterirdischen Monetarisierungseinrichtungen der EZB durch eine geheime Tastenkombination am EGF-Zentralrechner in einem quantenmechanisch genehmigten und auf klaren physikalischen Gesetzmäßigkeiten und EU-Richtlinien beruhenden Verfahren unendlich viel Geld hergestellt werden könne, ohne dass es irgendwelche negativen Nebenwirkungen gebe.

Da einige deutschsprachige Accounts in sozialen Netzwerken die vermeintlich exklusive News weiterverbreiteten, muss die Redaktion derzeit davon ausgehen, die wenig später bereits enttarnte und richtiggestellte Fake News potenziell Millionen und Abermillionen Empfänger unkontrolliert erreicht haben könnte.

Interessant erscheinen die Ergebnisse auch vor dem Hintergrund, dass sich seit Monaten nahezu der gesamte Kampf gegen Fake News auf Plattformen wie Facebook oder Youtube konzentrieren, die unter Verdacht stehen, Corona Fakes nicht schnell genug zu löschen.

Die PPQ-Recherchen zeigen nun, dass sich irreführende und falsche, verharmlosende und coronaleugnende Informationen nach wie vor auf offiziellen Regierungsseiten finden, ohne dass sie mit Warnungen oder Faktenchecks versehen wurden.

2 Kommentare:

Volker hat gesagt…

Hatten wir zwar schon mal, die staatlich geprüften Fake-News und Doppelstandards, passt aber immer noch.

Anonym hat gesagt…

Auch sehr schön:
https://twitter.com/Maskulinist/status/1266667486218457088/photo/1
https://twitter.com/der_monk/status/1266666750705381377/photo/1