Freitag, 22. Mai 2020

Fortsetzung der 3. Liga: Fußfall vor den Funktionären

Fußball ist hauptsächlich ein Spiel für Funktionäre. Viele Fans wollen das nicht verstehen.

Als Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff ankündigte, seine Regierung werde gegen eine Fortsetzung des Spielbetriebs in der 3. Fußballliga kämpfen, "so lange es möglich" sei. war klar, dass es keinen Saisonabbruch im finanziell maladen Fußball-Unterhaus geben würde. Holger Stahlknecht, Haseloffs Innen- und Sportminister, argumentierte mit einem "Gleichheitsgrundsatz", der seiner Ansicht nach in allen Fußball-Bundesländern gebe. Wenn Sachsen-Anhalt also mit seiner 5. Eindämmungsverordnung ein Verbot von Mannschaftstraining und Fußballspielen angeordnet habe, dann sei das ausreichend, andere Bundesländer, die mit Blick auf die in ihren Grenzen höhere wirtschaftliche Bedeutung des Fußballgeschäftes anders entschieden hatten, ein Einsehen haben müssten. Seine Regierung versuche "gegenzuhalten, solange die Kraft bleibt", kündigte Haseloff an. Denn Amateursport und Freizeitsport müssten unter gleichen Bedingungen stattfinden, sagte Stahlknecht.


Im Dienst von Geld- und Gunstgebern


Ein Sonderweg im Land, in dem die beiden Drittligisten Hallescher FC und FC Magdeburg die Krone der Fußballschöpfung darstellen. Wie Thüringen hat auch Sachsen-Anhalt noch nie ganz oben mitgespielt, zwar war eine Mannschaft aus den Armenhaus des größten Sportgeschäftes schon mal Europapokal-Sieger. Aber zu mehr als Tabellenplatz 15 und 16 - von 20 - reicht es derzeit für beide Vereine aus Sachsen-Anhalt nicht. Und deren Sorgen sind dem Deutschen Fußball Bund, dessen Interessen traditionell identisch sind mit denen seiner Geld- und Gunstgeber, herzlich egal. Noch vor einer angekündigten Abstimmung über Fortsetzung oder vorzeitiges Ende der laufenden Saison verfügte der weltgrößte Sportverband einen Neustart der Liga am 30. Mai.

Halle und Magdeburg bleiben damit zwischen dem Tag der Aufhebung des Trainingsverbots und dem ersten Anpfiff etwa 72 Stunden. Die in Thüringen beheimateten Mannschaft vom FC Carl Zeiss Jena, tabellarisch kaum noch zu rettender Absteiger, bleibt gar keine Zeit zur Vorbereitung. Thüringen gestattet einen normalen Trainingsbetrieb erst wieder ab 5. Juni.

Nun hat Thüringens gerade erst in einem ganz besonders aufwendigen Verfahren wiedergewählter Ministerpräsident Bodo Ramelow zwar erkennen lassen, dass er gegen Lockerungsprivilegien für die ist, "die am meisten Geld auf den Tisch leben". Der Linke war allerdings schlau genug, es nicht auf ein Kräftemessen zwischen Provinzfürst und viermaligem Weltmeister ankommen zu lassen. Wer den DFB kennt, weiß, dass dabei nichts zu gewinnen ist: Schon 1954, als der stolze Großverand von einem ehemaligen NSDAP-Mitglied geführt wurde, dessen Firma in einer offiziellen Alliierten-Liste der „Sklavenhalter im NS-Regime“ geführt wurde, gab es in der Frankfurter Chefetage nie Skrupel, alle Mittel anzuwenden, um erfolgreich zu sein.

Die eigene Sondermoral


DFB-Chefs wie Theo Zwanziger wussten stets zum eigenen Vorteil zwischen der eigenen Moral und moralischen Vorgaben für Dritte zu unterscheiden. Im festen Schulterschluss mit Vater Staat bewährte sich der Fußballsport noch vor von Bundespolizei, Bundeswehr, Zoll und den Landespolizeien betriebenen Staatssportarten wie Biathlon, Fechten und Judo als kollektiver Motivator, Propagandist und Künder deutscher Größe. Der Verband, der unerwünschte Meinungsäußerungen von den Rängen strengstens verfolgt, kann sich bei eigenen, offenkundig fragwürdigen Geschäften darauf verlassen,  dass Staatsanwaltschaft und Gerichte am Ende stets zum Schluss kommen, dass alles ganz prima gelaufen ist.

Wer nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung mit Pervitin startete, immerhin Hitlers aus Crystal Meth gemachte Panzerschokolade, der kann knapp sieben Jahrzehnte später immer noch vom Selbstvertrauensschub zehren, den die Droge auslöst. Mögen die Vereine zetern und ein kleiner Ministerpräsident im Osten über den "unerträglichen Druck" jammern, den die "größte gesellschaftliche Gruppierung in unserem Land" (Ex-DFB-Präsident Egidius Braun) auszuüben in der Lage ist. Aber das DFB-Präsidium vertritt eben Mehrheitsinteressen. es wird schließlich nicht von den sieben Millionen Mitgliedern gewählt, sondern von 262 handverlesenen Funktionärsdelegierten. Das Millionenheer der Fußballer findet das gut. Sie alle wollen ja nur spielen.

Demokratischer als das Zentralkomitee

Die DFB-Chefs aber wissen, dass Fußball kein Spiel ist, sondern ein Managersport, bei dem der gewinnt, der die Regeln bestimmt. Das tut der Fußballosten nicht - von hier kommen nicht einmal acht Prozent der Abgesandten zu den sogenannten "Bundestagen" des DFB, 20 Personen insgesamt.  Sachsen-Anhalt und Thüringen entsenden sieben von ihnen, das sind genau so viele wie der Fußballverband Mittelrhein stellt, ein Drittel so viel wie Bayern schickt und ein Sechstel der Delegiertenzahl, die der DFB-Vorstand satzungsgemäß selbst ins Rennen bringt, um über Verbandsangelegenheiten abzustimmen. Knapp 18 Prozent der DFB-Demokratie wird damit zuverlässig von den Spitzenfunktionären direkt hergestellt. Verblüffend: Im letzten Zentralkomitee der SED stellte das Politbüro nur knapp 15 Prozent der Mitglieder.

Dass einzig und allein der DFB bestimmt, wann in Deutschland wer wo Fußball zu spielen hat, hatte so wohl selbst Reiner Haseloff geahnt, daran lässt seine Formulierung vom "Kampf, so lange die Kraft reicht", kaum einen Zweifel. Gesetze, die in Deutschland bis heute Sportwetten verbieten, waren für den DFB genauso wenig bindend wie es Landesverordnungen zur Seucheneindämmung heute sind.

Mögen die Politiker in Magdeburg auch gemeint haben, sie könnten dem Fußballstaat im Staate ebenso rigoros in die Parade regieren wie sie ihren Bürgern gerade über Wochen hinweg unveräußerliche Grundrechte entzogen haben. Am Ende steht, was nach eine, Brauch aus dem Perserrreich der "Fußball" genannt wird. Im Gegensatz zum Kniefall ist der Fußfall tiefer und umfassender, er gleicht einer Unterwerfung in Form einer Selbstdemütigung, verbunden mit der gestischen Zusicherung, dass der Fußfallende vollkommen und für immer kapituliert und anerkennt, dass die stärkere Macht sich durchgesetzt hat.

4 Kommentare:

Die Anmerkung hat gesagt…

Das ist eigentlich ein Artikel, der genau so von diesem Lothar Kurbjuweit im Spiegel hätte stehen müssen. Heißt der Lothar? Egal, jedenfalls der Kurbjuweit, der doch nur schreiben will.

ppq hat gesagt…

ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich diese kritik überleben werde

Die Anmerkung hat gesagt…

Wer die Macht hat und wie es wirklich läuft.
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204 rbbtext Fr 22.05.20 19:20:18
Sport Fußball

Senat drückt Auge wegen Derby zu

Wer das Fußball-Derby zwischen Hertha
BSC und dem 1. FC Union am Freitagabend
in einer offenen Gaststätte in Berlin
im Fernsehen verfolgen will, kann das
Spiel dort voraussichtlich bis zum
Schlusspfiff sehen.

Obwohl die Partie etwas länger dauern
wird als die vorgeschriebene Corona-
Sperrstunde um 22.00 Uhr, würden die
Kontrolleure mit Augenmaß vorgehen. Das
teilte ein Sprecher des Senats mit.

Der Hauptgeschäftsführer des Berliner
Gastroverbandes Dehoga, Thomas Leng-
felder, war sich sogar sicher: "Es wird
heute Abend keine Kontrollen geben."

Hase, Du bleibst hier... hat gesagt…

Es ist nunmal die zweitschönste Nebensache der Welt. Ja, ein Geschäft von Strippenziehern - aber jeder kann ja selbst bestimmen, wie weit er da mit macht. Die sportliche Lösung ist die Beste aller schlechten Optionen. Wer unten drin steht, sieht das sicher anders. Ich lasse mich einfach trefflich unterhalten. Emotionen, Luschen und Helden - und ein blinder Schiedsrichter. Keinen Cent im Fanshop der Legionäre, bei interessanten Spielen eine Eintrittskarte, Ergebnisswette unter Freunden - Kurzweil. Immer ein guter Grund für ein zweites, drittes, kühles Flaschenbier, im Stadion aus dem Becher. Unterhaltung, nicht mehr, nicht weniger.