Mittwoch, 29. April 2020
The Masked Singer: Die Armbeuge vor dem Mund
Wusste sie nicht, ja, sie weiß es bis heute kaum besser. Aber wer bereit ist, das alles zu vergessen, dem bietet Jens Spahn an, im Gegenzug auch das zu verzeihen.
Es ging doch alles so verdammt schnell! Kaum waren acht Jahre vergangen, seit der Robert-Koch-Institut eine Studie samt Maßnahmeplan für den Fall eines weltweiten Seuchenausbruches veröffentlicht hatte, war sie auch schon da, die Pandemie. Zum Glück gab es rudimentäre Vorstellungen bei der Experten im Gesundheitsministerium, wie sich einer solchen tödlichen Bedrohung entgegentreten ließe: Sicher war, dass ein Virus keine Grenzen anerkennt, man also den Verkehr aus den Seuchengebieten weiterhin locker einlaufen lassen kann. Auch Karneval und Fußball schadeten kaum, durchseucht werden müsste ja sowieso irgendwann.
Händewaschen dagegen sei ganz, ganz wichtig. Und die sogenannte "Niesetikette", ein Begriff, den die Bundesworthülsenfabrik (BWHF) in Berlin erst am 20. Januar hatte zusammennageln könne, der die ersten Seuchenwochen aber bestimmte wie kein anderer.
Schon mit dem Abstand einiger Wochen staunen Historiker heute über die absurden Parolen, die Politik, Gemeinsinnfunk und private Großmedien unwidersprochen verbreiteten, während die Ansteckungszahlen explodierten. Man müsse in die Armbeuge niesen, hieß es, aber natürlich nur wenn man niesen müsse. Alles andere verteile infektiöse Tröpfchen in der Luft und verschaffe dem Virus so Gelegenheit, sich weiterzuverbreiten, obwohl sich das Virus nachgewiesenermaßen gar nicht "über die Luft verteile" (Jens Spahn).
Das richtige Händewaschen war so wichtig, dass es Gesundheitsminister und EU-Chefin selbst öffentlich vorführten, die Nannis eines offenbar für komplett verblödet gehaltenen Volkes, dem nicht einmal mehr zugetraut wurde, dass sich seine Angehörigen selbst die Finger schrubben können. Es sollten jetzt, das muss für spätere Forschungsarbeiten festgehalten werden, Lieder beim Einseifen gesungen werden, auch Gebete waren erlaubt, auf dass kein Händewascher vergesse, was 20 Sekunden seien oder 30 oder 50, die Regierungsanweisungen zur Immunisierung widersprachen sich da.
Doch es waren alles strahlende Beispiele, wie der Corona-Kampf zu führen ist. Die unteren Behörden für Volkserziehung sorgten für Lehrmaterial zum "Richtig Husten und Niesen". Armbeuge. Händewaschen. Taschentuch. In den Papierkorb und nicht an Türklinken lecken.
Hier und da aufkommende Nachfragen, weshalb die in Asien sehr erfolgreich benutzten Schutzmasken so gar keine Rolle in der tagtäglich neu entworfenen deutschen Seuchenstrategie spielten, wurden weitgehend ignoriert. Seife war da, Wasser auch. Masken nicht. Nachdem die Spitzenpolitik unter Berufung auf die deutsche Spitzenforschung bekanntgegeben hatte, dass das Niesen in die Armbeuge hochwirksam gegen Corona ist, das Niesen in eine Gesichtsmaske aber überhaupt keine Hilfe darstellt, herrschte Einigkeit, dass Deutschland die Bedrohung mit offenem Visier abreiten würde.
Gesicht zeigen gegen Corona und bloß keine üblen Bilder von Innenstädten produzieren, durch die Maskenmenschen wie durch die Endzeit wandern. Diesem Ziel fühlten sich alle gesellschaftlichen Akteure von Bundestag über Gemeinsinnfunk bis zu den privaten Medienhäusern verpflichtet. Der Glaube an das Hirtenwort von Volksvertretern, die sich auf Forscher beriefen, die gegen eine entsprechende Fördermittelzusage auch bestätigen würden, dass Corona sich nicht durch die Luft verbreitet, beschwichtigte den gesunden Menschenverstand, der normalerweise jedes Kleinkind würde fragen lassen, warum jemand empfiehlt, in die Armbeuge zu niesen, demjenigen aber nicht der Gedanke kommt, dass eine Maske sowas ist wie eine Armbeuge, nur vor dem Mund.
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