Die Ausgabe für den US-Markt und die deutsche Originalausgabe (Paperback): Wallenberg hat den Thriller zur Krise geschrieben. |
Fabian Wallenberg ist bei PPQ seit Jahren der Mann, der sich aufopfernd und so manche Nacht schlaflos um die Bestückung der beliebten Serie "Zitate zur Zeit" kümmert. Ein dienstbarer Geist im Weinberg der Spätaufklärung, aber, wie er selbst nicht müde wird zu betonen, ein Mann ohne die Fortune der Gabe, dass ihm Buchstaben zufliegen, Worte und Sätze, aus denen er ein von der Gesellschaft meistenteils verachtetes Brotgewerbe hätte machen können. Wallenberg hat das immer bedauert, aber nicht darob getrauert.
"Jeder hat sein Päckchen zu tragen", sagt er, dessen Hochbegabung im Bereich Getriebekunde früh entdeckt wurde. Er sei durch diesen Makel in seiner Talentausstattung glücklicherweise stets gezwungen gewesen, einem ernsthaften Beruf nachzugehen. "Sonst würde ich heute vielleicht", schmunzelt er immer, wenn er darauf angesprochen wird, "wie andere Geschwätzgelehrte bangen, was aus mir wird, wenn das Licht der Zivilisation wegen Corona wirklich verlischt."
Ob es passiert, ist noch unklar. Doch dass Fabian Wallenberg sich gründlich verrechnet hat, was seine eigene Rolle im großen Endspiel der Erdbevölkerung betrifft, dass lässt sich heute schon sicher vorhersagen. Denn ausgerechnet Wallenberg, der von sich selbst sagt, das längste Stück Prosa, was er je geschrieben habe, sei eine Karte aus dem Ferienlager an seine Oma mit dem Text "Essen schmeckt, Kinderdisko war ätzend, schickt bitte mehr Taschengeld", hat jetzt den ersten Thriller zum Virenfall vorgelegt.
"Wir-us", in der parallel veröffentlichten US-Ausgabe beziehungsreich "Vir-US" genannt, fasst zusammen, was wir bisher über die große Virus-Krise wissen und was nicht. Im Buch, das sich an klassischen Weltuntergangsthriller wie "The Stand" Oder "Passage" orientiert, stößt eine wagemutige junge Wissenschaftlerin aus Wurzen bei Experimenten mit lebenden Fledermäusen aus der Sächsischen Schweiz mitten in einer sogenannten Poofe auf Spuren von augenscheinlich zu allem entschlossenen Ökokriegern.
Mira Özak ist erst 27, ein Sohn deutsch-kurdischer Korsen aus Zypern, der als Frau fühlt, aber mit einer Frau aus Peru zusammenlebt, die für das Robert-Koch-Instiutut (RKI) arbeitet. Er ist prüft die gefundenen Beweise für eine Virusverschwörung im Labor des Ardenne-Institutes in Dresden, wo ihr ehemaliger Studienfreund Kevin Gerber als Computertechniker arbeitet. Kaum liegen die Ergebnisse der Quantenanalyse vor, stürmt ein Kommando Maskierter die Wissenschaftsburg auf dem Weißen Hirsch. Es gibt Tote, Mira und Kevin können mit Fahrrädern fliehen, ahnen aber nun, dass sie auf eine große Sache gestoßen sind.
Niemand im politische Berlin, wohin beide auf der Ladefläche eines Elektro-Truck geflohen sind, will ihnen helfen oder auch nur glauben. Auch beim RKI ist der Pförtner skeptisch, doch weil Deutschlands beste Forscher hier schon Verdacht gegen eine laufende Grippewelle geschöpft haben, die mit hoher Sterblichkeit einhergeht, werden beide schließlich angehört. Die Beweise überzeugen, doch der Gesundheitsminister verweigert eine Warnung der Bevölkerung.
Nun kommt es, wie es kommen muss. Langsam, aber stetig schneller breitet sich die Todesseuche, in Wallenbergs Buch "Hetzhusten" genannt, überall aus. Menschen sterben, die Behördenkämpfen einen verzweifelten Kampf, ein Impfstoff steht in Aussicht, doch die Produktionsfirma in der ländlichen Altmark wird zwei Tage nach den ersten Gerüchten über Heilungschancen und Impfungen für Prominente von einem aufgepeitschten Mob gestürmt. Mira Özak und Kevin Gerber wissen an dieser Stelle schon, dass die Ökokrieger-Vereinigung "Die wahre Welt" (DWW) hinter dem aufgeschnittenen Zaun und den zerstörten Laboren steht, doch es fehlt ihnen an Beweisen.
Der Niedergang, den Fabian Wallenberg schildert, geht ans Herz. Wie die Trinkwasserversorgung zusammenbricht, erst gelegentlich, dann für immer. Wie der Strom ausgeht, weil die Elektrowerker im Koma liegen. Wie der düne Firniß der Zuvilisation in aller Eile abblättert, während die eben noch unerreichbar scheinenden Klimaziele plötzlich mühelos erreicht werden, weil die Industrie zusammengebrochen ist.
Als Özak und Gerber endlich nach einer langen Odyssee nach Brüssel im Europol-Kommissar Harry Musak einen Experten finden, der ihnen zuhört, werden dubiose E-Mails auf seinem Computer gefunden. Selbst unter Verdacht wird Musak eins klar: Im Kampf für das Ziel, die Zukunft der Menschheit zu retten, geht DWW über Leichen. Musak stirbt beim Versuch, die Flucht der beiden deutschen Wissenschaftler zu decken, als ein Kommandotrupp von DWW einmal mehr punktgenau auftaucht, um die beiden einzigen Menschen zu erledigen, die zwischen der Gegenwart und der Seuche stehen, die Artensterben, Landversiegelung und Klimatod verhindern soll.
Wallenberg hat sein Buch im Stil einer klassischen Dystopie ebenso raffiniert wie gnadenlos gebaut. Atemberaubend seine Schilderung eines Europas im Dunkeln, bemerkenswert seine detailreichen Beschreibungen des Überlebenskampfes, den Menschen überall zu bestehen haben, als Einzelne, Familien oder in kleinen, oft spontan gebildeten Gruppen. Der Untergang dauert hier satte 486 Seiten, viel soll nicht verraten werden, aber abgesehen von einem Häuflein Naturimmuner, die sich vor den regierungsamtlichen Fängereinheiten, die nach immunem Blutplasma jagen, in den Tälern des Erzgebirges in Sicherheit gebracht haben, leben nach zwölf Wochen nur noch einige kleine Einheiten der Bundeswehr, Reste der Verwaltung und marodierende Gruppen von Regierungsbeamten, die die Crisis im Tiefbunker der Bundesregierung in der Eifel überstanden haben.
Viele Probleme, die es bis dahin gab, sind nun gelöst. Weder Bonpflicht noch europäischer Grenzschutz, weder die Thüringer Regierungsbildung noch die offene Frage der nächsten Kanzlerkandidatur der Union spielen im zweiten Teil des Buches eine Rolle. Stattdessen nagen die Herausforderungen eines Lebens nach dem Ende der Welt an den Überlebenden um Mira und Kevin, die vor ihrer größten Herausforderung stehe: Eine Zivilisation neu aufbauen, die von den immer noch agierenden Aktivisten von DWW weiterhin bedroht wird.
6 Kommentare:
Es gibt auch einen ganz üblen Sangdeklamierer. Reinhard Mey. Muß man nur nach Paket, Taschengeld, retten oder schmecken durchsuchen. Da findet man übelste Erduntergangsrettungsparanoialiedertexte.
https://www.reinhard-mey.de/sites/default/files/bilder/02_Mey_Inh_Texte_smaller.pdf
>> in den Tälern des Erzgebirges in Sicherheit gebracht haben
Stark, richtig stark. Erinnert an die alten Zeiten, als das noch die Roten Bergsteiger waren. Jetzt sind es Naturimmune. Stark.
Für die zu spät geborenen Mitleser.
Rote Bergsteiger ist die erste „offizielle“ Fernsehserie der DDR.
Zitat: "Özak ist erst 27, ein Sohn deutsch-kurdischer Korsen aus Zypern, der als Frau fühlt, aber mit einer Frau aus Peru zusammenlebt, die für das Robert-Koch-Instiutut (RKI) arbeitet."
Selten so gelacht:-))
Fiel mir noch ein
... daß der unter Zuhilfenahme des Verfassungsputsches von Merkel erst im 6 Wahlgang als Ministerpräsident Thüringens installierte Ramelow nun wieder den bibelfesten Christen geben darf, der er schon immer war ...
Rote Bete
https://www.gmx.net/magazine/panorama/ramelow-bete-tag-regnet-34536298
Bodo Ramelow: "Ich bete, dass es den ganzen Tag regnet"
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow erbat im Kampf gegen die Unvernunft der Menschen in den Hochzeiten der Gefahr der Infektion mit dem Coronavirus Hilfe von oben - und er wurde erhört. Der Wettergott lässt es über weiten Teilen Deutschlands regnen.
Ich habe die Schwarte geradezu verschlungen. Ganz großes direct-to-streaming Kino! Ich fand Wallenberg immer einen Sonderling, aber hier strahlt er wie die Sonne bei den Teletubbies. "Hetzhusten"! Wow und Doppel-Wow!!
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