Sonntag, 29. März 2020

Krisenblazer der Kanzlerin: Warum Frau Merkel nur noch eine Farbe trägt

Corona Krise Bundeskanzlerin Bekleidung
Die Krisenuniform der Bundeskanzlerin ist blau. Anders verkleidet tritt Angela Merkel derzeit nicht auf.

Lange überließ sie ihrem jungen Gesundheitsminister Jens Spahn die große Corona-Bühne, wie Vertraute der Kanzlerin sagen, damit der Nachwuchsmann sich profilieren kann. Oder, wie böse Zungen nicht müde werden zu behaupten, auf dass er scheitere und wertvolle Meter im Rennen um den begehrten CDU-Vorsitz verliere. Als Bundeskanzlerin Angela Merkel dann endlich doch noch auftauchte und mit mehreren gefeierten Auftritten (("So geht Führung!", Bild) Mut machte und Trost spendete, fiel auf, dass sie das stets im gleichen Outfit tat: Ein blauer Blazer, wie immer im Stil einer Mao-Jacke geschnitten, im Farbton leicht variierend, mal mit Brusttaschen, mal ohne. Aber immer blau, kragenlos und einreihig geknöpft.

Was will die Kanzlerin damit sagen? Welche Botschaft versteckt sich hinter dem fortgesetzten Rückgriff auf Spektralbereiche aus dem hexadezimalen Farbcode #0000ff / #00f, die im RGB-Farbmodell um die hundert Prozent Blauanteil changieren und im HSL-Farbraum ausgehend von #0000ff um einen einen Farbtonwinkel von 240 Grad bei 100 Prozent Sättigung und 50 Prozent Helligkeit fluktuieren?

PPQ-Kolumnistin Svenja Prantl hat mit Sören Alba Jahns gesprochen, der Angela Merkel seit Beginn der 90er Jahre in Modefragen berät und mittlerweile als Vorsitzender der staatlichen Bundeskanzlerinbekleidungsberatungskommission (BKBBK) fest im Bundeskanzlerinnenamt angestellt ist.

Jahns, gelernter Änderungsschneider, Textiltechnologe und zu Hochzeiten der Technoszene erfolgreich mit einer eigenen veganen Modelinie, steht für einen klaren Linienschnitt, sparsame Applikationen und eben für subkutane Farbbotschaften. Im Interview mit Svenja Prantl, die als Teenie selbst gemodelt hat, verrät der 33-jährige gebürtige Suhler das Geheimnis von Angela Merkels oft als "Pokemon-Jacken" belächelter Uniformierung - und er beantwortet die Frage nach dem derzeit so beharrlichen Blau und seiner Botschaft.


PPQ: Herr Jahns, Sie sind seit mehr als einem Vierteljahrhundert der persönliche Style-Coach unserer Bundeskanzlerin und sitzen inzwischen auch der Bundeskanzlerbekleidungsberatungskommission (BKBBK) vor. Was tut man da eigentlich genau?

Jahns: da kann ich nur für mich sprechen, denn viele Beratungsinhalte in der Kommission wie auch deren genaue Zusammensetzung sind aus gründen des Staatswohls geheimzuhalten, das ist so festgelegt, das ist keiner böser Wille von mir oder irgendejemandem. Aber Sie müssen verstehen, wir arbeiten direkt mit und an der deutschen Bundeskanzlerin, mithin an der mächtigsten Frau der Welt. Es gibt viele ausländische Mächte, Stichpunkt Russland, Stichpunkt CVhina, die nur zu gern so nahe dran wären.

PPQ: Nah dran bedeutet für Sie?

Jahns: Hautnah, wenn Sie so wollen. Wir legen wöchentlich den Bekleidungsplan für die Bundeskanzlerin fest, das heißt, sobald Termine feststehen und Anlässe, schauen wir, was haben wir da, was passt, was kann sie tragen. Dann wir ausgewählt, wobei die Kanzlerin natürlich das letzte Wort hat. Ich attestiere ihr da nach so vielen Jahren so enger Zusammenarbeit auch ein untrügliches Modegefühl. Sie weiß einfach, was ihr steht.

PPQ: Modegefühl wäre nun nicht der Begriff, der den meisten zuerst einfallen würde. Sie trägt doch stets dasselbe?

Sören Alba Jahns (r.) mit seinem bekannten Strohhut.
Jahns: Nun, das mag so scheinen und aus unserer Sicht soll es das auch. Als wir damals zusammensaßen, die ersten paar Begegnungen wzischen mir, dem jungen Modemacher, und ihr, der aufstrebenden Politikerin aus Hamburg, da haben wir beim Urschleim angefangen. Was soll ihr Mode, was passt zu ihr, was brandet sie am besten? Von Anfang an war klar, das kann nichts Exaltiertes sein, und es darf auch nichts sein, wo sich Menschen ständig neu einstellen müssen. Wir brauchen ein Layout, das variierbar ist, aber in den Grenzen dessen, was in einer sich ständig immer schneller verändernden Welt als wohltuend stabil empfunden wird.

PPQ: Es heißt, Sie selbst hätten dann die erste dieser an Mao-Uniformen erinnernden Jacken geschneidert, die die Kanzlerin bis heute trägt?

Jahns: Wenn es so heißt, will ich das nicht kommentieren. das ist lange her und spielt keine Rolle. wenn Sie aber heute schauen, war es nicht die schlechteste Entscheidung. Diese gerade geschnittenen Jacken wirken nicht sexuell aufreizend, sie sind aber auch keine männlichen Anzugjacken, weil sie schon feminin rüberkommen. Viel kann man mit Knöpfen und Taschen originalisieren und damit für Abwechslung sorgen, die nicht verstärkt, sondern beruhigt.

PPQ: Und über Farbe...

Jahns: Und über Farbe, ja, Da steht uns die ganze Palette zur Verfügung -wir haben diese Jacken in Rot, Gelb, Grün, Weiß, Silber und Gold, was immer Sie wollen, es ist da. Drei Viertel der Kollektion haben übrigens drei Knöpfe, ein Fünftel hat vier, der Rest nur zwei.

PPQ: Und wird ausgesucht nach welchen Gesichtspunkten?

Jahns: Nun, normalerweise soll die Kanzlerin dieselbe Farbe nicht gehäuft tragen, um draußenj in der Welt, vor allem im Ausland, nicht den Eindruck zu erwecken, die deutsche Regierungschefin habe nur eine einzige Jacke und trage die auf, bis sie auseinanderfällt. So ist es ja nicht, wir haben mehrere hundert Jacken im Fundus und beinahe täglich kommen neue dazu, damit wir für jede Situation gerüstet sind, und sei sie auch noch so außergewöhnlich. Wir schauen also nach den Anlässen, wir wissen durch die Vorabbabklärung, welches Farbumfeld es wo geben wird. Und wir empfehlen danach nach ausgiebiger Beratung in der BKBBK, welchen farbraum die Kanzlerin bespielen sollte. Das ist ja immer eine Frage von Harmonie oder Kontrast oder von beidem, da sind in der Kommission alle Fachleute, ausgebildete Spezialisten, bekannte Influencer sind dabei und Leute, die direkt aus der Farbindustrie kommen und Farbpaletten quasi blind bestimmen können.

PPQ: Erklären Sie unseren Leserinnen und Leserern doch bitte, wie es überhaupt zur Entscheidung kam, Angela Merkel immer gleich zu verpacken, das ist doch kein Zufall?

Jahns: Im Gegenteil. Wir haben damals, ich sagte es ja schon, darüber nachgedacht, wie wir sie branden können, also wiedererkennbar machen als eine Art Figur, neckisch gesagt wie sie Simpsons oder die Comicfigur Mario oder - daran wir damals zuerst - die drei helden aus dem Film "Olsenbande". Man gibt Dingen eine Kontur, hält an ihr fest und prägt damit ein Muster. Wir haben einmal den Fehler gemacht, von dieser Masterplan abzuweichen. Ich sage Ihnen, bei dem anschließenden Donnerwetter hätten Sie sicher nicht zugegen sein wollen. seitdem ist klar: Merkel, das ist diese Frisur, diese Jacke, diese Silhouette, Punkt.

PPQ: Was genau war denn damals geschehen? Erklären Sie es doch bitte für unsere vielen jüngeren LeserInnen, die jetzt hier mitlesen, weil sie nicht mehr zur Schule dürfen oder zur Uni.

Jahns:  Damals wollten wir Frau Merkel, oder wie ich sage Angela wegen der Finanzkrise ein wenig menschlicher, ein wenig unterhaltsamer und auch ein wenig  fraulicher designen. Wir haben sie deshalb in ein Kleid mit recht offenherzigem Ausschnitt und dann Bilder ihres Auftrittes machen lassen, wie das üblich ist. Aber das Echo war niederschmetternd, denn es stellte sich heraus, dass die Menschen, die Bürgerinnen und Bürger, das Verlässliche wollen, keine Experimente. Sie hätte  hochgeschlossen bleiben können, meinten die meisten. Zwar waren andere hellauf begeistert von unserer neuen Merkel, allen voran mehrere besonders merkeltreue Zeitungen. „Wie eine Königin“ sei Merkel aufgetreten, urteilte zum Beispiel das kleine Boulevardblatt BZ.

PPQ: Ist das nicht ein schöner Erfolg?

Jahns:  Um Gottes Willen! Erstens ist eine Zeitung wie die BZ für uns irrelevant, das liest kein Mensch mehr, nicht mal in Berlin. Und zweitens wollten wir ja keine ,Königin' erschaffen! Auch kein neues Sexsymbol wie es anderswo hieß. Wir haben Experiment sofort abgebrochen, obwohl einige sehr fantasiebegabte Kollegen von Ihnen sogar schwärmten, die Macht habe Frau Merkel schöner gemacht oder jubelten „So war sie als Kanzlerin noch nie zu sehen."

PPQ: Das war ein Kulturbruch?

Jahns: Das war ein schwerer Rückschlag für uns. Sie müssen wissen, dass es bei der Einführung einer Marke, einer Silhouette, einer Figur, die ins kulturelle Gedächtnis implantiert werden soll, vor allem auf Beharrlichkeit ankommt. Bekleidungskünstler wie Karl Lagerfeld, der einer meiner Lehrer war, haben das früh verstanden. Es geht darum, feste Linien zu wiederholen, Umrisse, einen Schattenriss. Nehmen Charlie Chaplin mit seiner Melone oder Churchill mit der Zigarre, dahin wollen wir letztlich auch mit Frau Merkel. Sie soll unverkennbar sein, nicht nur, wenn sie ihre Raute mit den Händen faltet, sondern schon, wenn sie in einem ihrer Blazer von Bettina Schoenbach oder Anna von Griesheim erscheint.


PPQ: Seit die Corona-Krise ausgebrochen ist, haben Sie ihre Strategie aber offenbar gewechselt. Angela Merkel trägt seit dem Beginn ihrer öffentlichen Beschäftigung mit dem Thema ausschließlich Blau. Was hat das für einen Grund?

Jahns: Wir senden Signale. Blau steht für Treue, aber auch für Traurigkeit, feeling blue, sagt der Amerikaner nicht umsonst. Die Kanzlerin in ihren blauen Jacken zeigt also einerseits Mitgefühl, die Menschen sehen, sie fühlt sich "blue", sie fühlt wie wir, sie kauft da dieses Toilettenpapier und sie redet uns ins Gewissen, und sie trägt blau, das Verlässlichkeit, Treue, Standhaftigkeit, Sachlihckeit und Kompetenz signalisiert.

PPQ: Und Sie sind sicher, dass das so aufgefasst wird?

Jahns: was ist schon sicher in diesen Zeiten (lacht). Aber ja, so weit es geht, sind wir sicher. Schauen Sie sich doch die Alternativen an: Soll sie Rot tragen? Gelb oder Orange? Das würde nur beunruhigen. Schwarz? Ein Trauerspiel! Grau und Weiß verbieten sich ebenso, wir müssen hier auf Trauertraditionen anderer Religionen Rücksicht nehmen. Braun, naja, das wissen Sie selbst. Grün, das haben wir zuletzt aufgrund der politischen Großwetterlage ja am häufigsten getragen, ist derzeit dem Ernst der Lage nicht angepasst. Silber und Gold, das wir oft zu festlichen Anlässen empfohlen haben, ist auch nicht das Richtige im Augenblick, für exaltierte Experimente in Violett oder Rosa gilt dasselbe. Also bleibt nur Blau, in bunten Nuancen, durch die wir alles zeigen, was die Bevölkerung wissen muss. Merkel ist da, sie steht stabil, sie klärt das für euch, für uns, für alle.

PPQ: Gelingt das? Sind Sie zufrieden?

Jahns: Das muss ich wolh, schließlich trage ich als Chef der BKBBK die Verantwortung (lacht). Aber ich finde wirklich,  Angela Merkel hat eine beispiellose Entwicklung durchgemacht und ist heute am Markt etabliert als eine seriöse Frau, die auch gerne einmal auffälligere Farben trägt, aber immer für sich selbst steht. Daran kann sich jede Frau, egal in welcher Position, ein Beispiel nehmen.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Merkels Modekommission macht einen tollen Job. Ich als Wähler (m,w,d) sehe, dass Merkels mutige Entscheidung für die eine Farbe klar und deutlich Stillstand symbolisiert. Und wir alle wissen, dass momenten jede Veränderung eine Veränderung zum Schlechteren bedeutet. Merkel steht für diesen Stillstand, ihre monochromen Auftritte können das überzeugend vermitteln und Stillstand ist das, was die Menschen in diesem Land brauchen.

Anonym hat gesagt…

Nebenbei, es heißt ja "die >blaue< Hel". Hel, zu der nach Felix Dahn diejenigen kommen, "die den Schwerttod fürchten", und die auf einem schreienden Thron sitzt, ist allerdings halb blau, halb fleischfarben. Wer einmal eine Leiche gesehen hat, die in Seitlage abgenibbelt ist, weiß, warum. (Livores)
Hel entspricht der Kali (Frau Holle auch), nach der die Stadt Kali-Katta benannt ist.
Jetzt kommt wohl wieder der Vorwurf, ich würde mich gar zu kryptisch ausdrücken ...

Anonym hat gesagt…

https://velesova-sloboda.info/archiv/pdf/bergmann-die-natuerliche-geistlehre.pdf