Sprache definiert Wirklichkeit, und die Bundesworthülsenfabrik (BWHF) designt Sprache für den politischen Gebrauch durch die Klasse der Entscheidungsträger in einem Land, das aufgrund seiner Geschichte sprachbelastet ist wie kein zweites. Seit 50 Jahren sind die Hülsendreher aus Berlin immer dort, das politische Geschehen tobt, wo geframt werden muss, vertuscht, verharmlost oder verschärfte, wo aus der Sprache die materielle Gewalt wächst, die Verhältnisse zum Tanzen zu bringen (Karl Marx), und wo es gilt, dem gemeinen Mann auf der Straße ein X für ein U vorzumachen.
Apokalypse in Zeitlupe
Auch in der Corona-Krise, eine Art zeitlupenhafte Apokalypse des Alltags, kam den Sprachtechnologen aus der BWHF von Anfang an eine entscheidende Rolle zu. Über Wochen hatte die Bundesregierung sich in Absprache mit den Parteiformationen der demokratischen Opposition bemüht, die aus China anschwappende Gefahr kleinzureden. Einerseits galt es, die Bevölkerung ruhig zu halten: Niemand wollte auf den Straßen Menschen sehen, die versuchen, sich mit Gesichtsmasken vor einer Tröpfcheninfektion schützen.
Zwar wäre das gesundheitlich zweifellos nützlich gewesen. Doch gesellschaftlich, so hatte das Kanzleramt beschlossen, sei der mutmaßliche Schaden höher einzuschätzen: Maskenmenschen senden ein beunruhigendes Alarmsignal aus, es bestand die Befürchtung, die Bürgerinnen und Bürger könnten den Ernst der Lage zu früh erkennen und an der Verlässlichkeit des Krisenmanagements der Großen Koalition zweifeln.
Panik und Beunruhigung hätten sich ausgebreitet, die offenen Grenzen wären ebenso infrage gestellt worden wie der Umstand, dass Deutschland offenbar nicht einmal über einen ausreichenden Vorrat an Billigmasken für alle Bürger verfügt. Das Risiko einer Spaltung der Gesellschaft in die, die eine Maske besitzen, und die, die keine haben ergattern können, was gewaltig - also wurden Experten in Marsch gesetzt, die entgegen jeder menschlichen Logik und aller Erfahrungen in anderen Ländern behaupteten, Gesichtsmasken nützen nicht nur nichts, sondern sie seien sogar gefährlich.
Kampagne gegen Bevorratung
Aus ähnlichen Beweggründen heraus startete eine Kampagne gegen die von der Bundesregierung selbst seit Jahrzehnten propagierte Bevorratung aller Haushalte mit einem Zehn-Tage-Vorrat an Lebensmitteln. Als "Hamstern" verleumdet, wurden die, die für sich und ihre Familien Ernstfallvorsorge betrieben, zu Volksschädlingen erklärt, deren Tun erst die Krise auslöse.
Die Rolle der Bundesworthülsenfabrik, die offiziell nie in die Regierungsarbeit während der Frühphase der Corona-Krise involviert war, bestand zwar auch in Sprachberatung etwa beim Kampf gegen "Hamsterer" - so wurde der aus der Zeit nach den beiden Weltkriegen stammende verunglimpfende Begriff aus dem Tierreich von einer vierköpfigen BWHF-Brigade aus dem hauseigenen Verbalarchiv geborgen und in einer Nachtschicht unter Quarantäne für den erneuten regierungsamtlichen Gebrauch aufgehübscht.
Geniestreich "Corona-Ferien"
Der wichtigste Beitrag der Worthülsendreher aber war zweifellos die Erfindung des Begriffes "Corona-Ferien", der passgenau beschwor, was die Bundesregierung in der Frühphase der Menschheitskrise zu propagieren versuchte: Corona ist nicht so schlimm, wir machen uns jetzt alle ein paar schöne Tage, geht raus, genießt die frische Luft, entschleunigt und überlasst den Rest uns.
Der Weltuntergang als langsames Wegdimmen der zivilisatorischen Errungenschaften des Abendlandes mit umfassenden Urlaubsverboten, Konsumverboten und Unterhaltungsverboten wurde mit Hilfe des von der Bundesworthülsenfabrik im Stile früherer Entwicklungen wie "Rettungspaket“, „Konjunkturspritze“, „Abwrackprämie“ und „Schuldenbremse“ designten Wortes zu einem fröhlichen Versprechen auf anstrengungslose Zeiten.
Ein Geniestreich, der erst mit einer gewissen Verzögerung seine wirklichkeitsprägende Kraft zeigte. Als in Berlin die nächste Stufe der Kriseneskalation eingeleitet werden musste, weil das laissez-faire der tatenlosen Monate seit Jahresbeginn wider Erwarten der Bundesregierung keinerlei Erfolg gezeitigt hatte, war der Gedanke von den Corona-Ferien bereits so fest im Volk verwurzelt, dass der Ernst der Lage kaum eine Chance hatte, Menschen zu verantwortungsvollem Handeln zu verleiten. Wenn man keine Masken braucht, nicht Hamstern muss und Corona-Ferien hat, was soll dann falsch laufen mit dem Leben?
Man sei sich der Spätwirkungen des auf Wunsch der Bundesregierung kreiirten Begriffes sehr wohl bewusst, hieß es dazu inoffiziell aus der BWHF-Chefetage, aber der einstellungsprägende Erfolg des von zwei Nachwuchshülsendrehern entworfenen zusammengesetzten Substantives habe die Verantwortlichen im Hause selbst überrascht. Es sei jetzt Wille und Wunsch der Bundesregierung ebenso wie der BWHF als untergeordneter Behörde, schnell mit einer neuen Wortprägung gegenzuhalten.
BWHF-Chef Rainald Schawidow erklärte gegenüber PPQ, ohne zitiert werden zu wollen, dass "alle da draußen sich schon freuen dürfen, denn wir haben eine ganze Reihe brandneuer Krisenvokabeln in der Mache, die den bisherigen Kurs der Verharmlosung nicht nur beenden, sondern wie ein Konterbier auf alle wirken werden, die immer noch glauben, sie könnten auf Kosten der Gemeinheit einfach Krisen-Urlaub machen."
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