Samstag, 7. März 2020

Bodos Bekenntnis: Ich bin ein Hufeisen

Auch im Thüringer Wald ist Karl Marx dank junger "Marxist Girls" zuhause, die nach Enteignung, Klassenkampf und Uniformierung lechzen.
Dass der nach großer Kabale im sechsten Wahlgang glücklich wieder ins Amt gescheiterte thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow im Grunde genommen kein echtes Mitglied der umbenannten SED ist, hat er selbst immer wieder deutlich gemacht. Ramelow regiert für die derzeit Linke genannte frühere DDR-Staatspartei wie Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg für die Grünen: Ein Pragmatiker der Macht, dem die Beschlüsse der eigenen Genossen ausschließlich wichtig sind, wenn sie dem entsprechen, was er selbst beschlossen hätte.

Ramelow, der schon vor Jahren sein Teil zur Integration ehemaliger Stasi-Mitarbeiter beitrug, indem er mit einem Stasi-Mann gem einsam eine Firma führte, ist sich selbst der Nächste. Die Genossen dürfen ihm folgen, er muss ihnen aber nicht.

Solche starken, unbeugsamen gestalten braucht Deutschland in diesen Tagen der grassierenden Unsicherheit. Männer, die ihrem eigenen Kompass folgen, die in Momenten, in denen die Genossen von Klassenkampf und Massenerschießungen träumen Distanz wahren, weil sie wissen, so schnell geht es nicht. Selbst mit Lagereinweisungen, wie Parteichef Bernd Riexinger sie im Kampf gegen die Reichen favorisiert,  wird man noch warten müssen, obwohl die historische Gelegenheit günstig ist, weil man im ersten Bundesland faktisch wie früher als Nationale Front gemeinsam mit SPD, CDU, Grünen und FDP gemeinsam regiert.

War es auch die Kanzlerin, die durch ihren Anweisung diese Regierung der nationalen Verantwortung ins Leben rief, so sind es doch Leute wie Bodo Ramelow, die den Regierungsalltag leben müssen, nachdem der erste neugewählte Ministerpräsident nur wenige Stunden nach seiner Geburt abgetrieben wurde.  Der Mann, von außen betrachtet ein Liberaler, war mit den Stimmen der falschen Abgeordneten gewählt worden.

Ein Zivilisationsbruch, manche sagen wie Buchenwald und Auschwitz, manche sprechen von der notwendigen Verschärfung der Klassenwidersprüche, andere merken an, dass der faulende Kapitalismus und die Machtergreifung der Faschisten einfach dazugehört, wenn es dem Ende zugeht, die Verdammten dieser Erde erwachen, das Recht wie Glut im Kraterherde mit Macht zum Durchbruch dringt und das Heer der Sklaven erwacht, weil es nicht länger erträgt, ein Nichts zu sein.

Aber immer langsam mit die jungen Pferde! Auch Thüringen wird nicht an einem Tag sozialistisch. Taktisches Geschick allein kann ein Überschießen der revolutionären Energie verhindern, die sich nicht in spontanen Erschießungs- und Enteignungsfantasien erschöpft, sondern seit Jahren Programm der Linkspartei ist. Bodo Ramelow, der sich seine Linkspartei passgenau zurechtgezurrt hat, musste hier bremsen und dafür neue Verbündete am anderen Ende des Hufeisens suchen. Bei der Wahl des neuen Landgspräsidiums entschied sich Ramelow deshalb "sehr grundsätzlich" (Ramelow), "auch mit meiner Stimme den Weg frei zu machen für die parlamentarische Teilhabe" der Faschisten vom rechtsextremistischen Höcke-Flügel.

Ein Triumph der AfD, der im Gegensatz zur Wahl des FDP-Ministerpräsidenten deutschlandweit auf große Akzeptanz trifft. Weder regte sich bei den großen westdeutschen Leitmedien Kritik am Schulterschluss der Ränder noch meldete sich die von der Vorsehung als Thüringer Demokratievormund eingesetzte Bundeskanzlerin mit straffen Regieanweisungen zu Wort.

Der Deutsche Bundestag, in dem mutige Abgeordnete aller Parteien des demokratischen Blocks seit 2017 hinhaltend Widerstand gegen "die parlamentarische Teilhabe" (Ramelow) der größten Oppositionspartei durch einen AfD-Vizepräsidenten leisten, sieht sich düpiert und seine Bemühungen karikiert.In Thüringen aber geht es um Größeres als um die parlamentarische Isolation eines Viertels der Wähler, das hat der westdeutsche Linken-Theoretiker Bernd Riexinger schon vor Jahren festgestellt. "Der gemeinsame Kampf um die sozialen "Garantien des Lebens" müsse zum missing link der zerklüfteten neuen alten Arbeiterklasse werden, schrieb er damals.

Der Weg ist kurz von einem Ende des Hufeisens zum anderen, wenn mutige Männer es erst wagen, eine Brücke über den Abgrund zu bauen, der den Finanzkapitalismus am Leben hält.

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