Die Nase muss frei sein, schließlich soll das Ohr etwas schmecken. Armit Laschet (Mitte) bei einem Frontbesuch. |
Wo andere zaudern, lässt er es ganz ruhig angehen. Wo andere glauben, sie könnten die Dinge beeinflussen, schaut Armit Laschet ihrem Lauf gelassen zu. Der alte Polithaudegen weiß, dass es in der Politik nie auf Tun oder Unterlassen ankommt, sondern darauf, wie Tun und Unterlassen im Nachhinein interpretiert werden. Richtig Handeln ist eine feine Sache, richtige Entscheidungen treffen darf bewundert werden. Der wahre Meister der politischen Auseinandersetzung aber tut, was er nicht vermeiden kann und behauptet später, das sei das Optimum des Möglichen gewesen.
So hat es Laschet von Angela Merkel abgeschaut und so ist er bis hierher gekommen: Im Kreis der Bewerber um die Nachfolge der ewigen Kanzlerin rückte der Rheinländer mit dem Charisma eines Bürovorstehers in den vergangenen Woche ohne eigenes Zutun immer weiter auf.
Merz weg, Spahn befriedet
Sein gefährlichster Gegenpart, der als bösartiger und egozentrischer "Konservativer" besetzte Friedrich Merz, geriet in die Corona-Krise, ohne ein Amt zu besitzen, das es ihm erlaubt, Tatkraft zu beweisen und Talkshow-Einladungen zu sammeln. Persönliche Tragik: Zudem infizierte er sich auch noch selbst mit dem Virus und musste gleich der Bundeskanzlerin für Tage und Wochen von der Bühne genommen werden.
Norbert Röttgen, von vielen schon wieder vergessener einstige erste Bewerber um CDU-Führung und Kanzleramt, tauchte gleich ab, als es losging. Und Jens Spahn, der nach Angaben aus Berlin immer noch amtierende Gesundheitsminister, schloss mit Laschet einen Pakt, der ihm erlaubt, später auf die begehrten Spitzenposten zuzugreifen. Jetzt soll er als Spannemann im Laschet-Lager helfen, den fast 20 Jahre älteren Parteikollegen an die CDU-Spitze zu befördern. Später dann, so die Verabredung, wird er das Erbe des bundesweit weitgehend unbekannten Laschet antreten.
Störend beim Manöver Machtübernahme ist allerdings Laschets Corona-Bilanz. Länger noch als andere schaute der Ex-Journalist zu, wie sich Covid-19 im Landkreis Heinsberg festsetze und nach und nach ganz NRW in Beschlag nahm. Unter den großen Flächenstaaten platziert sich Nordrhein-Westfalen in Woche zwei des Lockdown auf Platz 3, fast ein Viertel der Toten sind Landeskinder Laschets und dem Düsseldorfer Regierungschef schwant nun doch, dass eines Tages doch vielleicht jemand fragen könnte, wie es zu diesem Desaster kommen konnte. In Köln spricht man zumindest auf den Fluren des WDR schon davon, Laschet habe "zu lange den Trump gemacht", öffentlich aber gilt Laschet immer noch als kanzlerabel, so dass seine PR-Berater jetzt versuchten, ihn mit Bildern von einem Frontbesuch als Feldherren in der Corona-Schlacht zu zeigen (Fotos oben).
Infektionsschutz über allem
Das ging schief, weil Armin Laschet das Prinzip des Maskentragens auf die Schnelle ebensowenig beizubringen war wie die Grundlagen der eponentiellen Mathematik. Im Schatten der sogenannten Nasen-Affäre legte Laschets Landesregierung deshalb sofort mit einem außergewöhnlichen Gesetzentwurf nach, der alle denkbaren Schuldfragen prophylaktisch beantwortet.
Das neue "Infektionsschutzgesetz" (Entwurf hier) öffnet den Weg zu einem Notstandsrecht, das die Ermächtigungsgesetze von 1968 wie Vorbereitungen auf einen Kindergeburtstag wirken lässt. Das neue sogenannte Orban-Recht berechtigt Behörden in NRW künftig, von ihrem eigenen Totalversagen bei der Bevorratung mit medizinischem Material abzulenken, indem sie entsprechende Vorräte einfach bei Firmen beschlagnahmen, die kurzsichtig genug sind, selbst Vorräte vorzuhalten. Zugleich ermächtigt sich die Landesregierung, Krankenhäuser zur Schaffung von Behandlungskapazitäten zwingen zu dürfen und Ärzte, Pfleger, Rettungskräfte und jedwedes andere Person mit medizinischen Teilkenntnissen von Amts wegen für den Kampf gegen eine Epidemie verpflichten zu können, sollte es zu einem "erheblichen Mangel an Personal" kommen.
Der Rechtsanwalt Udo Vetter nennt die hier vorbereiteten "besonderen Handlungsbefugnisse im Rahmen einer epidemischen Lage von nationaler oder landesweiter Tragweite" schlicht "Zwangsarbeit". Nach dem Gesetzentwurf würde das Gesundheitsministerium nach Ausrufung einer Pandemie mit absoluter Macht regieren, es könnte nicht nur Dienstpflicht-Einberufungen, sondern auch Beschlagnahmungen durchführen, Preise festlegen, Güter von Privatpersonen einziehen und kommunale Behörden verpflichten, "Namen, Alter, Kontaktdaten sowie den jeweiligen Ausbildungsstand" aller Bürgerinnen und Bürger zu melden, "die über eine medizinische oder pflegerische Ausbildung oder eine Ausbildung in einem sonstigen Gesundheitsberuf verfügen".
Das Landesinfektionsschutzgesetz soll Laschets Planungen nach sogar höher stehen als das Grundgesetz: Per "Anordnung" ermächtigt es Landesbehörden ausdrücklich, "die Grundrechte der körperlichen Unversehrtheit (Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes) und der Freiheit der Person (Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes)" einzuschränken.
So muss in Friedenszeiten gar nicht mehr für den Katastrophenfall geplant werden, denn wenn er erst da, wird einfach durchregiert. Man holt sich, was man braucht und wen man braucht, der wird dienstverpflichtet. Es fehlt im Moment noch an einem Strafenkatalog für mögliche Verweigerer und Deserteure. Aber sobald die nächste Pandemie in Köln und Düsseldorf viral geht, fällt sicher auch das auf und man kann flugs nachschärfen.
Schwerer Blick, verrutschte Maske
Schlagartig sieht Armin Laschet nun aus wie die Tatkraft selbst. Sogar den derzeit in allen Kanzlerkandidatenhitparaden führenden Markus Söder lässt der gebürtige Aachener mit dem schweren Blick und der verrutschten Atemmaske (oben) mit seiner weltkriegstauglichen Notstandsgesetzgebung hinter sich. Grundrechte wie die Berufsfreiheit werden ebenso ausgehebelt wie derzeit schon das Grundrecht auf Freizügigkeit, was solls auch, es geht hier nicht um irgendwas, sondern um ein Wettrennen mit Söder!
Mitten in der Krise verschafft sich der Staat Eingriffsmöglichkeiten, die weit über alles hinausgehe, was bisher in Deutschland denkbar war. Die Stunde aber ist günstig und der Preis verlockend: Der Landtag wird das Gesetz in einem beschleunigten Verfahren binnen weniger Stunden beschließen. Und Armin Laschet wird später, wenn einmal eine Corona-Bilanz gezogen wird, behaupten können, dass nur das Fehlen dieser Rechtsgrundlage ihn anfangs gehindert habe, hart und entschieden durchzugreifen.