Dienstag, 31. März 2020

Armin Laschet: Mit der Maske im Machtkampf

Die Nase muss frei sein, schließlich soll das Ohr etwas schmecken. Armit Laschet (Mitte) bei einem Frontbesuch.

Wo andere zaudern, lässt er es ganz ruhig angehen. Wo andere glauben, sie könnten die Dinge beeinflussen, schaut Armit Laschet ihrem Lauf gelassen zu. Der alte Polithaudegen weiß, dass es in der Politik nie auf Tun oder Unterlassen ankommt, sondern darauf, wie Tun und Unterlassen im Nachhinein interpretiert werden. Richtig Handeln ist eine feine Sache, richtige Entscheidungen treffen darf bewundert werden. Der wahre Meister der politischen Auseinandersetzung aber tut, was er nicht vermeiden kann und behauptet später, das sei das Optimum des Möglichen gewesen.


So hat es Laschet von Angela Merkel abgeschaut und so ist er bis hierher gekommen: Im Kreis der Bewerber um die Nachfolge der ewigen Kanzlerin  rückte der Rheinländer mit dem Charisma eines Bürovorstehers in den vergangenen Woche ohne eigenes Zutun immer weiter auf.

Merz weg, Spahn befriedet


Sein gefährlichster Gegenpart, der als bösartiger und egozentrischer "Konservativer" besetzte Friedrich Merz, geriet in die Corona-Krise, ohne ein Amt zu besitzen, das es ihm erlaubt, Tatkraft zu beweisen und Talkshow-Einladungen zu sammeln. Persönliche Tragik: Zudem infizierte er sich auch noch selbst mit dem Virus und musste gleich der Bundeskanzlerin für Tage und Wochen von der Bühne genommen werden.

Norbert Röttgen, von vielen schon wieder vergessener einstige erste Bewerber um CDU-Führung und Kanzleramt, tauchte gleich ab, als es losging. Und Jens Spahn, der nach Angaben aus Berlin immer noch amtierende Gesundheitsminister, schloss mit Laschet einen Pakt, der ihm erlaubt, später auf die begehrten Spitzenposten zuzugreifen. Jetzt soll er als Spannemann im Laschet-Lager helfen, den fast 20 Jahre älteren Parteikollegen an die CDU-Spitze zu befördern. Später dann, so die Verabredung, wird er das Erbe des bundesweit weitgehend unbekannten Laschet antreten.

Störend beim Manöver Machtübernahme ist allerdings Laschets Corona-Bilanz. Länger noch als andere schaute der Ex-Journalist zu, wie sich Covid-19 im Landkreis Heinsberg festsetze und nach und nach ganz NRW in Beschlag nahm. Unter den großen Flächenstaaten platziert sich Nordrhein-Westfalen in Woche zwei des Lockdown auf Platz 3, fast ein Viertel der Toten sind Landeskinder Laschets und dem Düsseldorfer Regierungschef schwant nun doch, dass eines Tages doch vielleicht jemand fragen könnte, wie es zu diesem Desaster kommen konnte. In Köln spricht man zumindest auf den Fluren des WDR schon davon, Laschet habe "zu lange den Trump gemacht", öffentlich aber gilt Laschet immer noch als kanzlerabel, so dass seine PR-Berater jetzt versuchten, ihn mit Bildern von einem Frontbesuch als Feldherren in der Corona-Schlacht zu zeigen (Fotos oben).

Infektionsschutz über allem

 
Das ging schief, weil Armin Laschet das Prinzip des Maskentragens auf die Schnelle ebensowenig beizubringen war wie die Grundlagen der eponentiellen Mathematik. Im Schatten der sogenannten Nasen-Affäre legte Laschets Landesregierung deshalb sofort mit einem außergewöhnlichen Gesetzentwurf nach, der alle denkbaren Schuldfragen prophylaktisch beantwortet.

Das neue "Infektionsschutzgesetz" (Entwurf hier) öffnet den Weg zu einem Notstandsrecht, das die Ermächtigungsgesetze von 1968 wie Vorbereitungen auf einen Kindergeburtstag wirken lässt. Das neue sogenannte Orban-Recht berechtigt Behörden in NRW künftig, von ihrem eigenen Totalversagen bei der Bevorratung mit medizinischem Material abzulenken, indem sie entsprechende Vorräte einfach bei Firmen beschlagnahmen, die kurzsichtig genug sind, selbst Vorräte vorzuhalten. Zugleich ermächtigt sich die Landesregierung, Krankenhäuser zur Schaffung von Behandlungskapazitäten zwingen zu dürfen und Ärzte, Pfleger, Rettungskräfte und jedwedes andere Person mit medizinischen Teilkenntnissen von Amts wegen für den Kampf  gegen eine Epidemie verpflichten zu können, sollte es zu einem "erheblichen Mangel an Personal" kommen.

Der Rechtsanwalt Udo Vetter nennt die hier vorbereiteten "besonderen Handlungsbefugnisse im Rahmen einer epidemischen Lage von nationaler oder landesweiter Tragweite" schlicht "Zwangsarbeit". Nach dem Gesetzentwurf würde das Gesundheitsministerium nach Ausrufung einer Pandemie mit absoluter Macht regieren, es könnte nicht nur Dienstpflicht-Einberufungen, sondern auch Beschlagnahmungen durchführen, Preise festlegen, Güter von Privatpersonen einziehen und kommunale Behörden verpflichten, "Namen, Alter, Kontaktdaten sowie den jeweiligen Ausbildungsstand" aller Bürgerinnen und Bürger zu melden, "die über eine medizinische oder pflegerische Ausbildung oder eine Ausbildung in einem sonstigen Gesundheitsberuf verfügen".

Das Landesinfektionsschutzgesetz soll Laschets Planungen nach sogar höher stehen als das Grundgesetz: Per "Anordnung" ermächtigt es Landesbehörden ausdrücklich, "die Grundrechte der körperlichen Unversehrtheit (Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes) und der Freiheit der Person (Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes)" einzuschränken.


So muss in Friedenszeiten gar nicht mehr für den Katastrophenfall geplant werden, denn wenn er erst da, wird einfach durchregiert. Man holt sich, was man braucht und wen man braucht, der wird dienstverpflichtet. Es fehlt im Moment noch an  einem Strafenkatalog für mögliche Verweigerer und Deserteure. Aber sobald die nächste Pandemie in Köln und Düsseldorf viral geht, fällt sicher auch das auf und man kann flugs nachschärfen.

Schwerer Blick, verrutschte Maske


Schlagartig sieht Armin Laschet nun aus wie die Tatkraft selbst. Sogar den derzeit in allen Kanzlerkandidatenhitparaden führenden Markus Söder lässt der gebürtige Aachener mit dem schweren Blick und der verrutschten Atemmaske (oben) mit seiner weltkriegstauglichen  Notstandsgesetzgebung hinter sich. Grundrechte wie die Berufsfreiheit werden ebenso ausgehebelt wie derzeit schon das Grundrecht auf Freizügigkeit, was solls auch, es geht hier nicht um irgendwas, sondern um ein Wettrennen mit Söder!

Mitten in der Krise verschafft sich der Staat Eingriffsmöglichkeiten, die weit über alles hinausgehe, was bisher in Deutschland denkbar war. Die Stunde aber ist günstig und der Preis verlockend: Der Landtag wird das Gesetz in einem beschleunigten Verfahren binnen weniger Stunden beschließen. Und Armin Laschet wird später, wenn einmal eine Corona-Bilanz gezogen wird, behaupten können,  dass nur das Fehlen dieser Rechtsgrundlage ihn anfangs gehindert habe, hart und entschieden durchzugreifen.

Corona in den Medien: Die schrecklichen Bilder der Anderen

Die Google-Bildersuche zeigt, wie Medien die Corona-Situation in den USA darstellen: Kurz vor Katastrophe, ein Desaster.
Es könnte eines Tages mindestens ein Kapitel in einem Lehrbuch über Krisenmanagement werden: "How to handle a disaster" wird detailgenau nachvollziehen, wie es der deutschen Bundesregierung gelang, aus den privaten und halbstaatlichen Medienhäusern des Landes eine Waffe zu schmieden, die im Regierungsauftrag Regierungshandeln für gut, richtig und alternativlos erklärte. Und daran sogar festhielt, wenn dieses Regierungshandeln sich binnen weniger Stunden von einem definitiven Hüh in ein entschiedenes Hott verwandelte.

How to handle a disaster 


Sie machten einfach alles mit, verbreiteten getreulich jeden Quatsch, jede erkennbare Unlogik und jede Durchhalteparole ohne sachlichen Gehalt. Ob es galt, das Tragen von Masken zu verdammen, weil ohnehin keine zu haben waren, oder die niedrigen Todesraten in Deutschland mit den angeblich so hohen Testzahlen zu begründen - die Logik hatte Pause in den Schreibmaschinengewehrstellungen der vordersten Virus-Erklärungsfront. Nur nicht beunruhigen, nur nicht nachdenklich machen, nur nicht Regierungshandeln infragestellen war die Devise.


Hätte es jemand von ihnen verlangt, sie hätten zweifellos auch häufiges Fiebermessen als besonders fiebersenkende Behandlungmethode verkauft. Das Trinken von Alkohol als Vorsorgemaßnahme schaffte es zumindest.

Corona in Deutschland ist dagegen medial eine saubere Sache.
So gnadenlos kritisch deutsche Journalisten mit dem Krisenmanagement in anderen Staaten ins Gericht gehen, so zart und mitfühlend berichterstatten sie über die eigene Regierung. Russland etwa hat nach dem Dafürhalten deutscher Korrespondenten komplett versagt, China hat alle mögliche verschwiegen, die Briten sind viel zu spät wachgeworden, die Schweden gehen einen gefährlichen Sonderweg, die Österreicher hätten früher handeln müssen und die USA, in Person des alten Endgegners Donald Trump, zeigen nun endlich, dass alles am mächtigsten Land der Welt falsch ist. Das Gesundheitswesen, der Regierungschef, die Abriegelung der Grenzen, die zu späte Abriegelung der Grenzen, der Versuch, ein Medikament zu kaufen, dass es gar nicht gibt, und das Scheitern dabei.

Statistische Tricks helfen verschleiern


Für die Berichterstatter aus Hamburg, Berlin, München und Frankfurt ist es nur verdient, dass die USA nun ganz vorn liegen in der Corona-Hitparade. Am schlimmsten betroffen sei Trumps Land, ein Katastrophengebiet, schreiben sie, und die klammheimliche Freude darüber ist kaum zu überlesen. das haben sie nun davon, die Amerikaner, dass sie nicht auf deutsche Medien gehört, sondern Trump gewählt haben! Bereuen werden sie das noch, hoffentlich.


Dass es, um solche Superlative zu produzieren, einiger Kreativität mathematischer Ideen bedarf, stört nicht weiter. Wer schweigt, gewinnt, wer mit blanken Zahlen lügt, ohne sie in einen Kontext zu betten, erreicht, was er will. Die USA haben 327 Millionen Einwohner, von denen 150.000 infiziert sind. Deutschland hat 83 Millionen Einwohner und mehr als 60.000 Infizierte. In den USA ist damit knapp jeder 2.000. Bürger Corona-Patient.

In Deutschland ist es bereits jeder 1.200.

Aus nahezu doppelt so schwerer Betroffenheit die frohe Botschaft zu backen, der andere sei ganz schlimm dran, das zeigt wahre Meisterschaft in der Königsdisziplin politischer Manipulation: Lügen mit der Wahrheit. Man benutzt absolute Zahlen, die damit jede Vergleichbarkeit verlieren. Und zielt damit auf eine Externalisierung aller Misserfolge, denn lautes Wehklagen über das Versagen anderer hilft stets bei der Ablenkung vom eigenen Versagen.

Verräterische Bildsprache


Noch meisterhafter, wenn dieser Superlativ überhaupt existiert, ist nur der Umgang mit Bildern, vor allem in den öffentlich-rechtlichen Medien. Die zeigen immer wieder gern apokalyptische Szenen aus Italien und Spanien, Krankenhausflure mit Notbetten, vermummte, übernächtigte Schwestern und Ärzte, verzweifelte Angehörige und Militäreinheiten, die Tote abtransportieren. New York als Krisengebiet kurz vor der Kapitulation. Notfriedhöfe in Barcelona. Schlimm, schlimm, schlimm. Krankenpfleger klagen da, Ärzte schreiben verzweifelte Briefe, Patienten appellieren röchelnd an alle Gesunden und ein Hauch von Notstand hängt über den Supermärkten.


Aus Deutschland gibt es solche Bilder nicht zu sehen. Es gibt im Grunde überhaupt keine Berichterstattung aus medizinischen Bereichen. Keine Videos von übernächtigten Schwestern, keine Brandbriefe zorniger Pfleger, keine infizierten Ärzte, die hustend ein Videotagebuch sprechen. Deutschland im Krisenzustand ist eine saubere Sache, medial. Alle halten zusammen, unterstützen die Regierungsmaßnahmen und werden mit optimistischen Bildern belohnt.

Keine Schlangen vor Testzentren, wie sie aus den USA als Beleg für das Versagen der Trump-Administration gezeigt werden. Keine Schwerkranken an Beatmungsgeräten. Keine Leichenkeller. Die Bilder aus Deutschland, die dem deutschen Publikum gezeigt werden, sind geradezu aseptisch sauber: Gut aufgeräumte Kliniken, blitzblank gewienert, vor denen gut gefönte Pressesprecher Beruhigungspillen ausgeben. "Gewappnet" und "gut vorbereitet" ist man und gerade dabei, die "Kapazitäten hochzufahren".


Kaum fällt dabei auf, wie drastisch sich die Bildsprache je nach Schauplatz der Berichterstattung variiert. Ringsum der Zusammenbruch, hier heile Corona-Welt. Selbst die Folgen der Ausgangssperren können so auf zweierlei Weise verkauft werden: Stellen sie in den USA ein Beispiel für die Überforderung der Behörden und den Zusammenbruch der Gesellschaft dar, sind sie in Deutschland ein Beweis dafür, wie einfach Entschleunigung und Rückbesinnung auf ein Leben ohne Leistungszwang und Terminhetze ist.

Montag, 30. März 2020

Mein Corona: So überstand ich Covid-19



Bisher sind es vor allem die Prominenten, die Schauspieler, Ansager, Sänger und Moderatoren, die öffentlich stolz gestehen: "Ja, ich habe Covid-19". Da oben, in den Turbinenhäusern der Aufmerksamkeitsindustrie, gehört es zum guten Ton im rennen um Sendeplätze, Schlagzeilen und Talkshow-Einladungen, dabei zu sein, wenn etwas Neues ausprobiert wird. Wie all diese bekannten Gesichter an ein Virus gelangen, das derzeit nach offiziellen Zahlen gerademal jeder 1.300. Deutsche in sich trägt, bleibt unbekannt - doch auch andere, arglos Infizierte wissen nicht, wie es sie treffen konnte.

PPQ-Leser Andreas Behndorf* liefert nachfolgend seinen Corona-Testbericht, ein Tagebuch über ein Woche in Ungewissheit, konfrontiert den Feriengebräuchen des deutschen Gesundheitswesens und mit fachärztlicher Großkompetenz beim Exekutieren regierungsamtlicher Aufforderungen zu demonstrativer Gelassenheit. PPQ dokumentiert die Detailerzählung zur Weltkrise, gesundheitlicher Rat oder aber eine amtsärztliche Empfehlung sind damit nicht verbunden. Bleiben Sie besser zuhause, dort kann Ihnen am wenigsten geschehen.

Andreas Behndorf*: Ja, ich gebe es zu. Ich bin einer dieser anonymen Infizierten, späteren Geheilten. Jedenfalls fühle ich mich wieder gut. Es war genau am 08. Februar.20, da schickte mich mein Chef von Dienst nach Hause. "Ich sehe aus wie ausgerotzt" - und Fieber war wohl auch in Spiel.

Yo, freies Wochenende, Fußball gucken, im Netz schmökern, auf meinen Lieblingsseiten, Broder, Tichy, PPQ und - nö, das geht euch gar nix an. Aber auch interessant, immer wieder. Mittagsschlaf ist echter Luxus. Und noch war Samstag. So dämmerte ich in den Abend hinein. Als Absacker noch ein Gin Tonic in Kombination mit Pilsner Urquell. Gute Nacht.

Das Erwachen war schrecklich, Kopfschmerzen, Schüttelfrost und ein Reizhusten, wie ich ihn noch nicht kannte. Ein furztrockener Husten, stundenlang, ohne das geringste Kratzen im Hals. Dafür einen pappigen Belag in Mund und Rachen. So, wie ein Esslöffel Honig genascht, nur ohne süß. Das war neu, das war anders.

Husten ohne Hals


Seit Wochen brüllt die Presse was von Chinagrippe, Virus und Fledermaussuppe. Endlich Montag, mit reichlich voller Hose ab zum Arzt. Geschlossen, Winterferien. Schnell zur Vertretung. Geschlossen, andere Öffnungszeiten. Aber Morgen, Morgen bin ich der Erste hier.

Ein junger Arzt, der mein Sohn sein könnte, reichte mir die Hand zur Begrüßung. Ich schlug aus und verwies mit einem Lächeln auf eine mögliche Infektion mit diesem Chinazeugs. Die Tür war noch auf und ich legte schon die fertige Diagnose auf den Tisch. Das fand der gar nicht lustig.

Abfrage der Erkrankungssymptome, kurze Untersuchung, Mund auf Aahhh: „Holn'se mal tief Luft – durch den Mund bitte“, fertig. Kein Test, keine Blutabnahme. „Lassen Sie sich mal nicht anstecken von der Hysterie“.

Seine Diagnose: „Erkrankung der oberen Luftwege“. Wer jenseits der Elbe aufgewachsen ist kennt das noch als 465 im SV-Buch. Es gab wie damals fünf Tage Kasse, einen Hustensaft und einen Schleimlöser gegen den Schleim, den ich nicht hatte. Kein Schleim, keine Schnupfennase, nix.

Das Schleimzeugs ist bis heute ungeöffnet. Der Hustensaft war schrecklich, half nicht, hatte aber immerhin 30 Prozent Alkohol. Das geht auch in schmeckt besser, dachte ich mir und griff zum edlen Schotten Laphroaig. Zehn Jahre in Eiche gereift und schmeckt immer noch nach Desinfektionsmittel und altem nassen Lappen. Ein Geschenk, muss ja auch mal weg.

Hilfe jenseits der 40 Prozent


Aber da passierte was, da löste sich was – und mutig wie ich war schluckte ich es einfach mit runter. Der Hustensaft war raus, ab sofort gurgelte ich mehrmals täglich mit unterschiedlichstem Stoff jenseits der 40 Prozent eine Woche lang. Ich bin geheilt. Ein Wunder !

Ich habe nichts hinzugefügt - und auch nichts weggelassen. Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort.

Wer also infiziert ist, ein Alibi braucht zum Saufen oder einfach nur zur Prophylaxe, der folge meiner Heil- und Kurempfehlung. Am Besten ab sofort – unverzüglich.

* Name geändert

Gefährliche Fake News: Nähtipps von #maskeauf


Die "Tagesschau" warnte zum Glück frühzeitig vor den verhängnisvollen Folgen des Bedürfnisses, eine Maske zu tragen.

Als das Coronavirus Deutschland erreichte, wurde Gesundheitsminister Jens Spahn deutlich: Deutschland würde diese Krise mit offenem Visier abreiten und Gesicht zeigen gegen das tückische Virus. Bangemachen gilt nicht und Staaten, die mit Hilfe einer Maskenpflicht gegen die Ausbreitung der Seuche anzutreten versuchten, irrten gründlich. Spahn wurde deutlich: Statt sich mit einer Atemmaske vor der Tröpfcheninfektion zu schützen, sei es viel besser, sich immer mal die Hände zu waschen.

Klare Worte, die in eine klare Strategie mündeten. Auch acht Wochen nach dem Beginn der heißen Phase der Durchseuchung meidet die Bundesregierung jede Empfehlung an die Bürgerinnen und Bürger, sich mit Mundschutz-Masken auszustatten. Masken gelten als Verursacher unschöner Bilder, die die Bundeskanzlerin nicht sehen möchte. Passanten mit Masken in deutschen Städten könnten Teile der Bevölkerung beunruhigen und dadurch mehr Schaden am gesellschaftlichen Klima anrichten als ein paar Infizierte mehr oder weniger, die von einem hervorragend vorbereiteten deutschen Gesundheitswesen schnell und sicher wieder in die Wertschöpfungskette reintegriert werden.

Die Elite wird unruhig


Ausgerechnet Deutschland Kunst-, Kultur- und Wissenschaffende aber, traditionell treu zur rechtsstaatlichen Ordnung stehend, haben jetzt eine Fake-News-Kampagne losgetreten, die alle Bemühungen der Bundesregierung um "Transparenz und Offenheit" (Spahn) in der Maskenfrage zunichte zu machen droht. Unter dem Hashtag #maskeauf fordern Prominente, Fernsehstars und Influencer wie die Talkshowleiterin Anne Will (Foto unten) ultimativ dazu auf, Schutzmasken zu tragen. Obwohl die gegen die Ausbreitung des Coronavirus gar nichts nützen, "weil sie nicht vor einer Infizierung schützen", wie die staatliche Nachrichtenagentur DPA noch einmal rekapituliert.

Was ist da los? Fehlt es inmitten der "größten Bewährungsprobe seit dem Zweiten Weltkrieg" (Merkel) jetzt nicht nur an Beatmungsbetten, Gummihandschuhen und Klopapier, sondern auch an der bewährten engen Abstimmung zwischen der Geschäftsführerin der Will Media GmbH und der Chefin der Deutschland AG? 

Unwidersprochen  selbst von den unermüdlichen Falschmeldungsjägern der Meinungsfreiheitsschutzabteilungen des Bundesblogampelamtes (BBAA) im mecklenburgischen Warin verbreiten seit Tagen unzählige bekannte und weniger bekannte Namen über Fakenews-Schleudern wie Twitter, Facebook und Instagram irreführende Parolen, nach denen "der Schutz für Nase und Mund kann tatsächlich helfen" könne, "die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen". Deshalb sei "das Tragen eines Mundschutzes keineswegs eine übertriebene Vorsichtsmaßnahme", heißt es da. Dabei würde ein weltweiter Mangel an medizinischen Mundschutzmasken, den kein deutscher Politiker zu vertreten hat, zweifelsohne noch verschärft, statteten sich 83 Millionen Deutsche mit Masken aus, obwohl wissenschaftlich bisher gar nicht endabschließend erwiesen ist, dass oder inwiefern Masken vor einer Infektion mit dem Coronavirus schützen oder sie im Gegenteil befördern.

"Hinreichend" und "deutlich"



Auch das Robert Koch-Institut (RKI), die oberste deutsche Instanz bei der Beobachtung der Seuche, betonte vor seinem vorübergehenden Verschwinden aus der Öffentlichkeit, dass es keine hinreichenden Belege dafür gebe, dass gesunde Menschen, die einen Mund-Nasen-Schutz tragen, ihr Ansteckungsrisiko damit deutlich verringern. Die Betonung liegt auf "hinreichend" und "deutlich", denn weil es keine Masken gibt, müssen alle so tun, als ob sie nicht wichtig wären, wie der Fernsehmeteorologe Jörg Kachelmann feststellt. "Dieses Ausmaß der Verarsche ist schon sehr unangenehm, auch wenn ich die Motivation dahinter verstehe, dass der Staat lieber nicht gefragt werden möchte, warum es keine Masken nicht gibt."

Zu den wichtigsten und effektivsten Schutzmaßnahmen für die Allgemeinbevölkerung zählen nach offizieller Lesart wie vor gute "Händehygiene" (von der Leyen) sowie Abstandhalten. Daran kann immerhin kein Mangel ausbrechen.

Doch nun schießen die Selbstdarsteller quer: Der Virologe Alexander Kekule fordert eine Maskenpflicht, sein Konkurrent Christian Drosten stellt plötzlich fest, dass "Krankheitsübertragungen durch das Tragen von Masken reduziert werden". Und selbst die Bundesärztekammer stellt sich gegen die Regierungslinie und empfiehlt Bürgern das Tragen "einfacher Schutzmasken", weil jede Art von Tuch herumfliegende Tröpfchen abfingen.

Rechtspopulistische Masken-Panikmache


Dabei handelt es sich um eine ganz neue Eigenschaft des Virenträgerstoffes, der im Gegensatz zu allen Versicherungen von Experten und Politikern aus den  vergangenen acht Wochen steht. Statt dass sich Deutschlands Prominente, die intellektuellen Leuchttürme aus Schauspiel, Ansagerbranche, Gesang, Tanz und Influencing, nun kompakt und kollektiv gegen die Art rechtspopulistischer Panikmache engagieren, wird Angst geschürt. Wer niese, verteile Tröpfchen, wer ein gekaufte Maske oder auch nur einen Schal oder Ähnliches vor Mund und Nase hat, fange die Tröpfchen damit ab, heißt es in einer brandneuen Erkenntnis aus der Raketenwissenschaft.

In die Praxis umsetzen soll diese grundstürzende Erkenntnis ein Virus-Volkssturm, der landauf, landab behelfsmäßige Masken näht. Es gebe "sinnvolle Gründe, selbst gebastelte Masken zu tragen" heißt es nun in einer Volte, die mit dem Vorurteil aufräumt, Virologie sei eine mehr oder weniger exakte Wissenschaft  und Politik ein Gewerbe, das mit dem Vertrauen von Wählerinnen und Wähler wirtschaften muss. Die Maske, selbst gebastelt, von Rentnern, Schülerinnen oder gesellschaftlich engagierten Häftlingen genäht, ist nun eine „Höflichkeitsgeste“, die "Menschen, die das Virus bis heute nicht ernst nehmen, daran erinnert, dass die Lage sehr ernst ist", wie Christian Drosten meint.
Ein Vorteil beim Tragen des Mundschutzes sei es seit wenigen Tagen auch, dass man sich weniger mit möglicherweise kontaminierten Fingern an Mund oder Nase berührt und so Schmierinfektionen vorbeuge.

Aufruf von Prominenten


Die Funktion der Masken wäre damit geklärt: Die Initiative „#maskeauf“ zielt augenscheinlich direkt darauf ab, die Legitimität  der Entscheidungen der Bundesregierung zu unterminieren und unberechtigte Zweifel an der wissenschaftlichen Fundiertheit von Aufrufen zum Vermeiden des Tragens von Masken zu wecken. Stattdessen legt es die gesellschaftliche und künstlerische Elite aus Sängerinnen wie Lena Meyer-Landrut, der Autorin Charlotte Roche, dem Moderator Jan Köppen und dem CDU-YouTuber Rezo darauf an, im Land apokalyptische Szenen heraufzubeschwören, indem Menschen zu Millionen dazu verleitet werden, mit selbst gebastelten Maske aus T-Shirt-Stoff, Staubsaugerbeuteln und Damenslips auf die Straße zu gehen.

Ziel ist es, Unruhe zu schüren, die gemeinsamen Anstrengungen im Kampf gegen das neuartige Virus zu unterminieren und der kleinen, aber gefährlichen Minderheit in die Hände zu spielen, die noch nicht verstanden hat, dass es jetzt mehr denn je gilt, die Reihen zu schließen, zusammenzustehen und Gesicht zu zeigen.

Sonntag, 29. März 2020

Zitate zur Zeit: Nun leben die Menschen eingepfercht



Frühe Warnungen vor falscher Angst: Für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk war Corona gleich ein großes Thema.

China hat im Kampf gegen das Coronavirus mehr als 50 Millionen Menschen unter Quarantäne gestellt. Dass die Weltgesundheitsorganisation diesen schweren Eingriff in die Freiheitsrechte von Millionen ohne Weiteres unterstützt, ist eine Schande. Niemand will gerne krank werden. Aber China ist in der Lage, eine solche Entscheidung zu treffen, weil die Menschen kein Mitspracherecht haben.

Kaum ein Experte hält die Isolation einer Stadt für hilfreich.

Bei einer Quarantäne isoliert man Kranke, um gesunde Menschen zu schützen. Nun leben die Menschen eingepfercht in einer Stadt, in der die Lebensmittel knapp werden. Sie wissen nicht, wann ihre missliche Situation endet. Die Quarantäne war zudem nicht der letzte Ausweg. Peking hat die Abschottung genutzt, um Handlungsfähigkeit zu beweisen; als sie verhängt wurde, war der Ausbruch drei Wochen her.

Es gab in Asien bereits zahlreiche Fälle. Die Quarantäne über Wuhan kam viel zu spät. Die Entscheidung hat zu Panik geführt. Sinnvoll wäre es gewesen, die Menschen aufzufordern, zu Hause zu bleiben. Nun stürmen sie die Krankenhäuser, weil sie nicht mehr einschätzen können, wie gefährlich das Virus wirklich ist. Die Isolation hat die Menschen nicht geschützt. Sie hat sie in Gefahr gebracht.


Süddeutsche Zeitung, 27. Januar 2020

Krisenblazer der Kanzlerin: Warum Frau Merkel nur noch eine Farbe trägt

Corona Krise Bundeskanzlerin Bekleidung
Die Krisenuniform der Bundeskanzlerin ist blau. Anders verkleidet tritt Angela Merkel derzeit nicht auf.

Lange überließ sie ihrem jungen Gesundheitsminister Jens Spahn die große Corona-Bühne, wie Vertraute der Kanzlerin sagen, damit der Nachwuchsmann sich profilieren kann. Oder, wie böse Zungen nicht müde werden zu behaupten, auf dass er scheitere und wertvolle Meter im Rennen um den begehrten CDU-Vorsitz verliere. Als Bundeskanzlerin Angela Merkel dann endlich doch noch auftauchte und mit mehreren gefeierten Auftritten (("So geht Führung!", Bild) Mut machte und Trost spendete, fiel auf, dass sie das stets im gleichen Outfit tat: Ein blauer Blazer, wie immer im Stil einer Mao-Jacke geschnitten, im Farbton leicht variierend, mal mit Brusttaschen, mal ohne. Aber immer blau, kragenlos und einreihig geknöpft.

Was will die Kanzlerin damit sagen? Welche Botschaft versteckt sich hinter dem fortgesetzten Rückgriff auf Spektralbereiche aus dem hexadezimalen Farbcode #0000ff / #00f, die im RGB-Farbmodell um die hundert Prozent Blauanteil changieren und im HSL-Farbraum ausgehend von #0000ff um einen einen Farbtonwinkel von 240 Grad bei 100 Prozent Sättigung und 50 Prozent Helligkeit fluktuieren?

PPQ-Kolumnistin Svenja Prantl hat mit Sören Alba Jahns gesprochen, der Angela Merkel seit Beginn der 90er Jahre in Modefragen berät und mittlerweile als Vorsitzender der staatlichen Bundeskanzlerinbekleidungsberatungskommission (BKBBK) fest im Bundeskanzlerinnenamt angestellt ist.

Jahns, gelernter Änderungsschneider, Textiltechnologe und zu Hochzeiten der Technoszene erfolgreich mit einer eigenen veganen Modelinie, steht für einen klaren Linienschnitt, sparsame Applikationen und eben für subkutane Farbbotschaften. Im Interview mit Svenja Prantl, die als Teenie selbst gemodelt hat, verrät der 33-jährige gebürtige Suhler das Geheimnis von Angela Merkels oft als "Pokemon-Jacken" belächelter Uniformierung - und er beantwortet die Frage nach dem derzeit so beharrlichen Blau und seiner Botschaft.


PPQ: Herr Jahns, Sie sind seit mehr als einem Vierteljahrhundert der persönliche Style-Coach unserer Bundeskanzlerin und sitzen inzwischen auch der Bundeskanzlerbekleidungsberatungskommission (BKBBK) vor. Was tut man da eigentlich genau?

Jahns: da kann ich nur für mich sprechen, denn viele Beratungsinhalte in der Kommission wie auch deren genaue Zusammensetzung sind aus gründen des Staatswohls geheimzuhalten, das ist so festgelegt, das ist keiner böser Wille von mir oder irgendejemandem. Aber Sie müssen verstehen, wir arbeiten direkt mit und an der deutschen Bundeskanzlerin, mithin an der mächtigsten Frau der Welt. Es gibt viele ausländische Mächte, Stichpunkt Russland, Stichpunkt CVhina, die nur zu gern so nahe dran wären.

PPQ: Nah dran bedeutet für Sie?

Jahns: Hautnah, wenn Sie so wollen. Wir legen wöchentlich den Bekleidungsplan für die Bundeskanzlerin fest, das heißt, sobald Termine feststehen und Anlässe, schauen wir, was haben wir da, was passt, was kann sie tragen. Dann wir ausgewählt, wobei die Kanzlerin natürlich das letzte Wort hat. Ich attestiere ihr da nach so vielen Jahren so enger Zusammenarbeit auch ein untrügliches Modegefühl. Sie weiß einfach, was ihr steht.

PPQ: Modegefühl wäre nun nicht der Begriff, der den meisten zuerst einfallen würde. Sie trägt doch stets dasselbe?

Sören Alba Jahns (r.) mit seinem bekannten Strohhut.
Jahns: Nun, das mag so scheinen und aus unserer Sicht soll es das auch. Als wir damals zusammensaßen, die ersten paar Begegnungen wzischen mir, dem jungen Modemacher, und ihr, der aufstrebenden Politikerin aus Hamburg, da haben wir beim Urschleim angefangen. Was soll ihr Mode, was passt zu ihr, was brandet sie am besten? Von Anfang an war klar, das kann nichts Exaltiertes sein, und es darf auch nichts sein, wo sich Menschen ständig neu einstellen müssen. Wir brauchen ein Layout, das variierbar ist, aber in den Grenzen dessen, was in einer sich ständig immer schneller verändernden Welt als wohltuend stabil empfunden wird.

PPQ: Es heißt, Sie selbst hätten dann die erste dieser an Mao-Uniformen erinnernden Jacken geschneidert, die die Kanzlerin bis heute trägt?

Jahns: Wenn es so heißt, will ich das nicht kommentieren. das ist lange her und spielt keine Rolle. wenn Sie aber heute schauen, war es nicht die schlechteste Entscheidung. Diese gerade geschnittenen Jacken wirken nicht sexuell aufreizend, sie sind aber auch keine männlichen Anzugjacken, weil sie schon feminin rüberkommen. Viel kann man mit Knöpfen und Taschen originalisieren und damit für Abwechslung sorgen, die nicht verstärkt, sondern beruhigt.

PPQ: Und über Farbe...

Jahns: Und über Farbe, ja, Da steht uns die ganze Palette zur Verfügung -wir haben diese Jacken in Rot, Gelb, Grün, Weiß, Silber und Gold, was immer Sie wollen, es ist da. Drei Viertel der Kollektion haben übrigens drei Knöpfe, ein Fünftel hat vier, der Rest nur zwei.

PPQ: Und wird ausgesucht nach welchen Gesichtspunkten?

Jahns: Nun, normalerweise soll die Kanzlerin dieselbe Farbe nicht gehäuft tragen, um draußenj in der Welt, vor allem im Ausland, nicht den Eindruck zu erwecken, die deutsche Regierungschefin habe nur eine einzige Jacke und trage die auf, bis sie auseinanderfällt. So ist es ja nicht, wir haben mehrere hundert Jacken im Fundus und beinahe täglich kommen neue dazu, damit wir für jede Situation gerüstet sind, und sei sie auch noch so außergewöhnlich. Wir schauen also nach den Anlässen, wir wissen durch die Vorabbabklärung, welches Farbumfeld es wo geben wird. Und wir empfehlen danach nach ausgiebiger Beratung in der BKBBK, welchen farbraum die Kanzlerin bespielen sollte. Das ist ja immer eine Frage von Harmonie oder Kontrast oder von beidem, da sind in der Kommission alle Fachleute, ausgebildete Spezialisten, bekannte Influencer sind dabei und Leute, die direkt aus der Farbindustrie kommen und Farbpaletten quasi blind bestimmen können.

PPQ: Erklären Sie unseren Leserinnen und Leserern doch bitte, wie es überhaupt zur Entscheidung kam, Angela Merkel immer gleich zu verpacken, das ist doch kein Zufall?

Jahns: Im Gegenteil. Wir haben damals, ich sagte es ja schon, darüber nachgedacht, wie wir sie branden können, also wiedererkennbar machen als eine Art Figur, neckisch gesagt wie sie Simpsons oder die Comicfigur Mario oder - daran wir damals zuerst - die drei helden aus dem Film "Olsenbande". Man gibt Dingen eine Kontur, hält an ihr fest und prägt damit ein Muster. Wir haben einmal den Fehler gemacht, von dieser Masterplan abzuweichen. Ich sage Ihnen, bei dem anschließenden Donnerwetter hätten Sie sicher nicht zugegen sein wollen. seitdem ist klar: Merkel, das ist diese Frisur, diese Jacke, diese Silhouette, Punkt.

PPQ: Was genau war denn damals geschehen? Erklären Sie es doch bitte für unsere vielen jüngeren LeserInnen, die jetzt hier mitlesen, weil sie nicht mehr zur Schule dürfen oder zur Uni.

Jahns:  Damals wollten wir Frau Merkel, oder wie ich sage Angela wegen der Finanzkrise ein wenig menschlicher, ein wenig unterhaltsamer und auch ein wenig  fraulicher designen. Wir haben sie deshalb in ein Kleid mit recht offenherzigem Ausschnitt und dann Bilder ihres Auftrittes machen lassen, wie das üblich ist. Aber das Echo war niederschmetternd, denn es stellte sich heraus, dass die Menschen, die Bürgerinnen und Bürger, das Verlässliche wollen, keine Experimente. Sie hätte  hochgeschlossen bleiben können, meinten die meisten. Zwar waren andere hellauf begeistert von unserer neuen Merkel, allen voran mehrere besonders merkeltreue Zeitungen. „Wie eine Königin“ sei Merkel aufgetreten, urteilte zum Beispiel das kleine Boulevardblatt BZ.

PPQ: Ist das nicht ein schöner Erfolg?

Jahns:  Um Gottes Willen! Erstens ist eine Zeitung wie die BZ für uns irrelevant, das liest kein Mensch mehr, nicht mal in Berlin. Und zweitens wollten wir ja keine ,Königin' erschaffen! Auch kein neues Sexsymbol wie es anderswo hieß. Wir haben Experiment sofort abgebrochen, obwohl einige sehr fantasiebegabte Kollegen von Ihnen sogar schwärmten, die Macht habe Frau Merkel schöner gemacht oder jubelten „So war sie als Kanzlerin noch nie zu sehen."

PPQ: Das war ein Kulturbruch?

Jahns: Das war ein schwerer Rückschlag für uns. Sie müssen wissen, dass es bei der Einführung einer Marke, einer Silhouette, einer Figur, die ins kulturelle Gedächtnis implantiert werden soll, vor allem auf Beharrlichkeit ankommt. Bekleidungskünstler wie Karl Lagerfeld, der einer meiner Lehrer war, haben das früh verstanden. Es geht darum, feste Linien zu wiederholen, Umrisse, einen Schattenriss. Nehmen Charlie Chaplin mit seiner Melone oder Churchill mit der Zigarre, dahin wollen wir letztlich auch mit Frau Merkel. Sie soll unverkennbar sein, nicht nur, wenn sie ihre Raute mit den Händen faltet, sondern schon, wenn sie in einem ihrer Blazer von Bettina Schoenbach oder Anna von Griesheim erscheint.


PPQ: Seit die Corona-Krise ausgebrochen ist, haben Sie ihre Strategie aber offenbar gewechselt. Angela Merkel trägt seit dem Beginn ihrer öffentlichen Beschäftigung mit dem Thema ausschließlich Blau. Was hat das für einen Grund?

Jahns: Wir senden Signale. Blau steht für Treue, aber auch für Traurigkeit, feeling blue, sagt der Amerikaner nicht umsonst. Die Kanzlerin in ihren blauen Jacken zeigt also einerseits Mitgefühl, die Menschen sehen, sie fühlt sich "blue", sie fühlt wie wir, sie kauft da dieses Toilettenpapier und sie redet uns ins Gewissen, und sie trägt blau, das Verlässlichkeit, Treue, Standhaftigkeit, Sachlihckeit und Kompetenz signalisiert.

PPQ: Und Sie sind sicher, dass das so aufgefasst wird?

Jahns: was ist schon sicher in diesen Zeiten (lacht). Aber ja, so weit es geht, sind wir sicher. Schauen Sie sich doch die Alternativen an: Soll sie Rot tragen? Gelb oder Orange? Das würde nur beunruhigen. Schwarz? Ein Trauerspiel! Grau und Weiß verbieten sich ebenso, wir müssen hier auf Trauertraditionen anderer Religionen Rücksicht nehmen. Braun, naja, das wissen Sie selbst. Grün, das haben wir zuletzt aufgrund der politischen Großwetterlage ja am häufigsten getragen, ist derzeit dem Ernst der Lage nicht angepasst. Silber und Gold, das wir oft zu festlichen Anlässen empfohlen haben, ist auch nicht das Richtige im Augenblick, für exaltierte Experimente in Violett oder Rosa gilt dasselbe. Also bleibt nur Blau, in bunten Nuancen, durch die wir alles zeigen, was die Bevölkerung wissen muss. Merkel ist da, sie steht stabil, sie klärt das für euch, für uns, für alle.

PPQ: Gelingt das? Sind Sie zufrieden?

Jahns: Das muss ich wolh, schließlich trage ich als Chef der BKBBK die Verantwortung (lacht). Aber ich finde wirklich,  Angela Merkel hat eine beispiellose Entwicklung durchgemacht und ist heute am Markt etabliert als eine seriöse Frau, die auch gerne einmal auffälligere Farben trägt, aber immer für sich selbst steht. Daran kann sich jede Frau, egal in welcher Position, ein Beispiel nehmen.

Samstag, 28. März 2020

Pandemie-Poesie: Gebet eines guten Bürgers


Als es hieß, man soll nicht Hamstern,
bin ich nicht Hamstern gewesen.

Es würde stets immer alles da sein,
haben sie gesagt.

Als es hieß, man soll nicht mehr rausgehen,
das sei erste Bürgerpflicht,

war ich bereit.
Wir alle müssen verzichten.

Ich sah die Notwendigkeit ein.
Ich wollte ein guter Bürger sein.

Dann stand ich vor meinem Kühlschrank.

Und es war nichts drin.


Dieser Beitrag ist eine Zusendung unseres Lesers Eliah L., mit dem wir die neuen PPQ-Krisenreihe "Seuchengedichte" eröffnen. Eigene Beiträge in freier Form, gereimt oder gesungen können an PPQ gesendet werden

Endlich echter Sozialismus: Ein Volk von Staatsdienern

"Kein Arbeitsplatz geht wegen Corona verloren"
Dank der pfiffigen Ideen der Bundesregierung wird Deutschland berührungslos durch die Krise schlüpfen.

Es war wieder einmal Christian Linder, der Chef der Nazi-Helferpartei FDP, der quertrieb und Wasser in den Wein der großen Corona-Rettung goss. "Irgendwann einmal wird auch jemand dafür bezahlen müssen", war sich der FDP-Chef nicht zu schade zu ätzen, als der Bundestag gerade im Begriff stand, den Tagesordnungspunkt mit dem rätselhaften Namen "COVID 19 - Kreditobergrenzen, Nachtragshaushalt, Wirtschaftsfonds" in einem gemeinschaftlichen nationalen Kraftakt durchzuwinken.

Ein Moment seltener Klarheit, denn ungeachtet der liberalen Unkenrufe stimmten nur drei Abgeordnete gegen den großen Plan zur Bewältigung der Tagesaufgabe, die neue wirtschaftliche Dynamik in den Ruinen der früheren Exportmacht entfachen soll. Selbst die AfD unterwarf sich dem kollektiven Willen und stimmte im Stil der Thüringer CDU bei der Ramelow-Wahl durch Enthaltung zu.

Unnütze Wirtschaft


Allerdings gilt das Bemühen aller Parteien einer wirtschaftlichen Dynamik, die kaum noch gebraucht wird. Seit zwei Wochen schon ruhen nun Arbeit und Geschäfte im Lande, das Leben ist auf höchste Erholung entschleunigt, die Straßen sind leer, das oft hektische spätkapitalistische Jagen nach der Wurst ist nahezu vollkommen zu Erliegen gekommen. Und es geht!

Und wie! Mieten müssen nicht mehr zwingend gezahlt werden, Rechnungen können offen bleiben. Einkäufe sind dank rechtzeitiger Aufforderungen der Bundesregierung zu privater Vorratshaltung nicht nötig, was über den Konsum von Waren des täglichen Bedarfs hinausgeht, ist Einkaufen ohnehin nicht mehr möglich, weil sämtliche Ladengeschäfte geschlossen wurden. Diesem Umstand zu verdanken ist ein Ausbleiben von nervenden Werbebotschaften, sich doch nun noch dies und das anzuschaffen, da oder dort hinzureisen oder Kinos, Konzerthallen und Schwimmbäder zu besuchen.

Dessenungeachtetnd doch scheint die Sonne, den Bürgerinnen und Bürgern geht es gut, weil der Staat sich kümmert und die Demokratie sich stark wie nie zeigt und Hilfspakete geschnürt hat, deren festlich geknotete Schleifen den Mond berühren. Die himmelhohen Kredite aber werden nicht einfach verteilt, denn das wäre zwecklos in einer gesellschaftlichen Entwicklungsphase, in der sich zweigt, dass das Glück, Klopapier zu ergattern, nicht käuflich ist, und der Weg, Toilettenpapier der marktwirtschaftlichen Willkür zu unterwerfen, falsch war.  Sie werden ausgereicht, um die Gemeinschaft zu immuniseren gegen die Versuchung, zurückzukehren auf den falschen Pfad von Wachstum und Klimatod.

Ein Volk von Staatsdienern


Nur Gemeinsinn, gegründet auf kostenloses Geld für alle, kann Genügsamkeit auslösen, die nicht nach Höherem, Weiterem und Schnellerem drängt. Die Volkseigene Papierfabrik Heiligenstadt, einst stolzer Betrieb im VEB Kombinat Zellstoff und Papier Heidenau, hatte die DDR stabil versorgt, zwar mit dem Klopapier der harten Tatsachen, aber die Gewöhnung daran war allgemein. Die freie Marktschaft aber vermag das nicht, nicht einmal das - ein Signal, das nicht nur in diesem sensiblen Teilbereich des gesellschaftlichen Lebens für das Primat des Staates spricht. 

Er allein, das zeigt sich in diesen schweren Stunden der Seuche, ist in der Lage, die unmittelbaren Pandemiefolgen wegzubremsen, indem er der Erwerbsgesellschaft eine Erholungspause verordnet, in die Haftung für Mieten und Rechnungen geht und denen, die deshalb die Löhne ihrer Mitarbeiter nicht mehr zahlen können, ein Ablöhung der Gehälter direkt aus der Staatskasse verspricht. Das bedingungslose Grundeinkommen, um das so viele Karrusellbremser, Hafenclowns und Rostradnutzer so lange zu engagiert gekämpft haben, es kommt über Nacht und es kommt für fast alle.

Königsweg in den Kommunismus


Das ist der Königsweg in eine Zukunft, in der klimazerstörendes Herumschuften, Ressourcen verbrauchen und Dinge herstellen, um sie zu exportieren, als Tätigkeiten anerkannt sein werden, die jede Ächtung  verdient haben. Eine moderne Gesellschaft, das zeigt diese Krise, benötigt weder Verwaltungen noch Fabriken, keine Straßen, keine Läden, sie benötigt nicht einmal Geld.

Was den Theoretikern des Sozialismus seinerzeit niemand hatte glauben wollen, weil es ihnen nie gelang, den Tatsachenbeweis für ihre Versprechen eines anstrengungslosen Wohlstandes durch kompromisslose Gleichheit anzutreten, liefert die Praxis jetzt als Beleg. Ein Leben ohne  Erwerbsarbeit nicht nur denkbar, sondern möglich ist und zudem sozialverträglicher und "klimaneutraler" (AKK) als der bisher gewohnte Trott.

Der Staat kann sich das locker leisten, denn der Bund hat gut gewirtschaftet hat. Lindners hetzerische Frage, wer das bezahlen soll, erübrigt sich. Jedenfalls nicht der Steuerzahler! Das Geld ist da, und sollte doch noch etwas fehlen, dann wird einfach neues gemacht.

Freitag, 27. März 2020

Tiefkühltruhenindikator: Ein Rest Vertrauen

Stromversorgung Vertrauen Bürger
Eine leere Supermarkt-Tiefkühltruhe verrät Wissenschaftlern, dass die Menschen weiterhin großes Vertrauen in das Handeln der Regierung haben.
Diese Tage sind düster, trotz Sonnenschein. Die Welt geht unter, die Menschen leben in Furcht und Sorge. Was wird aus meiner Zukunft? Was wird aus meinem Arbeitsplatz? Was wird aus meiner Rente, was wird, wenn ich krank werde? Wie hilft mir die Regierung, die mittlerweile im Tagesrhythmus Maßnahmen verkündet und verschärft und die verschärften Stunden später weiter verschärft und Gesetze erlässt, als wäre das Land im Krieg, obwohl doch die Lage nach Aussage führender Vertreter der größten Regierungspartei "im Griff" (Laschet) ist?




Großartige Führung in der Krise


Hamsterer, Prepper und Vorsorger, die zum falschen Zeitpunkt unmissverständlichen Regierungsanweisungen folgten, stellten sich als Volksschädlinge heraus. Nur dank einer Medienmaschine, die unter Volllast betonte, wie gut und großartig die Führung des Landes durch die Krise manövriert, gelang es, die beunruhigte Bevölkerung auf dem Boden zu halten. Erst als es dann hieß, es werde in Deutschland immer Klopapier, Seife und Mehl geben, taten sich Lücken im Angebot auf, die vermuten ließen, dass nicht mehr alle Volksgenossen an den Endsieg über das Virus glauben.

So schlimm, wie die leeren Regale vermuten lassen, ist die Situation aber lange nicht. Zwar mehren sich außerhalb der leeren Großraumbüros der führenden Medienhäuser Zweifel daran, ob die Pandemie-Strategie der Großen Koalition, die ganz auf Repression, Überwachung und strengere Gesetze setzt, wirklich absolut perfekt ist.

Doch wie der Medienforscher Hans Achtelbuscher jetzt anhand eines ungewöhnlichen Indikators nachgewiesen hat, ist das Grundvertrauen der "Bevölkerung" (Hans Haacke) in die Bundesregierung auch nach mehr als 25.000 Covid-19-Erkrankten im Land nahezu ungebrochen. Achtelbuscher, der am An-Institut für Angewandte Entropie der Bundeskulturstiftung zu aktuellen Phänomenen wie dem Themensterben in den deutschen Medien, Sprachregelungsmechanismen und dem Einfluss subkutaner Wünsche auf die berichterstattete Realität forscht, zieht den sogenannten "Tiefkühltruhenindikator" heran, um unabhängig von propagandistischen Sinngebungsübungen das tatsächliche Maß des in der vierten Krisenwoche noch vorhandenen Vertrauens der Bürgerinnen und Bürgern in das zuweilen erratisch wirkende Regierungshandelns zu messen.

Dort, so Achtelbuscher, ließen sich wie mit einem Fieberthermometer Zukunftserwartungen der Menschen im Lande ablesen, die, abgeglichen mit anderen Daten, etwa aus dem Regal für Hygieneartikel, der Nachfrage nach Toilettenpapier und nach Dosennahrung, ein exakten Abbild der gefühlten Veränderungen des Alltagsleben in den kommenden Monaten und Jahren ergeben. "Leere Klopapierregale, fehlende Gummihandschuhe und Abgabebegrenzungen bei Milch, Erbsensuppe und Mineralwasser belegen eine kurzfristig höhere Nachfrage, die uns verrät, dass Menschen versuchen, sich auf Eventualitäten vorzubereiten, die sie noch nicht konkret überschauen", sagt Achtelbuscher.

Je leerer die Truhe, desto größer das Vertrauen


Beunruhigen aber müssten dergleichen Phänomene nicht, so lange der Tiefkühlindikator Hoffnung verbreite. "Ist die Tiefkühltruhe im Supermarkt leergekauft, wissen wir, dass die Menschen an eine gute Zukunft glauben und der Regierung zutrauen, dass sie die Sache im Griff behält." dabei gelte als Grundlehre, dass das Vertrauen umso größer sei, je mehr Tiefkühlware gekauft werde. Achtelbuscher leitet diese Erkenntnis aus dem Umstand ab, dass sich Tiefkühlkost nur sehr begrenzt hält, sobald es zu Stromausfällen kommt. "Eine Ende der Energieversorgung oder auch nur regelmäßige Ausfälle, wie sie in jedem Fall auftreten würden, verschärfte sich die Krise weiter, sind also derzeit noch nichts, was die Bevölkerung in ihre Überlegungen zur Vorsorge einbezieht."

Vielmehr versorgten sich zahlreiche Haushalte flächendeckend mit gefrorenen Vorräten für erwartete schwere Zeiten, die es erfordern, daheim eine Tiefkühltruhe zu betreiben. "Man ist überzeugt, dass die Versprechen der Regierung, die Stromversorgung sicherzustellen, keine leeren Worte sind." Dieser feste Glaube, den frühere Enttäuschungen nicht haben erschüttern können, bildet nach  Überzeugung des Medienforschers das Grundkapital, mit dem durch die dunklen Tage regiert und Voraussetzungen für ein Kurshalten nach dem Abflauen der akuten Krise  geschaffen werden könne.

"Ein Volk, das an das Vermögen seiner Regierung glaubt, in einem befürchteten Zusammenbruch der öffentlichen Versorgungsinfrastrukturen die Stromversorgung sicherzustellen, glaubt auch daran, dass es weiterhin Wasserversorgung und Müllentsorgung geben wird." Je leerer die Tiefkühlregale im Supermarkt, desto größer das Vertrauen der Bürger, dass eine Verschärfung der Situation ausbleiben werde. Diese Hoffnung sei mit Blick auf frühere Weltuntergänge zwar womöglich nicht gerechtfertigt, helfe aber in der Frühphase der Krise zu wirtschaften."

Hans Achtelbuscher, der selbst vor allem mit Büchsennahrung für seine Familie vorsorgt, empfiehlt einen kritischen Blick in die Tiefkühlabteilung, um zu einer Bestimmung der jeweiligen Krisenphase kommen zu können: "Sind die Tiefkühltruhen in ihrem Supermarkt eines Tages voll, obwohl sich die allgemeine Lage nicht verbessert hat, sollten Sie ins Grübeln kommen."

Geldpressen unter Hochdruck: So funktioniert die Trilliardenbombe


Der geheime Eingang zur Geldfabrik der EZB.  
 
286 Milliarden! Plus 411 Milliarden. Und noch mal 750,3 obendrauf! Dazu ein Rettungspaket der EZB, finanziert aus der Ausschöpfung der Differenz zwischen italienischer Schuldenbremse und EU-weitem Notwendigkeitskoeffizienten als sogenannte „Enhausted chaotic credit line“ (ECCL), für die Eurogruppe persönlich mit mit zwei billionenschweren Pappmünzen aus kaltgewalztem Panzerstahl bürgt. Verrückte Welt!

Mit der neuen  Lombardpolitik der Corona-Rettung werden alle Maßnahmen der europäischen Partner zu einer riesigen Bombarde zusammengefasst, die wie die berüchtigte Daisy-Cutter-Bombe wegrasiert, was an hinderlichen Regulierungsmaßstäben für die der Geldmenge der europäischen Volkswirtschaften zwischen den Menschen und den Moneten steht. Dazu planen die Staaten, durch die Verpfändung von Steuereinnahmen diesseits des Jahres 2130 genug freie Werte zu mobilisieren, alle anstehenden Forderungen aller gegen alle in  beleihungsfähige Sachen und Rechte zu verwandeln, ohne dass der Goldpreis steigt.

Epochale Geldschwemme


Was aber bedeutet diese epochale Geldschwemme für die, die sie praktisch produzieren müssen? was heißt es für die Gelddrucker der EZB, für die Auslieferungsfahrer, die Buchalter, Geldzähler, Banknotennummernstatistiker? Fragen, die in der Schlacht gegen das Virus oft untergehen, weil viele Leitmedien zwar gern die Summen nennen und die Idee durchgreifender Monetarisierung auf Kosten kommender Generationen loben, die harte Knochenarbeit der Praktiker vor Ort aber häufig nur allzu gering schätzen.

Männer wie bei Karsten Kunze, der als Geldschneider bei einer der über ganz Europa verteilten geheimen Geldquellen der EZB arbeitet, kennen es nicht anders. Als der gebürtige Köthener (Ostdeutschland), der nach einer Lehrzeit in den Ruinen der DDR-Staatsdruckerei über die Bundesbank zur EZB wechselte, am Montagmorgen die ersten Nachrichten über die größte Rettungsaktion hörte, die Zentralbanker jemals gestartet haben, trank er in Ruhe seinen Kaffee aus.

"Was das für uns bedeutet, interessiert doch keinen", war er sich gleich sicher. Griechenlandpoker. Kunze ging die übliche Runde mit dem Hund, das ist auch im ländlichen Sachsen-Anhalt noch erlaubt. Der Hund heißt Schänzi und sein Herrchen, der als junger Mann als Rettungsgeldreferent bei der EZB begonnen hatte, ist seit der sechsten endgültigen Rettung Europas im Frühjahr 2010 oberster Geld-Logistiker der Hauptgeldfabrik der Eurostaaten.

Eine Verantwortung, die man ihm keineswegs ansieht. Kunze ist ein agiler Mann mit leicht angegrauten Locken, unter ihm dienen mittlerweile 311.300 Mitarbeiter. 24.965 allein in der riesigen unterirdischen Fabrik,  die die EZB aus Sicherheitsgründen in der Umgebung von Kunzes Heimatstadt in die weitgehend entvölkerte ostdeutsche Scholle hat graben lassen. Keiner weiß besser als der CFO der Gemeinschaftswährung Euro, was die neuen Trillionen-Anforderungen aus Frankfurt, Berlin und Brüssel bedeuten.

Druckerpresse trotz Dunkelflaute


"Unsere Maschinen und Druckerpressen laufen ohnehin seit Jahren bereits 24 Stunden am Tag, bei Dunkelflaute sogar mit Notstrom", lässt er ins Nähkästchen blicken. Mit der Corona-Rettung aber gelte es nun, nicht mehr zu kleckern oder zu klotzen, sondern aus allen Rohren zu ballern. "Wir müssen eine Feuerwalze entfesseln, die alle Krisenflämmchen niederdrückt."

Zwölf-Stunden-Schichten, wie sie derzeit die Norm sind, werden dazu nicht mehr reichen, obwohl es den Gelddruckern durch die zunehmende Beliebtheit bargeldloser Zahlverfahren inzwischen schon möglich ist, Geld an rund 1,76 Millionen Kassenterminals europaweit elektronisch just in time bei Abforderung durch Kunden in Supermärkten und - derzeit leider geschlossenen - anderen Verkaufsstellen zur Verfügung zu stellen. Auf diese weise könne täglich etwa drei Milliarden Euro hergestellt werden, dazu kommt der normale Ausstoß der 66 Drucklinien. Doch das reicht nicht - Europa benötigt derzeit täglich etwa 16 Milliarden frische Euro.

Kunze weiß, wie erschöpft seine Mitarbeiter durch die enorme Belastung aufgrund der im Grunde seit zehn Jahren anhaltenden Rettungspolitik heute schon sind. Häufig schlafen sie in der Fabrik ein, weil sie zu lange gearbeitet gehaben, der Krankenstand ist hoch, Verschleißteile an wichtigen Gelddruckoffsetmaschinen müssen unablässig gewechselt werden, obwohl die Lieferketten aus China im Moment unterbrochen sind. Die Lufthansa springt zwar ein und holt notwednige Kleinteile für die gewaltigen Geldpressen schon mal über Nacht aus Hanzong,. der Weltmetropole der Banknotenwesens. "Doch viel müssen unsere Haushandwerkerbrigaden auch mit Improvisation am Laufen halten."

In normalen Zeiten eine große, verantwortungsvolle Aufgabe, zumal alles in der Großgeldquelle der EZB unter Luftabschluss und seit Corona zusätzlich auch unter erhöhten Hygienevorgaben erfolgen muss. Die Aufgabe, zur Sicherung der Zukunft des Kontinent ein Plus zum Plan von etwa 1,7 Billionen Scheinen herzustellen, scheint kaum lösbar - die schiere Menge, rechnet Kunze vor, würde den Mond sechsmal komplett bedecken. "Doch wir sind ein Dienstleistungsbertieb", sagt der gelernte Pragmatiker, "was muss, das muss."

Als Giralgeldlogistiker, der mit einer Österreicherin verheiratet ist, schreckt ihn Größe nicht. "Wer, wenn nicht wir", sagt Kunze selbstbewusst. Man habe bereits beim Ausbruch der Corona-Seuche in China begonnen, die Papierspeicher bundesweit zu füllen, um absehbaren späteren Großanforderungen nachkommen zu können. Im Neurerwesen des europaeigenen Unternehmens begannen bereits zur Weihnachszeit die ersten Überlegungen, wie sich die erforderliche Geldmenge noch effektiver und schneller herstellen lässt. "Wir brauchen mehr Papier, mehr Farbe, mehr Trucks, aber das ist ja nicht alles", beschriebt Kunze. Seine Alarmanrufe in Frankfurt, aus einem Reflex heraus getätigt, "weil niemand hier bei uns glauben konnte, wie wir diese Planauflagen bewältigen sollen", wurden bei der EZB gelassen angenommen. "Es hieß, das würde alles schon, erstmal müsse Corona ja ankommen."

Geld, das hält


Doch Zeit will sich Karsten Kunze nicht mehr lassen. Er weiß, dass seine Druckmaschinen schnell heißlaufen, dass Schmieröl und Transmissionsriemen schnell verbraucht sind. "Wir möchten Qualität bieten", sagt er, "Geld, das hält, was es verspricht." Finanziert durch einen Millionenkredit der Kreditanstalt für Wiederaufbau über 613 Millionen Euro, der kofinanziert wurde durch einen Schuldschein des Rettungsschirms ESM, gelang es den in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannten Helden der Geldherstellung, den Geldausstoß auf eine Vertausendfachung vorzubereiten. "Uns war dabei besonders wichtig, den Überblick über die abfließenden Trilliarden dennoch nicht zu verlieren", gesteht Kunze mit Blick auf die endlosen Lkw-Kolonnen, die Tag und Nacht in die tiefliegenden Geldschächte der Hauptproduktionsstätten einfahren, um anschließend schwer beladen zu in Not geratenen Mittelständlern, kleinen Gewerbetreibenden und kurzarbeitenden Doppelerziehern auszuschwärmen.

Was die frischen Trillionen bewirken, kann Karsten Kunze auf einem Flachbildschirm an der Wand seines kleinen, aber geschmackvoll eingerichteten Büros im 16. Tiefgeschoss in Echtzeit sehen: "Wir haben durch unsere ausgeweitete Produktion 17 Prozent Kaufkraftverlust in den ersten zehn Jahren erreicht", erläutert er, "und wir rechnen mit weiteren 23 bis 27 Prozent in den fünf Jahren bis 2027".

Der Bargeld-Euro wäre dann knappe 30 Jahre alt und wieder genau soviel wert wie die vormalige D-Mark. Kunze schmunzelt. "What goes up must come down", gibt er in kantigem Englisch zu. Doch wird die finnische Baummühle, aus der der Grundstoff für das europäische Geld kommt, ihren Ausstoß wirklich dauerhaft vertausendfachen können? Können die unterirdischen Produktionshallen in den kommenden Wochen so weit aus- und umgebaut werden, dass Platz wird für die neuen 23.234 Mitarbeiter geschaffen wird, die nach ersten Berechnungen Kunzes eingestellt werden müssen, um Corona auch an der wirtschaftlichen Front zu besiegen?

Karsten Kunze weiß es selbst nicht. "Aber wir werden alles geben", verspricht er.

Donnerstag, 26. März 2020

Die Arroganz des Abendlands: Der teuerste Irrtum der Geschichte

Armin Laschet, ein Mann gegen die Seuche: Bis heute ist in NRW nur jeder 7.200. Einwohner infiziert.

Die Zeichen standen an der Wand, monatelang. Doch die deutsche Politik ignorierte, was unausweichlich sein würde, wenn man es ignoriert. Der Normalbetrieb sollte in Gang gehalten werden, keine Unruhe gestreut und kein Problem aufgeworfen, dass man dann vielleicht nicht wie üblich durch Vertagung, höhere Steuern oder symbolische Verbote ausräumen kann. Sehenden Auges rutschte Deutschland in die größte Gesundheitskatastrophe der letzten Jahrzehnte und in die tiefste Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg. Und nicht nur Deutschland ging es so, sondern durchweg allen Staaten, die sich selbst zur westlichen Wertegemeinschaft zählen.

Ein erstaunlicher Vorgang, der auf gemeinsame Werte auch bei der Konfrontation mit Krisen hindeutet. Statt frühzeitig vom chinesischen Umgang mit dem Corona-Virus zu lernen, etablierte sich von Italien über Deutschland, Großbritannien, Frankreich bis hin in die USA der tröstliche Erklärung, die Probleme dort hätten ihren Ursprung nicht in einem gefährlichen Virus, sondern in allerlei Vertuschungen der chinesischen Regierung, in drakonischen Maßnahmen gegen die Bevölkerung und einem unzureichenden Ausbau der medizinischen Versorgung.

Käme, was nicht anzunehmen sei, dasselbe Virus nach Deutschland, nach Europa oder in die USA, würde die überlegene abendländische Gesundheitsversorgung ihm binnen kurzer Zeit den Garaus machen, so beteuerten Politiker vom deutschen Gesundheitsminister Jens Spahn über den Italiener Conte bis hin zu US-Präsident Donald Trump.

Miteinander stark


Eine Annahme, die sich als teuerster Irrtum der Geschichte herausstellen wird. In aktuellen Preisen gerechnet, ist die Corona-Katastrophe bereits jetzt absehbar kostspieliger als der gesamte Zweite Weltkrieg. Dabei ist ein Großteil der Kosten, die der nahezu weltweite Shutdown entstehen lassen wird, noch gar nicht bekannt. Und die langfristigen Verwerfungen, die die Suspendierung grundlegender Bürgerrechte in Deutschland verursachen wird, kann derzeit nicht einmal abgeschätzt werden.

Im Normalfall würden Regierungen, die solche gravierenden Fehler machen, in demokratischen Staaten aus dem Amt gewählt. Wo Menschen zu Millionen ihre Jobs verlieren, ihr Einkommen, ihre sicher geglaubte und oft hart erarbeitete Zukunft, ihre Altersversorgung und ihre Bewegungsfreiheit, verlieren sie meist auch die Geduld und die Bereitschaft, sich vertrösten zu lassen. Meist, aber nicht immer, denn aktuelle Umfragen zeigen, dass die Deutschen wie die Amerikaner sich in der Stunde der Not hinter den Regierenden versammeln. Selbst wenn es sich um dieselben Personen handelt, die durch ihr breitbandiges Versagen erst dafür gesorgt haben, dass die Krise zu der wurde, die sie ist.

Miteinander paradox



Das erscheint paradox, ist aber naheliegend. Einerseits wechselt niemand freiwillig auf der Flucht aus einem brennenden Haus die Schuhe. Andererseits teilen die Wählerinnen und Wähler in den Abendländern die grundsätzlichen Bedenken ihrer Regierenden gegenüber allen Staaten, die nicht zum eigenen Kulturkreis gehören. China-Schelte hat gerade in Deutschland eine große Tradition. Das Land, an dessen Wesen einst die Welt genesen sollte, lebt bis heute in der festen Überzeugung, immer und überall besser zu wissen, was gut, richtig und moralisch ist, wie wer am anderen Ende der Welt handeln müsste und weshalb ausschließlich deutsche Politiker und Medienschaffende berufen sind, Richtig und Falsch situativ zu erkennen und anderen entsprechende Mahnungen mit auf den Weg geben zu können.

Es ist keine Überheblichkeit, denn wer überheblich ist, hält sich bewusst für besser oder klüger als andere. Hier hingegen tritt eine so tiefsitzende Überzeugung davon zutage, dass andere dumm, unmoralisch und fehlgeleitet sind, dass es der Vorwurf der Überheblichkeit fehl ginge.

Miteinander arrogant


Wie ein britischer Kolonialoffizier vor 150 Jahren gegen einen Afrikaner nicht überheblich sein konnte, weil ein Afrikaner aus seiner Sicht einfach nicht zur selben Art gehörte, und ein ostpreußischer Gutbesitzer seine wasserpolnischen Tagelöhner selbstverständlich nicht als gleichrangige Wesen begriff, kann ein deutscher Politiker nicht dafür kritisiert werden, dass andere Sichten auf die Welt, andere Meinungen und abweichende Lösungsvorschläge für Probleme in seiner Gedankenwelt nicht vorkommen.

Sie können es nicht. Es ist eine Art adlige Arroganz, die jenem Menschenschlag sagt, er sei das Salz der Erde, der Schaum der Welt und die endgültige Essenz vieler tausend Jahre menschlicher Evolution. Berufen, zu führen, zu leiten und zu lehren, ist ihm lange vor allen anderen klar, welche Fehler wo gemacht, welche verantwortungslosen Führer anderswo sich an ihren Völkern vergangen und wie schädlich falsche Weichenstellungen für primitive Völkerschaften sind, die in wirklich  demokratischen Staaten mit einer hochentwickelten Diktaturtoleranz aber durchaus sehr segensreiche Wirkungen entfalten können.

Dort, wo die Welt so funktioniert, ist die Seife im Griff, selbst wenn sie schon lange am Boden liegt. Abschätzigkeit tarnt sich als Mitgefühl, Misstrauen in die Fähigkeiten Anderer, Fremder, versteckt sich hinter der plakativen Beteuerung,  jeder Mensch sei gleich. Man setzt überall Betreuungsbedarf voraus und sieht sich selbst stets als Betreuer, die ganze Welt ein Kindergarten und aus Lehrerzimmer erklingt Kinderlachen mit verstellter Stimme. Ein Bass soll das sein. Ein Bass.

Corona als Kollektivstrafe: Vom Wir zurück zum Ich

Der Medienwissenschaftler Hans Achtelbuscher hat bereits ein erstes Buch zur Rückkehr der Individualität geschrieben.


Es ist am Ende keine neue Steuer, es ist keine EU-Richtlinie und es wird auch kein weltweites Abkommen gewesen sein, das die globale Gesellschaft zurückdrückt in eine Vorklimakampfphase, in eine Wirzuerst-Stimmung und in eine Politik, die sich sorgt, dass die, um die sie sich sorgen soll, den Eindruck bekommen, sie sorge sich nicht. Es ist ein Virus, unsichtbar, ungreifbar, für deutsche Politiker unbesiegbar.

Über Jahrzehnte hinweg hatte die Welt des Westens nur eine Richtung gekannt, es ging um Arbeitsteilung, Spezialisierung und Globalisierung, der Mensch war nur noch als Masse ein Faktor, er sollte gemeinschaftlich denken, freiwillig teilen und einsehen, dass er vom Fortschritt nur selbst profitieren könne, wenn er ihn nicht komplett selbst vereinnahme. Dass an alle gedacht ist, wenn jeder an sich denkt, galt als neoliberaler Hirnfurz, der angeblich schon mathematisch nicht nachvollziehbar war: Wer, bitte, würde denn dann an die denken, denen es schwer fällt, überhaupt zu denken?

Sharing Wohlstand


Die Welt begann strikt, eine größere Gemeinschaftlichkeit zu suchen. Die einen taten das, um unter dem Deckmantel der Sorge für andere selbst in einer bessere Position zu kommen. Die anderen taten es, weil sie zumindest eine Zeit lang überzeugt waren, dass das, was sie in ihren Zeitungen lasen, die Realität sein und sie so handeln müssten, um die nach mehr Solidarität, geteiltem Reichtum und sharing Wohlstand lechzenden eigenen Wähler nur so zu befrieden wären. Dass Donald Trump eine Wahl mit dem Slogan "America first" gewann, war ein Affront, der unverzeihlich schien, hatte man doch längst untereinander abgemacht, dass nur noch mehr Vernetzung, noch mehr Gemeinsamkeit und Diskussionen mit einer Stimme die Welt in eine goldene Zukunft führen können.

Staaten wie die Schweiz, Norwegen, Japan, Russland oder die USA, die mehr oder weniger dreist für sich selbst wirtschafteten, waren von gestern, kein Zukunftsmodell. Das lag, zumindest aus Berlin, Paris und Brüssel gesehen, in immer größeren Runden, die in immer langwierigeren Verhandlungen immer unverbindlichere Vereinbarungen miteinander trafen, um überhaupt irgendetwas zu vereinbaren. Man kam nirgendwo voran, nicht beim Handel, nicht beim Klima, nicht bei der Migration. Aber man schaffte es doch, den Eindruck zu vermitteln, als liege das nicht an den mit der Zahl der Teilnehmer immer komplexeren Entscheidungsstrukturen. Sondern daran, dass diese Entscheidungsstrukturen immer noch nicht komplex genug waren.


Wenn alle so handeln würden, wie alle aus Sicht etwa der deutschen Regierung handeln sollten, wobei auch in der deutschen Regierung stets mehrere Vorstellungen davon existieren, wie zu handeln wäre, dann würde alles gut. Ein Volk, ein Wille, ein Signal für die Welt: Seht her, so wird das gemacht. Vom verantwortlichen Fleischkonsum bis zum freiwilligen Rauchverzicht über das lebenslange Lernen und die nie erlahmende Empathie für andere, ausgenommen reiche alte weiße Männer. Ein Zauberrezept.

Das unwiderstehliche Zauberrezept


Das nun plötzlich als Giftmischung erscheint. Der Bundesgesundheitsminister verbietet Warenlieferungen ins Ausland. Die CSU fordert, die Arzneimittelherstellung zurück in die Heimat zu holen. Alle schließen ihre Grenzen, alle stützen die eigene Wirtschaft.

Globalisierung war gestern. Das Virus, das um die Erde rast, bringt die Lokalisierung zurück. Die Seuche macht Patrioten. Verlasse nicht dein Haus, deine Stadt, deinen Landkreis, dein Land. Versorge dich selbst. Schütze dich, um andere zu schützen! Deutsche Masken für deutsche Ärzte. Feindbilder werden wieder wie früher konstruiert. Man nehme eine Gruppe von Menschen, entindividualisiere sie und bestimme dann, dass deutsche Masken nur für Deutsche sind, dass Schweizer keine Masken aus Deutschland bekommen und französische Maskenmaschinen nur Masken für französische Träger produzieren dürfen.

Es ist das System der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit, das mit Corona als Kollektivstrafe über eine Zivilisation kommt, die sich eigentlich eingebildet hatte, über Dingen wie Selbsterhaltung und Egoismus zu stehen. Wie bei der Abgrenzung durch negativ konnotierten Überbegriffe wie „Sozialschmarotzer“, „Migranten“ oder „alte weiße Männer“ sprudelt der Hass auf das Fremde, auf den US-Präsidenten, der den europäischen Krankheitsherd abzuriegeln versucht, auf die Chinesen, die alles vertuschen, und die Menschen in Singapure und Taiwan, die die Krankheit mit diktatorischen Maßnahmen heilen, denen wir das Sterben unter demokratischen Bedingungen allemal vorziehen.

Lars Schaade vom Robert-Koch-Institut empfiehlt eine "soziale Distanzierung" für den Alltag, auch die Kanzlerin plädiert für Vereinzelung und die Abkehr vom gewohnten Kollektivgeist. Jeder solle für sich selbst sorgen, Junge etwa auf sich aufpassen, dann sei auch an Ältere gedacht.

Das Wir, das über Jahre als gesellschaftliches Ideal galt, war das erste Opfer des Virenangriffs. An seine Stelle rückt das Ich, das der Sozialismus vergeblich hatte ausmerzen wollen, an dessen sturem Beharrungsvermögen nun aber auch die aufgeklärte spätkapitalistische Kollektivwirtschaft scheitert.

Mittwoch, 25. März 2020

Doku Deutschland: In Zeiten des Zorns

Sechsmal nachgefüllt und schon wieder leer: Das Nudelregal im Supermarkt ist das Fieberthermometer der Corona-Krise.

Ich kann sehen,was das für Typen sind, schon wenn sie reingerollt kommen. Leerer Wagen, leerer Blick. Wie Jäger schauen sie sich um. Das geht seit ein paar Wochen so, nicht erst seit ein paar Tagen. Das ganze Geschreibe in den Zeitungen, man solle nicht nervös werden, es gebe immer genug zu essen und Solidarität zeige sich darin, dass man auch mal ruhig bleibe und auf die Regierung vertraue, das haben die Leute keine Sekunde für voll genommen.

Wenn Sie wie ich an der Kasse stehe, ich sage jetzt nicht, in welchem Supermarkt, dann lernen sie ganz schnell, die Angst zu riechen. Schon wenn die Kunden reinkommen, wette ich mit mir, was am Ende im Wagen liegen wird: Zehnmal Nudeln, fünfmal Reis, zehn Packungen haltbares Dauerbrot, 20 Konserven. Das ist ein Kunde, der morgen wiederkommen wird, weil seine Frau daheim durchgezählt hat und der Meinung war, dass das sicher nicht reichen wird.

Wir verkaufen im Moment doppelt so viel von dem ganzen Zeug, das sonst niemand kauft. Diese ganzen Linsensuppen in der Büchse, die Aufbackbrötchen, die in tausend nicht schlecht werden würden. Erbsen, Großpackungen Kaffee, Milch im Zehnerpack. Manchen sieht man an, dass sie sich ertappt fühlen und sich schämen, weil sie eigentlich von sich selber denken, dass sie keine Menschen sind, die für den Weltuntergang planen. Aber wenn du sie freundlich fragst, sagen die wenigsten, dass sie Zelten nach Mongolien fahren und dafür einkaufen. Sondern eigentlich alle sowas wie "besser man hat als man hätte" oder "essen kann man das auch wenn's nicht so schlimm kommt".

Wir Kollegen sitzen auch auf dicken Tüten, das muss man zugeben. Es steckt einen an, diese Vorratssammler an sich vorüberziehen zu sehen, jede Schicht, immer wieder. Sechsmal am Tag füllen wir im Moment das Nudelregal, der Reis ist wenigstens dreimal alle und das Mehl reicht höchstens von Ladenöffnung bis Mittag. "Kommt nach", sagen wir, wenn die ganz Ungeduldigen fragen, das ist auch so. Aber hallo: Im Moment! Was denn, wenn sie die Stadt absperren? Wenn die Kollegin zu husten anfängt?

Ich lebe allein und ich brauche nicht viel. Das habe ich aber langsam zusammengepackt. Ich glaube ja nicht daran, dass es einen Unterschied macht, ob du nach dem Untergang der Zivilisation noch eine Woche lebst, bis Du verhungerst, oder ob du dich drei Wochen halten kannst. Tot ist tot. Aber dumm wäre es doch, wenn du nach acht Tagen abklappst und nach zwölf Tagen verkündet die Kanzlerin, die bestimmt nicht hamstern muss, dass sie ein Impfmittel oder sowas erfunden haben. Das würde ich dann schon gern noch erleben. Deshalb die 20 Packen Reis, der Rindergulasch in der Dose aus dem Angebot und die Stiege Tütensuppen. Das sage ich ganz ehrlich.

Den anderen geht es doch auch so, nur dass die vorhaben, auf einem viel höheren Niveau abzunippeln. Stehen Sie mal hier den ganzen Tag und staunen Sie: Die meisten Kunden holen nicht das Nötigste für den Notfall, sondern schon das Zeug, das sie sonst auch immer holen.

Lecker geht's zu Ende, das sage ich ihnen. Kasten Bier noch dabei für die letzten Tage, drei Flaschen Schnaps, vielleicht kann man sich's schön saufen, dass die Welt vor die Hunde geht. Apfelsinen, Joghurt, Dauerwurst vom Feinsten, Import aus Spanien. Wenn ich's recht bedenke, ist das aber auch irgendwie logisch. Warum sollst du denn irgendwelchen Zwieback kauen und dünne Rinderbrühe dazu schlürfen, wenn du auch ein paar feine Sachen haben kannst.

Am Anfang, ganz am Anfang, als das losging, unauffällig fast, habe ich immer geraten ob das jetzt so ein Typ ist, der da reingefahren kommt und gleich für 250 Euro  Büchsenfraß und Dosenwurst rausschleppen wird. Heute weiß ich das gleich. Ich rate also immer, was sie an Belohnung dabeihaben. Schokolade? Bier? Drei Stangen Zigaretten?

Ich denke ja, das nützt alles nichts. Wenn es kommt, wie die alle glauben,  brauchst du keine volle Vorratskammer, sondern ein paar schnelle Fäuste oder noch besser einen großen Knüppel. Dann gehört das alles dir und denen nichts mehr.