Die alte Kohl-CDU in die Knie gezwungen- da schmunzelt die ganze SED. |
Vor einem Jahr, da war es noch ein Heidenspaß für junggebliebene Influencer, von der "Zerstörung der CDU" zu fabulieren. Zerstörung? Wo denn? Die Merkel-Partei war zwar seit Jahren schon mehr Kanzlerinnenwahlverein als gestaltendes politische Kollektiv. Doch das hatte noch immer gereicht, von genug Leuten gewählt zu werden, dass man einen Löffel in die Fleischtöpfe der Macht halten durfte. Die CDU war nach dem Abschied der SPD vom Anspruch, mehr zu sein als eine Klientelpartei unter vielen, das letzte, was vom alten Westen mit seinen klaren politischen Schützengräben geblieben war. Links lagen die einen, rechts die anderen.
In der Mitte, festungsgleich und verlässlich, war die Union, eine Zuflucht für jedermann, der sich nicht entscheiden konnte zwischen Sozialismus, Ökodiktatur und Ellenbogengesellschaft. Das "Weiter so", das Helmut Kohl seiner Partei einst zum Motto gemacht hatte, war die DNA der CDU: Langsam, stetig und nach vorn, ohne die Wurzeln auszureißen. Nichts überstürzen. Aber sich auch nicht übernehmen im Gefühl, man könne die Welt regieren.
Es wurde danach anders, wenn auch nicht gleich. Die ruhige Hand Gerhard Schröder war anfangs auch Angela Merkels Reichsapfel. "Jähe Wendungen" (Erich Honecker) scheute die Kanzlerin, sie halt das Staatsschiff auf Kurs, ohne das Ziel zu verraten, vielleicht hatte sie auch nicht eins, aber so lange die Stimmung an Bord stimmte, fragte kaum jemand. Es ist doch immer besser, man fährt auf Sicht. Dann verfährt man sich nicht.
Je unangreifbarer Angela Merkel aber wurde, umso ehrgeiziger schien sie bemüht, das Land und - notwendigerweise - auch ihre Partei umzugestalten. Politik war nun, wo ihr die Regierungsgeschäfte immer und automatisch zufielen, nicht mehr die Suche nach Mehrheiten, sondern der Versuch, die Einsicht der Mehrheit in die Notwendigkeit der eigenen Beschlüsse herbeizuregieren. "Wird schon gutgehen" löste "Weiter so" ab. Angela Merkel nannte es "wir schaffen das". Ohne zu erklären, was das ist.
Aus der CDU wurde Partei, so modern und fortschrittlich, dass programmatisch bald keine Unterschiede mehr zu den erfolgreichen Grünen und den - weniger erfolgreichen - Sozialdemokraten zu erkennen waren. Die Merkel-Partei steht heute für Umwelt und Klima, für Atomausstieg und Geschlechtergerechtigkeit, für Gendersternchen und offene Grenzen, für Anti-Amerikanismus und Überwachung, gegen Subsidiarität und Eigenverantwortung, für hohe Steuern und einen Staat, der seinen Bürgern möglichst jedes Lebensrisiko, aber eben auch den privaten Gestaltungsspielraum abnimmt.
Im 16. Jahr einer Entwicklung, die nicht schleichend verlief, aber auch nicht lauthals als Strategiewechsel verkündet wurde, ist die gewandelte und gewendete Kanzlerinnenpartei in alle Richtungen dessen anschlussfähig, was nach aus Kohl-Zeiten überkommener Definition zur Mitte gehört. Sie kann mit der SPD, mit der FDP, mit den Grünen. Sie ist strategisch besser aufgestellt als jede ihrer Konkurrentinnen, denn sie kann sich meist aussuchen, wer ihr zur Macht verhelfen darf.
Konnte, muss es neuerdings heißen. Wie schon beinahe in Sachsen-Anhalt und Sachsen hat sich das Merkel-Konzept des Modernisierens nach links in Thüringen zu Tode gesiegt. Die Zeiten, als rechts von der Union nur die Wand war, so dass das Spielfeld immer nach links aufgerollt werden konnte, sind vorüber.
Im Windschatten der Themen, die von Angela Merkel nicht mehr beachtet geschweige denn beackert wurde, haben sich die Wähler eine neue Partei gesucht. Die ist zuweilen unappetitlich, ihre Köpfe sind weder Geistesriesen noch Sympathen, sie wird auch nicht gewählt, weil sie den Menschen so gut gefällt. Sondern weil sie in einer politischen Landschaft aus fünf Farben Rot und Grün von vielen für das einzige Mittel gehalten wird, Einfluss zu nehmen.
Und die Union bemüht sich nach Kräften, ihnen das wieder und wieder zu bestätigen. Bestand ihr Alleinstellungsmerkmal bisher darin, dass sie zwar für die dieselben Inhalte wie SPD, Grüne und Linke eintrat, sich im Gegensatz zu Grünen und Linken aber strikt weigerte, diese Ziele gemeinsam mit der viermal umbenannten SED der DDR zu verfolgen, fällt nun auch dieses letzte Tabu: In Thüringen plant die CDU ein "Losverfahren", um Abgeordnete zu bestimmen, die den linken Ex-Ministerpräsidenten Bodo Ramelow wieder ins Amt heben.
Ehrlicher wäre es sicher, künftig gleich zu losen, statt teure und - letztlich sinnlose - Wahlen abzuhalten. Doch die CDU als Volkspartei weiß, dass es manchmal gerade auf Symbolhandlungen ankommt, dass Menschen mitgenommen werden müssen auf einem Weg, der kein leichter ist, aber unumgänglich. Politik ist unter Angela Merkel eben nicht mehr die Suche nach Mehrheiten, sondern der Versuch, die Einsicht der Mehrheit in die Notwendigkeit der eigenen Beschlüsse herbeizuregieren. Und wo sie dauerhaft fehlt, muss die Mehrheit eben von anderwo kommen.
4 Kommentare:
Ich hoffe nur die Thüringer haben ein gutes Gedächtnis und erinnern sich in 14 Monaten an diese Farce. Als Rezo die CDU zerstören wollte, haben die sich noch aufgeregt. Jetzt zeigt sich, das die das selbst doch viel viel Besser können. Wenn etwas gut werden soll, muss man es eben selbst machen.
Zum "Gedächnis" des Wählers äußerte sich schon einer, den ich weder, wie üblich, verteufele, noch auch mit feuchtblanken Augen verehre, in seinem zuerst Mitte der Zwanziger erschienenem Buch. Und es ist, wenn man es mit der schnöden Realität abgleicht, recht unangenehm wahrzunehmen. ("Psycholgie der Massen" meine ich nicht - das kam schon 1895 heraus.)
Als so vor ~ 11 Jahren ganz offiziell angekündigt wurde, eine sechsstellige Zahl an Subsahara Mumba-Wumbahs hier in Europa anzusiedeln, da wähnte ich auch noch, es würde nichts so heiß gegessen wie gekocht. Wie man sich doch irren kann.
Wer kennt noch den Schmuddelwitz, wo die Samenfäden, um die Wette rennend, einander für den Fall ihres Erfolges einander dies und das versprechen, bis einer zurückkommt und ruft: Verrat, Verrat! Wir sind im Arsch! (m.E. mindere Varianten: Mastdarm, Speiseröhre.)
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