Freitag, 20. Dezember 2019

Zweite Landung in der Normandie: Nazi in CDU kapituliert

Luthers Abkehr vom früheren Glauben bleibt einmalig, deshalb wird der Reformator in seiner Heimat inzwischen auch mit Keksformen geehrt.
Für die stärkste deutsche Partei, die letzte Bastion der mittleren Mitte, ist es ein weiterer Tag, der in die Annalen eingehen wird. Eben noch konnte sich die CDU im dunkeldeutschen Sachsen-Anhalt von SPD und Grünen davon abhalten lassen, den über Jahrzehnte hinweg fahrlässig als verfassungstreuen Christdemokraten verkannten früheren Polizeigewerkschaftschef Rainer Wendt als Staatssekretär zu verwenden. Jetzt gelang es der Partei auch noch, in der sogenannten "Möritz"-Affäre einen Kreispolitikers mit mutmaßlichen Kontakten zur Neonazi-Szene dazu zu bewegen, selbst aus der Partei auszutreten, deren nationalsozialistisches Erbe bis heute unvergessen ist. Eine finale grande, denn hätte der Delinquent sich geweigert, wäre der künftige Partei- und Regierungschef Holger Stahlknecht von seinen eigentlich zwergenhaft kleinen Koalitionspartnern erneut wie ein Tanzbär über die Bühne gezogen worden.

So aber ist das Ende des Magdeburger Naziskandals ein Sieg über den Faschismus, eine zweite Landung in der Normandie, der Sturm auf den Reichstag. Längst hatte Robert Möritz die überregionalen Schlagzeilen erreicht und alles überdeckt, was es an Nebensächlichkeiten sonst noch zu berichten gegeben hätte. Längst war das Schicksal des Kommunalpolitikers mit dem bizarren Backenbart zum Wegweiser in die künftige Republik geworden: Schafft es die CDU, Menschen, die irgendwann in ihrer Vergangenheit einmal Radikale oder Extremisten gewesen sind, ähnlich ins Lager der Demokratie zurückzuholen, wie es den Grünen seinerzeit mit Joschka Fischer und Jürgen Trittin und der SPD mit den einst vom Verfassungsschutz beobachteten Walter Steinmeier und Brigitte Zypries gelang? Oder gibt die Regierungspartei dem Druck nach und signalisiert, dass sie bereit ist, auf Verlangen ihrer Kolaitionspartner im Ernstfall auch den Rest ihrer Mitgliedschaft amtsärztlich nach verräterischen Tätowierungen absuchen zu lassen?

Ja, und das ist gut so. Die CDU beweist damit, dass sie bereit ist, sich von den Teilen ihrer Geschichte zu trennen, die heute trennend zwischen ihr, den Grünen, der SPD und den Linken stehen. Robert Möritz, der nicht nur vor acht Jahren "Ordner bei einer Neonazi-Demo" gewesen, sondern nach Recherchen des Netzwerkes lsa-rechtsaussen auch eine "Schwarze Sonne" tätowiert haben soll, in der eingeweihte Knochenleser auf Anhieb "drei Hakenkreuze" erkennen, war als Mitglied des eingetragenen Vereins "Uniter" aufgefallen, der nach Angaben der taz als "offizieller Teil des „Hannibal-Netzwerkes“ gelten muss. Dieses "Hannibal-Netzwerk" aus Waffennarren und Endzeiterwartern wiederum machte gerade durch ein erstes Bewährungsurteil auf sich aufmerksam.

Begebenheiten, die nach unbedingten Konsequenzen rufen, zumindest, was die Erwartungen der CDU-Koalitionspartner in Magdeburg betrifft. Eine Woche lang stellten SPD und Grüne Ultimaten, sie erklärten die CDU als Ganzes zu einer Hakenkreuzpartei und Robert Möritz, ein Kreistagsabgeordneter, der bis dahin nicht einmal im heimischen Landkreis irgendjemandem aufgefallen war, avancierte zum Menetekel: "Kann ein Ex-Neo-Nazi Demokrat sein?", fragte der "Spiegel", und gab sich die Antwort selbst: Einmal immer und kein Zurück.

Es ist ein klares Signal an die vielen am Zustand der jungen Demokratie im dunkeldeutschen Osten zweifelnden Twitterer, Spiegel-Redakteure, Kolumnisten der Süddeutschen Zeitung und Ansager von ARD und ZDF. In Sachsen-Anhalt, wo der als Katholik geborene Martin Luther sich einst in einen evangelischen Christen verwandelte, kann ein Nazi, der keiner mehr zu sein vorgibt, heute noch lange nicht versuchen, Christdemokrat zu sein. Erst, so lässt der "Spiegel" den 29-jährigen Ausstiegsberater Felix Lange sagen, müsse derjenige sich "aufrichtig damit auseinandersetzen, indem man einen konsequenten Schlussstrich zieht, indem man sich erkennbar distanziert".

Weder der "Spiegel" noch der Ausstiegsberater noch sonst irgendjemand hat übrigens in den verrückten zwei Wochen der Möritz-Affäre ein Wort mit dem Delinquenten selbst gewechselt.

Wozu auch?

8 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

"aufrichtig damit auseinandersetzen, indem man einen konsequenten Schlussstrich zieht, indem man sich erkennbar distanziert" bedeutet, sich der extremen Linken anzuschließen. Nicht für Menschen, die zwischen Nationalsozialisten und "Sozialisten in einem Land" keinen Unterschied erkennen, aber für alle anderen.

Anonym hat gesagt…

Die ausschließliche Unterteilung in entweder gut oder böse gehört ins Kaspertheater.
(Kaspar, Seppel, Oma, mit Vorbehalt Gendarm --- Räuber, Krokodil.)
Ohne IHN hätten wir die Freuden der Sowietunion der Dreißiger genießen können, ohne Väterchen Sepp Wissarionowitsch die des Kaufman*-Plans.
Und ohne letzeren auch die Wonnen der Sowietunion der Zwanziger - indem er Lejb Bronstein (Schneeball bei Schorsch Orwell) kaltstellte. Und ~machten ließ.
* (Ich weiß, ein dummer Schwätzer, der gar überhaupt nichts zu melden gehabt hätte.)


derherold hat gesagt…

Ich habe das nur aus der Ferne beobachtet aber in der Tat: War jemand auch nur in der NPD, dann konnte er nur "unerkannt" - wenn das überhaupt möglich war - noch bei irgendeiner städt. oder staaatl. Gesellschaft untergekommen. Der sog. Radikalenerlaß gilt selbstverständlich weiterhin ... für Rechtsradikale.

Umso lustiger war ja der Geschäftsführerposten für einen DVU-Vize in Sachsen-Anhalt ... und die Nicht-Reaktion der üblichen Verdächtigen.

Anonym hat gesagt…

Wir sind etwa so weit von den nächsten Hexenverbrennungen entfernt:
wir->||<-Hexenverbrennungen

Ich kann es kaum erwarten :)
Oder wie die Kids heute sagen würden: Ich kann es kaum erwarten ٩(◕‿◕)۶

Volker hat gesagt…

"Umso lustiger war ja der Geschäftsführerposten für einen DVU-Vize in Sachsen-Anhalt ... und die Nicht-Reaktion der üblichen Verdächtigen."

Ach komm, Herold, das sind doch olle Kamellen.
RA Ingmar Knop ist bereits 2014 aus der NPD ausgetreten, dieser Lebensabschnitt ist schon lange verjährt. Den Geschäftsführerposten der STRUKTURFÖRDERUNGSGESELLSCHAFT ZERBST MbH hat der VS ... äh, die Stadt Zerbst ihm erst 2016 angedient.

Bei Bischof Rentzing liegt die Veröffentlichung seiner seiner furchtbaren NS-Propaganda jedoch erst 30 Jahr zurück. Deshalb wurde er zurückgetreten.

Anonym hat gesagt…

"Mich selbst haben die Kommunisten zum Antikommunisten erzogen ..."
(Jemand auf ßaientsfails) ---

Darauf kann ich einen lassen. Wenn man von der siebten Schulklasse bis zum vierten Studienjahr einmal im Jahr mindestens eine A4-Seite verbal mit der roten Grütze wabbeln muß, etwa: Legen Sie ausführlich dar, warum mit dem zunehmenden Endsieg des Kommunismus die Schärfe der Klassenauseinandersetzung zwangsläufig zunehmen muß - da kommt - seien wir doch ehrlich - keine Animosität, sondern da kommen Folterphantasien auf, und auch das ist eigentlich noch untertrieben.

Anonym hat gesagt…

re Anon : Räuber & Krokodil sind aber nicht "böse" .

der Räuber ist Opfa seine Sozialisation und "böse" Krokodile gibts eh`nicht .

abgesehen davon sorgt das Krokodil für einen gewissen Karma-Ausgleich wenn es der Oma die Handtasche klaut .

Gendarm ist ambivalent .

wessen Gendarm ? Systemgendarm oder Gendarm des Volkes ?

ppq hat gesagt…

da war man damals um stille bemüht