Mittwoch, 4. Dezember 2019

Der große Austausch: Wie sie Pittiplatsch töteten

Der echte freche schwarze Pittiplatsch (l.) und die plumpe braune Plüschfälschung aus dem westdeutschen Münsterland, die Kinder ab sofort mit progressiven Späßen begeistern soll.
Als sie kamen und alle Firmen in den Westen verkauften, regte sich kaum Protest, denn im Osten hatte ja sowieso niemand Geld, irgendetwas zu kaufen. Als sie alle Posten in den Behörden mit Westdeutschen besetzten, klagte niemand, denn im Osten hatte kaum jemand Verwaltungsrecht in Heidelberg oder Münster studiert. Und als die ostdeutschen Landesregierungen sich mit Profis aus den alten Ländern füllten, waren alle sehr dankbar. Wer gut regiert werden will, darf nicht zu stolz sein! Dass die Ostdeutschenquote beim höchsten deutschen Gericht stabil bei Null liegt, deutet einfach darauf hin, dass im Osten zu wenige kluge und gebildete Leute geboren werden. Umso größeres Glück für sie alle, dass sich im Westen immer noch zwei Handvoll Menschen finden, die für die 15 Millionen in der ehemaligen DDR mitentscheiden.

Zuweilen aber gehen Fürsorge und Gouvernantentum auch ein wenig zu weit. So wie gerade eben, als der ostdeutsche Heimatsender MDR einen Mord an einer der wenigen moralisch unverschlissenen großen Charakterfiguren des deutschen Ostens in Auftrag gab: Pittiplatsch, "das bekannteste Gesicht des Ostens" (Die Welt), soll ausgetauscht werden. Der Leipziger Sender will den schwarzen Kobold mit dem schrägen Humor, der seit 1962 anarchischen Widerstand gegen Obrigkeitsstaat, Regelsklaverei und eine Überbetonung der ernsten Seite des Lebens leistete, durch eine billige Kopie ersetzen, die ein Unternehmen aus dem - natürlich - westdeutschen Münsterland verfertigt hat.

Ein Skandal, der an die kulturellen Wurzeln dessen rührt, was vom Osten übrig ist, denn schließlich war es Pittiplatsch, der mit seinen Auftritten bei "Sandmann" und im "Märchenwald" dafür sorgten, einen der wenigen und seltenen Siege eines Ost-Angebotes gegen die Übermacht der amerikanischen Unkultur mit dem "yeah, yeah, yeah und wie das alles heißt" (Ulbricht) zu holen.

Eine Niederlage, die den Westen offenbar immer noch schmerzt. Und weil Pittiplatsch bis heute - und trotz all der schicksalhaften Schläge, die der schwarze Punk hat einstecken müssen - bis heute erfolgreich gegen Meinungskorridore und verbale Tabus arbeitet, passt er offenbar nicht mehr ins Programm. Der MDR plant deshalb den großen Austausch, ähnlich raffiniert wie damals, als Bummi Bär von einem KGB-Rollkommando aus dem Märchenwald entführt wurde. Pittplatsch, obgleich erst 57 Jahre alt, wird ersetzt durch eine Kopie.

Dieser Pitti 2 ist nicht mehr schwarz wie das Original, weil die Verantwortlichen in Sachsen Angst vor Vorwürfen des "Black Facing" haben. Er hat keine glänzende Haut mehr, an der alle Vorwürfe mangelnder politischer Korrektheit abprallen, sondern eine windelweiche Plüschoberfläche, die gesellschaftliche Kuschelbereitschaft signalisiert. Und die bei echten Pitti aus ein paar winderständigen Wollfäden bestehende wilde Behaarung ist weicher Wuschelwolle aus Westbeständen gewichen. Der MDR begründet das damit, dass die Originalfigur "nicht mehr dem Stand der heutigen Technik" entsprochen habe. So hat Pittiplatsch unbedingt einen "beweglichen Mund" benötigt und er habe Augen gebraucht, die "funkeln  je nach Lichteinstrahlung".

Prunk statt Punk und dazu passt, dass der ehemals ostdeutsche Pittiplatsch, der dem Meinungsportal PPQ seit 2007 als Aushängeschild gilt, neuerdings in Hamburg lebt und arbeitet, wo eine im westdeutsche Herne geborene Regisseurin für das westdeutsche Animationsstudio Trikk17 neue Episoden dreht, in denen das junge Publikum frühkindlich gegen Fernreisen immunisiert und mit Ideen von Nachhaltigkeit und Konsumverzicht vertraut gemacht werden. Erziehungsauftrag statt Anarchie und nirgendwo eine Spur vom Verbleib des echten Pittiplatsch.

Gerüchten zufolge, die unter Pitti-Fans im momentan nur notregierten Thüringen kursieren, wo der von der DDR-Obrigkeit stets gefürchtete Outlaw aus dem Märchenwald zuletzt gesehen worden war, könnte Pittiplatsch tatsächlich verschleppt und im Keller des sogenannten "Kika" (Kinderkanal) eingesperrt worden sein. Offizielle Verlautbarungen des MDR dazu gibt es nicht, Anfragen von PPQ wurden bislang nicht beantwortet.



7 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Toller Text! Wer denkt sich sowas immer aus? Oder ist es gar nicht ausgedacht?

ppq hat gesagt…

das ist NICHT ausgedacht, keine silbe!

Anonym hat gesagt…

Um Schnatterinchens Fernweh zu heilen, verreist Pitti mit ihr über eine angebliche Abkürzung nach Afrika. Komisch nur, dass alle wilden Tiere im Gebüsch genauso klingen wie die afrikanischen Drogendealer im Stadtpark.

https://www.kika.de/pittiplatsch/sendungen/sendung116204.html

derherold hat gesagt…

Wir nehmen Euch Alles !

Eure Pöstchen, Frauen, Häuser.
Jetzt auch noch den Pitti !

gez. Der Wessi

ppq hat gesagt…

wir wollten es doch nicht anders

Anonym hat gesagt…

der echte Pittiplatsch ist gelernter Blockwart und DiplomdedeRBürger Fachbereich Kinderbespaßung , die Westkopie ist ein umlackierter Bourgeois

Carl Gustaf hat gesagt…

Habt Ihr ernsthaft geglaubt, die Gentrifizierung macht um das Koboldland einen Bogen?