Sie hat es im Kampf um die Spitze der "Arbeiterpartei" (Willy Brandt) SPD bis ins Finale geschafft, obwohl sie von Beruf eigentlich immer Hausfrau gewesen ist. Aber als Saskia Esken jetzt Auszüge aus dem Hamburger Parteiprogramm der SPD twitterte, fegte ein Sturmwind über die 58-jährige Reformerin hinweg: Esken, die der Parteilinken angehört, hatte Kritikern erst bescheinigt, keine Ahnung vom Sozialismus zu haben, wenn sie den Begriff "negativ" verwendeten. Und auf Nachfrage hatte sie betont, dass der Sozialismus natürlich Schaffensziel aller Sozialdemokraten sei und bleibe.
Denn der, bei allem, was in der Praxis bisher dagegen sprach, sei eben eigentlich eine "freie, gerechte und solidarische Gesellschaft, deren Verwirklichung als "eine dauernde Aufgabe" verstanden werden müsse. "Das Prinzip unseres Handelns ist die soziale Demokratie", setzte Esken hinzu, ein Satz wie das semantische Labyrinth des Prinzips der führenden Rolle der Bedeutung bei der Durchführung der Beschlüsse, an dem die SED zu Lebzeiten ihr Handeln ausgerichtet hatte.
Empörung war der Finalistin im Zweierrennen der vier führenden Kandidaten auf den SPD-Vorsitz sicher, weil Twitterer prinzipiell keine Parteiprogramme lesen. Dass dort tatsächlich stehen könnte, was die Tanzdame von Norbert Walter-Borjans mit aller Gelassenheit einer Frau geschrieben hatte, gegen deren berufliche Laufbahn sich die von Andrea Nahles wie ein Abenteuer mit ständig wechselnden Beschäftigungsverhältnissen ausnimmt, hielten offenbar zahllose Bürgerinnen und Bürger für die wirre Fantasie einer Softwareentwicklerin entspringt, zu deren aktiver Zeit Windows 3.0 mit Multimedia Extensions 1.0 der absolut heißeste Scheiß war.
Sozialismus als Lebensziel! Sozialismus als Vision für eine ganze Gesellschaft! Als hätte es die sozialistischen Experimente in Russland, China, der DDR, in Kuba, Nordkorea und Venezuela nicht gegeben. Nicht die Toten Stalins, die Maos, Castros und Ulbrichts.
Doch die vielleicht kommende Frontfrau der deutschen Sozialdemokratie vertritt hier in Wirklichkeit keine abseitige Extremposition, sondern sozialdemokratische Kernauffassungen: "Das Ende des Staatssozialismus sowjetischer Prägung hat die Idee des demokratischen Sozialismus nicht widerlegt", heißt es im Hamburger Programm, das vor gerademal zwölf Jahren beschlossen wurde, "sondern die Orientierung der Sozialdemokratie an Grundwerten eindrucksvoll bestätigt".Der Zusammenbruch des Sozialismus in der einzigen Art, wie er bisher real praktiziert wurde, hat die Sozialdemokratie in ihrer Auffassung bestätigt, dass richtiger Sozialismus möglich ist, wenn der ihn Ausübende nur die rechten linken "Grundwerte und Grundüberzeugungen" mitbringt.
Deren finden sich im Hamburger Programm zahlreiche, wenn auch wenig konkret formulierte. Alt ist dabei, emazipatorisch, internationalistisch und europäisch, global nicht, pazifistisch sogar ausdrücklich nicht, Immunität und Demokratie, Stolz und das Bekenntnis zum "freien Meinungsstreit". Alle Sozialdemokraten eine überdies, "die Überzeugung, dass die Gesellschaft gestaltbar ist und nicht vor dem blinden Wirken der kapitalistischen Globalisierung kapitulieren muss." Da sei die SPD davor, die einen demokratischen Sozialismus anstrebt, der "eine freie, gerechte und solidarische Gesellschaft" (SPD) sein wird, die die " stolze Tradition des demokratischen Sozialismus" bewahrt, worum auch immer es sich dabei handeln wird, wenn es soweit ist.
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