Donnerstag, 31. Oktober 2019

Sehnsucht nach dem Stiefelnazi

Solche Fälle können künftig direkt an RechtsEx gemeldet werden.

Es war ein ganz normaler Dienstagnachmittag in der Berliner Republik und auch diesem einen entscheidenden Tag wurde wieder alles viel, viel schlimmer. Verfassungsschutz-Präsident Thomas Haldenwang war diesmal berufen, die schlechte Nachricht zu verkünden: Obwohl die Kriminalität im Land, in dem immer mehr Menschen so gut und gerne leben wie nie zuvor, seit Jahren so dramatisch sinkt, dass es nie sicherer war, gut und gern in Deutschland zu leben, ist die rechte Gefahr trotz aller Warnungen auch in diesem Jahr wieder gewachsen.

Vor dem Bundestags-Kontrollgremium für die deutschen Geheimdienste musste Haldenwang zugleich eingestehen: Der Kampf gegen rechts wird schwieriger, denn die rechte Szene ist nicht mehr so übersichtlich wie früher. Damals, in der guten alten Zeit, trugen Nazis SA- oder SS-Uniformen oder wenigstens ein Parteiabzeichen.

Später gab es wenigstens noch prügelnde Stiefel-Nazis, sogenannte Kameradschaften, die NPD und kleine Splitterparteien, die sich offen nazistisch äußerten. Heute aber sehe das anders aus, informierte der oberste Verfassungsschützer die bass erstaunten Parlamentarier: Nicht in einer rechten Ecke wie traditionell üblich sondern mitten unter ihnen befänden sich die Übertäter! Denn die rechtsextreme Szene in Deutschland vermische immer stärker mit den „rechten Rändern“ des Bürgertums, die mit einem Singular schon gar nicht mehr beschrieben werden können, weil sie so zahlreich sind, dass sich in ihnen nicht mehr gewalttätige Faschisten, sondern auch braune Hausfrauen, nazistische Nachbarn, Gelegenheitsdemonstranten, AfD-Wähler und abtrünnige Christdemokraten tummeln.

Verschwundene rechte Ecke



"Die sprichwörtliche 'rechte Ecke', mit der sich trennscharf Extremisten vom bürgerlichen Lager unterscheiden lassen, gibt es nicht mehr", warnte Haldenwang vor einer neuen Lage voller „rechtsoffener Mischszenen“, die umlagert seien von „diversen Protagonisten der sogenannten Neuen Rechten“, die „im politischen Vorfeld aktiv sind, um rechtsradikales bis rechtsextremes Gedankengut immer stärker in andere Milieus hineinzutragen“.


Das schleichende Gift der verbalen Attacken auf die EU, Kanzlerin Angela Merkel oder rechtsstaatliche Institutionen wie die Uni Hamburg ersetzt so auf brutale Weise die früher häufig angewandte körperliche Gewalt, subtiler Staatsfeindschaft, die sich in Europakritik, Klimaleugnung oder der Ablehnung dringend notwendiger Zuwanderung äußert, trete an die Stelle dumpfer rechter Parolen.

Im Kampf gegen den Trend, dass aus dem bekannten Schoß nur noch Unsichtbares kriecht, hat das Bundesamt für Verfassungsschutz neue Maßnahmen eingeleitet. So wurde eine neue Hotline mit dem Namen "RechtsEX" scharfgeschaltet, über die Bürgerinnen und Bürger anonym Hinweise auf mutmaßlich rechte Verdachtsfälle geben können. Wenn sich Nachbarn oder Verwandte, Kollegen und enge Familienmitglieder entsprechend äußern oder den Eindruck erwecken, sie könnten sich so äußern wollen, vermeiden es aber, um nicht aufzufliegen, reicht eine kurze Information an das behördenintern Reichsbürgerjagdabteilung (RBJA) genannte RechtsEX-Regiment in Strausberg bei Berlin und ein Kontrollkommando rückt aus, um die Sachlage vor Ort abzuprüfen.

Ganz neue Schlachtdynamik


Hier zeigt sich, dass die Sicherheitsbehörden mit einer ganz neuen Dynamik in die Schlacht gegen die rechte Unterwanderung gehen. Unter Haldenwangs Vorgänger Maaßen, einem Mann, der sich durch seinen Beitritt zu sogenannten Werte-Union nach Ansicht vieler Beobachter im politischen Berlin selbst radikalisiert hat, galt die rechte Szene noch als marginale Bedrohung des Gemeinwesens. Ein paar tausend Spinner nur mit einer Partei (NPD), der sogar das Bundesverfassungsgericht ihre komplette Bedeutungslosigkeit attestiert hatte. Dann kamen die Wahlerfolge der AfD, über die Maaßen nach Erkenntnissen der Linkspartei jahrelang "seine schützende Hand gehalten" hatte. Und nun sei der Kampf gegen rechts wichtiger denn je.

Deshalb werde der Militärische Abschirmdienst (MAD) künftig auch solche Soldaten in den Blick nehmen, die sich auf der richtigen Seite der Schwelle zum Rechtsextremismus befänden, kündigte MAD-Präsident Christof Gramm an. Seine Behörde werde noch genauer hinschauen, auch wo es vermeintlich nichts zu sehen gebe. Er räumte ein, in der Vergangenheit habe man sich vor allem auf die "schweren Fälle" konzentriert, so dass es überhaupt nur wenige Fälle gab.

Das ist unterdessen anders: Laut Gramm bearbeitet der MAD aktuell schon rund 500 Verdachtsfälle im Bereich Rechtsextremismus und hofft, diese Zahl weiter erhöhen zu können. Das zeige, dass ein Feind durch intensive Bekämpfung auch größer und stärker werden könne. Vertreter der Medien musste Gramm allerdings enttäuschen: Die im Zusammenhang mit dem Fall Franco A. verbreiteten Behauptungen, in der Bundeswehr habe sich eine radikale "Schattenarmee" gebildet, hätten sich leider nicht bestätigt.

5 Kommentare:

Die Anmerkung hat gesagt…

Bei der Linken in Hessen sind sie auch fündig geworden, wenn man der Frau Wißler trauen darf.

"Wir haben ein großes Problem mit rechter Gewalt und organisierten Neonazis."

Warum sich Neonazis bei der Linken organisieren, das hat sie verschwiegen.

Quelle: twitter.com/LinkeLTGHessen/status/1189477556451467265

suedwestfunk hat gesagt…

Ja, sie ist groß, die Sehnsucht nach dem Stiefel im Nacken der anderen. Und Parteien, die schon vor 50 Jahren die "Unterwanderstiefel" anzogen - im Doppelsinn, weshalb sie sich auch in Doppelmoral zu echten Experten entwickelten - führen uns herrlichen Zeiten entgegen.

Anonym hat gesagt…

Hakenkreuzkarussell fol böse und so

Anonym hat gesagt…

Obwohl mir die nyuong ngoy viet als Patienten recht lästig sind (Bau-dud-weh-ma-rön-gen), habe ich doch zur Entschädigung und mit großem Ergötzen einige Charlies - beiläufig - darauf aufmerksam gemacht, daß es sich um ein uraltes Heil- und Segenszeichen handelt - und damit offene Türen eingerannt.

Halbgott in Weiß

Die Anmerkung hat gesagt…

Danisch bezüglich des Spiegel-Faschisten Hasnain Kazim
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https://www.danisch.de/blog/2019/11/01/wieso-eigentlich-hakenkreuze/

Ein anderer Leser fragt nun, wieso da überhaupt Hakenkreuze auf jüdische Grabsteine geschmiert werden. Seines Wissens nämlich hätten die Nazis nämlich so etwas gar nicht gemacht. Die fanden das Hakenkreuz ja gut und sahen es als Ariersymbol, quasi als Gütesiegel an. Die Nazis hätten Juden, jüdische Häuser, Einrichtungen, Läden und alles weitere deshalb konsequent und durchgehend mit Davidsternen bzw. „Judensternen” markiert.

Der Leser fragt, warum Nazis dann jetzt plötzlich ihre Ideologie und ihre Prinzipien über Bord werfen und jüdische Grabsteine mit ihrem Arier-Symbol markieren sollten. Das wäre doch nicht nur zutiefst widersinnig und ideologiewidrig, es widerspräche auch der Praxis der Nazis im Dritten Reich. Wieso die das jetzt so anders machten.

Weiß ich nicht.

Keine Ahnung.

Kunstfälscher? Soll’s ja geben.

Müsste man den SPIEGEL fragen. Die meinen doch zu wissen, wer das war und warum.