Samstag, 26. Oktober 2019

Glücksspiel: Rechtsstaatspleite feiert Geburtstag


Es wird ein großer Geburtstag werden, eine Feier, als würde der Berliner Flughafen doch noch eröffnet, nur eben ganz still und ohne große Öffentlichkeit. Denn allzu peinlich ist, was sich die Regierungen der Bundesländer in den zurückliegenden zehn Jahren im Bemühen, das staatliche Glücksspielmonopol über sein Verfallsdatum hinweg zu erhalten, geboten hatten. Erst ein neuer Staatsvertrag, dann noch ein neuer, dann ein Sonderweg für Schleswig-Holstein, dann ein Stoppzeichen von deutschen Gerichten, die das komplizierte Auswahlverfahren zur Lizenzvergabe an private Anbieter für rechtswidrig befanden...

Während die Regierungschefinnen und -chefs der Länder nach 2010 immer wieder neu um Lösungen rangen, die aussehen sollten wie rechtssicher, eigentlich aber vor allem das Lottomonopol zu sichern hatten, aus dem noch jede Landesregierung gute Gaben für ihre Wählerinnen und Wähler hatte schöpfen können, sprossen in den Fußgängerzonen der Republik die Wettbüros nur so aus dem Boden. Verbal hart bekämpft, aber rechtlich nicht zu besiegen, wurde jede einzelne Filiale zu einem Menetekel eines Politikversagens.

Die Realität strafte jede Behauptung Lügen, Deutschland sei ein Rechtsstaat, denn die geltenden rechtlichen Regelungen konnten vor Gericht nicht mehr durchgesetzt werden, weil Urteile europäischer Gerichte befunden hatten, dass europäische Regeln zur Wettbewerbsfreiheit höher stehen als der Wunsch deutscher Politiker, bei Reisen übers Land hier und da noch ein paar Euro an Sportvereine oder Trachtenklubs verschenken zu dürfen.

Jetzt aber, nach einem knappen Jahrzehnt titanischen Ringens um die sagenhafte Lösung des selbstgeknüpften gordischen Knotens dürfen Online Casino Anbieter hoffen, dass das Ende näher ist als der Anfang: Der neue Staatsvertrag, der nun "Dritter Glücksspieländerungsstaatsvertrag" heißt, ist durchverhandelt und um früher enthaltene rechtswidrige Bedingungen bereinigt worden.

Die ehemals vorgesehene Beschränkung der Anzahl der zu vergebenden Konzessionen auf 20 ist verschwunden. Damit gibt es auch kein Auswahlverfahren mehr, wie es sich in Frankfurt über Jahre ergebnislos hingeschleppt hatte, weil die jeweils nicht berücksichtigten Bewerber nach ihrem - grundlosen - Ausschluss jedes Mal vor Gericht zogen. Auch die nur durch eine sogenannte "Experimentalphase" straffrei gestellte Durchplakatierung von Sportligen aller Art mit Wettwerbung bekäme eine rechtlich saubere Grundlage, würden diese Änderungen wie geplant am 1. Januar 2020 in Kraft treten.

Laut dem angestrebten neuen Vertrag dürfen private Unternehmen zwar bald offiziell Wetten auf Sportereignisse online akzeptieren und abwickeln, aber auch nur dann, wenn es sich nicht um Live-Wetten handelt. Live-Wetten sind solche, bei denen Glücksspieler während eines Spiels Geld auf den Eintritt eines bestimmten Ereignisses setzen, wie zum Beispiel das nächste Tor beim Fußball.

Schaut man sich jedoch die Plattformen im In- und Ausland an, so wird schnell klar, dass Live-Wetten enorm beliebt sind. Wenn der deutsche Staat diese unter der neuen Lizenz gleich wieder verbietet, indem er sie gar nicht erst erlaubt, dann schafft er sofort Raum für den unregulierten Markt, den er abschaffen will. Denn Spieler werden sich unweigerlich bei den Webseiten anmelden, bei denen sie finden, was sie spielen möchten, nicht bei denen, die anbieten, was deutsche Minister für ausreichend halten.

Eine weitere Einschränkung ist ein maximaler Betrag, den ein Spieler pro Monat verspielen können dürfen soll. Deutsche Politiker haben zehn Jahren intensiver Beratungen beschlossen, dass ein Kunde nicht mehr als 1000 Euro monatlich setzen darf – zumindest bei Online-Glücksspielen. Lottoscheine beim staatlichen Lotto darf er kaufen, so viele er will.

Diese Regelung soll potenzieller Spielsucht und finanziellem Ruin entgegenwirken. Eine symbolische Maßnahme, denn blickt man in die Geschichte zurück, wird schnell klar, dass Verbote selten zum Erfolg geführt haben: Die Prohibition in Amerika ist ein klassisches Beispiel. Will ein Spieler mehr pro Monat setzen, dann sucht und findet er einen Anbieter, der ihm das ermöglicht, in diesem Fall sehr wahrscheinlich einen ohne offizielle Lizenz aus Deutschland.

Dann allerdings könnten den Gesetzgebern der 16 Länder, die so lange und so hart um ihren schönen neuen Staatsvertrag verhandelt hatten, dass dessen Vervollkommnung schon kaum noch jemand mitbekommen hat, das bittere Erwachen drohen: Was, wenn sich gar kein Wettanbieter um eine der neuen Konzessionen bewirbt? Denn wirklich brauchen kann er sie ja nicht, weil ihm seine Konzession aus dem europäischen Ausland eigentlich ausreicht?

Dann war alles umsonst, hunderte, ja, tausende Sitzungsrunden, dicke Papiere, Gutachten, der Streit mit Schleswig-Holstein und dessen Sonderweg und Schleswig-Holsteins Internetbarrieren, die jeden Nutzer von im Norden lizensierten Angeboten warnen, dass er sein Glück nur versuchen dürfe, wenn er sich in Schleswig-Holstein befinde?

2 Kommentare:

Playmale hat gesagt…

Lasset die Doidschmichelkinder zu mir kommen, versessen spielen und auf Gewinne bzw. Wohlstand hoffen, die ihnen das normale Arbeitsleben aufgrund weltweit höchster Steuer-, Gebühren- und und Abgabenlast nicht mehr ermöglicht. Außerdem müssen wir Importfachkräften wie bulgarischen Hütchenspielern doch eine berufliche Integration ermöglichen.

Zudem basiert unser gesamtes System auf der über 2000 Jahre alten Brot-und-Spiele-Erfindung der Alten Römer. Sobald es an Brot mangelt, helfen demzufolge nur noch mehr Spiele. Blutige Abschlachtorgien, die früher diskret in Arenen passierten, können Zufallspassanten in Germanistan heute fast täglich öffentlich und unentgeldlich auf der Straße erleben. Die kostenlose Unterhaltung kommt somit quasi bequem direkt bis zum Bürger. Man muss es nur genießen können, dieses makabere Schauspiel von international bunten Spontankünstlern ... und etwas Glück haben, just zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein.

Dann steht dem gefühlsintensiven Vergnügen des lebens- bzw. todesnahen Dabeiseins nix mehr im Wege. Wir steuern auf wahrhaft aufregend verspielte Zeiten zu. Kleiner Wehrmutstropfen: Die Opfer stehen meist nicht mehr auf wie nach Drehschluss für den Feierabendkrimi. Fiktion und Konserve war gestern, heute ist es live frisch vom Metzger.

Schöne Geburtstagsfeier also noch. Man gönnt sich in Schland ja sonst nischt.

Jodel hat gesagt…

Deutschland im Jahr des Herrn 2019 wie es leibt und lebt. Es gibt in unserem Land ein dutzende Vorgänge die vollkommen und unverblümt den bemitleidenswerten Zustand unserer Nation wiederspiegeln.
Der Flughafenbau in Berlin, der Glückspielstaatsvertrag, die Verkleinerung des Bundestages, ein Mobilfunknetz schlechter als in Albanien, Pleiten Pech und Pannen bei der Bundeswehr, usw. usf. Ohne nachzuforschen könnte ich hier dutzende, wenn nicht hunderte, Projekte aufzählen, die die inkompetenteste Elite aller Zeiten derzeit komplett in den Sand setzt.
Und das Beste dabei ist, bis auf ein kleines Häuflein Verzweifelter juckt das keine Sau.
Alles Top im Besten Deutschland aller Zeiten. Trotz ein wenig Genörgel wird am Ende das Kreuzchen doch wieder bei der größten Koalition aller Zeiten gemacht.
Wenn der Wahnsinn endemisch wird, heißt er Vernunft. Wir sind das Beste Beispiel dafür.