Donnerstag, 31. Oktober 2019

Sehnsucht nach dem Stiefelnazi

Solche Fälle können künftig direkt an RechtsEx gemeldet werden.

Es war ein ganz normaler Dienstagnachmittag in der Berliner Republik und auch diesem einen entscheidenden Tag wurde wieder alles viel, viel schlimmer. Verfassungsschutz-Präsident Thomas Haldenwang war diesmal berufen, die schlechte Nachricht zu verkünden: Obwohl die Kriminalität im Land, in dem immer mehr Menschen so gut und gerne leben wie nie zuvor, seit Jahren so dramatisch sinkt, dass es nie sicherer war, gut und gern in Deutschland zu leben, ist die rechte Gefahr trotz aller Warnungen auch in diesem Jahr wieder gewachsen.

Vor dem Bundestags-Kontrollgremium für die deutschen Geheimdienste musste Haldenwang zugleich eingestehen: Der Kampf gegen rechts wird schwieriger, denn die rechte Szene ist nicht mehr so übersichtlich wie früher. Damals, in der guten alten Zeit, trugen Nazis SA- oder SS-Uniformen oder wenigstens ein Parteiabzeichen.

Später gab es wenigstens noch prügelnde Stiefel-Nazis, sogenannte Kameradschaften, die NPD und kleine Splitterparteien, die sich offen nazistisch äußerten. Heute aber sehe das anders aus, informierte der oberste Verfassungsschützer die bass erstaunten Parlamentarier: Nicht in einer rechten Ecke wie traditionell üblich sondern mitten unter ihnen befänden sich die Übertäter! Denn die rechtsextreme Szene in Deutschland vermische immer stärker mit den „rechten Rändern“ des Bürgertums, die mit einem Singular schon gar nicht mehr beschrieben werden können, weil sie so zahlreich sind, dass sich in ihnen nicht mehr gewalttätige Faschisten, sondern auch braune Hausfrauen, nazistische Nachbarn, Gelegenheitsdemonstranten, AfD-Wähler und abtrünnige Christdemokraten tummeln.

Verschwundene rechte Ecke



"Die sprichwörtliche 'rechte Ecke', mit der sich trennscharf Extremisten vom bürgerlichen Lager unterscheiden lassen, gibt es nicht mehr", warnte Haldenwang vor einer neuen Lage voller „rechtsoffener Mischszenen“, die umlagert seien von „diversen Protagonisten der sogenannten Neuen Rechten“, die „im politischen Vorfeld aktiv sind, um rechtsradikales bis rechtsextremes Gedankengut immer stärker in andere Milieus hineinzutragen“.


Das schleichende Gift der verbalen Attacken auf die EU, Kanzlerin Angela Merkel oder rechtsstaatliche Institutionen wie die Uni Hamburg ersetzt so auf brutale Weise die früher häufig angewandte körperliche Gewalt, subtiler Staatsfeindschaft, die sich in Europakritik, Klimaleugnung oder der Ablehnung dringend notwendiger Zuwanderung äußert, trete an die Stelle dumpfer rechter Parolen.

Im Kampf gegen den Trend, dass aus dem bekannten Schoß nur noch Unsichtbares kriecht, hat das Bundesamt für Verfassungsschutz neue Maßnahmen eingeleitet. So wurde eine neue Hotline mit dem Namen "RechtsEX" scharfgeschaltet, über die Bürgerinnen und Bürger anonym Hinweise auf mutmaßlich rechte Verdachtsfälle geben können. Wenn sich Nachbarn oder Verwandte, Kollegen und enge Familienmitglieder entsprechend äußern oder den Eindruck erwecken, sie könnten sich so äußern wollen, vermeiden es aber, um nicht aufzufliegen, reicht eine kurze Information an das behördenintern Reichsbürgerjagdabteilung (RBJA) genannte RechtsEX-Regiment in Strausberg bei Berlin und ein Kontrollkommando rückt aus, um die Sachlage vor Ort abzuprüfen.

Ganz neue Schlachtdynamik


Hier zeigt sich, dass die Sicherheitsbehörden mit einer ganz neuen Dynamik in die Schlacht gegen die rechte Unterwanderung gehen. Unter Haldenwangs Vorgänger Maaßen, einem Mann, der sich durch seinen Beitritt zu sogenannten Werte-Union nach Ansicht vieler Beobachter im politischen Berlin selbst radikalisiert hat, galt die rechte Szene noch als marginale Bedrohung des Gemeinwesens. Ein paar tausend Spinner nur mit einer Partei (NPD), der sogar das Bundesverfassungsgericht ihre komplette Bedeutungslosigkeit attestiert hatte. Dann kamen die Wahlerfolge der AfD, über die Maaßen nach Erkenntnissen der Linkspartei jahrelang "seine schützende Hand gehalten" hatte. Und nun sei der Kampf gegen rechts wichtiger denn je.

Deshalb werde der Militärische Abschirmdienst (MAD) künftig auch solche Soldaten in den Blick nehmen, die sich auf der richtigen Seite der Schwelle zum Rechtsextremismus befänden, kündigte MAD-Präsident Christof Gramm an. Seine Behörde werde noch genauer hinschauen, auch wo es vermeintlich nichts zu sehen gebe. Er räumte ein, in der Vergangenheit habe man sich vor allem auf die "schweren Fälle" konzentriert, so dass es überhaupt nur wenige Fälle gab.

Das ist unterdessen anders: Laut Gramm bearbeitet der MAD aktuell schon rund 500 Verdachtsfälle im Bereich Rechtsextremismus und hofft, diese Zahl weiter erhöhen zu können. Das zeige, dass ein Feind durch intensive Bekämpfung auch größer und stärker werden könne. Vertreter der Medien musste Gramm allerdings enttäuschen: Die im Zusammenhang mit dem Fall Franco A. verbreiteten Behauptungen, in der Bundeswehr habe sich eine radikale "Schattenarmee" gebildet, hätten sich leider nicht bestätigt.

Umfragezauber: Wie man keine in zu viel verwandelt

Nahe Null ist immer noch viel zu viel, man muss nur die richtigen Fragen stellen.
Es ist 13 Jahre her, dass der Bund zum letzten Mal ein Stück Staatseigentum verkaufte. Mit der dritten Trance  der Telekom-Aktien, die das Finanzministerium unter großem Rühren auf der Werbetrommel zu Fantasiepreisen an Menschen verkaufte, denen die Aktien ohnehin schon gehörten, weil sie als Staatsbürger Eigner allen Staatseigentums sind, endeten die Privatisierungsbemühungen der rot-grünen Schröder- und Fischer-Jahre, als der Staat schlank und schnittig werden sollte, auf dass er seinen Bürgerinnen und Bürgern möglichst viel Freiheit bei der individuellen Entfaltung lasse.

Mit der Rückkehr der CDU, die sich immer selbst für den Staat und den Staat selbst für ein Eigentum der Union gehalten hat, endeten die heute nur noch als „neoliberale“ Verirrungen bezeichneten Versuche, ein Staatsschiff von Ballast zu befreien, der es nur hindert, voranzukommen. Die Deutsche Bahn ist heute genauso staatlich wie damals und genauso schlecht ist sie auch. Der Bund besitzt bis heute zahllose Immobilien, die er zumeist gar nicht benutzt. Und er hält sich ein Firmenimperium aus Banken und Kreditanstalten, Forschungsinstituten und Förderfirmen, das so undurchschaubar ist, dass der „Beteiligungsbericht“ des Finanzministers, der 109 Unternehmen auflistet, 384 Seiten umfasst.


Die Kunst, zu regieren, besteht nun allerdings nicht darin, sich dafür zu entschuldigen, dass die Deutsche Telekom AG und die Deutsche Post AG, die FMS Wertmanagement, die Bundesdruckerei GmbH, die Energiewerke Nord GmbH, die PD – Berater der öffentlichen Hand GmbH, die VEBEG GmbH, die Deutsche Energie-Agentur GmbH, die Germany Trade and Invest – Gesellschaft für Außenwirtschaft und Standortmarketing mbH und 100 andere Firmen einem Staat gehören, der vielfach bewiesen hat, dass er nicht nur nicht der bessere, sondern besser gar kein Unternehmer ist. Nein, die Kunst besteht daraus, Forscher und Medien zu finden, die bereit sind, hinaus in die Welt zu gehen und Menschen, die nicht jeden Tag Beteiligungsberichte des Bundes lesen, die Frage zu stellen, die Privatisierung öffentlicher Leistungen in den vergangenen Jahrzehnten zu weit gegangen sei. Immerhin ist ja mit der Teilprivatisierung der Telekom der Mondscheintarif weggefallen!

Fragt man richtig, bekommt man Antworten, wie man sie hören will: 78 Prozent der Befragten sind der Ansicht, dass diese ganzen Privatisierungen zu weit gegangen sind. Nur neun Prozent empfinden sie als "genau richtig", und mit sechs Prozent plädiert ein noch kleinerer Anteil dafür, "weitere öffentliche Leistungen zu privatisieren" (Spiegel). Weitere, ja, Zusätzlich zu, ähm, ja.

Mittwoch, 30. Oktober 2019

Goldrausch: Ein schlechtes Geschäft für die Steuerzahler


Vor einem Jahr noch verkaufte die deutsche Bundesbank 1,2 Tonnen der deutschen Goldreserven zu einem Preis von um die 1200 US-Dollar, mittlerweile aber hat Deutschland seine Anlagestrategie offenbar geändert: Erstmals seit 21 Jahren hat die Bundesbank Gold eingekauft - 90.000 Feinunzen wurden erworben, die deutschen Reserven stiegen damit von 108,25 Millionen Unzen im Vormonat auf nunmehr 108,34 Miillionen Unzen.

Was Experten als Signal dafür sehen, dass die Bundesbank mit einer neuen Finanzkrise rechnet und für den Fall aller Fälle vorsorgt, ist für den Steuerzahler erstmal ein richtig schlechtes Geschäft: Einerseits ist der Wert des Goldes, das die Bundesbank im August vergangenen Jahres abgestoßen hatte, seit dem 12,5 Millionen Dollar gestiegen. Und andererseits  hat die Bundesbank jetzt mehr für ihren Zukauf der doppelten Menge sogar 26 Millionen Euro mehr bezahlt als das Ganze im Sommer 2018 gekostet hätte.

Selbst angesichts einer Gesamtausgaben von rund 135 Millionen Euro fällt das kurzfristig auf, im Vergleich zum Gesamtwert des deutschen Goldschatzes aber, der derzeit bei etwa 178 Milliarden Euro liegt, fällt es kaum ins Gewicht.

Bis 2017 hatten die Bundesbank in einer überaus öffentlichkeitswirksamen Aktion die seinerzeit 674 Tonnen umfassenden ausgelagerten Gold-Reserven des deutschen Staates aus den Lagerstätten in Frankreich und den USA zurückgeholt. Zuvor waren Zweifel laut geworden, ob das im Ausland eingelagerte Bundesbank-Gold überhaupt noch existiere oder nicht längst verliehen oder durch Bleibarren ersetzt worden sei. Der Bundesrechnungshof hatte kritisierte, dass es seit Jahrzehnten keine Kontrolle der Vorräte gegeben habe. Allein aufgrund des hohen Wertes der Goldreserven - damals etwa 100 Milliarden - sollten doch besser regelmäßige Stichproben stattfinden.


Das daraufhin entwickelte Konzept sah vor, bis zum Jahr 2020 die Hälfte der deutschen Goldreserven in eigenen Tresoren in Frankfurt am Main zu lagern. Ende vergangenen Jahres lagen dann tatsächlich 136.637 Goldbarren in Frankfurt, 33.887 in London und 98.630 in New York.

Quelle: Zerohedge

Volksfront: Der Feind steht rechts

Die Sehnsucht ist dort, wo Politik für die Menschen gemacht wird, unüberhörbar. "CDU und/oder FDP sollten ihrer staatspolitischen Verantwortung gerecht werden - und sich einem Bündnis mit dem Linken-Ministerpräsidenten Ramelow nicht verschließen", heißt es bei Spiegel Online , wo das Wahlergebnis aus Thüringen spontane Sehnsüchte nach dem Erstehen einer neuen "Volksfront" (Spiegel) geweckt hat.

Dass CDU wie FDP sie vor der Wahl versprochen hätten, sie würden keine Koalition der Linkspartei oder der AfD eingehen, könne nicht mehr zählen, wenn die Lage sei, wie sie durch das unverantwortliche Wahlverhalten der in Thüringen lebenden zumeist weißen, zumeist alten und überwiegend im ländlichen Raum abgehängten Ostdeutschen entstanden sei. Konservative und Liberale müssten jetzt Verantwortung übernehmen und nicht mehr darauf herumhacken, was sie an Versprechen gestern oder gar vorgestern abgegeben haben, empfiehlt der "Spiegel"-Politikberater Sebastian Fischer. "Sie sollten erkennen: Der Gegner steht rechts."

Ein Zitat, subtil angepasst an einen Zeitgeist, der die Schleichfahrt liebt. „Da steht der Feind, der sein Gift in die Wunden eines Volkes träufelt, da steht der Feind – und darüber ist kein Zweifel: dieser Feind steht rechts!“, hatte Reichskanzler Joseph Wirth nach der Ermordung von Reichsaußenministers Walther Rathenau durch Rechtsextremisten im Deutschen Reichstag gesagt. 97 Jahre später muss es kein politischer Mord mehr sein, der Politiker herausfordert, trotzdem „geduldig in jeder Lage für das eigene unglückliche Vaterland eine Förderung der Freiheit" zu suchen, wie Wirth damals im Juni 1922 angesichts sich aufschauckelnder Emotionen gefordert hatte.

Es reicht ein Wahlergebnis, das einem "völkisch-nationalistischen Spitzenkandidaten" (Spiegel) einen Stimmanteil einbringt, der ihm nach dem Dafürhalten der längst von politischen Stadtbilderklärern in Politikberater verwandelten Liebhaber von "klarer Kante" und "stabilen Verhältnissen" von einer "echten Zusammenarbeit" zwischen der Linken, die den Sozialismus schnellstmöglich wiedererrichten will, und einer CDU zu träumen, die dieses Ziel ohne großes Herumreden, aber mit guten Erfolgen verfolgt.

Eine "demokratische Volksfrontkoalition von Linken und CDU" (Spiegel) wäre demokratisch auch nicht weniger legitimiert als es einst die Umsatzsstueererhöhung von Union und SPD war oder gerade erst das von denselben Parteien beschlossene "Klimapaket", von dem bei der letzten Bundestagswahl in keinem Wahlprogramm die Rede war. Und es wäre doch ebenfalls für einen guten Zweck!

Das Notbündnis, das die Linke endgültig als staatstragende Partei etablieren und der Union damit ungeachtet beständig sinkender Wahlergebnisse eine dauerhafte Machtperspektive geben würde, müsste nach Empfehlung des "Spiegel" nur auf "pragmatische Zusammenarbeit zum Zweck der Problemlösung" zielen. Das wäre wohl sogar so einfach, dass es nur verwundern kann, warum noch niemand darauf gekommen ist: "Warum nicht mit CDU-Ideen das Bildungssystem verbessern? Warum nicht mit Linken-Ideen den Sozialstaat stärken? Warum nicht auf diese Weise den Menschen neue Aufstiegsmöglichkeiten eröffnen?", fragt der "Spiegel".

Und warum denn eigentlich dabei stehenbleiben? Warum nicht den linken Mietendeckel für alle? Den sofortigen Stopp aller Rüstungsexporte? Den Austritt aus der Nato? Ein bedingungsloses Grundeinkommen? Mehr Staatsausgaben? Und die schwarze Null? Und ein Tempolimit? Und kein Tempolimit? Und so weiter?

Dienstag, 29. Oktober 2019

Bunte Fantasien:Thüringen austauschen

Dass alle vor Höcke warnen, hat sich als sehr gute Strategie herausgestellt. Für Höcke.

Es dauerte nicht einmal 24 Stunden, dann war klar, wenn das Wahlergebnis von Thüringen wieder ebenso überraschend wie unerwartet und ebenso schwer wie am schwersten von allen überhaupt getroffen hatte; Medienhäuser von Mainz bis Berlin, von Frankfurt über Hamburg bis Leipzig leckten Wunden, die bis tief ins Knochenmark reichen. Die Zungen lang vor Verzweiflung, machte man sich gegenseitig Mut: "Auch wenn Wut und Schmerz groß sind angesichts der Tatsache, dass ein Viertel der Ostdeutschen rechtsradikal wählt: Der Osten hat 2019 eine Reifeprüfung bestanden", so die Hamburger "Zeit", die einen ehemaligen grünen Wahlkämpfer statt Häme gute Noten verteilen ließ an die doch überwiegend willigen Ostdeutschen, denen im Grunde doch nur ein ganz klein wenig Hilfe fehlt, vielleicht doch noch richtige Menschen mit richtigen Meinungen und Einstellungen zu werden wie "Zeit"-Autor Christian Bangel einer ist.

Hilfe, für die der im abgehängten Frankfurt/Oder geborene "Ressortleiter des Pop-up-Ressorts" zielgenaue Vorschläge hat. Wenn der Ostler sich nicht ändert, sondern alle Bemühungen, ihm mit zahllosen instruktiven Artikeln, ganzen Internetseiten und Kunstaktionen den richtigen Weg zu zeigen, nur mit immer noch mehr verstocktem Widerstand beantwortet, dann hilft vielleicht doch nur der große Austausch, von dem Figuren wie der Obernazi Höcke fantasieren? Zuwanderung, empfiehlt Bangel, Zuwanderung jetzt! Und so massenhaft, dass der traditionelle Ossi mit seiner weißen Haut, seinen weißen Socken und seinen düsteren Gedanken sich auflöst in einem melting pot aus fröhlicher Buntheit.

"Wer den Osten dauerhaft stabilisieren will, der muss vor allem für eines kämpfen: Zuwanderung", hat der aus Brandenburg nach Hamburg zugewanderte Gründer des Rechtsextremismus-Blog "stoerungsmelder.org" in den ersten Stunden nach der Wahl ausgerechnet. Zwei Millionen Thüringer gibt es, 260.000 von ihnen wählten die AfD und katapultierten sie auf knapp 24 Prozent der Wählerstimmen. Gäbe es nun massive Zuwanderung aus dem zivilisierten Westen, Binnenzuwanderung aus den roten Hochburgen in die schwarzblauen ländlichen Räume und eine gezielte Migration aus dem Ausland, dann sänken diese Zahlen schnell: Schon eine halbe Million neuer bunter Thüringer würde den AfD-Anteil auf unter 20 Prozent senken. Eine Million neuer Siedler in den "bisherigen Verliererregionen" (Bangel) drückte ihn auf nur noch knapp über zehn Prozent. Und gäbe dem Freistaat endlich die "Chance, stabile wirtschaftliche Strukturen aufzubauen".

Wie bei der "Zeit"-Redaktion, die eines Tages sicher aus einem "Miteinander von Generationen, Milieus und Hautfarben" (Bangel) bestehen wird, vielleicht sogar mit Thüringern mittenmang, nur eben nicht jetzt, wird das neue Thüringen an jenem Tag "eine Partei wie die AfD mit ihren weißen Hoheitsfantasien lächerlich erscheinen" lassen. Bis dahin empfehle es sich, anzuordnen, dass es ein "Skandal in ganz Deutschland wird, dass Menschen anderer als weißer Hautfarbe sich oftmals noch immer nicht in den Osten wagen". Denn wie will man denn Zuwanderer für die grünen, abgeschiedenen Täler Thüringens, für die öden Steppen Brandenburgs und die von wilden bewohnten Halden des Erzgebirges gewinnen, wenn die am Ende doch lieber die Mieten in Berlin hochtreiben?

Wenigstens ebenso wichtig ist es aber nach der Hamburger Analyse, auf den Trick der AFD hereinzufallen, die anderen Parteien ohne die geringste eigene Machtperspektive vor sich herzutreiben. War der Kampf gegen "die neue NSDAP" (Zentralrat der Muslime) anfangs noch zu gewinnen, indem sich wie in Sachsen-Anhalt drei traditionelle Parteien gegen sie zusammenschlossen, sind jetzt in Thüringen schon vier gefordert. Eine Strategie, die so gut aufgeht (Grafik oben), dass die "Zeit" empfiehlt, ihr einfach stur weiter zu folgen, bis es irgendwann AfD-Minister gibt, "die aus der Exekutive heraus ihre niederträchtigen Vorstellungen umsetzen könnten".

Das wollen wir nicht, das kann niemand wollen, das wird die "Zeit" verhindern. Denn "würde diese Tür geöffnet, würde wahrscheinlich ganz Deutschland ein anderes Land werden, ganz sicher aber der Osten". Anders als wann? Als wo? Ach, man will optimistisch sein, was die fünf ostdeutschen Bundesländer angeht. Die können doch nicht. Die werden doch nicht. Die müssten doch auch dankbar sein? Vielleicht, so rät Christian Bangel, holt man den Osten einfach mal aus dieser Gefahrenzone heraus. Die Mehrheit dort, das hätten "die Ostwahlen" gezeigt, ist auf der Seite der Demokraten, nur eine ganz kleine Clique stört den fröhlichen Frieden.

Vier gewinnt: Eine Quadratspitze für die SPD

Die Freude über die neue Quadratspitze ist jetzt schon riesig.
Selten nur war das Wettrennen um den Spitzenposten bei der deutschen Sozialdemokratie so spannend wie dieses Mal. Als mit Engholm, Schröder und Scharping drei Männer um den Vorsitz kämpften, stockte der Republik zwar auch für einige Momente der Atem. Schließlich war mit dem später als deutschem Radfahrerchef bekannt gewordenen Rudolf Scharping ein Sieger aufs Podest geklettert, mit dem niemand gerechnet hatte.

Aber dieses Mal hat die Titanenschlacht ein ganz anderes Gepränge: Es geht um nichgts weniger als um alles, um den Fortbestand der Regierung, das Überleben der ältesten deutschen Partei, eigentlich aber auch um Europa, die Klimaziele der Paris-Abkommen-Unterzeichner und damit um das Schicksal der gesamten Menschheit.

Das sich mit dem Duo-Duo Geywitz/Scholz und Esken/Walter-Borjans gleich zwei der namhaftesten der sechs zuletzt noch im Rennen befindlichen Kandidatenbundles auf die SPD-Chefsessel durchgesetzt haben, kann deshalb von Bürgerinnen und Bürger überall auf der Erde mit großer Erleichterung und Freude aufgenommen werden. Dass der Bundesfinanzminister und seine Brandenburger Quotenfrau - erstmals hatte der SPD-Notvorstand bestimmt, dass ein gemischtgeschlechtliches Paar die Partei leiten sollen muss - mit 22,7 Prozent über die zweitplazierte Mann-Frau-Kombination aus der überzeugten Hausfrau Saskia Esken und dem ehemaligen Finanzminister Nordrhein-Westfalens, Norbert Walter-Borjans, triumphierten, knapp dahinterliegt, kann ein Zeichen sein. Muss aber nicht.

Fast die Hälfte der  Hälfte der 460.000 Parteimitglieder hat für das Quartett gestimmt, das zusammen aus so unterschiedlichen Regionen wie Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Schwaben und dem Berliner Speckgürtel stammt. Gemeinsam sind die vier 220 Jahre alt und zusammen haben sie mehr als die Hälfte dieser Zeit alt in der aktiven Politik verbracht. Aber auch Spuren beruflicher Tätigkeit außerhalb der Politik haben Experten in den Lebensläufen der künftigen Parteiführer gefunden: Vier Jahre als Informatiker und mehrere Jahre, die Borjans als junger Mann bei Henkel angestellt war, bedeuten eine Steigerung der Arbeitsverwurzlung der neuen Parteiführung um mehr als 800 Prozent verglichen mit der früheren Nahles-Führung. Auch im Vergleich mit der Vorstandszeit von Sigmar Gabriel liegt die Steigerung noch bei 216 Prozent, denn Gabriel hatte nur kurzzeitig als Start-Up-Unternehmer für den niedersächsischen Staatskonzern VW gearbeitet.

Saskia Esken, die nach einem abgebrochenen Studium der Gemanistik eine Ausbildung zur Informatikerin absolvierte, sich dann aber bis zu ihrem Einzug in den Bundestag der Erziehung ihrer Kinder widmete, und Walter-Borjans, der mit 67 im besten Alter für einen Neuanfang ist, gelten als durchaus präsidiabel, volksnah und an der Basis weit über Parteikreise hinaus bekannt. Gemeinsam mit Geywitz, die nie außerhalb des politischen Geschäfts gewirkt hat, und Scholz sind sie im Durchschnitt seit 32,5 Jahren hauptberuflich politisch aktiv, haben während dieser Zeit gemeinsam mehr als eine halbe Million Euro (1 Million D-Mark) Parteibeiträge gezahlt und könnten so ein glaubwürdiges Aufbruchsignal in die Republik senden, das nicht nur die zuletzt innen- wie außenpolitisch so erfolgreich agierende Große Koalition stabilisiert, sondern auch dem gerade in diesen schweren Zeiten für das entschiedene Eintreten für den Meinungsfreiheit so wichtigen Kampf gegen rechts einen weiteren Schub geben.


Statt die der 460.000 Genosseninnen und Genossen nun der Qual der Wahl auszusetzen, sich zwischen vier Namen wie Donnerhall entscheiden zu müssen, ist es hohe Zeit für ein neues Führungsmodell. Mit einer sogenannten Quadratspitze, bei sich Geywitz/Scholz und Esken/Walter-Borjans den zehrenden Posten des Chefabwickicklers teilen und das grüne Modell der Doppelspitze damit auf ein völlig neues Level heben, wäre der Partei, dem Land, Europa, der Welt und dem Klima am besten geholfen, nachdem der von bestimmten Kräften in der Partei immer noch als möglicher Rückkehrer im Spiel gehaltene frühere Langzeit-Parteichef Sigmar Gabriel pünktlich am Tag der Vorrundenentscheidung seine eigenen Zukunftspläne öffentlich gemacht hatte und auch der von jungen und linken Kräften favorisierte Jan Böhmermann ebenso wie Parteisatiriker Ralf Stegner sein Ausscheiden aus dem Kandidatencasting verkündet hatte.

Montag, 28. Oktober 2019

Fremdenfeinde for Future: Kinder an die Macht

Die Kinder sind die Hoffnung, auch wenn die Alten ihnen die Zukunft gestohlen haben. Doch nicht in Thüringen! Dort, wo ein "Faschist" (Michael Kellner, Grüne) eine Partei voller "Nazis" (Mike Mohring, CDU) zur zweitstärksten Kraft hinter der in "Linke" unbenannten SED gemacht hat, enttäuscht die Jugend auf ganzer Linie. Statt sich auch an der Wahlurne stark zu machen für Klimarettung, Dieselverbote und stärkere Zuwanderung, entschloss sich ein Viertel der Heranwachsenden und der jungen Erwachsenen im schwarzen Herzen Dunkeldeutschlands, ihr Kreuz beim Klassenfeind zu machen.

24 Prozent für die AfD, die Linke dahinter mit nur 22, die nur noch bei 13 Prozent, Grüne bei elf, FDP bei acht und SPD bei 7 unter den 18- bis 29-Jährigen - die Volksparteien müssen Wahlforscher im Osten ohnehin mit der Lupe suchen. Bei jüngeren Menschen aber hilft in manchen Regionen nun nur noch das Mikroskop.

Nach Georges Clemenceau ist die Wahrscheinlichkeit, mit 20 Jahren Sozialist zu sein, ungleich höher als die, es mit 40 immer noch zu sein, weil in der Jugend das Herz entscheidet, später aber immer öfter das Hirn. Wenn also die jungen Thüringer sich heute schon weigern, im Sinne stabiler Verhältnisse so zu wählen, wie Mutti und Vati es jahrzehntelang getan haben, dann sind Sorgen um die Demokratie angebracht. Schon vor fünf Jahren fiel in Thüringen das Tabu, mit der immer mit der SED rechtsidentischen Linken zu koalieren. Grüne und SPD wurden in der folgenden Koalition mit dem Niedersachsen Bodo Ramelow aufgerieben.

Die Koalitionspartner des früheren Gewerkschafters verloren zusammen knappe fünf Prozent, Ramelow selbst gewann davon mit der Linken knapp drei, der Rest verließ das Regierungslager - und landete dort, wo auch die 11,7 Prozent der Wähler hinwanderten, die die CDU verlor: Zur Höcke-AfD, nach Urteil der  maßgeblichen Auguren der rechteste Landesverband am äußersten rechten Rand einer Partei, die als "Nazipartei" startete, (Scharf-Links 2013), ehe sie begann, sich immer weiter zu radikalisieren und zu radikalisieren und zu radikalisieren.

Die Warnungen vor dieser Entwicklung wurden immer lauter. Aus gelegentlichen Weckrufen gegen die frühe Lucke-AfD und in loser Folge ertönenden Aufschreien gegen die AfD, die Frauke Petry führte, wurde ein schriller medialer Daueralarm, nachdem die beiden frühen Führer der Partei den Rücken gekehrt hatten.

Gerade bei Jüngeren  scheint das hervorragend anzukommen. Schon bei den Landtagswahlen im schwach demokratisierten Sachsen und den gottverlassenen ländlichen Gebieten des Berliner Vorhofs Brandenburg schnitten die Kandidaten der "neuen NSDAP" (Zentralrat der Muslime) bei der Generation Fridays for Future besser ab als unter bereits länger hier Lebenden.  In Thüringen nun ist die Nazi-Truppe trotz eingeleiteter Beobachtung durch den Verfassungsschutz und der witzigen engagierten Enthüllungsaktionen des Zentrums für politische Schönheit stärker als die Berliner Regierungsparteien zusammen - nicht nur bei den jüngeren Wählern, aber gerade bei ihnen.

Nun müssen, schrillt der Dauerton, die Demokraten zusammenstehen, einmal mehr über alle Grenzen hinweg. Reichte es in Magdeburg und Dresden noch, CDU, SPD und Grüne zu einer Koalition zusammenzuschmieden, um die AfD zu verhindern, erzwingen die Mehrheitsverhältnisse in Erfurt nun eine Erweiterung des Teilnehmerkreises. Linke, SPD, Grüne und FDP oder Linke und CDU, drunter geht nichts. Und in beiden Fällen müssten Parteien ihre Wahlversprechen brechen und über einen Schatten springen, der es sowohl der CDU als auch der FDP bisher verboten hat, mit der Linkspartei zu koalieren.

Nun kommt es dazu, in der ersten Stunde der Not der Unregierbarkeit eines ganzen Bundeslandes wirft die CDU alle Bedenken über Bord. Und macht den Triumph der AfD vollkommen.

Thüringen: Das schwarze Herz Dunkeldeutschlands

Die Braunstraße in Erfurt gilt als Symbol für den finstersten Ort in Dunkeldeutschland.

Es war eine Schlacht um die Zukunft, ein zähes Ringen, das für die entscheidenden Figuren als Auswärtsspiel stattfand: Bodo Ramelow, geboren im niedersächsischen Osterholz-Scharmbeck und der Westfale Björn Höcke stritten im Thüringer Landtagswahlkampf um die Vorherrschaft von Lechts und Rinks im selbsternannten "Grünen Herz Deutschland". Auch das Zünglein an der Waage wuchs auswärts auf: FDP-Spitzenkandidat Thomas Kemmerich kommt aus Aachen und zeigt damit, dass der Osten selbst dort, wo es ihm gut geht, kaum in der Lage ist, seine Dinge selbst zu regeln.

Drei Spitzenkandidaten der sechs etablierten Parteien waren keine Ostdeutschen, vier keine Thüringer. Sowohl der linkeste als auch der rechteste Kandidat kam aus dem Westen, die Hälfte des Grünen-Duos stammt auch noch aus Brandenburg. Die andere Hälfte, 1990 ganze 13 Jahre alt, betonte wegen Höckes Parole von der "Wende 2.0" öffentlich mehrfach, ihre Wurzeln lägen in der DDR-Bürgerrechtsbewegung Bündnis 90.

Bleiben SPD-Mann Wolfgang Tiefensee, seit seinem Bratschen-Auftritt auf der olympischen Bühne durch viele, viele Ämter bis in das des Wirtschaftsministers in Erfurt gescheitert. Und Mike Mohring, ein in seiner Jugend tatsächlich bürgerbewegter Mann, den die panikartige Flucht der SPD in die Arme der Linken nach der Landtagswahl 2014 an die Spitze einer Partei geschoben hatte, die bei der Wahl die meisten Stimmen geholt, aber keine Partner zum Regieren gefunden hatte.

Gut für die Linke, die fünf Jahre später höchstes Lob aus berufenem Munde bekommt. "Ramelow entwickelte keine kommunistische Schreckensherrschaft, sondern sich zum Darling der Thüringer", rühmt der "Spiegel", "er ist heute einer der beliebtesten Ministerpräsidenten in Deutschland". Ramelow verkörpert eine Art nicht-linken Linken, er spielt den Landesvater auf dieselbe Weise wie der Grüne Winfried Kretschmann es in Baden-Württemberg tut. Dass Thüringen zuletzt nach Jahrzehnten einer rasanten Aufhjoljagd bei der Wirtschaftsentwicklung ans Ende Wachstumshitparade zurückfiel, spielt in den Bilanzen der um Gnade für das "Modell R2G" bemühten Leitmedien in Berlin, München und Hamburg keine Rolle.

"Eine von den Linken angeführte rot-rot-grüne Regierung erscheint heute als passable Option", analysiert der "Spiegel" und der Wunsch klingt durch, es möge so sein. Nur mit der Linken hat die SPD eine winzige Chance, irgendwann und irgendwie noch einmal der Kanzler zu stellen. Ohne den Wegfall des Tabus, mit der mehrfach unbenannten SED zu regieren, bliebe stets nur der zähneknirschende Weg, als Juniorpartner der CDU staatspolitische Verantwortung zu beweisen, bis der letzte sozialdemokratische Wähler sich Richtung Grüne oder Richtung Union verabschiedes hat.

Dass Thüringen, das Modell-Land der beschwichtigenden Ramelow-Linken ohne offensive kommunistische Experimente, in der Amtszeit des Hoffnungsträgers zum schwarzen Herzen Deutschlands wurde, in dem CDU, AfD und FDP zusammen eine mehr als auskömmliche absolute Mehrheit haben, bleibt unerwähnt. Thüringen gilt nun vielmehr als der Ort, an dem erstmals eine Regierung  nach dem SPD-Modell des Notvorstandes im Amt bleibt, ohne demokratisch legitimiert zu sein, weil sie bei der Wahl ihre Mehrheit verloren hat.

Sonntag, 27. Oktober 2019

Doku Deutschland: Gratisklicks fürs gute Gewissen

Das gegen Hetze, Hass und Zweifel engagierte Netzwerk Avaaz "versorgt das globale System mit einer beeindruckenden Infusion von Feedback", hat der Observer festgestellt. Das Beste daran aber sei, dass es wie nebenbei auch noch "eine zeitgemäße Lösung gegen Politikverdrossenheit" anbiete.

Avaaz arbeitet in 15 Sprachen und hat nach eigenen Angaben mehr als 54 Millionen Mitglieder in 194 Ländern, eine beeindruckende Zahl, die allein dadurch zustandekommt, dass jeder, der eine Avaaz-Petition zeichnet, als "Mitglied" gezählt wird. Gegründet vom kanadisch-britischen Politik- und Wirtschaftswissenschaftler Ricken Patel, organisiert Avaaz seit zwölf Jahren globale politische Kampagnen in den Themenbereichen Klimawandel, Menschenrechte, Tierschutz, Korruption, Armut und Krieg.

Mit Hunderten von globalen und nationalen Kampagnen, die sich zum Beipsiel gegen Korruption in Indien, Italien und Brasilien richteten, die Weltmeere, Regenwälder und bedrohte Arten zu schützen forderten und sich dafür stark machten, die Freiheit des Internets und der Medien zu gewährleisten, gelang es bisher nicht, merkliche Fortschritte zu erreichen.

Obwohl elf Millionen Petendenten sich dem Aufruf anschlossen, die Klimakonferenz in Kopenhagen vor zehn Jahren zu einem Erfolg zu machen, blieb dieser aus. Auch die Schließung von Guantanamo, die eine Petition an den damaligen US-Präsidenten Barack Obama bewirken sollte, gelang nicht.

Avaaz hat inzwischen allerdings mehr als 50 feste Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, deren Arbeitsplätze bedroht wären, würde sich die Einsicht durchsetzen, dass selbst eine Flut von millionenfach unterzeichneten Eingaben an die Mächtigen der Welt, dieses Verhalten zu ändern oder jenen Krieg zu beenden, keinerlei tatsächliche Auswirkung auf die wirkliche Welt hat. Aktuell setzt Avaaz deshalb auf weitere Petitionen, angeordnet wie ein buntes Bouquet an mehrheitsfähigen Appellen zur sofortigen Verbesserung der Welt.

Von "16 Monaten", die noch Zeit sei, das Klima zu retten, ist da die Rede, aber auch von der Notwendigkeit, die inzwischen weitgehend aus den Medien verschwundene "Amazonas-Apokalypse" zu beenden, den "König der Löwen" zu retten und eine "100% saubere Zukunft" surch "Solidarität mit den Klimastreikenden" herbeizuführen. Das alles ist kostenlos und mit ein paar Gratisklicks erledigt - PPQ empfiehlt im Augenblick vor allem die Mitzeichung der Petition, die zum "Kampf gegen die Lügen der Rechten" aufruft, derzeit aber erst magere 29.642 UnterstützerInnen zählt. Das ist peinlich, das ist schmählich, das muss besser werden.

In der völkerkundlichen Reihe "Doku Deutschland" crossposten* wir den flammenden Appell zum Schutz der Klimakids.

Liebe Freundinnen und Freunde, die Klima-Kids werden angegriffen.

Denn neueste Recherchen haben aufgedeckt: Mächtige Netzwerke von Klimawandel-Leugnern und extremen Rechten verbreiten massiv widerliche Verleumdungen über die mutigen Jugendlichen, die Millionen von uns zu den Klimademos inspiriert haben.

Von Behauptungen sie seien Marionetten reicher Milliardäre, bis hin zu Unterstellungen sie würden "manipuliert" und man habe ihnen das “Gehirn gewaschen” -- überall werden Menschen derzeit mit Desinformation über diese engagierten Klima-Kids regelrecht bombardiert. Dies ist nur ein Beispiel dafür, wie die extremen Rechten die sozialen Netzwerke nutzen, um die Stimmen derjenigen zu übertönen, die Fakten ans Licht bringen.

Doch wir haben einen genialen Weg gefunden uns ihnen entgegen zu stellen ...

Vor den Europawahlen hat ein kleines Avaaz-Investigativteam Desinformations-Netzwerke in Europa aufgedeckt, die in nur einem Jahr drei Milliarden Aufrufe erzeugt hatten. Wir haben es überall in die Medien gebracht, es an Facebook gemeldet - und innerhalb weniger Tage wurden sie gelöscht! Und das in lediglich sechs europäischen Ländern - nun müssen wir diese Taktik auf die ganze Welt ausweiten.

Wenn wir alle etwas dazu beisteuern, können wir dringende Untersuchungen zu den größten Desinformations-Netzwerken einleiten, die Lügen und Hass auf alles verbreiten -- von Geflüchteten bis hin zum Klimawandel. Unsere Bewegung hat im Kampf gegen diese toxischen Lügen bereits viel erreicht; wenn wir genug Geld zusammentragen, können wir unser Team sogleich aufstocken und so viel mehr schaffen!

Auf der ganzen Welt gehen Millionen auf die Straße, um unsere wundervolle Erde vor dem sicheren Kollaps zu bewahren. Aber wir schaffen es nicht, wenn die extremen Rechten uns mit Ihren Lügen spalten -- spenden Sie jetzt und setzen wir alles daran, die Wahrheit und unsere Welt zu bewahren:

*

Die kulturwissenschaftliche Reihe Doku Deutschland im PPQ-Archiv:

International befreite Zonen
So viele Opfer
Unerträglicher Pfaffe
Lebend kriegen die mich nicht
Die Stimme des Bauchtrainers
Ich war der echte Erich
Ein moderater Islamist
Als Zigarettenschmuggler in Griechenland
Wex bin ich?
Der Mann, der Bettina war
Analverkehr und Idiotie
Sorgen auf der Sonnenbank
Ein Land aus Pfand

Samstag, 26. Oktober 2019

HFC: Schwarzer Samstag

Die Enttäuschung beim HFC sitzt am Ende tief - die schwarze Spielkleidung passt an diesem Tag ausgezeichnet zum Spielausgang, der noch lange im Gedächtnis bleiben wird.

Die Sonne strahlt immer noch unverschämt vom Himmel, als die Spieler des Halleschen FC sich kurz vor vier Uhr nachmittags entkräftet und enttäuscht auf den Rasen fallen lassen. 3:3 leuchtet es von der Anzeigetafel, 3:3 gegen den Tabellenvierzehnten, 3:3 und wieder kein Sieg in einem Heimspiel. 3:3 und kein Schritt weiter Richtung Aufstieg in die 2. Bundesliga. Sondern einer dieser schwarzen Samstage, die seltener geworden sind, seit sich die graue Maus von der Saale unter Trainer Torsten Ziegner zu einer Spitzenmannschaft gemausert hat. Die aber gerade deshalb noch mehr auffallen als früher, wo die Rotweißen traditionell nur ums Überleben in Liga drei kickten.

Dabei geht es so gut los wie noch kaum in einem Spiel in diesem Jahr. Kaum ist die Gedenkminute an die beiden Opfer des Terroranschlages vom 9. Oktober in absoluter Stille absolviert, melden sich die Ränge und die elf diesmal ganz in Schwarz aufgelaufenen Spieler des Gastgebers zu Wort. Zweite Minute, Meppen ist noch kaum auf dem Platz, Julian Guttau aber könnte, ja, müsste nach einem brillanten Hochgeschwindigkeitssolo schon das 1:0 machen. Aber der inzwischen zur Stammkraft aufgestiegene Youngster verzieht. Ebenso geht es Papadopoulos, der neben das Tor köpft. Und Bahn, der drüberschießt.

Klare Ausganslage



Aber die Sachlage ist klar: Es geht heute nicht darum, wer gewinnt, sondern wie hoch der HFC den Sieg wird schrauben können. Es sieht nach sehr hoch aus, als es Sohm in der zehnten Minute schließlich besser macht als seine Kollegen. Wieder ist es Guttau, der einen Sprint anzieht und zu Boyd passt, der flankt zielgenau und temperiert auf Pascal Sohm, der keine Mühe hat, aus zwei Metern einzuköpfen. Der Erdgas-Sportpark wird zum Tollhaus, die 8200 Zuschauer in Rot und Weiß und Trauerschwarz feiern schon die nächsten drei Punkte im Aufstiegsrennen.

Zumal der HFC dranbleibt und keinen Zweifel lässt, dass die Phase der unerklärlichen Heimschwäche - bis hierher konnten nur drei von sechs Partien daheim gewonnen werden, während auswärts vier Siege in der Statistik stehen - vorüber sein soll. Wie ein Sturm fegt die Offensive der Rotweißen in Schwarz mal um mal über die blauweißen Meppener hinweg. Zehn Minuten, fünf Ecken und drei Chancen nach dem 1:0 ist es soweit - Terrence Boyd, ohne dessen Tore in den vergangenen fünf Wochen nie ein Sieg gelang, erläuft einen Ball an der Torauslinie, den die anderen 21 Spieler und sämtliche Zuschauer schon im Aus sehen. Boyd aber schafft es, den Ball die Linie lang ins lange Eck zu schießen.

2:0 nach 20 Minuten, nur standesgemäß, wenn der Spitzenreiter den Tabellenvierzehnten zu Gast hat.

Doch was nun passiert, stellt alle Fußballweisheiten auf den Kopf Denn eine neue muss nun lauten: Nicht nur Pokalspiele, sondern auch HFC-Heimspiele haben ihre eigenen Gesetze. Als hätte sich mit dem sicheren Vorsprung jede defensive Sicherheit in Luft aufgelöst, trabt das HFC-Mittelfeld seinen Gegenspielern nun nur noch hinterher. Und die Abwehr, wegen des Ausfalls von Sebastian Mai heute aus Jannes Vollert, Antonios Papadopoulos und Niklas Landgraf gebildet, findet kein Rezept, um die schnellen und schnörkellosen Angriffe der Gäste zu unterbinden. Zweimal, dreimal haben die Schwarzen noch Glück. Dann rettet Torwart Kai Eisele mit einer bravourösen Parade.

FC Hühnerhaufen


Der FC Hühnerhaufen, diese gefürchtete Inkarnation des Halleschen FC, ist zurück.  Hoffnung kommt auf, als einer der eher ungestümen als planvollen Angriffe der Hausherren, die stets von einer minutenlangen Doppelpasserie zwischen den beiden Innenverteidigernangekündigt werden, mit einem Pfiff des Schiedsrichtes beendet werden. Doch es bleibt dann doch es bei den gemütlichen Ballwechseln in der  HFC-Verteidigung, die in der Regel jeweils nach einer handgestoppten Viertelstunde mit langen, hohen Bällen nach vorn aufgelöst werden.  Auf einmal werden bei den Hallensern die Beine schwer.

Und dann schlägt es ein. 2:1 nur noch - und wer auf den Rängen hofft, dass dieses Alarmzeichen reicht, den wie weggetreten spielenden Klub von der Saale zu wecken, wird enttäuscht. Nun wackelt nämlich alles, von der Wand über die Pfeiler bis zum Verbundstoff. Papadopoulos schimpft mit Vorder- und Nebenleuten, Kapitän Björn Jopeck erklärt, Terrence Boyd eilt mit nach hinten. Sechs Minuten unerklärlicher Inkonsequenz fruchten schließlich: Nach einem Einwurf schießt Undav aufs Tor, Eisele pariert, aber der frühere Magdeburger Steffen Puttkammer steht so gut, dass er aus Nahdistanz einköpfen kann.

Ein dicker Bruch im Spiel


Es ist wie damals in der Saison 1981/1982, als ein Trainer namens Peter Kohl den HFC in seinem fünften Jahr auf der Bank ein Team geformt hatte, das vor eigenem Publikum nicht zu siegen verstand. Reihenweise gingen die Heimspiele seinerzeit verloren. Der HFC, aufgebrochen, endlich Anschluss an die Spitze der DDR-Oberliga zu gewinnen, zerfiel in der Folge. Schließlich musste Peter Kohl, ein gebürtiger Hohenmölsener, gehen. Auch diesmal lädt der HFC die Gäste  zu einer Wiederholung der Krimis gegen Paderborn und Osnabrück. Statt weiter zielstrebig nach vorn zu spielen, lassen die Hallenser Meppen kommen, um im eigenen Stadion kontern zu können. Allerdings klappt das nicht, weil Meppen nach vorn kaum etwas zustandebringt. Zäh bauen sich die Angriffe auf, selten nur muss der HFC-Torwart einen Ball aufnehmen, weil meist schon an der Abwehrkette  Schluss ist. Andererseits drückt der HFC Meppen auch nicht mehr in die eigene Hälfte, so dass das Spiel überwiegend im Mittelfeld stattfindet.

Wie anders war das noch vor ziemlich genau einem Jahr, als 5500 Zuschauer die letzte Begegnung dieser beiden Vereine in Halle sahen. 2:0 siegte der HFC damals, der der HFC von damals war. Kein einziger Spieler, der seinerzeit in Rot und Weiß auflief, steht heute von Anbeginn an auf dem Rasen. Dafür aber eine Mannschaft. Und die genau weiß, dass dieser Gast eine einzigartige Gelegenheit bieten müsste, sich in der Tabelle unter die führenden Klubs zu schieben. Doch der Fluch, der gerüchtehalber seinerzeit über dem alten Kurt-Wabbel-Stadion lag, so dass in dessen Mauern dauerhaft kein Spielglück zu haben war, ist zurückgekehrt ins Rechteck des nunmehrigen Erdgas-Sportparkes. Die Fankurve, ein zweites Mal mit „Saalefront“-Banner, schweigt streckenweise konsterniert wie immer, die Gästekurve feiert in Aussicht auf einen Auswärtspunkt oder gar Auswärtssieg.

Alles im Eimer, hier geht es nun nicht mehr um die Tordifferenz, sondern um die fest eingeplanten drei Punkte. Dazu muss ein Tor her, das würde zumindest statistisch definitiv reichen, weil der HFC noch nie mehr als zwei Gegentore kassiert hat. Terrence Boyd hat noch vor der Halbzeit die Riesenchance, als er einen langen Ball im Sturmlauf annimmt und nur noch an Meppens Keeper Domaschke vorbeilegen muss. Der Torwart eilt raus und klatscht das Leder weg. Weit außerhalb des Strafraums. Rot und weiter mit elf zu zehn Mann.

Kein Zurück zur Galaform




Wie kann das nicht reichen? Findet der HFC zur Spielweise der ersten 20 Minuten zurück, muss es. Aber so einfach ist es eben nicht im Fußball, diesem ebenso gemeinen wie grandiosen Spiel. Zwar drückt der HFC nach Wiederanpfiff, aber er drückt längst nicht so wie zu Beginn der Partie. Meppen bleibt gefährlich und die Angst vor noch einem Gegentreffer hängt wie ein Rucksack an Bahn, Nietfeld und Guttau. Einzig der eingewechselte Felix Drinkgut bringt etwas mehr Bewegung nach vorn. Und Jan Washausen, den Ziegner für Vollert auf die rechte Abwehrseite gestellt hat, ein wenig mehr defensive Stabilität.

Für die erneute Führung aber braucht der HFC einen Glückstreffer. Den erzielt Julian Guttau nach 58. Minuten, als er nach mehrfachen Abschlussansätzen einfach mal aus 20 Metern abzieht. Meppens Ersatztorwart Harsmann steht zu weit vorm Tor und hat keine Chance.

Nun ist das Spiel wieder gewonnen. Nur Meppen macht nicht mit. In der 71. Minute sind die Gäste weniger zielgerichtet als aus Verlegenheit doch mal wieder in der Nähe des Strafraumes der Hallenser, die mittlerweile wieder auf "Uns schlägt keiner" umgeschaltet haben. Kleinsorge geht auf Landgraf zu, sucht aber weniger den Torabschluss als dessen Bein. Das kommt wie bestellt, es folgt ein Elfmeterpfiff und ein schnörkellos in die Ecke gehauenes 3:3, das sich die Meppener in der Folge redlich verdienen, denn der erneut konsternierte HFC kommt zwar noch zu ein paar vielversprechenden Halbchancen, aber nicht mehr zur erneuten Führung.


Das hat nun schon etwas Tragisches. Remis nach einem Spielverlauf, der vielleicht den dominantesten HFC der letzten Jahrzehnte sah, der sich dann aber binnen weniger Minuten in eine Trümmertruppe verwandelte, die grausam ehrlich alle Fehler offenbarte, die schon den Saisonstart prägten. Nicht Würmer, sondern eine ganze Würmerfarm kriecht durch das Mannschaftsgefüge des HFC, das offenbar viel wackliger ist als es der Augenschein erwarten lässt. Alle Souveränität ist weg, wenn sie weg ist. Und mit ihr verlässt den HFC auch die spielerische Überlegenheit, die bei eigenem Ballbesitz zu klarer Dominanz werden müsste. Stattdessen sind es Fehlpässe, hohe, weite Bälle aus der Abwehr auf Boyd und Nietfeld und unendliche viele Ungenauigkeiten beim Versuch, die Außen zu bedienen.

Alles Bemühen, das zu ändern, ist auch diesmal vergebens. Keiner nimmt das Zepter in die Hand, keine rüttelt auf und geht voran. Ziegners Einwechslungen hängen irgendwann in der Luft wie Ballons, aus denen langsam der Druck weicht. Freistößen bringen nichts, Ecken nicht, Rennen nicht und Stehen auch nicht.


Die letzte Möglichkeit versemmelt Baxter-Bahn in der Nachspielzeit, als er aus fünf Metern frei fünf Meter übers Tor schießt. Die letzten Minuten und die Nachspielzeit sehen Hallenser zwischen Ratlosigkeit und purer Verzweiflung.  Das war's, Ende, Abpfiff.

Alles in allem irgendwie sogar gerecht.

Zitate zur Zeit: Mängel in der Meinungsbildung

Nur bei den wichtigen Tiergeschichten - hier das "Merinoschaf Chris" - bestimmen die großen Nachrichtenmagazine die Meinungsbildung noch uneingeschränkt.

Wenn die Meinungsbildung im Netz am etablierten öffentlichen Diskurs vorbeiläuft, dann können Sie Ihrer Aufgabe als Journalistinnen und Journalisten kaum mehr nachkommen, nämlich Dinge einzuordnen, zu analysieren, Fakten zusammenzutragen, zu diskutieren, zu bewerten.

Dabei scheint das gerade angesichts der nahezu unüberschaubaren Vielfalt an Informationen und Meinungen unserer heutigen Medienwelt wichtiger denn je.

Wie wollen, wie können wir darauf reagieren? Journalismus und Politik tragen ohne Zweifel eine große Verantwortung dafür, dass die demokratische Meinungsbildung lebendig bleibt.

Olaf Scholz

Glücksspiel: Rechtsstaatspleite feiert Geburtstag


Es wird ein großer Geburtstag werden, eine Feier, als würde der Berliner Flughafen doch noch eröffnet, nur eben ganz still und ohne große Öffentlichkeit. Denn allzu peinlich ist, was sich die Regierungen der Bundesländer in den zurückliegenden zehn Jahren im Bemühen, das staatliche Glücksspielmonopol über sein Verfallsdatum hinweg zu erhalten, geboten hatten. Erst ein neuer Staatsvertrag, dann noch ein neuer, dann ein Sonderweg für Schleswig-Holstein, dann ein Stoppzeichen von deutschen Gerichten, die das komplizierte Auswahlverfahren zur Lizenzvergabe an private Anbieter für rechtswidrig befanden...

Während die Regierungschefinnen und -chefs der Länder nach 2010 immer wieder neu um Lösungen rangen, die aussehen sollten wie rechtssicher, eigentlich aber vor allem das Lottomonopol zu sichern hatten, aus dem noch jede Landesregierung gute Gaben für ihre Wählerinnen und Wähler hatte schöpfen können, sprossen in den Fußgängerzonen der Republik die Wettbüros nur so aus dem Boden. Verbal hart bekämpft, aber rechtlich nicht zu besiegen, wurde jede einzelne Filiale zu einem Menetekel eines Politikversagens.

Die Realität strafte jede Behauptung Lügen, Deutschland sei ein Rechtsstaat, denn die geltenden rechtlichen Regelungen konnten vor Gericht nicht mehr durchgesetzt werden, weil Urteile europäischer Gerichte befunden hatten, dass europäische Regeln zur Wettbewerbsfreiheit höher stehen als der Wunsch deutscher Politiker, bei Reisen übers Land hier und da noch ein paar Euro an Sportvereine oder Trachtenklubs verschenken zu dürfen.

Jetzt aber, nach einem knappen Jahrzehnt titanischen Ringens um die sagenhafte Lösung des selbstgeknüpften gordischen Knotens dürfen Online Casino Anbieter hoffen, dass das Ende näher ist als der Anfang: Der neue Staatsvertrag, der nun "Dritter Glücksspieländerungsstaatsvertrag" heißt, ist durchverhandelt und um früher enthaltene rechtswidrige Bedingungen bereinigt worden.

Die ehemals vorgesehene Beschränkung der Anzahl der zu vergebenden Konzessionen auf 20 ist verschwunden. Damit gibt es auch kein Auswahlverfahren mehr, wie es sich in Frankfurt über Jahre ergebnislos hingeschleppt hatte, weil die jeweils nicht berücksichtigten Bewerber nach ihrem - grundlosen - Ausschluss jedes Mal vor Gericht zogen. Auch die nur durch eine sogenannte "Experimentalphase" straffrei gestellte Durchplakatierung von Sportligen aller Art mit Wettwerbung bekäme eine rechtlich saubere Grundlage, würden diese Änderungen wie geplant am 1. Januar 2020 in Kraft treten.

Laut dem angestrebten neuen Vertrag dürfen private Unternehmen zwar bald offiziell Wetten auf Sportereignisse online akzeptieren und abwickeln, aber auch nur dann, wenn es sich nicht um Live-Wetten handelt. Live-Wetten sind solche, bei denen Glücksspieler während eines Spiels Geld auf den Eintritt eines bestimmten Ereignisses setzen, wie zum Beispiel das nächste Tor beim Fußball.

Schaut man sich jedoch die Plattformen im In- und Ausland an, so wird schnell klar, dass Live-Wetten enorm beliebt sind. Wenn der deutsche Staat diese unter der neuen Lizenz gleich wieder verbietet, indem er sie gar nicht erst erlaubt, dann schafft er sofort Raum für den unregulierten Markt, den er abschaffen will. Denn Spieler werden sich unweigerlich bei den Webseiten anmelden, bei denen sie finden, was sie spielen möchten, nicht bei denen, die anbieten, was deutsche Minister für ausreichend halten.

Eine weitere Einschränkung ist ein maximaler Betrag, den ein Spieler pro Monat verspielen können dürfen soll. Deutsche Politiker haben zehn Jahren intensiver Beratungen beschlossen, dass ein Kunde nicht mehr als 1000 Euro monatlich setzen darf – zumindest bei Online-Glücksspielen. Lottoscheine beim staatlichen Lotto darf er kaufen, so viele er will.

Diese Regelung soll potenzieller Spielsucht und finanziellem Ruin entgegenwirken. Eine symbolische Maßnahme, denn blickt man in die Geschichte zurück, wird schnell klar, dass Verbote selten zum Erfolg geführt haben: Die Prohibition in Amerika ist ein klassisches Beispiel. Will ein Spieler mehr pro Monat setzen, dann sucht und findet er einen Anbieter, der ihm das ermöglicht, in diesem Fall sehr wahrscheinlich einen ohne offizielle Lizenz aus Deutschland.

Dann allerdings könnten den Gesetzgebern der 16 Länder, die so lange und so hart um ihren schönen neuen Staatsvertrag verhandelt hatten, dass dessen Vervollkommnung schon kaum noch jemand mitbekommen hat, das bittere Erwachen drohen: Was, wenn sich gar kein Wettanbieter um eine der neuen Konzessionen bewirbt? Denn wirklich brauchen kann er sie ja nicht, weil ihm seine Konzession aus dem europäischen Ausland eigentlich ausreicht?

Dann war alles umsonst, hunderte, ja, tausende Sitzungsrunden, dicke Papiere, Gutachten, der Streit mit Schleswig-Holstein und dessen Sonderweg und Schleswig-Holsteins Internetbarrieren, die jeden Nutzer von im Norden lizensierten Angeboten warnen, dass er sein Glück nur versuchen dürfe, wenn er sich in Schleswig-Holstein befinde?

Freitag, 25. Oktober 2019

Frankensteiner Koalitionskrise: Rechtsextremes Geschwür herausgeschnitten

Uneinsichtig selbst nach der Urteilsverkündung: AfD und CDU verlassen das Parteigericht demonstrativ Hand in Hand. (Foto: Zilm)
Dass es nicht erlaubt war, wusste sie. Dass ihr die Parteigerichte schnell einen Strich durch die populistische Rechnung machen würden, ahnte Monika Schirdewahn zumindest. Dennoch legte es die pfälzische Kommunalpolitikerin mit dem aus der deutschen Geschichte hinreichend bekannten Familiennnamen auf die Provokation an. Um die Bundesregierung vorzuführen und die neue Parteivorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer bloßzustellen, bildete sie demonstrativ eine gemeinsame Gemeinderatsfraktion mit einem AfD-Abgeordneten.

Dass es sich dabei um ihren Ehemann handelte, mithin um ein Familienmitglied, von dem die CDU-Politikerin sich von Haus aus bereits vor Jahren hätte trennen und konsequent distanzieren müssen, als es begann, in die rechte, rechtspopulistischem, rechtsradikale, rechtsextreme, rechtsextremistische und ausländerfeindlich-antisemitisch-rassistische Ecke abzudriften, spielte für das CDU-Parteigericht, das jetzt in der Sache tagte, nicht einmal eine Rolle.

Gegen die Grundsätze der CDU habe Monika Schirdewahn verstoßen, als sie insgeheim trotz anderslautender Beschlusslage der CDU beschloss, mit ihrem Mann Horst Schirdewahn die besagte Fraktionsgemeinschaft im Gemeinderat von Frankenstein (Kreis Kaiserslautern) zu bilden, entschied das Bezirksparteigericht in Neustadt an der Weinstraße in der Sache.

Sie habe gewusst und damit bewusst in Kauf genommen, dass das von der offiziellen Parteilinie abwich, die klare Kante gegen rechts zeigt und keinerlei Fraternisierung zulässt. Die Beschlusslage der CDU lasse Ehen und eheähnliche Gemeinschaften über Parteigrenzen hinweg zwar derzeit noch zu, lehne aber eine solche Fraktionsgemeinschaft eindeutig und unmissverständlich ab, heißt es in einer Mitteilung des CDU-Kreisverbandes, die auf das weltweite Kooperationsverbot  von CDU-Mitgliedern mit Rassisten und Nazis der AfD verweist.

Das Festhalten Schirdewahns an der Fraktionsgemeinschaft unter Hinweis auf die glückliche Ehe, die die beiden Angeklagten vermeintlich zu führen behaupten,  könne als Entschuldigung ebensowenig gelten wie die angeblich notwendige Zusammenarbeit von CDU und AfD in einem Streitfall, in dem es um die Trinkwasserversorgung eines Wochenendgebiets in Frankenstein geht. Hier hätten, so hatte der Kreisverband Monika Schirdewan mehrfach ermahnt, die Funktionsträger der CDU nach Kenntnisnahme der Positionen der AfD automatisch die Gegenseite zu verstärken.

Eine Unterlassung komme einer fraktionellen Tätigkeit gleich, die demonstrative Gründung einer zweiköpfigen Fraktion mit dem eigenen Ehemann, obgleich dessen menschenverachtende Positionen durch häusliche Gespräche hinreichend bekannt seien,  stelle einen vorsätzlichen, erheblichen Verstoß gegen die Grundsätze und Ordnung der CDU dar. Damit habe die Politikerin der Partei schweren Schaden zugefügt, die die gesamte Union in eine Krise getrieben habe und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht mehr zulasse.

Da der CDU-Kreisverband insgesamt sich auftragsgemäß von allen Vorgängen in Frankenstein distanziert habe, sei Monika Schirdewahn, offenbar angestiftet und angeleitet von ihrem Mann, der womöglich im Auftrag bestimmter Kreise handelte, allein für die Frankensteiner Krise verantwortlich. Schirdewahn wurde wegen „fraktioneller Tätigkeit“ bestraft, konnte aber mangels Mitgliedschaft in Politbüro und Zentralkomitee diesmal nicht wie aus beiden Gremien ausgeschlossen und auch nicht wie traditionell üblich in die Staatliche Archivverwaltung strafversetzt werden, weil deren vollständige Auflösung bereits kurz nach dem Ende der DDR abgeschlossen worden war.

Der große Austausch: Der Herr Finanzminister macht sich noch ein Geschenk


Die Welt, sie soll gerettet werden. Aber kosten darf es natürlich nichts, jedenfalls nicht den Staat, dessen sozialdemokratischer Finanzminister in diesen Tagen zu Hochform aufläuft. Einerseits muss Olaf Scholz die Rolle des Förderers einer erneuten Energiewende spielen, die zumindest den Eindruck erwecken soll, dass Deutschland gewillt und in der Lage ist, die Welt im Alleingang vor der Klimakatastrophe zu bewahren. Andererseits aber möchte der Kandidat für den SPD-Vorsitz kein Geld aus seiner Tasche dafür ausgeben, die klimawilligen Bürgerinnen und Bürger auf den rechten Ökopfad zu führen.

Olaf Scholz aber ist nicht nur Sozialdemokrat, sondern auch ein einfallsreicher Sachwalter der Interessen des Staates, die aus seiner Sicht stets vorgehen, wenn sie im Wettbewerb mit den Interessen der Bürgerinnen und Bürger stehen. Den auf 500 Millionen Euro bezifferten Steuerausfall durch den geplanten geringeren Umsatzsteuersatz für das Staatsunternehmen Deutsche Bahn gleicht Scholz etwa durch einen Griff in die Taschen der Flugpassagiere nicht nur einfach aus, sondern die höhere Ticketsteuer für Luftfahrpassagiere verspricht, sogar Mehreinnahmen von 740 Millionen Euro im Jahr – ein Plus von 240 Millionen Euro.

Das zweite Geschenk an sich selbst


Doch gemessen am zweiten Geschenk, das der Finanzminister für sich selbst im Klimapäckchen der Großen Koalition versteckt hat, ist das nur Kleingeld. Mit der geplanten Abschaffung von Ölheizungen visiert Scholz ein ungleich lukrativeres Geschäft für die Staatskasse an: Mit einem Verbot des Einbaus und später auch des Betriebs von Ölheizungen hat das Kabinett eine Austauschpflicht für ältere Heizkessel auf Öl- und Gasbasis in ihr neues „Gesetz zur Vereinheitlichung des Energiesparrechtes für Gebäude“ geschrieben. Danach dürfen ab 2026 keine neuen Ölbrenner mehr verbaut werden, vorhandene Ölheizungen sind "sukzessive zu ersetzen" (Bundeskabinett).

Da ein einfaches Verbot allerdings kaum vermittelbar gewesen wäre, da selbst staatliche Medienmitarbeiter zuweilen mit Öl heizen, lockt der Bundesfinanzminister die Zahlungspflichtigen des 100 Milliarden teuren Umbauprogrammes mit allerlei Förderversprechen. Wer seinen durch Regierungsbeschluss plötzlich Austausch ineffizient gewordenen Heizkessel durch eine sogenannte "moderne Anlage" ersetzt, die gern auch mit Holz oder Gas heizen darf, soll dafür einen staatlichen Zuschuss erhalten.

So großzügig nämlich ist der Staat, lautet die Botschaft, er sorgt für Gerechtigkeit selbst im durch die Klimakrise verursachten Notstand und hilft seinen Bürger, der Umwelt zu helfen. "Ziel des neuen Förderkonzepts ist es", heißt es im "Eckpunktepapier" der Bundesregierung, "für alle derzeit mit Heizöl und andere ausschließlich auf Basis fossiler Brennstoffe betriebenen Heizungen einen attraktiven Anreiz zur Umstellung auf erneuerbare Wärme, oder, wo dies nicht möglich ist, auf effiziente hybride Gasheizungen, die anteilig EE einbinden, zu geben."

Eckpunkte zum Abkassieren


Die Rede ist von einem "Förderanteil von 40 Prozent" - das klingt tatsächlich, als lohne es sich, "in den kommenden Jahren bspw. von alten Öl-und Gasheizungen auf klimafreundlichere Anlagen oder direkt auf erneuerbare Wärme umzusteigen" (Zitat Eckpunktepapier).

Das Programm, die Heizkessel loszuwerden, deren Einbau die staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau derzeit noch mit Tausenden von Euro fördert, ist aber ganz nebenbei auch darauf angelegt, für den Staat zum Supergeschäft zu werden. Insgesamt 8,7 Millionen Ölheizungen im Lande müssen ersetzt werden, selbst im preiswertesten Fall werden Hausbesitzer dafür rund 100 Milliarden Euro aufwenden. Von dieser Summe fließen 19 Milliarden Euro über die zu zahlende Umsatzsteuer direkt an den Finanzminister zurück.

Weitere Milliarden werden im Aktionszeitraum über die Lohnsteuern der 400.000 Angestellten von Gas-Wasser-Heizungsfirmen, durch deren Steuern auf Unternehmensgewinne und durch die Steuerabführungen der Hersteller von Gas-, Strom-, Wärmepumpen-, Holz- und Solarheizungen wieder beim Staat landen, der mit dem vermeintlichen "Klimaprogramm" im Grunde genommen ein riesiges Konjunkturprogramm plant, von dem er selbst am meisten profitieren wird.

Allein aus den Lohnsteuerzahlungen der Heizungskesselmonteure erwartet Olaf Scholz bis 2026 mehr als 25 Milliarden Euro, die wegen des großen Austausches nachfragebedingt sprudelnden Unternehmensgewinne der Herstellerbetriebe und der Montagefirmen der Branche dürften dem Fiskus weitere 10 Milliarden zusätzlicher Einnahmen.

50 Milliarden für den Minister


Grob überschlagen, hat sich Olaf Scholz, der Umweltfreundlichkeit vermeintlich so großzügig fördernde Vizekanzler, mit dem Klimapäckchen der Bundesregierung eine Geschenk gemacht, das dem Staatssäckel bis 2026 Mehreinnahmen von mindestens 50 Milliarden Euro bescheren wird. Daran gemessen ist die "Förderung", die die Große Koalition für den Einbau neuer  Heizungen verspricht, ein Klacks: Selbst wenn jeder einzelne Heizkesselaustausch mit dem Höchstbetrag gefördert werden würde, kostete das den Herren der Bundeskasse allenfalls die Hälfte dessen, was er sich mit dem "Klimapaket" an zusätzlichen Steuereinnahmen organisiert hat.

Damit mehr Bürger vom Auto auf die Bahn umsteigen, hatte Scholz zuvor schon verkündet, dass Zugtickets günstiger werden. Das aber kostet, also muss Scholz teurer machen, was im Moment gerade als klimaschädlich gilt, damit anderswo etwas reinkommt. Schließlich soll alles, Scholz ist Mitglied der  der SPD, einer selbsternannten Partei der sozialen Gerechtigkeit, zumindest abgefedert aussehen, was an mehrkosten auf die gesellschaftlichen Schichten zukommt, die unter Brandt, Schmidt und Schröder noch treue Wähler der SPD waren

Ein Unternehmen, das der Hamburger auf so geniale Art bestreitet, dass die ganze Rettung der Welt aus Sicht des Bundeshaushaltes, der seit Jahren kaum noch weiß, wofür er all die Steuermilliarden aus dem Fenster werfen soll, nicht nur aufkommensneutral, sondern sogar mit einem satten Plus vonstatten gehen wird.

So einfach geht das


So einfach macht sich der Herr Bundesfinanzminister ein Geschenk: Während er die Umsatzsteuer auf Fernverkehrstickets von 19 auf sieben Prozent senkt, was einen Fahrschein von München nach Berlin um 22 Euro und einen von Hamburg nach München um 4,80 billiger macht, erhöht Scholz zur Finanzierung der „Mindereinnahmen durch die Bahn-Besteuerung“ (Tagesschau) die Steuern auf Flugtickets. Die Luftverkehrsteuer für Flüge im Inland und in EU-Staaten steigt dadurch um rund 76 Prozent, die für längere Flüge soll um mehr als 40 Prozent angehoben werden. Innereuropäische Flüge werden damit um 5,65 Euro teurer, Flüge auf Strecken bis 6.000 Kilometer um 9,96 Euro und die Zusatzsteuer auf richtigen Fernstrecken steigt um 18 Euro auf dann 59,43 Euro pro Ticket.

So teuer, so gut für Flughäfen wie den in Prag, in Warschau oder Wien. So günstig aber auch für den Finanzminister, der beim Umsteuern der Besteuerung der Bürger zugunsten des Klimas nicht ganz zuletzt an sich denkt. Denn den Steuerausfall durch den geringeren Bahn-Steuersatz, den das Finanzministerium auf 500 Millionen Euro beziffert, gleicht Olaf Scholz durch einen beherzten Griff in die Taschen der Flugpassagiere nicht nur einfach aus, nein, er genehmigt sich und der Staatskasse gleich noch einen Extraschluck aus der Steuerpulle. Durch die höhere Ticketsteuer für Luftfahrpassagiere rechnet das Finanzministerium mit Mehreinnahmen von 740 Millionen Euro im Jahr – ein Gesamtplus von 240 Millionen Euro  für den Staat, der stolz sein kann, solche geschickten Verantwortungsträger zu haben.

Die Änderung, von der vor der letzten Bundestagswahl weder im Wahlprogramm der SPD noch in dem der Union auch nur andeutungsweise die Rede war, soll zum 1. April 2020 inkrafttreten.

Der Einfallsreichtum der SPD



Aber der Einfallsreichtum der SPD kennt zumindest in dieser Hinsicht traditionell keine Grenzen. Geht es nach der deutschen Sozialdemokratie, privatisiert der Staat die Verluste, behält sich aber das Recht vor, Gewinne zu sozialisieren - das ist etwa vergleichbar einer Steuergesetzgebung, die eine Firma verpflichtet, Gewinne aus dem Verkauf von Produkt A zu versteuern, selbst wenn mit Produkt B Verluste gemacht werden, die die Firma insgesamt ins Minus drücken. 

Doch immerhin geht es hier einmal mehr gegen einen Lieblingsgegner der deutschen Sozialdemokratie, einen Popanz, der ebenso wie der "Manager" (Franz Müntefering) stets herhalten muss, wenn die Funktionärspartei zeigen will, dass sie im Grunde jeden als Feind ansieht, der für sich selbst zu sorgen versucht: Der "Spekulant" hat jeden Tort verdient, den man ihm antun kann, er gehört "ausgemerzt", wie es Franz Müntefering nannte, als er den am Ende recht erfolgreichen Versuch startete, durch eine Kampagne gegen "Spekulanten" von der Verantwortung der oft genug sozialdemokratisch geführten deutschen Landesbanken für die Finanzkrise von 2008 abzulenken.


Der Kampf gegen Spekulanten geht immer, denn er trifft wenige und gibt vielen das gute Gefühl, die, die mehr Geld haben, dürfen es nicht einfach behalten. So plant Scholz derzeit auch eine Verschärfung der Steuerregelungen für Spekulanten. „Verluste aus Kapitalvermögen dürfen nur in Höhe von 10 000 Euro mit Gewinnen im Sinne des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 3 und mit Einkünften im Sinne des § 20 Absatz 1 Nummer 11 ausgeglichen werden", hat Scholz zu diesem Zweck ins Einkommenssteuergesetz schreiben lassen, ohne dass das außerhalb der Fachmedien irgendein Leitmedium in seine "Das ändert sich für Sie"-Listen aufgenommen hätte.

Unbemerkte Enteignung


Wer immer nun durchaus auch bei Otto Normalanleger populäre strukturierte Finanzprodukt mit derivativer Komponente mit Hebelwirkung wie Optionsscheine und KO-Zertifikate kauft, verliert die Möglichkeit, seine Verluste mit seinen Gewinnen zu verrechnen und nur das zu versteuern, was ihm am Ende an tatsächlichen Gewinnen übrig bleibt. Armin Hecktor rechnet vor, dass ein Anleger mit 100.000 Euro Profit und Verlusten in Höhe von 80.000 Euro nach der bisherigen Regelung Kapitalerträge in Höhe von 20.000 Euro zu versteuern hat, weil er seine Verluste voll auf seine Gewinne anrechnen kann. Fällig würden für ihn 25 Prozent Kapitalertragsteuer, also 5.000 Euro.

Ab 2021, wenn die Gesetzesänderung greift, ändert sich das grundlegend und die fällige Steuer steigt auf das Viereinhalbfache: Von den entstandenen 80.000 Euro Verlust dürfen maximal 10.000 Euro mit den 100.000 Euro Gewinn verrechnet werden. Dadurch muss der Anleger statt 20.000 Euro tatsächlichem Gewinn 90.000 Euro fiktiven Gewinn versteuern. Seine Steuerlast liegt dann bei 22.500 Euro - also 2500 Euro höher als der Gewinn, den er überhaupt erzielt hat.

Donnerstag, 24. Oktober 2019

Jean-Claude Juncker: Abschied ohne Sieg über die Zeit

Am Wochenende ist es wieder soweit:500 Millionen Europäer wissen nicht, wohin sie ihre Uhren umstellen müssen.
Mal trat er mit verschiedenfarbigen Schuhen vor die Weltpresse, dann wieder herzte und küsste er Politikerkolleginnen, wuschelte ihnen enthemmt durchs Haar und verbreitete einfach nur gute Laune im spröden, drögen Brüssel, wo Jean-Claude Juncker nach einer kurzen Laufbahn als Steuersparermöglicher im heimischen Luxemburg schnell eine neue Heimat gefunden hatte.

Nach Jahrzehnten an der Spitze der Gemeinschaft, die der Trotz seines schweren Ischiasleidens stets fröhliche Luxemburger nach seinem klaren Punktsieg über den deutschen Herausforderer Martin Schulz prägte wie kein anderer, hat sich der Mann, den politische Freunde in allen Regenbogenfraktionen nur "Jean-Claude" nannten, hat der Sohn eines Stahlarbeiters jetzt im EU-Parlament Abschied genommen, um sich künftig dem Empfang seines Übergangsgeldes in Höhe von 416.284 Euro zu widmen, ehe die Zeit anbricht, in der die Pension in Höhe von 69.336 Euro fließen wird.

Zum Abschied hat der scheidende EU-Kommissionspräsident auf die Erfolge seiner Amtszeit verwiesen. So konnte Griechenland gerettet werden, die Briten hingegen verließen die EU. Eine gemeinsame Lösung der Flüchtlingskrise kam zwar nicht zustande, doch die Gehälter der etwa 5.000 EU-Beamte stiegen zuletzt noch einmal um 3,3 Prozent, und das rückwirkend für das letzte halbe Jahr, so dass auf einen Schlag eine richtige Summe auf die Konten gespült wurde.

Möglich gemacht hatte das ein geschickter Mathetrick des EU-Chefs, der eine Gehaltsformel für die EU ausgeknobelt hat, die sich an der durchschnittlichen Steigerung der Gehälter belgischer Beamter und dem Anstieg der Inflationsrate in Belgien orientiert. Beide Werte werden dann allerdings nicht etwa multipliziert, wie böse Zungen behaupten, sondern nur addiert und auf die Bruttogehälter aufgeschlagen, die dann mit einem Steuersatz belegt wird, dem von richtig starkem dänischen Bier zumindest nahekommt. Eine bescheidene Lösung ganz im Sinne der Bürgerinnen und Bürger.

Aber nicht auf allen Feldern seiner Politik lief es so gut für den Polit-Profi, der fünfmal sein eigener Nachfolger als Chef der Euro-Gruppe war und damit einen Europa- und Weltrekord hält. Dass selbst sein persönlicher Einsatz für für den alten Populisten Silvio Berlusconi den Sieg der Rechtsnationalen in Italien nicht verhindern konnte, ärgert Juncker bis heute. Auch dass den kriselnden Euro nicht mehr überall dort einführen konnte, wo ihn Mitgliedssaaten nicht haben wollen, ärgerte den 64-Jährigen, der als Vordenker eines „Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten“ gilt. Der von Juncker geprägte Begriff beschreibt einen Kontinent, der in der Lage ist, gleichzeitig auf Gas und Bremse zu stehen, ohne vorwärts zu kommen. Oder wie Juncker zusammenfasst: "Es ist nicht mehr zeitgemäß, wenn wir uns vorstellen, dass alle dasselbe zusammen tun".

Von Zeit versteht er was und den selbstsüchtigen Führerinnen und Führern der Nationalstaaten, die trotz Junckers großer 2017er Initiative zum Umbau der EU vom Staatenbund zum übernationalen Staat immer noch existieren, kann der selbsternannte Erbauer eines "mehr geeinten, stärkeren und demokratischeren Europa für das Jahr 2025" deshalb nicht verzeihen, dass sie seine hochfliegenden Pläne zur Abschaffung der Zeit in der Staatengemeinschaft boykottierten. Paris, Lissabon, Rom, Berlin und die anderen Hauptstädte verhinderten mit ihrem Widerstand gegen die im müden EU-Wahlkampf spontan geborene Junckers-Idee, dass Junckers sich für alle Zeiten ins ewige Buch der Männer und Frauen eintragen konnte, die bleibende Spuren in den Annalen des in seiner Amtszeit mit dem Friedennobelpreis ausgezeichneten Staatenkollektivs hinterlassen haben.

Ein Kapitel, dass der mit "einem Hauch von Wehmut in der Luft" (Tagesschau) scheidende "große Europäer" (Manfred Weber), hoffentlich in seinen Memoiren aufarbeiten wird.

Populistische Hetze: Kein Gespräch, keine Plattform, keine Gnade!

Freundin klarer Kante: PPQ-Kolumnistin Svenja Prantl.

Ein mutiger Trupp von Antifaschisten kämpft in Hamburg gegen das "Nazischwein" (StuRa) Lucke, engagierte Linke hindern den "Nazi" (FridaysforFuture) de Maiziere in Göttingen daran, mit seinen menschenverachtenden Thesen über das "Regieren" (Buchtitel) weiter Reklame für Waffenexport, SUVs und Mord zu machen und zivilgesellschaftliche Proteste gegen rechte Kräfte im Netz sorgten endlich auch dafür, dass Putin und Trump ihre Kriegspläne im Nahen Osten begraben mussten.

Und doch wird der Aufstand der anständigen Nazi-Gegner von interessierten Kreisen bis in die etablierten und eigentlich in den Kampf gegen rechts gut intergrierten Medien als gewalttätig und rechtswidrig dargestellt. Das ist eine Gefahr für die Möglichkeit in einer freien Gesellschaft, eine Debatte mit Ewiggestrigen, Klimaleugnern und Leuten, die einen Hitler zurücksehnen, auch mal ganz abzulehnen.

Die Demokratie braucht solche Menschen nämlich bestimmt nicht, und ebensowenig braucht sie solche Debatten, schreibt PPQ-Kommunistin Svenja Prantl in ihrer PPQ-Kolumne.

Lucke tut es wieder: Statt seine Pflicht zu erfüllen, geht der Herr Professor.
Es bisschen rempeln, ein paar Türen zustellen, auch mal schubsen und das Wort verbieten. Niederschreien. Einen Stoßtrupp bilden. Schrecken verbreiten. Ist das etwa Gewalt? Verglichen mit den Zuständen in Syrien, in Afghanistan oder Mali sicher nicht. Und doch ist der Aufschrei interessierter Kreise ohrenbetäubend laut, seit aufrechte linke Aktivist*Innen und AktivIxten in Hamburg gegen den AfD-Gründer Lucke und den neoliberalen FDP-Chef Lindner und in Göttingen gegen den früheren Innenminister de Maiziere Front machten, um die weitere Verbreitung von Lügen über Makroökonomie, Weltwirtschaft und Waffenexporte zu verhindern.

"Friedlich und ohne Waffen" wie es das Grundgesetz vorsieht, hatten die Interventionisten gemeinsam mit Vertretern des neuen Klimakampfes sich versammelt, die Eingänge zum Alten Rathaus in Göttingen blockiert, waren auf Bäume geklettert und hatten im Hörsaal in Hamburg "Wir wollen keine Nazischweine" gerufen. Ziel der Aktionen: Den Meinungskorridor verengen, denen, die es immer noch nicht bemerkt haben, klarmachen, dass hierzulande nicht jeder immer ungestraft und ungestört sagen kann, was er will.

Freiheit des Protests


Thomas de Maizière musste seine angebliche "Lesung" absagen, Lindner durfte gar nicht erst anreisen, Lucke zollte dem Widerstand Rechnung, indem er seine zweite Vorlesung "abbrach" (FR). Doch wie dreist ist es, diese gelungenen Maßnahmen einer Gegenwehr von unten nun als gewalttätige und rechtswidrige Versuche darzustellen, Andersdenkende daran zu hindern, ihre Meinung zu sagen? Rechte Blogs, fragwürdige Twitteraccounts und sogar manches große Zeitungshaus müht sich nach Kräften, eine "Gefahr für die Demokratie" heraufzubeschwören, weil der zivilgesellschaftliche Protest angeblich den demokratischen Disput ein bisschen behindert.

Wie verlogen! In Göttingen und Hamburg konnte man doch sehen, was demokratisch organisierte Kräfte im Kampf gegen rechts bewirken können! Kein Fußbreit den Faschisten, kein Gespräch, keine Diskussion, keine Plattform, keine Gnade! Stattdessen klare Kante! Kontrakultur!

Stattdessen Kontrakultur


Die Bundesregierung, die seit Jahren auf eine menschenfeindliche rechtsgerichtete Flüchtlingspolitik setzt, die Milliarden Menschen den Weg nach Deutschland verbaut, die mit einer neoliberalen Politik auf Privatisierungen setzt, die Mieten hochtreibt, das Klima vernichtet und Millionäre schont, wo immer sie kann, muss nun begreifen, dass sie so nicht weitermachen kann, weil das Volk dagegen aufstehen wird.

Die Blockade von de Maizières Lesung in Göttingen und von Luckes rückwärtsgewandten Vorlesungen in Hamburg war nur ein Anfang. Morgen schon könnte der Bundestag blockiert werden, wenn er sich weiter weigert, den Braunkohlen- und Ölheizungsausstieg für nächste Woche und ein sofortiges Verbot von SUVs, dem Wort "Neger" und neoliberalen Steuergeschenken wie der Pendlerpauschale zu beschließen.

Die neue Europa ist das Europa der Populisten der Mitte, wenn ihnen niemand in den Arm fällt. Wie beim Boxen, wo der kluge Kämpfer den Schlägen des Gegners durch Mitgehen die Wirkung nimmt, werden die Volksparteien in den kommenden Monaten mehr noch als zuletzt einen Überbietungswettkampf im AfD-Kopieren führen müssen. Wer ist populistischer? Wer tritt entschiedener gegen "Asylmissbrauch" (SPD-Zitat NPD)) auf? Wer fordert härtere Kürzungen für Kindergeld-Empfänger aus europäischen Partnerländern? Die AfD oder die CDU? Wer ist für die schärfsten Kontrollen bei "illegal Einreisenden", die noch vor Jahresfrist überhaupt nicht illegal, sondern mit Fug und Recht nach Asyl fragten?



Die Überwindung der Überwindung


In der Politik zählt niemals nicht nur die Politik, sondern die Gelegenheit, weiter mitmachen zu dürfen. Man kann Wahlen verlieren, das ist nicht schlimm. Aber man muss immer wahlfähig für das nächste Mal bleiben. Nach den Wochen des irrationalen Überschwangs im Namen des martinitrockenen Euro-Bürokraten Martin Schulz folgen die Mühen der Ebene eines Wettbewerbs um Wählerstimmen, bei denen die Parteien des demokratischen Blocks weniger denn je wissen, woran sie mit dem Stimmvolk sind. Das traut ihnen nicht mehr. Dem kann man nicht mehr trauen.

„Der Populismus ist nicht überwunden“, schreibt die „Zeit“ in einem Text zur Lage, der dem Populismus eine schwere Niederlage attestiert. Doch diese These zielt so grandios an der Situation vorbei wie einst die Prognosen zur US-Wahl im selben Blatt. Der Pyrrhus-Sieg Ruttes in den Niederlanden hat nicht das Ende des Populismus eingeläutet, wie ihn die „Zeit“ versteht. Sondern den Beginn einer neuen Welle an populistischer Billig-Propaganda, die bis zum Herbst alles erfassen wird: Niemand wird mehr nicht sagen, dass er für alles steht, was die Menschen wollen. Niemand wird sich mehr einem Wunsch verweigern, einem Prinzip treu bleiben, einer Linie folgen, an deren Ende eine krachende Niederlage stehen könnte.


Eliten als Rebellen


Und niemand wird mehr Zweifel daran lassen, dass auch nach dem nächsten Urnengang nur mit ihm alles gut werden kann. Die eben noch so bedrohlichen Populisten von außerhalb des traditionellen politischen Spektrums werden damit zwangsläufig zur bedrohten Art. Wo sich die seit Jahrzehnten regierenden und mitregierenden Eliten in Rebellen gegen das Establishment verwandeln, bleibt kein Platz mehr an den Rändern. Nicht für die Sozialpolitiker der Linken, die mit leeren Händen ausgeben wollen, was sie selbst nicht erarbeitet haben. Und nicht für die Nationalpolitiker der Rechten, denen außer ein Nein zum Ja der Kanzlerin zu Euro, Brüssel und offenen Grenzen kein Programm zur Verfügung steht.

Am Ende reicht es dann wieder zu einer Mehrheit, zur Not eben zu dritt. Das ist es dann, das neue Europa, das Europa der zweiten, dritten oder vierten Chance für Leute wie Lucke oder de Maiziere, sich in den Verhältnissen ein zurichten.

So geht es Nazischweinen


So geht Nie wieder! Und so geht es den Nazischweinen, die sich in den vergangenen Jahren überall breitgemacht zu haben scheinen. Aber das ist ihnen natürlich gar nicht recht. Wirtschaftsminister Peter Altmaier hat sich beschwert, dass die Blockade des unseligen Auftrittes des von Kanzlerin Angela Merkel sicherlich nicht ohne Grund aussortierten ehemaligen Dienstherren des uns allen noch wohlbekannten Herrn Maaßen durch eine endlich einmal robust auftretende antifaschistische Linke "eine unerhörte Missachtung von Recht und Person" sei. Der seit Jahren für seine frühere Kumpanei mit dem ehemaligen FDP-Chef Jürgen Möllemann berüchtigte Wolfgang Kubicki legte auf Facebook sogar einen drauf, indem er die aus Gründen der politischen Hygiene gebotene Blockade eine "rechtswidrige Aktion" nannte, die von "Antidemokraten" benutzt werden, "um politische und moralische Vorstellungen umzusetzen".

Was hat Ghandi gesagt?


Was aber, wenn es diese "Vorstellungen" sind, die vielleicht nicht von einer Mehrheit, sehr wohl aber von denen geteilt werden, die sie teilen? War es nicht Mahatma Ghandi, der gesagt hat "Neu denken, neu handeln, Neu Delhi"? Und wo ist die harte verbale Haltung der beiden alten weißen Männer eigentlich, wenn es um tatsächlich demokratiefeindliche Aktionen geht? Um Trumps Twitterei, Putins pompöse Empfänge oder Beiträge in bestimmten Gazetten, die unseren Staat und seine Regierung schlechtmachen?

Die beiden strammen Rechtspolitiker überhöhen einen unaufhaltsamen Aufstand des Gewissens gegen den Aufmarsch mordender Faschisten zu einem "Rechtsbruch" und liefern Verschwörungstheoretikern Stoff, die behaupten, in Deutschland könnten heute nicht einmal mehr ein früherer Verfassungsminister, ein ehemaliger EU-Abgeordneter und der amtierende Parteichef einer fast 71 Jahre alten Partei frei sagen, was sie denken.

Das ist verantwortungslos. Damit bedienen sie das Narrativ der eingeschränkten Meinungsfreiheit, obwohl sie genau wissen, dass niemand Herrn Lucke, Herrn Maiziere oder Herrn Lindner daran hindert, zu sagen, was immer sie sagen wollen. Aber sie sollen es eben daheim tun, in Wohnzimmer, Schlafzimmer oder Bad, ganz egal. Und nicht vor einer Öffentlichkeit, die das weder möchte noch will noch es sich gefallen lassen muss, jeden Blödsinn und Quatsch zu hören.

Schamlose populistische Hetze


Nein, die Kritik an den entschlossenen antifaschistischen Aktionen grenzt nicht an populistische Hetze, wie eine ehemals entschieden antifaschistische Zeitung schreibt, die jetzt offenbar auch ihre klare Linie verliert und am rechten Rand fischt. Sie geht weit darüber hinaus!

Antifaschismus, das Blut, das im deutschen Volkskörper kreisen sollte, wird verächtlich gemacht und zum Feind erklärt. Daran erkennt man, wie weit nach Rechtsaußen unsere Politiker und unsere Zeitungen gerutscht sind. Freiheit, meine Herren, ist immer auch die Freiheit der Andersdenkenden! Sie lässt sich nicht mit einer Einschränkung des Demonstrationsrechts herbeizwingen, um legitimen linksmotivierten Protest gegen die herrschende Politik der Luckes, de Maizieres und Lindners zu einem rechtswidrigen Gewaltakt zu erklären. Erdogan lässt grüßen. Trump, Xi, Putin und Bolsanero auch!

Ja, wer Antifaschismus, kleine Rangeleien und linke Stoppzeichen für rechte Politiker in diesen entscheidenden Tagen des Klimakamüfes um die Zukunft unserer Kinder als Bedrohung für den Rechtsstaat verunglimpft, stellt sich außerhalb der Gemeinschaft der Demokraten. Er wird selbst zum populistischen Rechtspopulisten und damit zu einer Gefahr für die Demokratie.