Freitag, 20. September 2019

Schwuler Superhit: Unvorstellbare Diskriminierung


Felipe Rose hatte sich als Indianer verkleidet, seine Bandkollegen, zusammengecastet, um einer schwulen Zielgruppe ins Auge zu fallen, traten als Polizist, Bauarbeiter und Cowboy auf. Zusammen sangen sie über den christlichen Verein junger Männer, einen Ort voller Übergriffe und Missbrauch offenbar. Die Melodie war lustig, die Tonart ein fröhliches G-Dur, der Rhythmus kopulationsfreundlich, uffuffuff.

Die Gruppe Village People, erdacht und aufgebaut vom schwulen französischen Produzenten Jacques Morali, gefiel sich öffentlich in sexueller Uneindeutigkeit, sendete aber schwule Signale wie ein Leuchtturm. Für die USA der End-70er Jahre eine reizende Idee, Diskomusik aus männlicher Homosexualität zu machen, und dabei den Hang Homosexueller zur Verkleidung und zum Rollenspiel zu nutzen. Die Gefälligkeit der Village-People-Musik erlaubte es zudem auch einem großen heterosexuellen Publikum, Hits wie "Y.M.C.A.", "In the Navy" oder "Macho Man" zu hören, ohne überhaupt zu verstehen, wie frappant schwul die Songtexte waren.


40 Jahre später allerdings wäre ein provokantes Unternehmen wie Village People gar nicht mehr möglich. Allein schon das Kostüm des Indianers - korrekterweise inzwischen "Native" - ließe sich öffentlich kaum noch vermitteln. Sich "Indian" zu nennen oder äußere Merkmale einer anderen "Rasse" (Bento) spielerisch zu verwenden, gilt als Kapitalverbrechen an der politischen Korrektheit und guter Grund, den jeweiligen Täter öffentlich anzuklagen und zum Abschwören zu zwingen.

1978 sah die Popwelt das noch gelassener. Den Produzenten der Village People ging es um Provokation, die gezielt bis an die Grenze des damals vermarktbaren gehen sollte. Ein christliches Männerheim als Ort sexueller Ausschweifungen zu besingen und dazu in Kostümen zu tanzen, die genau das ausstellen, was heute als "toxische Männlichlichkeit" bekämpft wird, erfüllte genau diesen Zweck. Der Song lebt bis heute von einer Doppeldeutigkeit, die beim genauen Hinhören keine ist, weil er sein Lob auf den züchtigen Verein so euphorisch präsentiert, dass die Anspielungen auf schwulen Sex mit jungen Boys kaum zu überhören sind.

Wie hat die Welt sich seitdem verändert! 1979 schafften die Village People mit dem Song den Durchbruch, sie etablierten sich weltweit in den Charts und das nachfolgende Album "Cruisin'", so benannt nach dem schwulen Begriff für die gezielte Suche nach einem Sexualpartner für den Moment, bekam Platin und wurde weltweit fünf bis sechs Millionen Mal verkauft.

Inzwischen behauptet "the first gay superstar group” selbst, überhaupt nie schwul gewesen zu sein. Gleichzeitig gilt das mit Rassen- und Klassenklischees spielende "YMCA" als Protestsong, mit dem sich gegen homophobe Russen kämpfen lässt. Song und Band genießen die Gnade der frühen Geburt, 40 Jahre nach ihren großen Durchbruch fehlt der Aufregungsansatz, mit dem jede Gruppe rechnen müsste, die heute "blackfaced" auftreten und männliche Macho-Klischees verkörpern würde.




3 Kommentare:

Die Anmerkung hat gesagt…

Trudot ist zu jung für solche Scherze, eh äußerst unbeliebt, kann also weg.

Er hatte sich 2001 mal als Neger verkleidet (das Gesicht schwarz angemalt). Das war damals zwar okay, aus der Rücksichtslosigkeit heutiger Tage jedoch politisch unkorrekt.

Die Anmerkung hat gesagt…

Noch so eine Diskriminierung. Dresden will den Nazinotstand. Erklären. Also ausrufen. Beschließen.

https://i.imgur.com/1VPtXND.jpg

Gerry hat gesagt…

Das Zeitfenster der kreativ-lustigen Anarchie war sehr klein. Die geistige Strömung, die dies ermöglichte, zerstört sich in ihrer folgenden Entwicklung selber. #Böckenförde Diktum