Mit einer großangelegten kleinen Serie namens "Es war nicht alles Brecht" erinnerte das Volkskunstboard PPQ in den Zeiten vor den Klimakriegen und der drohenden Machtübernahme durch eine damals noch nicht einmal gegründete Nazi-Partei an die großen poetischen Momente der deutschen Geschichte. Zwischen Poetenseminar und Protestsong wurden Kleinode des Kulturschaffens im Bauch der anderen deutschen Republik erstveröffentlicht, die 2002 in einer Pappkiste in einem sogenannten "Pionierhaus" hatten geborgen werden können. Das Echo war imponierend leise, selbst um systemübergreifende Epen wie "Sie, leicht zurückgelehnt in seinem Arm sitzend, schaut auf zu ihm, hoch in den Himmel" drängten sich weder Verlage noch Filmproduzenten.
Dennoch ist es gelungen, in den kaum acht Jahren seitdem ein ganz anderes kulturelles Niveau zu erreichen. Mit dem Künstlerkollektiv "Zentrum für Politische Schönheit" gelang es Kunst- und Kulturschaffenden in Deutschland erstmals, ohne Pinsel, Stift, Klavier, Mikrophon, Meißel oder irgendein anderes Hilfsmittel große und vor allem vielbeachtete Kunstwerke zu schaffen. Das eher jugendliche Team von der Frankfurter Hauptschule eifert dem nun nach - und mit einem Klopapierangriff auf Goethes Gartenhäuschen in Weimar setzten die Kunstaktivisten aus dem langzeitdemokratisierten Teil Deutschlands sofort ein unbübersehbares Zeichen.
Nicht ganz zufällig am Tag der traurigen, aber nun mal notwendigen Urteilsverkündung wegen der Hetzjagden im benachbarten Sachsen griffen die 14 originellen Jungkünstler zur Adidas-Hose aus Bangladesh, weißen T-Shirts aus einem Sweatshop in Myanmardemfrüherenburma und selbst handbemalten Gesichtsmasken, um zu gutgelaunten Klängen aus einer chinesischen Boombox einen engagierten Protesttanz gegen einen der unseligsten Säulenheiligen der deutschen Geschichte aufzuführen.
Johann Wolfgang von Goethe, der schon als junger Mann in Trauer um die vom Klimawandel aufgezehrte Erde geschrieben hatte "Jeden Abend geht die Sonne unter / ohne dass das einem missfällt / wehe aber, wehe / wehe nur einmal / einmal nur ginge die Welt", ist im Kanon des deutschen Kulturbürgers nach wie vor anerkannt, verdankt seinen Ruf aber ausschließlich einem unaufhörlichen Hörensagen. Seit Jahren schon kennt kein Mensch in Deutschland mehr irgendeinen Menschen, der irgendein Buch von Goethe tatsächlich gelesen hat - weshalb auch niemand mehr weiß, was für ein frauenfeindliches, jedem Veganertum abholdes und klimaverachtendes Dichtersubjekt der gebürtige Hesse gewesen war, der ein Leben lang Knecht der Mächtige blieb, selbst aber Knechter des "wunderlich Volkes" war, als dass er "die Weiber so wie die Kinder" bezeichnete.
Zeit für die an Adorno orientierte Hauptschulklasse, hier aufrüttelnd tätig zu werden und Goethens Sexismus schonungslos anzuprangern. Fack ju Göhte, tanzen die Bildungsbürgerkinder, ehe sie mit den weitausholenden Bewegungen junger, gutgenährter Weltbürger zum Klopapierangriff auf den Frühfaschisten vom Fürstenhof ausholen. Mutig stellt die gendergemischte Gruppe zu einer ausgeklügelten Choreografie die Unfähigkeit des angeblichen Dichterfürsten nach, sich dem anderen Geschlecht vorurteilsfrei zu nähern, vibrierend drehen sich die Körper umeinander, um Goethes inneren Ringen und seine Angst vor dem Missverstandenwerden zu verkörpern. Nur die Dummheit wisse von keiner Sorge, hat Goethe selbst einmal festgestellt, ehe er daran ging, den nächsten sexistischen Vers zu schmieden. Einer lautete etwa "Die Weiber, die Weiber! Man vertändelt gar zu viel Zeit mit ihnen" und fast wäre Goethe damit durchgekommen. Was das für Folgen für die bevorstehenden Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen gehabt hätte, ist nicht auszudenken.
4 Kommentare:
würde zu gerne wissen, was die Generation anno 2270 über diese Armleuchter zu bemerken hätte
2270 gibt es in "Deutschland" nur noch ein einziges Buch. Und das ist nicht von Goethe.
In dem Zusammenhang (Zukunft) zu empfehlen: "Oxygenien" von Klára Fehér. Schön scheußlich.
1982² sozusagen.
1984² natürlich. Ich hab halt dicke Finger ...
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