Eine mutige "Zeit"-Kolumne plädiert für Augenmaß und gegen den Einfluss aggressiver Minderheiten. |
Sie sind nur wenige, eine Minderheit von etwa 0,007 Prozent der Bevölkerung, aber dank ausgeklügelter Methoden der Medienarbeit unüberhörbar. Die Jugendbewegung #fridaysforfuture hat das Klimathema so nachdrücklich auf die Agenda der großen Politik geschoben, dass es um Flüchtlinge, Integration, Wirtschaft, Rente und Soziales kaum noch zu gehen scheint.
Es ist Notstand, vor allem in Deutschlands Wohlstandsregionen, die Kanzlerin kündigte bereits schmerzhafte Einschnitte für die Zeit nach den verlorenen Landtagswahlen im Osten an - Merkel wittert hier wohl auch eine Gelegenheit zur Rache, munkelt das politische Berlin, denn die gebürtige Hamburgerin fühlt sich von ihren Ossis verraten. Denen wiederum geht es andersherum genauso: Eine westdeutsche Elite habe sie vergessen, die von Kohl versprochenen blühenden Landschaften seien nie entstanden, dafür aber schwünden vor 30 Jahren erst eroberte Freiheitsrechte in einem Tempo, das erfahrene DDR-Bürger Schlimmes fürchten lässt.
Eine Schreckenssituation für beide, das Klima und die Menschen. Dankenswerterweise hat Mark Schieritz jetzt in der "Zeit" einen Kommentar geschrieben, der die Verhältnisse geraderückt und den Klimaprotest, der medial alles überstrahlt, zurückstutzt auf seinen wirkliche Bedeutung. Ja, schreibt der Träger des Ernst-Schneider-Preises, man müsse die Sorgen der klimabewegten Schülerinnen und Schüler ernst nehmen, aber man müsse sich auch nicht alles gefallen lassen. "Eine Minderheit darf nicht den Kurs der Mehrheit bestimmen", urteilt Schieritz klipp und klar und ohne Pillepalle.
Wissen Sie, wie viele Leute an den #fridaysforfuture-Freitagen protestieren? In Deutschland? weltweit? Es sind zusammen ein paar zehntausende hierzulande, weltweit nicht mehr als eine Million an den wenigen sehr guten Tagen. Das sind nicht einmal ein Prozent der deutschen Bevölkerung, nicht einmal ein halbes. Global gesehen nehmen kaum mehr als 0.001 Prozent der Menschen an den Klimaprotesten teil, die medial seit Wochen alles überstrahlen. Diese Zahl wird hier in Erinnerung gerufen, weil Bundeskanzlerin Angela Merkel angekündigt hat, nach den Landtagswahlen in drei ostdeutschen Bundesländern im Herbst durchgreifen und eine einschneidende Klimapolitik machen zu wollen.
Der Potestschock aus den verwaisten Klassenzimmern, so lautet die These, die derzeit überall in Berlin zu hören ist, wird die politische Agenda auf den letzten Metern der endlos scheinenden Kanzlerschaft Merkels noch einmal durcheinanderwirbeln. Das Klimathema wird wichtiger, Merkel setzt den Schlussstein ihrer langen Karriere als nachhaltigen Ökoziegel: CO2-Steuer, Fahrverbote, Industrieausstieg, Asyl für Eisbären, alles ist denkbar, alles i8st möglich.
Das wirft eine Frage auf: Inwieweit soll sich die Republik eigentlich von ein paar tausend Schülerinnen, Studentinnen und Schülern – genauer gesagt: von deren längst ehrenamtlich agierenden Funktionären - – die Themen aufzwingen lassen?
Diese Frage stellt sich nicht nur in Deutschland. Zumindest in einigen Industrieländern hat sich das Klima als Thema entpuppt, das Protestpotenzial hat, das zum politisch handelnden Subjekt wird. Die Grünen wären in Umfragen heute nicht Deutschlands dominierende Partei, gäbe es nicht Greta Thunberg. Die CDU würde nicht zumindest symbolisch Klimapolitik betreiben, schielte sie nicht mit einem Auge auf eine schwarz-grüne Koalition.
Es ist natürlich ein Versagen der Politik, dass es solcher Proteste überhaupt bedarf, obwohl seit Jahren bekannt ist, dass Deutschland seinen CO2-Ausstoß sei 2009 nicht mehr gesenkt hat. Und sich 70 Prozent der bis dahin erreichten Verminderung allein der Tatsache verdanken, dass die Industrie auf dem Gebiet der ehemaligen DDR nahezu komplett stillgelegt wurde. Anerkennung für diesen Solidarbeitrag der Ostdeutschen zur gesamtdeutschen Klimabilanz gab es nie, auch die Fridays-for-Future-Kinder versagen diesem tiefen Einschnitt, der Millionen Arbeitsplatz, Fernreisevermögen und Rente gekostet hat, ihren Respekt.
Doch nach Daten des Ifo-Instituts protestieren eben nur ganz, ganz wenige Bundesbürger bei #fridaysforfuture. Selbst unter den jüngeren und ganz jungen Menschen sind die Mitglieder der Generation Greta eine verschwindend kleine Minderheit, zahlenmäßig weitaus kleiner als die Anhängerschaft von Schlagermusik, Rammstein und Nikotinmissbrauch.
Zur Wahrheit gehört deshalb auch: Der Klimawandel ist kompliziert, er hat viele Seiten und er wird sich durch Straßenproteste nicht so leicht aus der Welt schaffen lassen. Was aber folgt daraus für die Politik? Den Umfragen zufolge kommt dem Klimathema bei den Bürgerinnen und Bürgern inzwischen höchste Priorität zu, alle wollen Tempolimits, neue Steuern, mehr Nahverkehr und Elektro-Tretroller statt eines neuen VW oder BMW. Ausgelöst haben das ein paar wenige Kinder, deren Zahl nicht einmal der der Mitglieder der SPD, geschweige denn der der Mitglieder von SPD, CDU und CSU entspricht.
Wenn die von vielen erwartete Diskursverschiebung nach den Ostwahlen nun tatsächlich Richtung Klima stattfände, wenn es harte und durchgreifende Notstandsmaßnahmen gäbe, um die Welt von berlin aus zu retten, dann hätten diese paar Promille der Bevölkerung dem Rest des Landes ihre Agenda aufgedrängt.
Fridaysforfuture, eine bis heute in Teilen rätselhafte Bewegung ohne Transparenz, demokratisches Innenleben oder regresspflichtlige Verantwortliche hätte dann einen diskurspolitischen Einfluss ausgeübt, der weit über das sozioökonomische Gewicht der fluiden Freitagsbewegung hinausgeht. Das wäre ein auf Deutschland begrenztes Phänomen, denn zur Erinnerung: Auch die Proteste der Gelbwesten gegen die Reformpolitik von Emmanuel Macron haben Frankreich verändert, bei weitem aber nicht so radikal, wie Angela Merkels nächster Schwenk in der Umweltpolitik Deutschland ändern wird.
Darf das? Ist es richtig, wenn die Minderheit einer ganz kleinen Clique ehrgeiziger, gewissenloser und zugleich unvernünftiger junger Menschen ins Ruder eines Regierungsdampfers greift, den niemals Eigennutz lenken sollte?
Nun, schauen wir nach Amerika. Bei der letzten Präsidentschaftswahl haben dort deutlich mehr Amerikanerinnen und Amerikaner für Hillary Clinton als für Donald Trump gestimmt. Trump ist nur Präsident geworden, weil nach dem amerikanischen Wahlsystem die Bundesstaaten eine besondere Gewichtung haben und er in einigen der entscheidenden Staaten – Pennsylvania, Wisconsin und Michigan – knapp vor seiner Konkurrentin lag. Anders gesagt: Die Weltordnung liegt heute in Trümmern, weil dort einige Leute Trump und nicht Clinton gewählt haben.
Das kann passieren, wenn man den Sonderinteressen Einzelner und verschwindend kleiner Gruppen, die eigentlich keine Rolle spielen, zu viel politischen Einfluss zubilligt. Wir sollten diesen Fehler nicht wiederholen. Man muss die Sorgen der Menschen um das Klima sicher ernst nehmen, aber man muss sich auch nicht alles gefallen lassen. Eine Minderheit darf nicht den Kurs der Mehrheit bestimmen.
5 Kommentare:
Um einen (hoffentlich hier bekannten) „orwellschen“ Terminus zu verwenden:
Derlei „Zeit-Geschreibsel“ ist nix weiter als typische „controlled opposition“.
Das Regime hat ihren Orwell anscheinend nicht gelesen, oder der Zeit-Schreiberling ist nicht würdig genug und befindet sich nur auf der Stufe des offenen Systemlings.
Schieritz offener Systemling ?
Nein !
Doch !
Ohh !
Derlei „Zeit-Geschreibsel“ ist nix weiter als typische „controlled opposition“.
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Traun fürwahr. Sollte ich mich festlegen, mit welcher Gestalt aus Animals Farm ich mich identifizieren sollte, dann wäre es der Esel Benjamin. Er pflegte zynische Bemerkungen von sich zu geben ...
Nordlandfahrer
" Die Weltordnung liegt heute in Trümmern, weil dort einige Leute Trump und nicht Clinton gewählt haben. "
Wieviele Kriege hat Trump bisher begonnen? KEINEN!
Und wieviele sein friedensnobelbehafteter Vorgänger?
Mit Hillary wäre der dritte Weltkrieg schon längst Realität...
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