Sonntag, 19. Mai 2019

Merkels Abschied: Das Ende der Welt

"Und geht mal wieder gar nichts mehr / kommt irgendwo ein Merkeltitel her, so reimen sie beim ehemaligen Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" seit Jahrzehnten rumplig. Geplagt von spektakulären Relotiusaden und permanentem Auflagenrückgang ist die Kanzlerin noch stets letzte Hoffnung des vordersten Außenpostens des Bundespresseamtes auf eine gute Woche gewesen. 
Schreibtischreporter des Magazins haben sie "Angela Mutlos" und "Mutter der Nation" genannt, sie war die "Klimakanzlerin" und die "mächtigste Frau der Welt", die - von PPQ abgeschriebene "Trümmerfrau" und eine "selbstgerechte" Kanzlerin, der personifizierte Aufschwung Ost, die "Einsame" und eine verschwörungstheoretisch raunende Doppelexistenz mit dem US-Milliardär George Soros, der "in ihr" (Spiegel) steckte. Man wusste nur nicht, wie tief und wie viel von ihm.

Unbedingte Regierungstreue


Merkel hält den "Spiegel" am Leben. In ihr findet die zwischen unbedingter Regierungstreue und verschütteten journalistischen Ur-Reflexen mehr hin- als herwankende Redaktion eine Projektionsfläche, auf die sich zuverlässig immer gerade das Bild von der Welt und den Zuständen malen lässt, das sich Klein Fritzchen René Pfister ausgedacht hat wie einstmals die berühmte Fantasieszene an Seehofers Modelleisenbahn.

In Hamburg ahnen sie das Ende voraus, denn es wird auch das eigene sein. Ein Beben ist in der Macht. Nach Merkel, so der "Spiegel" in dieser schicksalhaften Woche vor einer Wahl, die niemanden wirklich interessiert, der nicht beruflich mit ihr zu tun hat, nach Merkel kommt nur noch "Finsternis" (Spiegel). Das Leben auf der Erde, es wird kaum noch möglich sein, sollte die Hamburgerin stürzen. Niemand wäre mehr da, der die Spiegeltitel füllt, nachdem schon Donald Trump weggefallen ist, der zwischen 2016 und 2018 sagenhafte 31 Spiegel-Ausgaben zierte, 2019 hingegen noch nicht eine einzige.

Was soll nur werden, fragen sie sich im mentalen Führerbunker, den das politische Berlin und seine Berichterstatter seit Jahren als WG bewohnen. "Der Blick Merkels auf die Weltlage", so reportiert Pfister, "hat sich in den vergangenen Jahren dramatisch verändert". Abseits der Mikrofone habe die scheidende Kanzlerin "immer wieder einen apokalyptischen Ton angeschlagen, "sie verglich die Situation von heute mit der vor dem Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges im Jahr 1618, der dann weite Teile Europas zerstört hat". 

Was nicht weiter verwundert, denn Merkel liest "Spiegel" und dort steht ja nicht nur wöchentlich geschrieben, dass die fetten Jahre vorüber sind, die Klimakatastrophe alle Zivilisation auslöschen wird, Trump den dritten Weltkrieg vorbereitet, Chinazölle alle Exporte unmöglichen machen werden, eine braune Verschwörung in Deutschland unterwandert, was von "Putins Puppen" noch nicht  vereinahmt wurde, und die "Macht der Clans" auf dem "Narrenschiff" uns alle "schutzlos" am "Ende von Raum und Zeit" stehen lässt (alle Zitate Spiegeltitel). 
 
Das einstige Sturmgeschütz in der Kanzlerfront, orakelt vom "Abschied von der Macht" und vom "Aufstand gegen Merkel". Ein "Hauch von Abschied", denn im grundsätzlich kanzlersolidarisch agierenden Blatt, nach Ansicht von Kritikern eine Elitetruppe der Öffentlichkeitsarbeit des Kanzleramtes,  geht so etwas nur, wenn  Aussicht besteht, dass die hochverehrte Kanzlerin diesmal wirklich "geschwächt" (Bettina Schausten) ist.

Merkel selbst hatte schon vor geraumer Zeit verdeutlich,  was sie von solchen knieweichen Verbündeten hält. vor Millionen im Fernsehen zeigte Merkel klassisch mit rechts den Stinkefinger, nur mit mäßiger Mühe maskiert durch eine Fingerschere der linken Hand.  Angela Merkel, eine im Westen gern als "Ostdeutsche" apostrophierte Hamburgerin, hatte ihren Ziehvater Helmut Kohl mit Hilfe der Medien gestürzt, in dem sie, die Zeit ihrer politischen Karriere von seinen auch finanziellen Möglichkeiten profitiert hatte, ihm moralisches Versagen in der CDU-Spendenaffäre vorwarf. Ein Risiko, so frontal gegen das Establishment der Partei anzutreten. Doch die Christenunion suchte nach Heilung. Und wählte Merkel mit 89,5 Prozent als Medizin. Merkel weiß jetzt, dass ihre Zeit  enden wird, wenn sich die Medien abwenden.

Doch die stehen noch zu ihr, wenn auch zögerlicher als früher. Merkel ist keine schlechte Wahl für Medienhäuser, die sich selbst als Teil der Machtmaschine betrachten, die weil es die die Republik am Laufen hält. Die grundbescheiden auftretende Parteivorsitzende und spätere Kanzlerin vermochte, auf dem Ticket der Schröder-Reformen zu wirtschaftlichem Fortschritt zu reiten. Deutschland wurde vom kranken Mann des Kontinents zur Triebfeder eines bescheidenen Aufschwungs. der sich allerdings, das wurde wenig später klar, vor allem aus der Hoffnung speiste, die exzessive Verschuldung Dutzender neuer EU-Mitgliedsländer werde irgendwann ja wohl doch zu einem selbsttragenden Aufschwung führen.

Zumindest hatte der Kontinent Visionen und die Menschen waren bereit, ihnen zu folgen, Merkel störte dabei nicht. Offene Grenzen, Welthandel, Internet, Globalisierung, europäische Einheit, gemeinsame Institutionen. Anfangs sprachen wenige Menschen davon und Politiker gar nicht. Europa, rhetorisch geschickt als Synonym für die zur Staatwerdung entschlossene EU genutzt, war wie ein Naturereignis, das kommen würde, egal, was irgendjemand irgendwo dazu meinte.

Jahr um Jahr blieb die Kanzlerin mit dieser Zaubernummer unumstritten. Während hinter ihr alles zusammenstürzte, was noch zur Jahrtausendwende als unerschütterlich galt, als Essenz dessen, was westliche Gesellschaften sein wollen. Im Rückblick lässt sich die Ära der Kanzlerin Angela Merkel in zwei Phasen einteilen: Die erste sieht sie als Profiteurin der Schröder-Reformen. Die zweite dann als zunehmend fassungsloser agierende Nicht-Reagiererin auf innere und äußere Herausforderungen, die sie, die immer mit Aussitzen gewonnen hat, ihrer Erfahrung gemäß einfach vorübergehen lassen will.

Der Preis dafür ist hoch. Der innere Zusammenhalt ging flöten, sowohl innerhalb Deutschlands als auch innerhalb der EU. Es gibt keinen Preis für Geld mehr, damit auch keine Zinsen und somit keinen Sinn im Versuch, selbstbestimmt und selbstverantwortlich für seine Bedürfnisse zu sparen. Trotzdem bröckelt Europa, weil selbst Nullzinsen für die schwächeren Länder zu hoch sind, als dass sie mit Deutschland konkurrieren könnten.

Das lässt die Gemeinschaftswährung dahinsiechen: Zu Merkels Amtsantritt gab es 1,40 Dollar für einen Euro, auf dem Höhepunkt der "amerikanischen Krise" (Peer Steinbrück) waren es sogar knapp 1,60 Dollar. Mit der dritten Rettung des Euro sank die Kaufkraft der innerlich ausgehöhlten Gemeinschaftswährung auf 1,30. Während Angela Merkel aus der Politik zuweilen schon ausgeschieden scheint, zurückgezogen im Schlafzimmer im ersten Stock, wo sie Bilder ihrer Karriere anschaut: Das Auto, das sie vor Eurowand gefahren hat, die Briten, die sie in den Brexit trieb, die Italiener, die auf einmal wieder Faschisten, tagt unten der Rest der Union ohne sie. Merkel sei nun "nur noch Kanzlerin" und habe "mit Angelegenheiten der Partei nichts zu tun", versichert die versammelte Runde der Erben im Erdgeschoss, die vor einer Operation steht, die kaum weniger kompliziert ist als die des anderen Flügels der SPD. Am lebenden Körper der Koalition muss eine Umwandlung stattfinden, die das, was gestern noch als fremdenfeindlicher Hass, als Naziparolen und rechte Rattenfängerei galt, in zugkräftige Werbung in eigener Sache verwandelt.

Das Ende der Ära Merkel beginnt allerdings nicht als Aufstand kritischer Medien, die hinterfragen, was da regiert wird und zu wessen Gunsten. Die Revolution von oben startet bei SPD und CDU, die bisher von der Kanzlerin abhängen. So schlecht die Sozialdemokraten in ihrer Verzweiflung über ihre frühere Lichtgestalt Gerhard Schröder denken, dem sie ihre galoppierende Misere zur Last legen, so entschieden räumen sie nun im Rahmen der versprochenen "Erneuerung" mit den Weichenstellungen auf, die Politiker wie Olaf Scholz, Andrea Nahles und Heiko Maas seinerzeit noch energisch mitbewirkt hatten. Die SPD sucht Zuflucht im Populismus einer Partei, die über Land zieht, und Wohltaten verteilt, gejagt vom Fluch jedes Schenkenden, dass überall dort, wo er gibt, jemand zurückbleibt, der weniger bekommen hat und lautstark verlangt, als nächster an die Reihe zu kommen.

Es gibt keine Hoffnung mehr, denn der Winter kommt, nur dass er hier eben "Finsternis" genannt wird, um eine Markenrechtsklage der Game-of-Thrones-Macher zu verhindern. Merkel, die den eisernen Thron  in der Bundeswaschmaschine längst als eine Art eigenes Körperteil betrachtet, wird im "Spiegel" als Schwarzmalerin vorgeführt, die mit ihren weisen Worten bestätigt, was "Spiegel"-Journalisten schon vor Jahren und Jahrzehnten glaubten: "Kohl kaputt", niemand rettet die Erde, "rechte Verführer" überall, eine "programmierte Katastrophe", nicht aufzuhalten von einer "kopflosen Union".

Zusammen gegangen


Gesucht wird die Weltformel, näher dran als Merkel aber war  eben noch niemand am "Gen-Projekt Übermensch", das sicher nicht rein zufällig ausgerufen wurde, als im Jahre 1999 die CDU-Spendenaffäre ruchbar wurde und es Angela Merkel gelang, nach dem Parteivorsitzenden Helmut Kohl auch dessen designierten Erben Wolfgang Schäuble mit Hilfe aufgedeckter illegaler Parteispenden aus dem Weg zu räumen.

Seitdem sind der "Spiegel" und die Kanzlerin einen langen Weg zusammen gegangen. Das Magazin verlor beim Versuch, die erste Frau im Kanzleramt gegen jede Kritik zu verteidigen, ein Drittel seiner Auflage: Die Union verlor ihren konservativen Markenkern und ein Fünftel ihrer Wähler. Schaffte es aber, gerade durch diese Neuerfindung als eine Art ÖDP mit namhaftem Personal - darunter bis heute auch der überführte Parteispendenkofferträger Schäuble - zum Stabilitätsanker einer westdeutschen Gesellschaft zu werden, die seit Mitte der 50er Jahre in der Vorstellung lebt,  die eigenen Sitten, Ansichten, Wertvorstellungen und moralischen Ideale seien nicht nur alternativlos, sondern für die übrigen 7,45 Milliarden Menschen auf der Erde unbedingt verbindlich und anstrebenswert.

Wer so denkt und dieses glaubt, für den ist eine Welt ohne Angela Merkel so wenig vorstellbar wie für einen orthodoxen Kommunisten um 1950 herum eine Sowjetunion ohne Väterchen Stalin denkbar war. Der Globus muss ein dunkler Ort werden, wenn sie nicht mehr nach den Rechten sieht, das Klima rettet oder Europa oder den Euro oder den Frieden. Nachdem der letzte Versuch deutscher Medien scheiterte, Merkel mit einer Tsunamiwelle aus Druckerschwärze auf den Chefposte der neuen EU-Kommission zu spülen, gibt es kein Morgen mehr.

Der Krieg wird kommen, die zehn Plagen, Hitze, Sturm und Frost, Dürre, Masern, womöglich eine Tretroller-Apokalypse. Und dann das Ende der Welt.


1 Kommentar:

Florida Ralf hat gesagt…

naja, das kann schon hinkommen. sintflut is ja schon.