Am Ende einer langen Saison sind sie wie die Kinder. Toni Lindenhahn, die Vereinslegende mit der Irokesenfrisur, schwenkt zwei rote Plastikfahnen. Braydon Manu, der kleine Holsteiner, versucht, afrikanisch zu tanzen. Niklas Landgraf, einer der Entdeckungen dieser Spielzeit, bläst die Backen dick auf und pustet. Und Sebastian Mai, vielleicht die imponierendste Figur des neuen HFC, tut, was er immer tut: Er dirigiert die Gruppe aus Spielern, Trainern und Betreuern aus lichter Höhe beim Schwenk um weite Rund des Erdgas-Sportparkes mit heute 10.034 Zuschauern.
Es ist nicht Glück in den Gesichtern der diesmal ganz in Rot aufgelaufenen Hallenser, sondern eher Erleichterung. Es wird nicht mehr klappen mit dem Sprung auf Relegationsplatz 3, trotz des Sieges gegen eine starke Eintracht aus Braunschweig, weil Konkurrent Wiesbaden gewonnen hat und damit uneinholbar enteilt ist. Aber es ist auch keine Gefahr mehr, den vierten Platz zu verlieren. Der HFC spielt in diesem Jahr in seiner eigenen Liga - viel zu gut für 16 Mannschaften in der Liga. Und ein bisschen zu schlecht für die anderen drei.
Das vorletzte Endspiel um die Relegation führt bei nieselndem Dauerrregen genau dieses Problem der Ziegner-Elf noch einmal überdeutlich vor. Braunschweig, im Hinspiel 0:1 unterlegen, ist absolut gleichwertig. Der HFC, heute mal ohne Pascal Sohm und ohne den verletzten Mathias Fetsch sowieso, tut sich schwer, offensiv zur Wirkung zu kommen. Es ist nicht wie im direkten Vergleich mit Wiesbaden, als der Gast Halle am Anfang gnadenlos an die Wand drückte und der HFC am Ende das eine Duell zu viel verlor (das andere war das Cottbus-Spiel), um noch ernsthaft um den Aufstieg mitzuspielen. Gegen Braunschweig sind die Gastgeber engagierter, näher am Gegenspieler, härter am Ball. Nur dass die Abschlusssituationen ebenso fehlen.
Zum Glück geht es den Blauen, die trotz einer grandiosen Rückrunde immer noch ein bisschen nach unten schauen müssen, genauso. Ein flottes Spiel, das von der Spannung lebt, die in Wiesbaden hergestellt wird. Dort steht es 0:0, der HFC wäre mit einem Tor bis auf zwei Punkte an die Hessen herangerückt und hätte am letzten Spieltag in Karlsruhe die Möglichkeit, bei einer Wiesbadener Pleite in Uerdingen auf Platz 3 zu hüpfen. In der 30. Minute ist es soweit: Marvin Ajani geht erstmals energisch links außen durch, er tankt sich in den Strafraum, hat noch zehn Schritte zum Tor. Und wird vom rudernden Arm seines Gegenspielers umgeworfen.
Ein Mann wie ein Baum, der fällt wie Totholz. Bundesliga-Schiedsrichter Christian Dingert zeigt trotzdem ohne zögern auf den Punkt. Bentley Baxter Bahn läuft an und trifft.
Nun wäre das Tor zur 2. Liga offen, wenn Osnabrück in Wiesbaden zuschlagen würde. Doch der Traum dauern nur fünf Minuten, dann kommt es andersherum: Wiesbaden gehen ebenfalls in Führung. Der HFC wäre damit aller Hoffnungen auf ein Fußballwunder ledig.
Es wäre aber ohnehin zu früh gekommen. Als Mannschaft, die zwar die zweitbeste Abwehr der Liga vorzuweisen hat, offensiv aber nur von drei Mannschaften am Tabellenende unterboten wird, hätte Torsten Ziegner keine andere Wahl gehabt, als sein eingespieltes und menschlich augenscheinlich gut funktionierendes Team völlig umzukrempeln. Was das mit einem Verein gemacht hätte, der auch ein Jahr nach dem Neuanfang mit neuem Personal in allen Entscheidungsebenen nicht einmal in der Lage ist, einen halbwegs funktionierenden Kartenvorverkauf oder bequeme Einlassmöglichkeiten für alle Fans anzubieten, wird man nun glücklicherweise nie erfahren.
Denn sie rackern zwar, unten auf dem Rasen, und sie trommeln und singen oben in den Rängen. Aber ein Fußballspiel der fantastischen Art kommt nicht zustande, weil vorn wie so oft die Säge klemmt. Ajani läuft sich fest, Bahn verstolpert den Ball, Manu stürzt immer wieder über die eigenen Füße. Das 1:0 ist zur Halbzeit verdient, aber glücklich.
So wie es weiter regnet, rumpelt es auch weiter, nachdem Dingert wieder angepfiffen hat. Braunschweig hat sich etwas vorgenommen, Halle auch: Die einen wollen den Ausgleich, die anderen auf keinen Fall. Es geht den Männern in Rot nun nicht mehr darum, das 2:0 zu machen, sondern auf keinen Fall ein 1:1 zu kassieren. Schwer genug ist das, weil Lindenhahn, Heyer und Schick solche Tonnenlasten zu transportieren scheinen, dass Kai Eisele im halleschen Tor mehrfach mit Rückpässen so in Verlegenheit gebracht wird, dass der Keeper Kopf und Kragen riskieren muss, um sich aus der brenzligen Situation zu befreien.
Geht alles gut, irgendwie, auch wenn Eisele bei einigen Nahkämpfen an der Torlinie wohl selbst nicht mitbekommt, was den Ball am Überschreiten seiner Linie gehindert hat. Der Mann in Gelb beginnt früh, auf Zeit zu spielen, dafür bekommt er dann auch bald eine gelbe Karte, über die sich Münsters Torwart Schulze Niehues die ganze Sommerpause hinweg kaputtlachen wird. Ziegner schaltet irgendwann alles auf Defensive, Mai rutscht hinter, Arkenberg und Kastenhofer kommen für Manu und Pagliuca. Was an Hoffnung noch da ist, ruht auf Osnabrück. Und wird enttäuscht. Der Ligameister und Aufsteiger verliert nach dem Heimspiel gegen Hansa auch die Auswärtsbegegnung in Wiesbaden und macht die Hessen damit zum uneinholbaren Tabellendritten.
In Halle aber fallen sich alle dennoch in die Arme, als Dingert nach ausufernden fünf Nachspielminuten endlich abpfeift. Alles getan, alles gegeben, alles erreicht, sogar, was zuvor niemand hätte glauben wollen. Grinsende Spieler, glückliche Fans, alles liegt sich in den Armen. Das schönste Jahr des HFC seit dem Aufstieg in die 3. Liga. Ein bisschen Blues ist dabei, weil so wenig fehlte, um noch so viel mehr zu bekommen.
Aber dieser Blues ist rot.
2 Kommentare:
Der HFC hat es selbst verbockt.
In den letzten 10 Spielen nur 5 Siege ... das reicht nicht !
ein wenig darf man den hErrn preisen für seine gnade, dass uns ein aufstieg jetzt erspart geblieben ist (=guckt schmunzelnd nach norden)
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