Erfassen, überwachen: Europa steht vor einem weiteren Ausbau der gemeinsamen Freiheit. Foto: Ziko-C |
Als Jean-Claude Juncker im Sommer seiner Kommissarsdämmerung begann, über die Abschaffung der Sommerzeit zu fantasieren, war klar, dass der scheidende Kommissionspräsident seine letzte Karte spielte. Juncker, ein Bürokrat reinsten Wasser, versuchte sichtrotz Rückenschmerzen als Populist. Und er scheiterte: Die divergierenden Interessen einer Gemeinschaft aus 500 Millionen Menschen in 28 Staaten verhinderte einmal mehr eine "europäische Lösung": Was genau Sommer sei war umstritten, woraus Zeit besteht und ob dunkel besser ist als hell, die Völker der Union stritten nicht nur, sie waren - abgesehen von den Deutschen - zumeist nicht einmal an einem Streit interessiert.
Zeit war es nun doch nicht für ein an einfachen Wünschen orientiertes Durchregieren der Kommission. Die Gemeinschaft aber triumphiert nun an einer anderen Front, dort, wo europäische Regeln traditionell ein höheres Gewicht haben als nationale Vorstellungen. Mit Blick auf EU-Arbeitsrechtsregeln hat der Europäische Gerichtshof der Praxis ein Ende gemacht, dass Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer dazu anhalten können, mehr zu arbeiten als im Arbeitsvertrag eigentlich voreinbart. Firmen sind nun verpflichtet, nicht mehr nur Überstunden aufzuschreiben. Sondern jede einzelne geleistete Arbeitsstunde ihrer Mitarbeiter zu erfassen.
Was sich anhört wie eine Selbstverständlichkeit, weil etwa der in Deutschland übliche Praxis, ausschließlich die mehr geleisteten Stunden zu vermerken, jede Bindungskraft mangelt, so lange die im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen geleisteten Stunden für den Arbeitnehmer nicht nachweisbar sind, ruft nun wie von Zauberhand die Feinde Europas auf den Plan.
Die Organe des Bionadeadels, gewöhnt an frei flottierende Schreibstunden in Hamburger Straßencafés, sind entsetzt. "Stechuhren für alle - welch ein Schaden" heißt es über ein "rückwärtsgewandtes Urteil", das der "modernen Arbeitswelt" in Europas Internetriesen und bionischen Startups nicht gerecht werden. Statt über Home Office, Remote Control und KI nachzudenken, befördere das EuGH den Kontinent in die 60er zurück, beklagen die Kommentatoren. Eine totale Arbeitszeiterfassung verhindere nicht nur unbezahlte Mehrarbeit, sondern auch Innovation, Flexibilität im Wettbewerb mit China und zukunftsfeste Managementformen mit Vertrauensarbeitszeit.
In eine EU aber, die mehr und mehr vom Wunsch geprägt ist, ihren Bürgerinnen und Bürgern Freiheit zu gewähren, die einer permanenten Überwachung aller und immer unterliegt, passt die Idee der Vollerfassung auch des Lebensbereiches Arbeit ideal. Eine "Frage der Menschenwürde" nennt es die Süddeutsche Zeitung, der es als Beweis ausreicht, zu erkennen: "Kritik an der Entscheidung kommt ausschließlich von Arbeitgeberseite". Die SEDPD dagegen sieht sich in ihrem Kampf für einen Rechtsanspruch auf Home Office-Arbeistplätze auch für Bauarbeiter, Verkäuferinnenn und Krankenschwestern bestätigt. Hubertus Heil, Arbeitsminister einer Partei, die Deutschland in 16 der vergangenen 20 Jahre regiert oder mitregiert hat, hält die "Aufzeichnung der Arbeitszeit" (Heil) nun plötzlich für "notwendig", denn "bestehendes Recht" müsse "auch durchgesetzt" werden. „Deutschland hat Recht und Ordnung“, sagte der Minister, der zuletzt noch "neue gesetzliche Grundlagen" (Heil) hatte schaffen wollen, um "ein Recht auf Arbeit von zuhause" (RP Online) und damit "mehr Spielraum für Familienzeit" zu schaffen.
Mit der Stechuhr in der Hand wird auch diese Idee nun konsequent entschleunigt und aus der Sphäre der individuellen Selbstbestimmung verlegt in ein gesamteuropäisches Spielfeld, in dem nun auf Jahre hinaus nach einer Lösung für die ganze EU gesucht werden kann. Spannend bleibt die Frage, was früher kommen wird: Die Einführung des nach "bestehendem Recht" durchgesetzten EU-Home Office mit Stechuhr mit Spielraum für Familienzeit.
Oder doch eine Einigung bei der Abschaffung der Sommerzeit durch Erfindung einer EU-Einheitszeit.
Zeit für mehr Überwachung
Zeit war es nun doch nicht für ein an einfachen Wünschen orientiertes Durchregieren der Kommission. Die Gemeinschaft aber triumphiert nun an einer anderen Front, dort, wo europäische Regeln traditionell ein höheres Gewicht haben als nationale Vorstellungen. Mit Blick auf EU-Arbeitsrechtsregeln hat der Europäische Gerichtshof der Praxis ein Ende gemacht, dass Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer dazu anhalten können, mehr zu arbeiten als im Arbeitsvertrag eigentlich voreinbart. Firmen sind nun verpflichtet, nicht mehr nur Überstunden aufzuschreiben. Sondern jede einzelne geleistete Arbeitsstunde ihrer Mitarbeiter zu erfassen.
Was sich anhört wie eine Selbstverständlichkeit, weil etwa der in Deutschland übliche Praxis, ausschließlich die mehr geleisteten Stunden zu vermerken, jede Bindungskraft mangelt, so lange die im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen geleisteten Stunden für den Arbeitnehmer nicht nachweisbar sind, ruft nun wie von Zauberhand die Feinde Europas auf den Plan.
Die Organe des Bionadeadels, gewöhnt an frei flottierende Schreibstunden in Hamburger Straßencafés, sind entsetzt. "Stechuhren für alle - welch ein Schaden" heißt es über ein "rückwärtsgewandtes Urteil", das der "modernen Arbeitswelt" in Europas Internetriesen und bionischen Startups nicht gerecht werden. Statt über Home Office, Remote Control und KI nachzudenken, befördere das EuGH den Kontinent in die 60er zurück, beklagen die Kommentatoren. Eine totale Arbeitszeiterfassung verhindere nicht nur unbezahlte Mehrarbeit, sondern auch Innovation, Flexibilität im Wettbewerb mit China und zukunftsfeste Managementformen mit Vertrauensarbeitszeit.
In eine EU aber, die mehr und mehr vom Wunsch geprägt ist, ihren Bürgerinnen und Bürgern Freiheit zu gewähren, die einer permanenten Überwachung aller und immer unterliegt, passt die Idee der Vollerfassung auch des Lebensbereiches Arbeit ideal. Eine "Frage der Menschenwürde" nennt es die Süddeutsche Zeitung, der es als Beweis ausreicht, zu erkennen: "Kritik an der Entscheidung kommt ausschließlich von Arbeitgeberseite". Die S
Mit der Stechuhr in der Hand wird auch diese Idee nun konsequent entschleunigt und aus der Sphäre der individuellen Selbstbestimmung verlegt in ein gesamteuropäisches Spielfeld, in dem nun auf Jahre hinaus nach einer Lösung für die ganze EU gesucht werden kann. Spannend bleibt die Frage, was früher kommen wird: Die Einführung des nach "bestehendem Recht" durchgesetzten EU-Home Office mit Stechuhr mit Spielraum für Familienzeit.
Oder doch eine Einigung bei der Abschaffung der Sommerzeit durch Erfindung einer EU-Einheitszeit.
6 Kommentare:
Bin zwar schon Rentner aber arbeite noch in Teilzeit. Da ich intensiv mit Menschen zu tun habe war ich bisher mit meiner (da kein Stempeln und Stechuhrenarbeitgeber) Arbeitszeit dann großzügig, auf eigene Rechnung quasi in unbezahlter Überstundenminutenzeit, wenn es für die Mitmenschlichkeit erforderlich war. Auch jetzt in Teilzeit lasse ich mir über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinaus mehr Zeit wenn es der "Menschlichkeit" dient. Das ist sozusagen mein gesellschaftlicher Beitrag zu einem besseren Leben für Andere.
Wenn das Minuten genaue Abstempeln kommt, werde ich mir mein Engagement gut überlegen, canceln. Und ich werde nicht die einzige sein die dann "Dienst nach Vorschrift macht" in guter (Brüsseler) Beamtenmanier.
Auch der soziale Austausch mit Kollegen bei einer Tasse Kaffee wurde bisher durch längeres dableiben um die Arbeit auch abzuleisten ausgeglichen - aber unsere lebensfeindlichen zwanghaften, das Lebendige Dasein abtötenden und mißbrauchenden Brüssler Schmarotzer wollen Leben mal wieder ein weiteres Stück in ihre abartigen Denk-Kanäle hinein paragraphieren.
Es gilt ihnen den freien unkontrollierten Lebensfluss um jeden Preis zu verhindern.
--- Mitmenschlichkeit --- Es ist ein Manschwort aus dem evangelischen Popenjargon. Siehe K.R.Röhl "Deutsches Phrasenlexikon". Von Abfackeln bis Zündelfrieder.
Sonst aber völlige Zustimmung.
"Mitmenschlichkeit" ist ein bolschewistisches Füllwort für bolschewistische Hirne
Ach, Herr Heil."Recht und Ordnung" mahnt er an. Natürlich muß Recht sein. Ordnung auch.Es hat aber schon vor Jahrzehnten der langjährige Obmann der FDP im Rechtsausschuß des Bundestages darauf hingewiesen, daß der Text unserer Nationalhymne keineswegs lautet "Einigkeit und Recht und Ordnung . . ." ,sondern "Einigkeit und Recht und Freiheit . . ." Womit die Rangfolge dieser Werte wohl ein für alle Mal klargestellt wäre.
Ergänzung: Der Name des FDP - Obmanns sollte keineswegs verschwiegen werden. Es war Detlef Kleinert.
Du sollst dem Ochsen, der da drischet, nicht das Maul verbinden.
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