Es war ein Enthüllungshammer von WDR, NDR und "Süddeutscher Zeitung", die seit Jahren erfolgreich zeigen, wie ein "Rechercheverbund" arbeitet kann, der "Gemeinwohlmedien" und "medienkapitalistische Heuschrecken" (Zitate Wehling) friedlich verbindet. "Interne Papiere", so die öffentlich-rechtlich-kapitalistische Truppe, entlarven jetzt "erstmals die Rolle eines der "Big Four" der Wirtschaftsberatungsunternehmen in sogenannten Cum-Ex-Skandal, einem Klassiker der Empörungsindustrie: "Experten des Konzerns", so die seit ihrer Gründung vor fünf Jahren überwiegend mit Steuerskandalen beschäftige Recherchegruppe, "waren demnach schon 2010 über "Cum-Ex" im Bilde." Dennoch sei eine öffentliche Warnung ausgeblieben.
Der Fall lege damit einen möglichen Systemfehler der ganzen Branche offen: "Fühlen sich die Wirtschaftsprüfer mehr den geprüften Unternehmen als der Öffentlichkeit verpflichtet?", fragen die Enthüllungsexperten, die damit gleich auch noch einen möglichen Systemfehler in ihrer eigenen Branche offenlegen. Denn ausweislich der Angaben des österreichischen Bundesfinanzministeriums waren KPMG-Prüfer keineswegs die einzigen, die im Jahr 2010 über die Praxis des sogenannten Dividendenstripping Bescheid wussten.
Bereits im März 2008 hatte die Generalstaatsanwaltschaft in Frankfurt Ermittlungen gegen die genossenschaftliche DZ Bank aufgenommen, der eben jenes dividend stripping vorgeworfen wurde. Bereits ein Jahr zuvor war der erste deutschsprachige Wikipedia-Eintrag zur Cum Ex-Praxis erstellt worden.
Im August 2009 schließlich berichtete der "Focus" über die "Steueroase Deutschland" in der Finanzminister Steinbrück mit wachsenden Staatsdefiziten kämpfe, während "Konzerne wie Superreiche völlig legale Schlupflöcher zum Steuersparen nutzten wie etwa das Dividendenstripping. Staatsanwaltschaften erhoben erste Anklagen und Berichte beschrieben, dass diese Art Steuertricks den Staat 5,3 Milliarden gekostet hätten. 2012 schließlich erschien Hani Faddouls Grundlagenwerk "Aufbau und Analyse von Cum/Ex-Geschäften: Untersuchung eines Problembereichs der Kapitalertragsteuer bei Dividendenpapieren" als Taschenbuch.
Eine von gleich drei journalistischen Riesen in gemeinsamer Anstrengung erstellte Enthüllungsgeschichte über den Wirtschaftsprüfkonzern KPMG und dessen "Entschlüsselung, wie "Cum-Ex"-Deals funktionierten" im Jahre 2010 scheint vor diesem Hintergrund erstaunlich. Haben die KPMG-Prüfer damals Wiklipedia gelesen? Oder Zeitung? Werden Recherchen von WDR, NDR und "SZ" in Bälde ergeben, dass die Bundespolitik bereits im Jahr 2002 Bescheid darüber wusste, dass sich Anleger gezahlte Kapitalertragsteuer mit Hilfe ihrer Bank per Dividenden-Stripping zweimal erstatten lassen konnten und damit sogar Steuern auf nichterhaltene Dividenden zurückbekamen?
Zu Zeiten der Sozialdemokraten Hans Eichel und Peer Steinbrück, aber auch die längste Zeit der Ära ihres CDU-Nachfolgers Wolfgang Schäuble galt die Ausnutzung dieser Regelungslücke als legaler Steuertrick: Kein Gesetz verbot es, eine Aktie rund um den Tag der Dividendenzahlung zu kaufen, auch wenn das nur mit dem Ziel geschah, Kapitalertragssteuern erstattet zu bekommen, die man niemals gezahlt hatte. Erste Hinweise auf derart smarte Gestaltungsmöglichkeiten gab die Wochenzeitschrift "Die Zeit" bereits im Jahr 1992 - damals noch im Anlageteil unter "Alternative Altersvorsorge".
Zehn Jahre lang weigerten sich sowohl Rot-Grün als auch Gelb-Schwarz als auch Schwarz-Rot, irgendetwas zu unternehmen, damit findige Anleger nicht mehr durch das sperrangelweit offenstehende Tor zur Dividendensteuerrrückerstattung trampeln konnten. Ebenso lange fanden die Amtsblätter nichts dabei, dem jahrzehntelangen Regierungsversagen stillschweigend zuzuschauen.
Erst seitdem der "Steuerdiebstahl in gigantischem Ausmaß" (SZ) sich als wunderbares Thema herausstellte, auflagenfördernd Wut auf "Superreiche", "Banken", "Manager" und "Spekulanten" zu schüren, geht es regelmäßig um "spitzfindige Juristen, blitzschnelle Aktienhändler, skrupellose Banker" (SZ), die "jahrelang zusammengewirkt haben, um superreiche Geldgeber noch reicher zu machen".
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