Montag, 4. Februar 2019

Lebende Tote: Ein Preis für Europas Puls


Auch auf dem Höhepunkt von "Pulse of Europe" war Meisterschaft im Bildschnitt gefragt, um ein paar versprengte Demonstranten als eine Art Volksbewegung erscheinen zu lassen.

Es war schließlich an Heribert Prantl selbst, an eine Episode der deutschen Propagandageschichte zu erinnern, von der die meisten Bürgerinnen und Bürger nicht einmal etwas mitbekommen hatten, als sie in voller Blüte stand. Damals hatten sich "Tagesschau", "heute", "Tagesthemen" und natürlich auch sämtliche Edelfedern bei den Qualitätsmedien vor Begeisterung überschlagen, als mit "Pulse of Europe" endlich mal auch eine "Bürgerbewegung" auf die Straße ging, die nicht Wut, Hass und Zorn predigte, über die Regierung schimpfte und die EU bezichtigte, die Völker Europas durch fortwährende Gängelung zu entzweien.

Der Puls Europas, nach dem Brexit-Votum der Briten von einer hessischen Juristenfamilie erfunden und mit einen englischen Namen versehen, war pro-europäisch, im Unterschied zu "#fridaysforfuture" nahm die Initiative Rücksicht auf Kernarbeitszeiten und kaum hatte sie ein paar hundert Köpfe auf die Straße gebracht, war auch schon die rede davon, dass das "andere", das gute Europa jetzt zurückschlage gegen seine Feinde.

So schnell die selbsternannte "Bewegung" ins Koma fiel, so dankbar regnete es Orden über den Initiatoren. Daniel Röder, der sich die sonntäglichen Demos unter der blaugelben EU-Fahne ausgedacht hatte, wurde für sein Engagement als „Mensch des Respekts“ ausgezeichnet. Dann bekam er gemeinsam mit seiner Frau auch noch das Bundesverdienstkreuz. Etwa ein halbes Jahr vorher war die Bewegung selbst bereits sanft entschlafen: Im März 2017 gab es noch einige Demonstrationen, dann folgte eine Sommerpause, die eigentlich nie mehr ein Ende fand.

So kommt denn nun Heribert Prantl, als Meinungsführer der Süddeutschen Zeitung längst im Rentenalter, aber noch lange nicht bereit, seinen Platz für einen jungen, hoffnungsvollen Nachwuchsfederführer freizumachen. Würde der sich denn wie Prantl erinnern an "Pulse of Europe"? Wüsste der, was es bedeutet, dass einst von 259 Chefredakteuren mit dem "Bürgerpreis" geehrten Puls-Gründer nun nach knapp zwei Jahren im Koma den "Erich-Fromm-Preis" erhalten werden, den 2006 schon Heribert Prantl selbst hatte entgegennehmen dürfen?

Sicher nicht. Und so muss der Wasserpest-Experte aus München selbst aktiv werden und aus der Hauptstadt der Bewegung rufen "Der EU-Wahlkampf muss zur Bewegung werden!" Europa stehe schließlich vor der "wichtigsten Wahl seit Jahrzehnten", es gelte, den "Nationalisten Paroli zu bieten" und "Europa solidarischer, sozialer, bürgernäher" zu machen, eine "Antwort" zu geben "auf den neuen Nationalismus und den populistischen Extremismus, der Europa auffrisst". Aber nichts sei rundherum zu spüren, kein Wahlkampf, nirgends, nicht einmal der notorische Vereinigte-Staaten-von-Europa-Gründer Martin Schulz ("bis 2025!" (Schulz) lässt noch von sich hören.

Heribert Prantl, der die EU in einer wachen, schwachen Stunde schon einmal zu einer "Art Notverordnungs-Demokratie" erklärt hatte, ohne Böses. Wenn der Wahlkampf nicht endlich mit Verve beginne, fürchtet er, "kann man die Kommentare zum Wahlergebnis jetzt schon schreiben: Es wird Entsetzen, Heulen und Zähneknirschen sein nach dem Wahltag, weil Europagegner und Europafeinde das Parlament in den Griff nehmen."

Ein Optimist, immer noch. Prantl, 66 Jahre alt und mit allen demagogischen Wasser gewaschen, glaubt tatsächlich noch, dass ein "Wahlkampf", etwa durch ein verlorenes Häuflein fahnenschwenkende "Pulse-of-Europe"-Preisträger, das "Paradoxon" aufzulösen versteht, das Heribert Prantl so beschreibt: "Die einzige direkt gewählte supranationale Institution der Welt" sei "zuleich das einzige demokratische Parlament weltweit, das massiv an Zustimmung verliert".

Liegt es vielleicht genau daran? Dass das EU-Parlament mangels einer gemeinsamen Sprache eben keine europäische Öffentlichkeit vertritt, sondern 28 bzw. demnächst 27 verschiedene Öffentlichkeiten mit eigenen Interessen, Absichten und Prioritäten? Was Prantl als "ein makaberes Weltwunder, ein europäisches Paradoxon" bestaunt - "je wichtiger dieses Parlament geworden ist, desto mehr hat es seine Basis verloren" (Prantl) - ist genau der Punkt, an dem sein Europa die von ihm diagnostizierten "multiplen Spaltungen" auch mit Hilfe "der politischen Parteien, die sich zu Europa bekennen; der Gewerkschaften, Arbeitgebervereinigungen, Wohlfahrtsverbände und Bürgerinitiativen" nicht wird überwinden können.

Neue Demonstrationen von "Pulse of Europe" werden es sicher wieder in die "Tagesschau" schaffen.

Aber mehr Wirkung erzielen sie sicherlich nicht.




2 Kommentare:

Volker hat gesagt…

“Auch auf dem Höhepunkt von "Pulse of Europe" war Meisterschaft im Bildschnitt gefragt, um ein paar versprengte Demonstranten als eine Art Volksbewegung erscheinen zu lassen.“

Geholfen hats alles nichts.

Zwar hat die bekannte Fälscherbande Durchgezählt wie gewohnt die gewünschten Zahlen „ermittelt“. Doch als Stefanolix einen einfachen Schnappschus ins Netz gestellt hat, wars das.
Da musste dann auch die Lügenpresse zugeben dass es abwärts geht, mit der Massenbewegung.

Schluss. Aus. Ende.

Anonym hat gesagt…

Aus Heinrich Furth, "Der internationale Jodler" (Mitte der Zwanziger):
"Die Phrase, das Schlagwort, sind eine der Hauptwaffen des internationalen Jodlers."