"So lange die politische Klasse glaubt, dass der Fehler bei den Menschen liegt, die sich falsch entscheiden, dass diese Menschen sich den Ansichten der politischen Führung anpassen müssen, so lange wird alles nur schlimmer", sagt der amerikanische Politik-Professor Walter Mead über die große Bedeutung des Falls Kavanaugh für die USA - und die tiefe Spaltung der amerikanischen Gesellschaft.
Doch was er meint, reicht viel tiefer: Die politische Klasse auch in Deutschland, nach eigener Einschätzung berufen, das Land zu leiten, zu führen und seinen Menschen mit Ver- und Geboten jeden Tag ein bisschen deutlicher klarzumachen, wie sie korrekt zu leben haben, bekam beispielsweise schon vor Jahren vom Bundesverfassungsgericht den Auftrag, bundesdeutsche Wahlrecht bis 2011 verfassungskonform zu gestalten. Die bisherige Praxis der Vergabe von Überhangmandaten, die teilweise dazu führte, dass Partein mehr Mandate dadurch erhielten, dass weniger Zweitstimmen bekommen hatten, sei grundgesetzwidrig. Eine Neufassung müsse bis spätestens zum 30. Juni 2011.
Drei Jahre, vorüber wie ein Traum. Inzwischen haben die Regierungsparteien mitgeteilt, dass sie den Termin nicht halten wollen. Oder wie es der "Focus" das klitzekleine Verfassungsversäumnis freundlich entschuldigt: "Bundestag versäumt Frist für Wahlrechts-Reform".
Das klingt, als habe da wer den Bus verpasst, sei von einer höheren Macht gehindert oder von böswilligen Menschen abgehalten worden. Dabei handelt es sich einmal mehr um einen Fall von offenem Verfassungsbruch, selbstbewusst durchgeführt in der Gewissheit, dass keine Institution, kein Volk, ja nicht einmal die Medien dem Vorgang mehr Aufmerksamkeit widmen werden als einem in Ruanda grassierenden Darmkeim. Das sei kein "Ruhmesblatt" für die Koalition, dass man die Vorgabe aus Karlsruhe wegen der schwierigen Materie nun nicht erfülle, sagte der CDU-Abgeordnete Thomas Strobl in der Welt, aber es liege eben "an der komplizierten Materie".
Die nahe zurückliegende Vergangenheit lehrt, dass die meisten Verfassungsbrüche und -verstöße hierzulande im Namen und angeblichen Auftrag der Wähler geschehen sind, durchgeführt von Volksvertretern und Verfassungsinstitutionen, die auf das Grundgesetz geschworen haben, bei der Umsetzung ihres Versprechens, die Verfassung zu verteidigen, aber immer nur bis zu dem Punkt kommen, wo sie ihnen hinderlich erscheint und also ausgehebelt wird.
Ginge es nach den Fakten, müssten sämtliche Regierungsparteien der letzten zehn Jahre wegen erwiesener verfassungsfeindlicher Bestrebungen verboten werden - inklusive der derzeitigen Opposition, die wegen der Wahlrechtsreform von einer "unglaublichen Respektlosigkeit" gegenüber Karlsruhe spricht und den Vorgang eine "groben Missachtung" der Rechtsprechung nennt. Die SPD hatte sich einst selbst von den Verfassungsrichtern bescheinigen lassen müssen, dass das von der Regierung Schröder erlassene Verbot von Studiengebühren verfassungswidrig war. Später hatte das höchste deutsche Gericht die Abschaffung der Pendlerpauschale für verfassungswidrig erklärt, die Hartz4-Sätze als verfassungswidrig gekippt, die Übertragung von immer mehr Entscheidungsbefugnissen an die EU gestoppt und die zwangsweise Vorratsdatenspeicherung aufgehoben.
Doch sie versuchen es wieder. Und immer wieder. Und kein Aufschrei geht durchs Land, kein Proteststurm bricht los, es ist alles wie immer. Im Schatten von Ehec, Fukushima und Kachelmann kann die politische Klasse ungestört weitermachen mit dem Abbau von Grundrechten durch die Aushöhlung per Gesetz oder Umformulierung des Grundgesetzes selbst. Aus 11000 Worten, aus denen das Grundgesetz ursprünglich bestand, wurden im Zuge von bisher 57 Änderungsgesetzen, die 114 Artikel 209 mal änderten, mehr als 21000 Worte. So viel Arbeit für die Parlamentarier. Da bleibt kaum Zeit sich zu wundern, dass niemand mehr diesen Staat und seine Institutionen ernst nehmen möchte.
Doch was er meint, reicht viel tiefer: Die politische Klasse auch in Deutschland, nach eigener Einschätzung berufen, das Land zu leiten, zu führen und seinen Menschen mit Ver- und Geboten jeden Tag ein bisschen deutlicher klarzumachen, wie sie korrekt zu leben haben, bekam beispielsweise schon vor Jahren vom Bundesverfassungsgericht den Auftrag, bundesdeutsche Wahlrecht bis 2011 verfassungskonform zu gestalten. Die bisherige Praxis der Vergabe von Überhangmandaten, die teilweise dazu führte, dass Partein mehr Mandate dadurch erhielten, dass weniger Zweitstimmen bekommen hatten, sei grundgesetzwidrig. Eine Neufassung müsse bis spätestens zum 30. Juni 2011.
Drei Jahre, vorüber wie ein Traum. Inzwischen haben die Regierungsparteien mitgeteilt, dass sie den Termin nicht halten wollen. Oder wie es der "Focus" das klitzekleine Verfassungsversäumnis freundlich entschuldigt: "Bundestag versäumt Frist für Wahlrechts-Reform".
Das klingt, als habe da wer den Bus verpasst, sei von einer höheren Macht gehindert oder von böswilligen Menschen abgehalten worden. Dabei handelt es sich einmal mehr um einen Fall von offenem Verfassungsbruch, selbstbewusst durchgeführt in der Gewissheit, dass keine Institution, kein Volk, ja nicht einmal die Medien dem Vorgang mehr Aufmerksamkeit widmen werden als einem in Ruanda grassierenden Darmkeim. Das sei kein "Ruhmesblatt" für die Koalition, dass man die Vorgabe aus Karlsruhe wegen der schwierigen Materie nun nicht erfülle, sagte der CDU-Abgeordnete Thomas Strobl in der Welt, aber es liege eben "an der komplizierten Materie".
Die nahe zurückliegende Vergangenheit lehrt, dass die meisten Verfassungsbrüche und -verstöße hierzulande im Namen und angeblichen Auftrag der Wähler geschehen sind, durchgeführt von Volksvertretern und Verfassungsinstitutionen, die auf das Grundgesetz geschworen haben, bei der Umsetzung ihres Versprechens, die Verfassung zu verteidigen, aber immer nur bis zu dem Punkt kommen, wo sie ihnen hinderlich erscheint und also ausgehebelt wird.
Ginge es nach den Fakten, müssten sämtliche Regierungsparteien der letzten zehn Jahre wegen erwiesener verfassungsfeindlicher Bestrebungen verboten werden - inklusive der derzeitigen Opposition, die wegen der Wahlrechtsreform von einer "unglaublichen Respektlosigkeit" gegenüber Karlsruhe spricht und den Vorgang eine "groben Missachtung" der Rechtsprechung nennt. Die SPD hatte sich einst selbst von den Verfassungsrichtern bescheinigen lassen müssen, dass das von der Regierung Schröder erlassene Verbot von Studiengebühren verfassungswidrig war. Später hatte das höchste deutsche Gericht die Abschaffung der Pendlerpauschale für verfassungswidrig erklärt, die Hartz4-Sätze als verfassungswidrig gekippt, die Übertragung von immer mehr Entscheidungsbefugnissen an die EU gestoppt und die zwangsweise Vorratsdatenspeicherung aufgehoben.
Doch sie versuchen es wieder. Und immer wieder. Und kein Aufschrei geht durchs Land, kein Proteststurm bricht los, es ist alles wie immer. Im Schatten von Ehec, Fukushima und Kachelmann kann die politische Klasse ungestört weitermachen mit dem Abbau von Grundrechten durch die Aushöhlung per Gesetz oder Umformulierung des Grundgesetzes selbst. Aus 11000 Worten, aus denen das Grundgesetz ursprünglich bestand, wurden im Zuge von bisher 57 Änderungsgesetzen, die 114 Artikel 209 mal änderten, mehr als 21000 Worte. So viel Arbeit für die Parlamentarier. Da bleibt kaum Zeit sich zu wundern, dass niemand mehr diesen Staat und seine Institutionen ernst nehmen möchte.
3 Kommentare:
Da sieht man es wieder mal. Dann wird eben so was im TSP veröffentlicht, wenn der Zensor Urlaub macht und sein Stellvertreter krank wird.
https://discord.gg/ArNQvSt
krautchan 2.0
und ratet mal wer moderiert .
kommt Ihr nie drauf
Was solche Geisterwissenschaftsprofessoren alles von sich geben, wenn kein Scheißhaus in der Nähe ist, wo sie ihren Dünnpfiff ablassen können! Dann machen sie es eben in der Öffentlichkeit. Jeder Politiker erwartet und verlangt, daß das Publikum seine Meinungen und Ansichten übernimmt, er denkt nicht einmal zehntelsekundenlang daran, die Wünsche und Vorstellungen der Wähler zum Teil seines politischen Programms zu machen. Wenn er bei einer Wahl nicht so gut abschneidet, wie er es sich in seinem Wahn vorstellt, dann führt er das keineswegs auf Mängel seiner Agenda zurück, sondern behauptet, es sei ihm nicht gelungen, die Wähler von der Brillanz seiner Konzepte zu überzeugen, er müsse sie jetzt noch eindringlicher erklären, dann werde er schon Erfolg haben. Diese Haltung haben Politiker tief verinnerlicht, auch in den USA. So hat das schon immer funktioniert, das sollte auch dieser Geschwätzwissenschaftler wissen und das Publikum mit Geschwafel verschonen.
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