Noch einmal stolz gehisst: Im "Schwarzen Bären" in Sachsen wurde auf den 69. Jahrestag der DDR angestoßen. |
Kein großer Bahnhof, kein Festbankett, keine Fernsehübertragung. Dort, wo die vor 28 untergegangene DDR auf ihren bis 1989 begangenen Nationalfeiertag anstößt, ist es dunkel, alles sieht ein wenig schäbig aus, abgewohnt und trist. Doch gerade hier fühlen sie sich wohl, die Frauen und Männer, die in der rustikalen Gaststätte "Schwarzer Bär" in Königshain-Wiederau nahe Chemnitz zusammengekommen sind, um zu feiern, was eigentlich nicht mehr existiert. Ein Staat, der sich selbst auflöste und am Ende in Teilen einem Nachbarsstaat beitrat, dessen Bürgerinnen und Bürger ihn und die in ihm lebenden Sprachgenossen aus Mitleid aufnahmen.
Doch diese offizielle Geschichte, einmal im Jahr rund um den Einheitstag am 3. Oktober in unendlich langen Geschichten erzählt, ist für die meist älteren Menschen hier im großen Saal des "Bären" nicht die ganze Wahrheit. Sie, einst überwiegend selbst hoch- und mittelrangige Funktionäre der zweiten deutschen Diktatur, sehen in ihrem Aufbauwerk nach dem 2. Weltkrieg die Grundlage für das, was sie heute "Bundesrepublik 2.0" nennen - eine Hybriden aus dem alten, ehemals marktwirtschaftlich und liberal orientierten Westen mit seinen hohen Arbeitslosenzahlen, seinen zyklischen Krisen, hohen Zinsen und harten Arbeitskämpfen. Und ihrer DDR, die keine Arbeitslosigkeit kannte, planwirtschaftlich arbeitete und Geld schuf, wenn sie es benötigte.
Joachim Engerts war einer der letzten Vertrauten Erich Honeckers, als Mitarbeiter in dessen Strategiestab konzipierte der heute 72-Jährige ab Mitte der 80er Jahre die SED-Strategie zur Überleitung der DDR in eine geplante Assoziation mit der Bundesrepublik, die perspektivisch in eine Union zweier gleichberechtigter Staaten münden sollte. Engerts gibt heute freimütig zu, dass der damals rollende Zug der Zeit die gewissenhaft ausgearbeiteten Pläne zunichte machte, doch er betont auch, dass die erreichten Ergebnisse der Taktik einer Beeinflussung durch Beitritt für sich sprächen. "Ich fühle Genugtuung über unsere eindrucksvolle Bilanz", sagt Engerts in seiner Rede vor 276 Freunden, Genossen und Mitstreitern, die PPQ nachfolgend exklusiv dokumentiert.
Liebe Freunde und Genossen! Meine Damen und Herren! Werte Gäste!
Wäre alles anders gekommen, stünden wir heute nicht hier, sondern jemand anders. Wäre die DDR nicht von ihren Bürgerinnen und Bürgern hinweggefegt worden, sie existierte immer noch, und mit ihr die Partei, die sie führte, und der Block, in den sie tiefgefroren einen ganzen kalten Krieg lang, eingebettet war. So aber haben wir Grund zum Feiern: Auf diesem festlichen Empfang aus Anlass unseres Nationalfeiertages, der sich heute 69. Mal jährt, begrüße ich Sie alle recht herzlich. 69 Jahre nach ihrer Gründung ist die Deutsche Demokratische Republik zwar nicht mehr als eigenständiges völkerrechtliches Subjekt existent. Doch alles in allem kann das Land, das das der Arbeiter und Bauern war, auf einen erfolgreichen Entwicklungsweg zurückblicken, dessen Ergebnisse unser Volk zu Freude und Genugtuung berechtigen.
Im ersten deutschen Staat der Arbeiter und Bauern im Zentrum Europas hat der Sozialismus bewiesen, dass er eine langjährige Bedrohung der Verhältnisse in den kapitalistischen Staaten sein kann. Ohne Sozialismus keine Verbesserung der Lebensbedingungen der Werktätigen in den Westgebieten, bei VW, Bayer, Linde und Aldi und wie sie alle heißen. Denn kein Sozialismus bedeutet keine Konkurrenz und keine Konkurrenz, wir sehen das derzeit im Internet, heißt Monokultur und Festlegung aller Preise nach Gutsherrenart.
Wendepunkt der Geschichte
Heute kann es weniger denn je einen Zweifel geben, dass die Gründung der DDR am 7. Oktober 1949 ein Wendepunkt in der Geschichte unseres Volkes und Europas war. Die zweite deutsche Gesellschaft ging einher mit dem Aufbau der Städte, der Betriebe, der Stätten von Wissenschaft und Kultur, mit Veränderungen des Lebens zum Wohle der Menschen, wie sie auf deutschem Boden zu keiner früheren Zeit vollzogen wurden. Der Osten riss den Westen mit, durch sein Beispiel. Wenn man sich vor Augen hält, welches Bild der materiellen und geistigen Verwüstung unser Land nach dem zweiten Weltkrieg, nach dem Ende des Hitlerfaschismus geboten hatte, dann tritt die Größe des Geleisteten in aller Deutlichkeit hervor. Der Anfang war seinerzeit schwer, der eingeschlagene Weg war nicht leicht zu bewältigen, aber die Mühen haben sich gelohnt
Mit dem Werden und Wachsen der DDR verbindet sich die Erfüllung des Vermächtnisses all jener, die in der Antihitlerkoalition, im antifaschistischen Widerstand für die Rettung der Menschheit vor der braunen Barbarei kämpften. Auch dieses Erbe führt die neue, um die ehemalige DDR herumgebaute Bundesrepublik 2.0 heute fort, mit milliardenschweren Kampfprogrammen gegen rechts, mit einer bundesweiten Ablehnung jeder Paktiererei mit der AfD und anderen anti-internationalistischen Gruppen. Dessen wird man in unserem Lande immer eingedenk sein, und in diesem Sinne erwirbt auch die Jugend ihr Wissen um die Geschichte. Das Entstehen und die Entwicklung des sozialistischen deutschen Arbeiter-und-Bauern-Staates bedeuteten einen wichtigen Schritt zur Verwirklichung des edlen Zieles: Ein deutsches Vaterland, eingebettet in ein Europa, das mit einer Zunge spricht und unterwegs ist in eine menschenwürdige Gesellschaft, die die fortschrittlichsten Kräfte seit eh erstrebten.
Arbeit. Brot und ein warmes Dach
Arbeit und Brot, Freiheit, Demokratie und Frieden, Dach über dem Kopf, warmes Wasser aus der Wand und 74 Kabelprogramme mit 500 Mbit - das ist es doch immer gewesen, wovon Völker geträumt haben. Wäre dieses Paradies aber verwirklicht worden ohne das Opfer der 17 Millionen DDR-Menschen, die 40 Jahre lang an einem Staat mit hochleistungsfähiger Industrie, moderner Landwirtschaft, sich schöpferisch entfaltender Wissenschaft und Kultur bauten, um ihn dann zugunsten des noch höheren Ziels einer Mitbefreiung der Brüder und Schwester im Westen vom Joch der Thyssens, Krupps und Siemenses aufzugeben? Zu spenden quasi im Dienst einer Aufgabe, die das hieß, weniger Sozialismus für 17 Millionen, dafür aber mehr Sozialismus für weitere 62 Millionen?
Die DDR war, verglichen mit der Ellenbogengesellschaft der alten Bundesrepublik, ein Staat der sozialen Sicherheit, der Menschenwürde, der Vollbeschäftigung, umfassender Bildungsmöglichkeiten, ständiger Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen. Ein ansteckendes Gesellschaftsmodell, denn 28 Jahre nach dem Zusammengehen der beiden eigenständigen Entwürfe deutscher Gesellschaftsarchitektur zeigt sich eine positive Gesamtbilanz: In der Bundesrepublik 2.0 herrscht fast die Vollbeschäftigung der DDR, es herrscht soziale Sicherheit, es gibt Bildungsmöglichkeiten für alle, weltweit einmalige Dieselfahrverbote und Lebensbedingungen, für deren exquisite Qualität nicht nur die hohen Mieten sprechen.
Die Bilanz, die wir an diesem 69. Jahrestag ziehen können, auch wenn er offiziell nicht gefeiert wird, enthält die Bestätigung des Lebens für unsere Politik zur Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft, die die so gut sein musste, dass ihre Samen weit in die Zukunft tragen. Die heutige Bundesregierung erwägt wieder ein Wohnungsbauprogramm? Unsere Idee. Sie diskutiert über die Schließung der Grenzen? Unsere Methode! Sie stützt die Renten- und Krankenversicherungen mit Steuergeld? Ein DDR-Modell. Eine Quote für EU-Produktionen im Fernsehen? Ich sage nur: 60/40!
Tiefgreifende Wandlungen voraus
Natürlich, die Zeit vergeht. Nicht alles ist so, wie wir es uns gedacht haben. Doch das trägt der Tatsache Rechnung, dass Geschichte ein Prozess tiefgreifender Wandlungen ist, dessen neuen Anforderungen in voller Verantwortung vor dem jeweiligen Volk jeweils durch solche Lösungen entsprochen werden muss, die unseren konkreten nationalen Bedingungen entsprechen, in Absprache mit der EU natürlich.Vereint durch gute Freundschaft und Solidarität, gestützt auf die Gemeinsamkeit der Ansichten zu den prinzipiellen Fragen der Außenpolitik und des weiteren Aufbaus sind die 28, bald 27 Staaten in Europa einig, auch künftig zum Wohle ihrer Völker zusammenarbeiten. Dafür wurde und wird beständig eine weitere Wegstrecke abgesteckt. Unsere allseitigen und fruchtbaren Beziehungen erlangen ein wiederum höheres Niveau, was aus den konkreten Ergebnissen unserer Gespräche eindrucksvoll erkennbar ist.
Dreizehn Jahre nach dem Beschluss der EU, bis zum Jahr 2010 der dynamischste Wirtschaftsraum der Welt zu werden, ist die Bilanz ausgezeichnet. Durch den Vergleich mit China und den USA wird die Vielfalt der Möglichkeiten er richtig deutlich, Weltniveau in den Schlüsselbereichen von Wissenschaft, Technik und Produktion zu erreichen. Zugleich ist die Bilanz ein Spiegelbild der großen Veränderungen auf unserem Kontinent, der weiter ein Kontinent der Chancen bleibt, auch der, eines Tages der dynamischste Wirtschaftsraum der Welt zu sein.
Verehrte Anwesende!
Mit ihrer Politik des Dialogs, der Zusammenarbeit und der Vertrauensbildung war die DDR jederzeit für alle ein guter und verlässlicher Partner, die eine friedliche Zukunft der Menschheit erstrebten. Nun existiert sie nicht mehr als eigene Entität, doch wie ich ausgeführt habe, steckt ihr Erbe tief in der DNA dessen, was wir heute Bundesrepublik nennen. Noch ist nicht alles so, wie es sein soll. Und auf dem Weg zu diesem Ziel werden sich noch viele, oftmals harte Anstrengungen notwendig machen. Aber ich denke, es besteht Grund zu Optimismus und Zuversicht. Auch die Bayernwahl wird vorübergehen. Ich verspreche ihnen, wenn Sie jemand in drei, vier Jahren nach dem Ergebnis fragt, Sie werden es nicht mehr wissen. (Gelächter im Saal).
Mit bleibt nur, allen ehemaligen Bürgerinnen und Bürgern der Deutschen Demokratischen Republik von dieser Stelle aus meinen Gruß zu entbieten und ihnen herzlich zu diesem 69. Jahrestag unserer Republik zu gratulieren, auch wenn das - aus naheliegenden Gründen - offiziell nicht erwünscht ist. In der vor uns liegenden Zeit, davon bin ich fest überzeugt, werden wir durch die gemeinsame Arbeit auch mit vielen früheren Westdeutschen das Schöpfertum und den Fleiß der Arbeiterklasse, der früheren Genossenschaftsbauern, der Angehörigen der Intelligenz und aller anderen Werktätigen und Beamten neue Erfolge bei der Verwirklichung des alten Traumes vom Paradies auf Erden erreichen. Wir werden sehen, dass unser Land weiter aufblüht, die Wachstumsraten steigen, europäische Lösungen nach deutschen Vorschlägen gefunden werden und der Sozialismus zum Wohle aller Menschen weiter erstarkt.
Wollen Sie, liebe Genossen und Freunde, meine Damen und Herren, verehrte Gäste, mit mir das Glas erheben auf dies alles und noch viel mehr, eine friedliche Zukunft aller Völker, Wohlstand für alle und Glück auf allen Wegen!
*Nach Motiven der Rede Erich Honeckers beim Geburtstagsempfang zum 39. Jahrestag der Deutschen Demokratischen Republik im Oktober 1988.
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