Wenn gar nichts mehr geht, geht der "Zeit"-Rechercheur ins Archiv. Dort findet es dann auf jeden Fall eine Riesenstory: "Der größte Steuerraub in der deutschen Geschichte" (2018) wird zum "größten Steuerraub aller Zeiten".
Aber nein, es geht nicht um den Solidaritätszuschlag, diese Steuer auf Steuern, die den deutschen Finanzminister bis heute rund 300 Milliarden Euro eingebracht hat. Sondern - seit dem letzten Mal ist es ja auch schon wieder zehn Monate her - um das "Cum Ex" genannte Dividendenstripping, mit dem, so die "Zeit" "Banker, Berater und Anwälte den deutschen Staat ausplünderten", aber Jahre, ja, Jahrzehnte sogar. Auf 55 Milliarden berechnet eine inzwischen internationale Schreibtruppe unter Leitung des "Recherchezentrums Correctiv" den Schaden.
Wie eine Welle schwappt die Empörung über das ungeheuerliche Geschehen durch die Medienlandschaft: Dubiose Geschäfte! Typen aus der Tiefsee! Kronzeugen! Betrug!
Nur am "Zeit"-Eingeständnis, dass "alle Banken" mitgemacht haben, kann der kundige Leser ersehen, dass es insbesondere die staatlichen deutschen Landesbanken waren, die bei dem Geschäft prächtig verdienten, das, auch darüber schweigen alle ebenso länglichen und aufgeregten Beiträge, pro forma nicht einmal illegal war. Neben der WestLB strippten auch HSH Nordbank und BayernLB kräftig mit, keineswegs ohne Wissen der Behörden, sondern mit deren ausrücklicher Duldung.
Denn die ganze herrliche Geschichte von den bösen Bankern, die durch ein Schlupfloch ins Steuersäckel eindrangen und sich bedienten, stimmt nicht. Denn die Bundespolitik wusste bereits im Jahr 2002 Bescheid darüber, dass sich Anleger gezahlte Kapitalertragsteuer mit Hilfe ihrer Bank per Dividenden-Stripping zweimal erstatten lassen konnten und damit sogar Steuern auf nichterhaltene Dividenden zurückbekamen.
Zu Zeiten der Sozialdemokraten Hans Eichel und Peer Steinbrück, aber auch die längste Zeit der Ära ihres CDU-Nachfolgers Wolfgang Schäuble galt die Ausnutzung der Regelungslücke als legaler Steuertrick. Schließlich verbot es kein Gesetz, eine Aktie rund um den Tag der Dividendenzahlung zu kaufen. Erste Hinweise darauf, dass das nur mit dem Ziel betrieben wurde, Kapitalertragssteuern erstattet zu bekommen, die man niemals gezahlt hatte, bekam das Finanzministerium sogar schon Anfang der 90er Jahre. Zu Beginn der 2000er Jahre dann wussten es auch Politiker, damals noch die der rot-grünen Schröder-Regierung.
Aber im Gegensatz zu dem, was man annehmen sollte, brach keine hektische Betriebsamkeit aus. Warum auch? Deutsche Landesbanken, beaufsichtigt von deutschen Politikern, mischten doch kräftig mit. Und Medien wie die "Zeit" sahen keinen Grund zu berichten - außer im Anlageteil.
Zehn Jahre lang weigerten sich sowohl Rot-Grün als auch Gelb-Schwarz als auch Schwarz-Rot, irgendetwas zu unternehmen, damit findige Anleger nicht mehr durch das sperrangelweit offenstehende Tor zur Dividendensteuerrrückerstattung trampeln konnten. Angesichts von Milliardenschäden durch erstattete Steuern sieht es aber nun blöd aus, wenn man das zugeben müsste. Und so schnitzen die Amtsblätter aus dem jahrzehntelangen Regierungsversagen eine Räuberpistole: Angeblich erst am „22. Juni 2011“ (Die Zeit) sei aufgefallen, was seit 2002 aktenkundig war. Und nun müsse der "Steuerdiebstahl in gigantischem Ausmaß" (SZ) gnadenlos verfolgt werden.
Waren es anfangs 31 Milliarden, die als Schadenssumme herumgereicht wurden, schrumpfte der Schaden dann auf knappe sechs - umgerechnet auf 15 Jahre seit Entdeckung der Gesetzeslücke ein Betrag von 400 Millionen Euro im Jahr oder, wie es der Berliner sagt, ein halbes Fünftel BER. Dank einer Rechercheausweitung auf ganz Europa wurden daraus nun doch wieder zweistellige Milliardensummen - und die bereits ins Reich der Märchen verwiesenen 31 Milliarden hat das "Recherchekollektiv Correctiv" bei der Gelegenheit auch wieder ins Spiel zurückgeholt.
Klar, wenn eine Regierung anderthalb Jahrzehnte nichts getan hat, um Regelungen zu verabschieden, die verhindern, dass ihr das Geld nur aus der Tasche fällt, macht es sich gut, wenn in den angeschlossenen Sendeanstalten und Schreibstuben vom „größten Steuerraub aller Zeiten" die rede ist und nicht von fortgesetztem Staatsversagen. Zuschauer wie Lesern bekommen das Gefühl vermittelt, jetzt werde aber mal richtig durchgegriffen. Politiker wie Wolfgang Schäuble, die den Milliardenschaden mitverursacht und verantwortet haben, dürfen weiter als moralische Ein-Mann-Anstalt durch die Gegend gurken, ohne scheel angeschaut zu werden.
Dass der größte Steuerraub der deutschen Geschichte zweifellos immer noch den Anlegern gilt die die trotz bestehender Doppelbesteuerungsabkommen vom deutschen Finanzamt für Dividendenzahlungen zur Kasse gebeten werden, die bereits im Ausland versteuert worden sind, muss ja niemand wissen.
Kalte Progression: Der große Raubzug des Staates
Auch wenn es nicht illegal war: Jeder muss mithelfen.
Aber nein, es geht nicht um den Solidaritätszuschlag, diese Steuer auf Steuern, die den deutschen Finanzminister bis heute rund 300 Milliarden Euro eingebracht hat. Sondern - seit dem letzten Mal ist es ja auch schon wieder zehn Monate her - um das "Cum Ex" genannte Dividendenstripping, mit dem, so die "Zeit" "Banker, Berater und Anwälte den deutschen Staat ausplünderten", aber Jahre, ja, Jahrzehnte sogar. Auf 55 Milliarden berechnet eine inzwischen internationale Schreibtruppe unter Leitung des "Recherchezentrums Correctiv" den Schaden.
Wie eine Welle schwappt die Empörung über das ungeheuerliche Geschehen durch die Medienlandschaft: Dubiose Geschäfte! Typen aus der Tiefsee! Kronzeugen! Betrug!
Nur am "Zeit"-Eingeständnis, dass "alle Banken" mitgemacht haben, kann der kundige Leser ersehen, dass es insbesondere die staatlichen deutschen Landesbanken waren, die bei dem Geschäft prächtig verdienten, das, auch darüber schweigen alle ebenso länglichen und aufgeregten Beiträge, pro forma nicht einmal illegal war. Neben der WestLB strippten auch HSH Nordbank und BayernLB kräftig mit, keineswegs ohne Wissen der Behörden, sondern mit deren ausrücklicher Duldung.
Drei Finanzminister wussten alles
Denn die ganze herrliche Geschichte von den bösen Bankern, die durch ein Schlupfloch ins Steuersäckel eindrangen und sich bedienten, stimmt nicht. Denn die Bundespolitik wusste bereits im Jahr 2002 Bescheid darüber, dass sich Anleger gezahlte Kapitalertragsteuer mit Hilfe ihrer Bank per Dividenden-Stripping zweimal erstatten lassen konnten und damit sogar Steuern auf nichterhaltene Dividenden zurückbekamen.
Zu Zeiten der Sozialdemokraten Hans Eichel und Peer Steinbrück, aber auch die längste Zeit der Ära ihres CDU-Nachfolgers Wolfgang Schäuble galt die Ausnutzung der Regelungslücke als legaler Steuertrick. Schließlich verbot es kein Gesetz, eine Aktie rund um den Tag der Dividendenzahlung zu kaufen. Erste Hinweise darauf, dass das nur mit dem Ziel betrieben wurde, Kapitalertragssteuern erstattet zu bekommen, die man niemals gezahlt hatte, bekam das Finanzministerium sogar schon Anfang der 90er Jahre. Zu Beginn der 2000er Jahre dann wussten es auch Politiker, damals noch die der rot-grünen Schröder-Regierung.
Aber im Gegensatz zu dem, was man annehmen sollte, brach keine hektische Betriebsamkeit aus. Warum auch? Deutsche Landesbanken, beaufsichtigt von deutschen Politikern, mischten doch kräftig mit. Und Medien wie die "Zeit" sahen keinen Grund zu berichten - außer im Anlageteil.
Zehn Jahre lang weigerten sich sowohl Rot-Grün als auch Gelb-Schwarz als auch Schwarz-Rot, irgendetwas zu unternehmen, damit findige Anleger nicht mehr durch das sperrangelweit offenstehende Tor zur Dividendensteuerrrückerstattung trampeln konnten. Angesichts von Milliardenschäden durch erstattete Steuern sieht es aber nun blöd aus, wenn man das zugeben müsste. Und so schnitzen die Amtsblätter aus dem jahrzehntelangen Regierungsversagen eine Räuberpistole: Angeblich erst am „22. Juni 2011“ (Die Zeit) sei aufgefallen, was seit 2002 aktenkundig war. Und nun müsse der "Steuerdiebstahl in gigantischem Ausmaß" (SZ) gnadenlos verfolgt werden.
Regierungsversagen besser erklären
Waren es anfangs 31 Milliarden, die als Schadenssumme herumgereicht wurden, schrumpfte der Schaden dann auf knappe sechs - umgerechnet auf 15 Jahre seit Entdeckung der Gesetzeslücke ein Betrag von 400 Millionen Euro im Jahr oder, wie es der Berliner sagt, ein halbes Fünftel BER. Dank einer Rechercheausweitung auf ganz Europa wurden daraus nun doch wieder zweistellige Milliardensummen - und die bereits ins Reich der Märchen verwiesenen 31 Milliarden hat das "Recherchekollektiv Correctiv" bei der Gelegenheit auch wieder ins Spiel zurückgeholt.
Klar, wenn eine Regierung anderthalb Jahrzehnte nichts getan hat, um Regelungen zu verabschieden, die verhindern, dass ihr das Geld nur aus der Tasche fällt, macht es sich gut, wenn in den angeschlossenen Sendeanstalten und Schreibstuben vom „größten Steuerraub aller Zeiten" die rede ist und nicht von fortgesetztem Staatsversagen. Zuschauer wie Lesern bekommen das Gefühl vermittelt, jetzt werde aber mal richtig durchgegriffen. Politiker wie Wolfgang Schäuble, die den Milliardenschaden mitverursacht und verantwortet haben, dürfen weiter als moralische Ein-Mann-Anstalt durch die Gegend gurken, ohne scheel angeschaut zu werden.
Dass der größte Steuerraub der deutschen Geschichte zweifellos immer noch den Anlegern gilt die die trotz bestehender Doppelbesteuerungsabkommen vom deutschen Finanzamt für Dividendenzahlungen zur Kasse gebeten werden, die bereits im Ausland versteuert worden sind, muss ja niemand wissen.
Kalte Progression: Der große Raubzug des Staates
Auch wenn es nicht illegal war: Jeder muss mithelfen.
2 Kommentare:
Mich beschleicht das Gefühl, dass mit solchen Stories von viel grösseren Steuerräubern an anderen Stellen abgelenkt werden soll.
Derweil könnte man mit den genannten 55 Mrd. EUR wohl nicht einmal ein Jahr Flüchtlingshilfe sauber durchfinanzieren.
Preisfrage:
Wer erdachte und verabschiedete solche Gesetze?
Bingo, unsere lieben Volksvertröter !
Die werden jedoch (noch) direkt vom Volk gewählt und somit inthronisiert.
Der "mündige" Bürger will also wohl, dass man ihn abzockt.
Oder ist der etwa nur dummes Stimmvieh?
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