Die Technik von gestern, der Ansatz aber zukunftsweisend: Stasi-Oberst Horst Kranheim plädiert für eine saubere Regelung bei der Internet-Zensur. |
Damals, als das Internet noch im Bauch seiner Mutter, dem US-MIK war, wurde Horst Kranheim von seinem Vorgesetzten handverlesen und auserwählt. Der hochbegabte Absolvent der Elektronik-Fakultät der Universität Jena baute ab 1986 die Abteilung für funkelektronische Aufklärung im Ministeriums für Staatssicherheit auf, die unter Leitung Markus Wolf (Abteilung II, Spezialfunkaufklärung) versuchte, mit Hightech-Anwendungen im Meinungskrieg mit dem Westen mitzuhalten.
Kranheim war bis Ende der 80er Jahre einer der DDR-Vertreter des Rechenzentrums Jena bei der Internet Assigned Numbers Authority (IANA) und der ehemalige Oberst glaubt bis heute, dass das gesamte sogenannte Internet „von Anfang an darauf angelegt gewesen, Menschen dazu zu verleiten, Informationen von sich preiszugeben, um sie geheimdienstlich verwertbar zu machen“.
In der Diskussion um das seit einem Monat geltende Netz DG genannte "Netzwerkdurchsetzungsgesetz", mit dem der saarländische Bundesjustizminister Heiko Maas derzeit den Zorn von Hetzern, Hasser und Zweifler auf sich zieht, steht der gebürtige Thüringer entschlossen auf Seiten des Staates. "Die vergangenen Wochen haben eindringlich gezeigt, dass private Anbieter nicht in der Lage sind, die richtige Entscheidung darüber zu treffen, ob eine rechtswidrige, eine satirische oder eine geschmacklose, in einer Demokratie aber zu ertragende, Meinungsäußerung vorliegt", sagt Kranheim. Der frühere Stasi-Offizier lobt die Arbeit seiner früheren Behörde: "Wir als Staatssicherheit hatten eine sachgerechte Ausstattung, fachgerecht ausgebildete Mitarbeiter und entsprechende strafrechtliche Mittel zur Durchsetzung des Rechts auch im Netz". An all dem mangele es heute.
PPQ sprach mit dem heute 74-Jährigen, den Erich Mielke einst mit seinem streng geheimen Befehl Nr. 20/71 vom 26. Juni 1971 zum Chef der sogenannten Weltnetzaufklärung des Ministeriums für Staatssicherheit machte.
PPQ: Herr Kranheim, wenn Sie daheim an ihrem Laptop sitzen und eine beliebige Internetseite aufrufen, um dort einen wütenden Kommentar zurückzulassen - und irgendeiner hat Interesse, das zu verhindern - ist das machbar?
Kranheim: Selbstverständlich. Für Organe des Staates wäre das ganz leicht. Allerdings macht es sich der heutige Staat eben schwer, indem er jedermann das recht zubilligt, irgendwo irgendetwas hinzuschreiben, öffentlich, und sei es noch so unausgegoren oder feindlich.
PPQ: Nun, laut Grundgesetz darf es eben keine Zensur geben, was bleibt dem Staat da übrig?
Kranheim: Wir müssen hier nicht in dumpfem Propagandadeutsch miteinander sprechen. Das Grundgesetz wurde seit 1949 unüberschaubar oft geändert, immer wenn es nötig schien. Darin sehe ich keinen Hinderungsgrund für eine klare verfassungsrechtliche Regelung zum Meinungsfreiheitsschutz. Gäbe es meine Einheit noch, könnten wir hier im Haus ins Netz gehen und alles, was über das Internet verbreitet wird, kontrollieren und kämmen. Oder am nächsten Verteilerpunkt die IP-Adresse Ihrer Redaktion ausschalten, so dass von hier kein Piep mehr nach draußen geht. Das läuft alles automatisch. Kommentare, Pöbeleien, Bezichtigungen oder Hass werden dann intern protokolliert und zu ihnen gespiegelt, öffentlich aber sind sie nicht sichtbar.
PPQ: Braucht man für eine solche Maßnahme die Hilfe der sozialen Netzwerke?
Kranheim: Keineswegs. Ich würde es auch ablehnen, die Durchführung notwendiger staatlicher Maßnahmen zur inneren Sicherheit an Privatunternehmen auszulagern. Ich halte es für einen geschickten Schachzug, das zu tun, weil der Vorwurf, der uns immer gemacht wurde, wir würden die Freiheiten ein schränken und Zensieren, nicht gemacht werden kann, wenn die Zensur privatisiert worden ist. Aber rechtlich sauber wäre es, hochohmig, also mit großem elektrischen Widerstand, in die Leitung zu gehen wie wir das früher getan haben. Und dort behördlich einzuschreiten, wo es nötig ist.
PPQ: Welche Techniken der Zensur sind denn absolut sicher? Also so, dass sie nicht umgangen werden können?
Kranheim: Was heißt schon absolut sicher? Verbindungen lassen sich natürlich verschlüsseln, etwa mit Elcrovox-Geräten. Die werden seit langem benutzt und sind sehr sicher. Aber ganz allgemein gilt: Was mit einer Maschine verschlüsselt wurde, lässt sich auch mit einer Maschine entschlüsseln. Das ist immer nur eine Frage des Aufwands.
PPQ: Nichts ist also sicher?
Kranheim: Genauso ist es. Es gibt sehr sichere Schlüssel- und Chiffriermethoden, an denen sich selbst Nachrichtendienstler die Zähne ausbeißen. Aber auch diese sind zu knacken, wenn man an die Hersteller im Boot hat. Nicht sicher ist es hingegen aus meiner Sicht, sich darauf zu verlassen, dass private ausländische Unternehmen schädliche Bestrebungen im Blick haben und sich dagegen einsetzen.
PPQ: Das Justizministerium werben damit für das NetzDG, dass es keine Zensur sei, sondern nur einen neuen Unterschied zwischen ,strafbar' und ,rechtswidrig' einführe.
Kranheim: Na ja, wissen Sie, Gesetze hatten wir in der DDR auch. Alles, was wir als Ministerium getan haben, stand irgendwo auf dem Boden eines Gesetzes, einer Verordnung oder eines ausdrücklichen Ministerbefehls. Wenn Sie uns gefragt hätten, ob es in der DDR eine Zensur gibt, hätte ich nein gesagt. Meine Überzeugung war einfach, dass wir ausschließlich rechtswidrige Inhalte bekämpfen, auch zum Schutz der Verfasser, die damit oft einer Haftstrafe entgingen.
PPQ: Zensur, um Systemkritiker zu schützen?
Kranheim: Natürlich. Indem Sie einfach jede staatsfeindliche Äußerung eines bekannten oder unbekannten Kommentators weglöschen, kann dem nicht der Vorwurf gemacht werden, strafbare Äußerungen in der Öffentlichkeit getätigt zu haben. Das ist einfach. Sie füttern einen einfachen Computer mit entsprechenden Stichworten und der sorgt dafür, dass da ,gekämmt' wird, wie wir das nennen.
PPQ: Die Digitaltechnik hat das Umgehen von Zensur also auch nicht sicherer gemacht?
Kranheim: Digitalisiert heißt doch nur, dass ihre Meinungsäußerungen, ihr Hass, ihre Hetze und ihr Zweifel in reine binäre Impulse zerlegt und dann wieder zusammengesetzt werden. Das ist ein technischer Code. Aber weil ich den Code kenne, ist er wie eine offene Sprache, da kann ich eingreifen.
PPQ: Warum wird das dann nicht gemacht, sondern zugelassen, dass rechtswidrige Inhalte erst ins Netz gestellt und dann unter großem Wehklagen wieder gelöscht werden?
Kranheim: Jedes Land mit technisch einigermaßen versierten Fachkräften macht das anders. Schauen Sie nach China, in den Iran, bald auch Frankreich, Spanien sowieso. Ohne es heute beweisen zu können: Auch den Amerikanern traue ich das zu. Am leistungsfähigsten noch vor den Russen waren und sind ja die Amerikaner, die haben das alles erfunden, die haben überall ihre Hintertüren, die wissen dank künstlicher Intelligenz inzwischen schon, was Sie gleich schreiben werden, ehe Sie es geschrieben haben, und können entsprechend früh eingreifen. Deren National Security Agency, die NSA, hat nach meiner Überzeugung auch in Deutschland zu 100 Prozent den Überblick über alles, was im Netz passiert.
PPQ: Und wie profitiert die Bundespolitik von dieser Kontrolle?
Kranheim: Da bin ich skeptisch. Die NSA hat in Europa schon immer gemacht, was sie wollte. Die NSA versteht sich selbst weltweit als eine Art Ätherpolizei. Sie haben Flugzeuge, sie haben Schiffe, sie können mobile Horchposten einsetzen, sie haben feste Lauschstationen, sie sitzen wahrscheinlich bis heute im Handy der Kanzlerin, in denen der Minister, der führenden Fernsehmoderatoren, hocken auf den Twitteraccounts der Parteichefs und löschen hier anscheinend auch mal, ohne dass selbst ein Bundesminister herausbekommen kann, was da geschieht.
PPQ: Wie funktioniert das ?
Kranheim: Sie schalten sich dazwischen, klicken sich rein und tun, was Sie tun wollen. Danach war es niemand, weil sich das niemand vorstellen kann. Fertig. Heute empfangen die Dienste Funk- und Telefonwellen ja fast dämpfungsfrei und schicken veränderte Inhalte ohne jede Zeitverzögerung zurück. Das kann jedes Land machen, wenn es einen entsprechenden Dienst betreibt.
PPQ: In der Bundesrepublik werden jährlich rund 970 Milliarden Facebook-Kommentare abgesetzt. Wie hätte denn Ihre Stasi-Abteilung denn da noch den Überblick behalten?
Kranheim: Da gibt es die verschiedensten Methoden. So lässt sich eine Stichwortüberwachung in sogenannten Kaskaden programmieren, dann springt der Computer mit der angeschlossener Löschtechnik nur an, wenn die KI eine bestimmte Häufung und Abfolge von Begriffen erkennt. Oder man gibt bestimmte Stichworte, zum Beispiel Bundeskanzler, ein - nur wenn dieses Schlüsselwort fällt, wird die betreffende Person näher angeschaut. Man kann Wortkombinationen speichern. Dann ist der Horcher nur in der Leitung, wenn die Konnotation positiv ist. Elektronischer Meinungsfreiheitsschutz ist häufig wie ein Puzzle. Ein Baustein ergibt nichts. Aber eine Lieferung und noch eine Lieferung ergibt plötzlich einen Hetzer, der seinen Hass nur noch mühsam kontrollieren kann. Solchen Menschen müssen wir helfen, wir dürfen sie nicht abgleiten lassen. So haben wir das damals gesehen.
PPQ: Aber genützt hate es der DDR am Ende wenig.
Kranheim: Das ist die Tragik. Positiv daran finde ich, dass wir die besten Absichten hatten, also ähnlich wie heute aus fester Überzeugung handelten. Die Geschichte wird eines Tages sagen, ja, diese Männern taten nichts Böses, sie wollten vielmehr Böses verhindern.
Kranheim war bis Ende der 80er Jahre einer der DDR-Vertreter des Rechenzentrums Jena bei der Internet Assigned Numbers Authority (IANA) und der ehemalige Oberst glaubt bis heute, dass das gesamte sogenannte Internet „von Anfang an darauf angelegt gewesen, Menschen dazu zu verleiten, Informationen von sich preiszugeben, um sie geheimdienstlich verwertbar zu machen“.
In der Diskussion um das seit einem Monat geltende Netz DG genannte "Netzwerkdurchsetzungsgesetz", mit dem der saarländische Bundesjustizminister Heiko Maas derzeit den Zorn von Hetzern, Hasser und Zweifler auf sich zieht, steht der gebürtige Thüringer entschlossen auf Seiten des Staates. "Die vergangenen Wochen haben eindringlich gezeigt, dass private Anbieter nicht in der Lage sind, die richtige Entscheidung darüber zu treffen, ob eine rechtswidrige, eine satirische oder eine geschmacklose, in einer Demokratie aber zu ertragende, Meinungsäußerung vorliegt", sagt Kranheim. Der frühere Stasi-Offizier lobt die Arbeit seiner früheren Behörde: "Wir als Staatssicherheit hatten eine sachgerechte Ausstattung, fachgerecht ausgebildete Mitarbeiter und entsprechende strafrechtliche Mittel zur Durchsetzung des Rechts auch im Netz". An all dem mangele es heute.
PPQ sprach mit dem heute 74-Jährigen, den Erich Mielke einst mit seinem streng geheimen Befehl Nr. 20/71 vom 26. Juni 1971 zum Chef der sogenannten Weltnetzaufklärung des Ministeriums für Staatssicherheit machte.
PPQ: Herr Kranheim, wenn Sie daheim an ihrem Laptop sitzen und eine beliebige Internetseite aufrufen, um dort einen wütenden Kommentar zurückzulassen - und irgendeiner hat Interesse, das zu verhindern - ist das machbar?
Kranheim: Selbstverständlich. Für Organe des Staates wäre das ganz leicht. Allerdings macht es sich der heutige Staat eben schwer, indem er jedermann das recht zubilligt, irgendwo irgendetwas hinzuschreiben, öffentlich, und sei es noch so unausgegoren oder feindlich.
PPQ: Nun, laut Grundgesetz darf es eben keine Zensur geben, was bleibt dem Staat da übrig?
Kranheim: Wir müssen hier nicht in dumpfem Propagandadeutsch miteinander sprechen. Das Grundgesetz wurde seit 1949 unüberschaubar oft geändert, immer wenn es nötig schien. Darin sehe ich keinen Hinderungsgrund für eine klare verfassungsrechtliche Regelung zum Meinungsfreiheitsschutz. Gäbe es meine Einheit noch, könnten wir hier im Haus ins Netz gehen und alles, was über das Internet verbreitet wird, kontrollieren und kämmen. Oder am nächsten Verteilerpunkt die IP-Adresse Ihrer Redaktion ausschalten, so dass von hier kein Piep mehr nach draußen geht. Das läuft alles automatisch. Kommentare, Pöbeleien, Bezichtigungen oder Hass werden dann intern protokolliert und zu ihnen gespiegelt, öffentlich aber sind sie nicht sichtbar.
PPQ: Braucht man für eine solche Maßnahme die Hilfe der sozialen Netzwerke?
Kranheim: Keineswegs. Ich würde es auch ablehnen, die Durchführung notwendiger staatlicher Maßnahmen zur inneren Sicherheit an Privatunternehmen auszulagern. Ich halte es für einen geschickten Schachzug, das zu tun, weil der Vorwurf, der uns immer gemacht wurde, wir würden die Freiheiten ein schränken und Zensieren, nicht gemacht werden kann, wenn die Zensur privatisiert worden ist. Aber rechtlich sauber wäre es, hochohmig, also mit großem elektrischen Widerstand, in die Leitung zu gehen wie wir das früher getan haben. Und dort behördlich einzuschreiten, wo es nötig ist.
PPQ: Welche Techniken der Zensur sind denn absolut sicher? Also so, dass sie nicht umgangen werden können?
Kranheim: Was heißt schon absolut sicher? Verbindungen lassen sich natürlich verschlüsseln, etwa mit Elcrovox-Geräten. Die werden seit langem benutzt und sind sehr sicher. Aber ganz allgemein gilt: Was mit einer Maschine verschlüsselt wurde, lässt sich auch mit einer Maschine entschlüsseln. Das ist immer nur eine Frage des Aufwands.
PPQ: Nichts ist also sicher?
Kranheim: Genauso ist es. Es gibt sehr sichere Schlüssel- und Chiffriermethoden, an denen sich selbst Nachrichtendienstler die Zähne ausbeißen. Aber auch diese sind zu knacken, wenn man an die Hersteller im Boot hat. Nicht sicher ist es hingegen aus meiner Sicht, sich darauf zu verlassen, dass private ausländische Unternehmen schädliche Bestrebungen im Blick haben und sich dagegen einsetzen.
PPQ: Das Justizministerium werben damit für das NetzDG, dass es keine Zensur sei, sondern nur einen neuen Unterschied zwischen ,strafbar' und ,rechtswidrig' einführe.
Kranheim: Na ja, wissen Sie, Gesetze hatten wir in der DDR auch. Alles, was wir als Ministerium getan haben, stand irgendwo auf dem Boden eines Gesetzes, einer Verordnung oder eines ausdrücklichen Ministerbefehls. Wenn Sie uns gefragt hätten, ob es in der DDR eine Zensur gibt, hätte ich nein gesagt. Meine Überzeugung war einfach, dass wir ausschließlich rechtswidrige Inhalte bekämpfen, auch zum Schutz der Verfasser, die damit oft einer Haftstrafe entgingen.
PPQ: Zensur, um Systemkritiker zu schützen?
Kranheim: Natürlich. Indem Sie einfach jede staatsfeindliche Äußerung eines bekannten oder unbekannten Kommentators weglöschen, kann dem nicht der Vorwurf gemacht werden, strafbare Äußerungen in der Öffentlichkeit getätigt zu haben. Das ist einfach. Sie füttern einen einfachen Computer mit entsprechenden Stichworten und der sorgt dafür, dass da ,gekämmt' wird, wie wir das nennen.
PPQ: Die Digitaltechnik hat das Umgehen von Zensur also auch nicht sicherer gemacht?
Kranheim: Digitalisiert heißt doch nur, dass ihre Meinungsäußerungen, ihr Hass, ihre Hetze und ihr Zweifel in reine binäre Impulse zerlegt und dann wieder zusammengesetzt werden. Das ist ein technischer Code. Aber weil ich den Code kenne, ist er wie eine offene Sprache, da kann ich eingreifen.
PPQ: Warum wird das dann nicht gemacht, sondern zugelassen, dass rechtswidrige Inhalte erst ins Netz gestellt und dann unter großem Wehklagen wieder gelöscht werden?
Kranheim: Jedes Land mit technisch einigermaßen versierten Fachkräften macht das anders. Schauen Sie nach China, in den Iran, bald auch Frankreich, Spanien sowieso. Ohne es heute beweisen zu können: Auch den Amerikanern traue ich das zu. Am leistungsfähigsten noch vor den Russen waren und sind ja die Amerikaner, die haben das alles erfunden, die haben überall ihre Hintertüren, die wissen dank künstlicher Intelligenz inzwischen schon, was Sie gleich schreiben werden, ehe Sie es geschrieben haben, und können entsprechend früh eingreifen. Deren National Security Agency, die NSA, hat nach meiner Überzeugung auch in Deutschland zu 100 Prozent den Überblick über alles, was im Netz passiert.
PPQ: Und wie profitiert die Bundespolitik von dieser Kontrolle?
Kranheim: Da bin ich skeptisch. Die NSA hat in Europa schon immer gemacht, was sie wollte. Die NSA versteht sich selbst weltweit als eine Art Ätherpolizei. Sie haben Flugzeuge, sie haben Schiffe, sie können mobile Horchposten einsetzen, sie haben feste Lauschstationen, sie sitzen wahrscheinlich bis heute im Handy der Kanzlerin, in denen der Minister, der führenden Fernsehmoderatoren, hocken auf den Twitteraccounts der Parteichefs und löschen hier anscheinend auch mal, ohne dass selbst ein Bundesminister herausbekommen kann, was da geschieht.
PPQ: Wie funktioniert das ?
Kranheim: Sie schalten sich dazwischen, klicken sich rein und tun, was Sie tun wollen. Danach war es niemand, weil sich das niemand vorstellen kann. Fertig. Heute empfangen die Dienste Funk- und Telefonwellen ja fast dämpfungsfrei und schicken veränderte Inhalte ohne jede Zeitverzögerung zurück. Das kann jedes Land machen, wenn es einen entsprechenden Dienst betreibt.
PPQ: In der Bundesrepublik werden jährlich rund 970 Milliarden Facebook-Kommentare abgesetzt. Wie hätte denn Ihre Stasi-Abteilung denn da noch den Überblick behalten?
Kranheim: Da gibt es die verschiedensten Methoden. So lässt sich eine Stichwortüberwachung in sogenannten Kaskaden programmieren, dann springt der Computer mit der angeschlossener Löschtechnik nur an, wenn die KI eine bestimmte Häufung und Abfolge von Begriffen erkennt. Oder man gibt bestimmte Stichworte, zum Beispiel Bundeskanzler, ein - nur wenn dieses Schlüsselwort fällt, wird die betreffende Person näher angeschaut. Man kann Wortkombinationen speichern. Dann ist der Horcher nur in der Leitung, wenn die Konnotation positiv ist. Elektronischer Meinungsfreiheitsschutz ist häufig wie ein Puzzle. Ein Baustein ergibt nichts. Aber eine Lieferung und noch eine Lieferung ergibt plötzlich einen Hetzer, der seinen Hass nur noch mühsam kontrollieren kann. Solchen Menschen müssen wir helfen, wir dürfen sie nicht abgleiten lassen. So haben wir das damals gesehen.
PPQ: Aber genützt hate es der DDR am Ende wenig.
Kranheim: Das ist die Tragik. Positiv daran finde ich, dass wir die besten Absichten hatten, also ähnlich wie heute aus fester Überzeugung handelten. Die Geschichte wird eines Tages sagen, ja, diese Männern taten nichts Böses, sie wollten vielmehr Böses verhindern.
1 Kommentar:
Da ist etwas dran, jedoch hat das Internet, hatte jedenfalls bisher, auch die Funktion der roten Pille: Ein bis zwei Jahre, nachdem ich mir einen Anschluß zugelegt hatte, habe ich des Glaubens an die Existenz des Weihnachtsmannes entraten - einfach war es nicht. Aber erschreckend viele, Internet hin, Ger*ard M*enuhin her, glauben immer noch daran.
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