Donnerstag, 1. März 2018

CDU-Parteitag: Ein Medienecho wie aus einer Hand

"Einheitliche, parteiliche Linie": Im Dienst der Groko zeigen deutsche Leitmedien ihre ganze Stärke.

Die Medien waren sich einmal mehr einig: Annegret Kramp-Karrenbauer ist "die neue starke Frau der CDU", Angela Merkel die "Comeback-Kanzlerin" und die CDU muss nun nur noch das Streiten wieder lernen, damit Deutschland die Zügel in Europa und der Welt wieder in die Hand bekommt. Alles top im Lande, keine Probleme, alleweil Fröhlichkeit und lustige Aufbruchsstimmung.

Diese Satire, die unter deutschen Leitmedien-Journalisten kursiert, ist bezeichnend nicht nur für die Stimmung unter deutschen Leitmedien-Redakteuren, sondern auch für die Misere der Regierungspropaganda überhaupt. Jeder, der einen Einblick in die Funktionsweise des Propaganda-Apparats hat, weiß, daß die Statistiken rosarot gefärbt und manipuliert werden, um der Bevölkerung und der Weltöffentlichkeit ein möglichst positives Bild vom Zustand Deutschlands zu geben.

Beglückende Propaganda


Und was für die Statistik zutrifft, gilt ebenso für die Propaganda. Laut offizieller Stellungnahmen gibt es in der Führungsnation Europas zum Beispiel kaum noch Arbeitslosigkeit oder eine Erhöhung der Preise. Deutschland sei sicher wie nie zuvor, solidarisch, ein Ort des Friedens, der in alle Welt ausstrahle, innerlich zutiefst demokratisch und penibel darauf bedacht, seinen ökologischen Fußabdruck durch den Aufbau riesiger Sonnen- und Windkraftanlagen beständig zu verkleinern.

Aber den Bürgern ist sehr wohl bekannt, wie diese Zahlen zustandekommen. Unzählige Menschen, die arbeiten könnten und wollten, wurden aus der Statistik ausgesiebt. Die wichtigsten Konsumgüter, die früher im Lande hergestellt wurden, kommen aus Asien, die Preise, die offiziell eigentlich nie steigen, haben sich seit der Einführung der Gemeinschaftswährung Euro verdoppelt, der europäische Gemeinschaftssinn dagegen, den das neue Geld befeuern sollte, ist kaum noch halb so ausgeprägt. Die deutschen Schulden sind so hoch wie nie, die vermutlich uneinbringlichen Außenstände anderer Staaten bei Deutschland ebenso. Die Grenzen sind ungeschützt, die Armee ist nicht einsatzfähig, die letzten beweglichen Truppen stehen in mehr fremden Ländern als jemals seit 1943.

Beispiellose Siege


Doch unabhängig davon: Jeden Tag bekommen die Bürgerinnen und Bürger zu lesen, dass die beispiellose deutsche Marktwirtschaft von einem Sieg zum anderen eilt, dass die Exporte wachsen und weiter wachsen werden, dass die Arbeitsproduktivität steigt, die Digitalisierung Fahrt aufnimmt, mehr Sicherheit hergestellt werden wird und die Bundesregierung weiter Wohltaten für alle bringen wird, die nur fest an sie glauben.

Welchen Stellenwert die Normalbürger Fernsehen, Rundfunk, Presse und den angeschlossenen Internetseiten zumessen, zeigt eine vom An-Institut für Angewandte Entropie der Bundeskulturstiftung in Halle an der Saale vor kurzem in Auftrag gegebene soziologische Untersuchung über die Massenwirksamkeit der "Tagesschau", der "Tagesthemen", von "Bonn direkt", "Anne Will", dem "Spiegel", der "Zeit", der "SZ" und der "Bild" und weiteren 15 der meistgesehenen und gelesenen Nachrichtenmedien Deutschlands. Alle haben sie gemein, dass die Führungen der führenden demokratischen Parteien über sie als Transmissionsriemen täglich versuchen, ihrem Volk die jeweils gültige politische Linie überzeugend nahezubringen.

Die Ergebnisse der Untersuchung, die selbstverständlich geheimgehalten wurden und nur den fünf Parteiführungen der Parteien des demokratischen Blocks bekanntgegeben wurden, übertrafen jedoch die schlimmsten Befürchtungen: Praktisch mehr als die halbe Bevölkerung der Bundesrepublik orientiert sich, was die politische Information betrifft, nicht an den offiziellen Leitmedien, sondern mit deren Hilfe anhand von Hörensagen, sozialen Medien, alternativen Nachrichtenquellen und, so sagten 34 Prozent der Befragten, "indem ich das Gegenteil glaube".


Die Misere der Propaganda


Wie ist diese katastrophale Misere der Propaganda zu erklären? Wie ist es möglich, dass Parteien, die immerhin zurecht behaupten können, sie regierten ein Land, dem es wirtschaftlich noch niemals so gut ging wie derzeit und die die absolute Macht besitzen, auf die gesamten Ressourcen der Gesellschaft und einen gigantischen Propagandaapparat zuzugreifen - dass solche Parteien dennoch so kläglich bei der Aufgabe versagen, ihre zweifellos richtige Politik richtig zu erklären?

Herbert Achtelbuscher sieht für dass Übel historische Ursachen: Über Jahrzehnte seien die stets abwechselnd regierenden CDU, CSU, SPD, FDP und Grüne gewohnt gewesen, dass es auf einen Erfolg der eigenen Propagandabemühungen höchstens in schematischer Weise ankam, "nämlich dann, wenn Wahlen anstanden". Auch hier sei der Erfolg jedoch langfristig nebensächlich gewesen, weil die Verluste der einen demokratischen Partei immer zu Gewinnen der anderen wurden. "Da hoben sich Effekte auf und die häufig beklagte Politikmüdigkeit wie die zurückgehende Wahlbeteiligung wurde eher pflichtgemäß beklagt", so Achtelbuscher.

Medien funktionierten ähnlich. Die Entwicklung ging zu einer kaum mehr lesbaren Eintönigkeit und Langeweile. Durch die alleinige und absolute Verfügungsgewalt über die Massenmedien wurde nirgendwo mehr grundsätzlich kritisiert, allenfalls Petitessen erweckten den Eindruck, als gebe es öffentliche Kritik an Regierungsentscheidungen. Ein unangreifbares System, weil es völlig auf eine Abteilung Agitation verzichtet, wie sie sich die frühere SED seinerzeit in der DDR hielt, um bis in das kleinste Detail über die politische Linie aller Massenmedien zu entscheiden.

Vom Gottkanzler


Die Praxis heute ist eine andere, weit weg von jener nunmehr belächelten Überzentralisierung der Informationsvermittlung. Im wiedervereinigten Deutschland, beschreibt Hans Achtelbuscher, vollziehe sich der Herstellung der Einheitlichkeit der Berichterstattung folgendermaßen: Eine oder die andere Regierungspartei etabliert einen sogenannten "Spin", meist durch eine Pressemitteilung und Hintergrundgespräche von führenden Parteimitgliedern mit ausgewählten Journalisten. Dieser, aktuell etwa "die neue starke Frau der CDU", vor kurzem noch "Warum Andrea Nahles alle Trümpfe in der Hand hält" oder im vergangenen Jahr der "Gottkanzler Schulz" (Spiegel) werde dann von allen angeschlossenen Anstalten übernommen, wie es damals beim Medienmanöver "Alarm im Totenreich" anhand der Schlagzeile "Viele EHEC-Tote werden nicht mehr ganz gesund" geübt worden war.


So heißt es denn nach dem CDU-Parteitag, der Angela Merkel erneut zur Kanzlerin machte, übereinstimmend überall sinngemäß: "Die Erschöpfung der Partei nach zwölf Jahren Regierung, die Enttäuschung nach dem schlechten Bundestagswahlergebnis ist neuem Schwung gewichen. Den hat nicht der Koalitionsvertrag ausgelöst, sondern die neue Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer. Sie hat es verstanden, Unmut in positive Energie zu verwandeln." Ein Wunder. Wasser hat sich zu Wein verwandelt, eine 55-Jährige zur jugendlichen Hoffnungsträgerin, eine ausregierte, ideenlose Parteichefin wird zum Zeichen der Erneuerung.


Es braucht für dieses flexible System der Informationsvermittlung keine informelle Anleitung durch Merkels treuen Pressechef Steffen Seifert, Vordenker der Abteilung Agitation im Kanzleramt. Nur in Ausnahmesituationen, etwa damals, als vor der Fußball-WM 2006 Absprachen über zu vermeidende Themen getroffen werden mussten, lädt die Kanzlerin Chefredakteure und führende Funktionäre der Massenmedien (Fernsehen, Rundfunk, Presse) zu einer Anleitung.

Wie Schuljungen in einer Klippschule - so sitzen sie dann demütig vor der mächtigsten Frau der Welt. Ihre Anweisungen, so sagen Teilnehmer, seien in der Regel exakt und präzise. Sie legen die politische Linie fest, über welche Fragen mit welcher Priorität und wie zu berichten ist. Nicht selten werden selbst detaillierte Formulierungen vorgegeben. Widerspruch oder Protest sind undenkbar.

Offiziell frei


Offiziell sind die Massenmedien natürlich weiter frei, zu schreiben und zu sagen, was sie wollen. Doch weil die Abozahlen sinken, der Einzelverkauf wegbricht und im Internet mit einheitlich formulierten Meldungen nur wenig zu verdienen ist, sind die Verlage auf Unterstützung der Regierung angewiesen. Die Anleitung durch die Medienbeauftragten der demokratischen Parteien ist deshalb lediglich als eine Information anzusehen, die den Chefredakteuren helfen soll, die aktuelle Linie der Regierungspolitik besser zu verstehen. Aber wenn das gut klappt, ist es niemandes Schade.

Ein raffiniertes System, in dem alle Räder wie von selbst ineinandergreifen. Nur die Leserinnen und Leser draußen im Lande spüren die unsichtbare Zwangsjacke, in die sich der ehemals regierungskritische Journalismus hat kleiden lassen. Der vorgeschriebene rigorose Schematismus erzwingt eine "einheitliche, parteiliche Form, die die Vorzüge der Großen Koalitionherausstellt und rechten Hetzern und Populisten keine Möglichkeit bietet, diesen zu unterwandern", heißt es in einem internen Schulungspapier.

"Einheitliche, parteiliche Form"


Diese "einheitliche, parteiliche Form" bedeutet, dass nicht nur ein und dieselbe politische Meinung zu vertreten ist, es müssen auch dieselben Redewendungen und Darstellungsformen gewahrt werden. Bei einer offiziellen Veranstaltung der Partei- und Staatsführung etwa muss ein klar erkennbarer Sieger ausgerufen werden, es gilt, ein Signal zu senden und eine möglichst homogene Geschichte zu erzählen. Dazu folgen die Ausführungen über die Veranstaltung meist streng den vorgegebenen Formulierungen: Im Falle des CDU-Parteitages war die Erwähnung der neuen Generalsekreträin Kramp-Karrenbauer als "Star", "Stern", mitreißende Siegerin und Hoffnungszeichen Pflicht. Ein Muss für praktisch jede Ausgabe war auch die Beschwörung von Erneuerung, Entschlossenheit und der Bereitschaft, hart für Deutschland zu arbeiten.

Andererseits muss diese "Parteilichkeit" auch gewisse Grenzen beachten, um sich nicht der Lächerlichkeit preiszugeben. Also gilt es abzuwägen, gewiss keine leichte Aufgabe für einen Chefredakteur. In der Regel lässt er sich in solchen diffizilen Dingen dann von der "Tagesschau" leiten: Wie dort formuliert wird, ist es im Zweifel richtig.


2 Kommentare:

ppq hat gesagt…

läuft bei mir.

ist aber nur: Alle Artikel
[RP ONLINE]
Anja Karliczek soll Bundesbildungsministerin werden
RP ONLINE 25.02.2018
[BILD]
Stimmen Sie über Minister ab Wer ist Merkels beste Wahl?
BILD 26.02.2018
[WirtschaftsWoche]
Merkels Ministerliste steht – Spahn als Gesundheitsminister bestätigt
WirtschaftsWoche 25.02.2018

Anonym hat gesagt…

Schon Fritze, des Trierer Dienstmädchenschänders Barmer Schabbesgoy, barmte, was ein Wortspiel, über den "hündischen Kommerz".