Samstag, 10. Februar 2018

Andrea Allmächtig: Die Skrupellose

Machtbewusst und fest entschlossen, die SPD auf ihrer letzten Lebensphase mit sicherer Hand zu führen: Andrea Nahles.
Eines war immer klar: der Vorsitzende der SPD trug vielleicht einen Bart. Aber das Haar, das war gut gestutzt, mal als Igel, mal als Glatze, mal getönt, mal gefärbt, aber immer kontrollierter Anbau, kein wild wuchernder 68-er Schopf. Nach dem plötzlichen Rückzug von Parteichef Schulz ändert sich auch das: Mit Andrea Nahles übernimmt erstmals ein Langhaariger den Vorsitz der Traditionspartei. Lange, mählich fallende Locken statt hoher Stirn, wildes Gewalle anstelle von mühsam hochgekämmtem Resthaar. Gemeinsam mit dem aus dem Hamburger Exil zurückkehrenden Vizekanzler Olaf Scholz, einem Vertreter der Wenn-es-nicht-reicht-dann rasier-es-ganz-weg-Schule, wird Frau, die Nahles zudem auch noch ist, die Partei aus der Krise führen.

Magisterin der Macht


Dringend nötig ist es, schließlich wartete die Inhaberin eines Magisterabschlusses in Germanistik, die es immer vermeiden konnte, irgendwo erwerbstätig zu sein, seit zehn Jahren auf den Ruf an die Spitze. Mit 28 zum ersten Mal im Bundestag, opferte Nahles ihre Doktorarbeit über “Walter Scotts Einfluss auf die Entwicklung des historischen Romans“, um nach einer vierjährigen Unterbrechung wegen eines Versagens der Wahlbürger, dessentwegen sie Zuflucht im IG-Metall-Verbindungsbüro Berlin hatte suchen müssen, ab 2005 wieder in den Dienst der Bürgerinnen und Bürger draußen im Lande zu treten.

Ebenso macht- wie selbstbewusst, meldete Nahles bereits früh Ambitionen auf den Parteivorsitz und die Kanzlerschaft an. Im Wahlkampf, den sie früh verlorengab, hielt sie sich bewusst zurück, so dass sie nach der Niederlage von Schuldzuweisungen verschont blieb. Um seinen Posten zu retten, musste Parteichef Martin Schulz sie auf seine Seite ziehen, er tat das, indem er ihr den Fraktionsvorsitz zuschob, den er eigentlich gern selbst gehabt hätte. Für Nahles nur ein Etappensieg: Nachdem Schulz seine Strategie zwischen Wahltag und Weihnachten viermal geändert hatte, lag das Schicksal des offensichtlich verwirrten ehemaligen „Gottkanzlers“ (Der Spiegel) ganz in ihren Händen.

Spezialkommando Schacherei


Nun zeigt Nahles, was sie gelernt hat: Sie tauscht ihre Zustimmung zu einem von Schulz gewünschten Wechsel ins Außenamt, von dem er sich einen Anstieg seiner Beliebtheitswerte erhofft, gegen dessen Zusage, ihr zum Parteivorsitz zu verhelfen. Da die größte Angst des früheren Medienlieblings darin besteht, am Ende einer langen, völlig folgenlosen Karriere als Versager in Erinnerung zu bleiben, wenn er jetzt zum Rückzug gezwungen werde, musste Schulz zustimmen.

Dank langjähriger Strippenzieherei in Hinterzimmern in ganz Europa belastet den 63-Jährigen der Gedanke nicht, seinen früheren Freund Sigmar Gabriel für das eigene Fortkommen über die Klinge springen lassen zu müssen. Schulz weiß, auch Gabriel würde der umgekehrte Fall keine schlaflose Minute bereitet haben. Und er weiß genauso, dass Nahles den Sohn eines Goslaer Nazis ohnehin auf der Abschussliste führte, weil Gabriel der traditionalistischen Linken immer noch als „Schrödianer“ gilt.


Für Nahles aber, die direkt von der Uni in ihre Politkarriere startete, war stets klar, dass es Schröder gewesen ist, der den Untergang der deutschen Sozialdemokratie verschuldet und damit ihren Lebenstraum von der Kanzlerschaft gefährdet hat. Nahles, mangels anderer starker Figuren an der Spitze der SPD durch geschicktes Taktieren in der tiefsten Krise der Partei binnen eines halben Jahres auf den höchsten Posten von Fraktion und Partei gerutscht, wird alles tun, die Schröder-Scharten auszumerzen: Noch-Parteichef Martin Schulz hat sie domestiziert, Gabriel aussortiert, den Hamburger Scholz zur besseren Kontrolle nach Berlin beordert und die parteiinternen Konkurrentinnen um die Kanzlerkandidatur in drei Jahren diszipliniert.

Hoffnung auf Ermüdung


Nun fehlt nur das, worauf sie auch bei CDU und CSU hoffen: Eine Ermüdung des Publikum an der andauernden Verzweiflung darüber, wie peinlich die Großkoalitionäre miteinander rangeln, wie dreist sie schwindeln und wie wenig sie die Botschaft der Wähler verstanden haben. Dann, wenn erst durchregiert wird und die Milliarden über Land abgeworfen werden, so hofft Nahles, werde auch die Stimmung wieder besser. Schon beim Verfassen des Koalitionsvertrages haben alle an nichts anderes gedacht: Den Solidaritätszuschlag will die neue Regierung nun "ab 2021" abschaffen.

Wenn bis dahin alles klappt wie geplant, fällt das genau in den Wahlkampf. Andrea Nahles hofft, dass dann viele aus Dankbarkeit ein Kreuzchen bei der SPD machen.


1 Kommentar:

Carl Gustaf hat gesagt…

Die Nahles hat mit Sozialdemokratie ungefähr soviel gemeinsam, wie grönland mit der Wüste Gobi.
Wenn man Martin schulz etwas hoch anrechnen kann, dann die Lebenslüge, die die Sozialdemokraten seit rund 100 Jahren ihrer 153jährigen Geschichte antreibt: die Postengier. Nicht umsonst ist die Gier ein Wortbestandteil von ReGIERung.