Nur ganz knapp vorbei: Beinahe wäre es Walter Steinmeier gelungen, Deutschland wieder Vertrauen einzuflößen. |
Es hätte das übliche leere Ritual des Mannes sein sollen, der sich am Ende eines verkorksten Jahres den Menschen zeigt, die ihn nicht gewählt haben. Dann aber überraschte Walter Steinmeier, erst zu Beginn des Jahres nach einem komplizierten Ämtertauschprozedere in der SPD zum Bundespräsidenten befördert, mit einer mutigen Ansprache, die beinahe ihre Ziel erreicht hätte: Mut machen, Vertrauen in den Staat, in die Mitmenschlichkeit, in die eigene Heimat, in Deutschland und die schleppende Regierungsbildung wecken, so klang er, selbstkritisch in Maßen, aber mit klarem Anspruch: Die Menschen draußen im Lande haben guten Grund, der Spitzenpolitik zu vertrauen, denn es gibt keine andere.
Nein, sagte der neue Bundespräsident in seiner ersten Weihnachtsansprache als Staatsoberhaupt, wir haben seit Monaten keine Regierung. Aber das von den Vätern des Grundgesetzes genau so vorgesehen worden. "Ich versichere Ihnen: Der Staat handelt nach den Regeln, die unsere Verfassung für eine Situation wie diese ausdrücklich vorsieht." Es gebe keine Begrenzung der Amtszeit einer geschäftsführenden Regierung und angesichts der boomenden Wirtschaft und des wachsenden Wohlstandes sehe er keinen Grund, hier auf Änderungen zu drängen. "Wir können Vertrauen haben", sagte Steinmeier.
Für den erst seit Februar amtierenden ersten Mann im Staat endet 2017 politisch erfolgreich. Ein neuer Posten, eine neue Bedeutung durch die schleppende Regierungsbildung, dazu ein Bundestag, der sich zwar eilig höhere Diäten bewilligt hat, aber bis heute nicht einmal über ein komplettes Präsidium verfügt - Steinmeier, der Notkandidat der Großen Koalition, die einfach keinen anderen finden konnte, ist der letzte Platzhalter der alten bundesdeutschen Politik inmitten auseinanderfallender Verhältnisse. Der große Triumphator in einem Land, das gespalten ist wie selten zuvor.
Im Osten etwa frisst sich der Hass durch Städte und Dörfer. Dunkeldeutschland ist überall, Pegida ist nur die Spitze eines Eisberges aus Intoleranz und Zweifel. "Die ganze Stadt war ständig mit Autos verstopft", sagte der örtliche Feuerwehrchef einer Lokalzeitung, die ihn nach dem Zulauf zu den fremdenfeindlichen Demonstrationen befragt hatte. Sie kamen, schwenkten Galgen und blieben straffrei.
Doch nicht nur Sachsen, Deutschland insgesamt hat ein massives Problem. Bis zum Mauerfall war der Westen durchdemokratisiert und friedlich, neue Parteien entstanden ausschließlich links der Mitte. Das hat sich geändert. Heute beginnt der typische "Hater" seine Pöbelkarriere nicht in der Stammkneipe, sondern im Internet, indoktriniert von Twitter, Facebook und Whatsapp, anfangs noch mit legal erhältlichen Mitteln.
Studien aus dem Jahr 2013 zeigen, dass damals fast 80 Prozent der bekannten Hasser mit Meckern, Zweifeln und Schimpfen im Bekanntenkreis angefangen haben. Sie radikalisieren sich dann im Kreise Gleichgesinnter im virtuellen Raum. Die Folge: Immer öfter melden die Behörden immer höhere Hasszahlen. Die Verurteilungen aber können kaum mithalten.
Glaubt man Bundespräsident Steinmeier, liegt die Schuld vor allem im Ausland. Deutschland sei weltoffen, so dass russischer Hass "in ungekannter Menge" hereinströmen konnte, heißt es in Berlin. Zehn Monate nach seinem Amtsantritt hat Steinmeier, der nach neuen Recherchen der "Zeit" (oben) allerdings wohl doch erst "seit drei Monaten im Amt ist", seine Weihnachtsansprache nun genutzt, um für eine Lösung des Problems direkt bei den Betroffenen zu werben.
Man habe in den letzten Jahrzehnten immer wieder Krisen überwunden, sagte er unter Anspielung auf die angespannte Lage und das in den vergangenen Jahren verlorengegangene Vertrauen weiter Teile der Bevölkerung in eine politische Klasse, die in den Augen der Abgehängten, wenig Gebildeten und vom Kreml Indoktrinierten jeden Kontakt zur Wirklichkeit verloren zu haben scheint. Doch Deutschland sei ein Land, in dem "wirtschaftliche Vernunft ebenso wie soziale Gerechtigkeit" immerhin weiter theoretische Leitprinzipien der Politik seien, tröstete Steinmeier. Man habe das Land nach dem letzten Weltkrieg wiederaufgebaut und werde das auch diesmal schaffen. Das Land habe die Kraft und den Willen, "Zusammenhalt zu bewahren und das Zusammenwachsen weiter zu befördern".
"Es ist ein ernstes Problem, das wir so noch nicht hatten", sagte der Präsident. Er sei viel in Deutschland unterwegs gewesen und habe dabei auch Orte kennengelernt, in denen es keine Tankstelle oder Lebensmittelgeschäfte mehr gebe, die Gaststätte geschlossen sei und "die Wege zum Arzt immer weiter werden und die letzte Busverbindung eingestellt ist". Mehr als ein Ortsschild sei oft nicht mehr zu finden gewesen. "Solche Orte gibt es zu viele, im Osten wie im Westen unseres Landes", sagte Steinmeier. Für die dort Gebliebenen sei das Leben schwer geworden. "Und ich kann verstehen, dass die Menschen dort unzufrieden sind, sich sogar abgehängt fühlen."
Balsam auf die Seelen derer, die schon packen und ihr Heil in der Flucht suchen wollten. Steinmeier ermunterte die Betroffenen, ihre Orte nicht aufzugeben. Die Bundesregierung arbeite am Zuzug, man dürfe den Mut nicht sinken lassen. Auch er habe damals, als es mit dem Einzug ins Kanzleramt nicht klappte, nicht die Flinte ins Korn geworfen, sondern einfach weitergemacht. Wenig später sei er schon Außenminister gewesen, mit sicherem Gehalt, Auslandsreisen und einer Aufgabe, die spannend war. Das habe ihn gelehrt, so Steinmeier, "wir können Vertrauen haben!"
Ein Appell, der draußen im Lande bei den führenden Medienhäusern hervorragend ankam. Solche Menschen wie Steinmeier machten Mut - und sie verdienen Ermutigung, hieß es. Steinmeiers Rede mit der erstmals von einem Spitzenpolitiker vorgebrachten inständigen Bitte, Vertrauen zu verschenken, auch wenn es nach der kürzlich auf die Schnelle durchgepeitschten Diätenerhöhung überhaupt keinen Grund oder Anlass mehr dafür gebe, sei ein gutes Zeichen, schrieben Kommentatoren: Die Botschaft, dass die alternativlos richtige Politik der Bundesregierung nur noch viel besser erklärt werden müsse, sei offenbar im Berliner Regierungsviertel angekommen.
Beobachter erwarten, dass sich die amtierende Kanzlerin Angela Merkel in ihrer traditionellen Silvesteransprache an Steinmeier orientieren, Abbitte für Fehleintscheidungen leisten und zu einem neuen Aufbruch in Gemeinsamkeit und Solidarität aufrufen wird.
Der Mutmacher
Nein, sagte der neue Bundespräsident in seiner ersten Weihnachtsansprache als Staatsoberhaupt, wir haben seit Monaten keine Regierung. Aber das von den Vätern des Grundgesetzes genau so vorgesehen worden. "Ich versichere Ihnen: Der Staat handelt nach den Regeln, die unsere Verfassung für eine Situation wie diese ausdrücklich vorsieht." Es gebe keine Begrenzung der Amtszeit einer geschäftsführenden Regierung und angesichts der boomenden Wirtschaft und des wachsenden Wohlstandes sehe er keinen Grund, hier auf Änderungen zu drängen. "Wir können Vertrauen haben", sagte Steinmeier.
Für den erst seit Februar amtierenden ersten Mann im Staat endet 2017 politisch erfolgreich. Ein neuer Posten, eine neue Bedeutung durch die schleppende Regierungsbildung, dazu ein Bundestag, der sich zwar eilig höhere Diäten bewilligt hat, aber bis heute nicht einmal über ein komplettes Präsidium verfügt - Steinmeier, der Notkandidat der Großen Koalition, die einfach keinen anderen finden konnte, ist der letzte Platzhalter der alten bundesdeutschen Politik inmitten auseinanderfallender Verhältnisse. Der große Triumphator in einem Land, das gespalten ist wie selten zuvor.
Hass im Eisberg
Im Osten etwa frisst sich der Hass durch Städte und Dörfer. Dunkeldeutschland ist überall, Pegida ist nur die Spitze eines Eisberges aus Intoleranz und Zweifel. "Die ganze Stadt war ständig mit Autos verstopft", sagte der örtliche Feuerwehrchef einer Lokalzeitung, die ihn nach dem Zulauf zu den fremdenfeindlichen Demonstrationen befragt hatte. Sie kamen, schwenkten Galgen und blieben straffrei.
Doch nicht nur Sachsen, Deutschland insgesamt hat ein massives Problem. Bis zum Mauerfall war der Westen durchdemokratisiert und friedlich, neue Parteien entstanden ausschließlich links der Mitte. Das hat sich geändert. Heute beginnt der typische "Hater" seine Pöbelkarriere nicht in der Stammkneipe, sondern im Internet, indoktriniert von Twitter, Facebook und Whatsapp, anfangs noch mit legal erhältlichen Mitteln.
Studien aus dem Jahr 2013 zeigen, dass damals fast 80 Prozent der bekannten Hasser mit Meckern, Zweifeln und Schimpfen im Bekanntenkreis angefangen haben. Sie radikalisieren sich dann im Kreise Gleichgesinnter im virtuellen Raum. Die Folge: Immer öfter melden die Behörden immer höhere Hasszahlen. Die Verurteilungen aber können kaum mithalten.
Glaubt man Bundespräsident Steinmeier, liegt die Schuld vor allem im Ausland. Deutschland sei weltoffen, so dass russischer Hass "in ungekannter Menge" hereinströmen konnte, heißt es in Berlin. Zehn Monate nach seinem Amtsantritt hat Steinmeier, der nach neuen Recherchen der "Zeit" (oben) allerdings wohl doch erst "seit drei Monaten im Amt ist", seine Weihnachtsansprache nun genutzt, um für eine Lösung des Problems direkt bei den Betroffenen zu werben.
Deutschland wird wieder aufgebaut
Man habe in den letzten Jahrzehnten immer wieder Krisen überwunden, sagte er unter Anspielung auf die angespannte Lage und das in den vergangenen Jahren verlorengegangene Vertrauen weiter Teile der Bevölkerung in eine politische Klasse, die in den Augen der Abgehängten, wenig Gebildeten und vom Kreml Indoktrinierten jeden Kontakt zur Wirklichkeit verloren zu haben scheint. Doch Deutschland sei ein Land, in dem "wirtschaftliche Vernunft ebenso wie soziale Gerechtigkeit" immerhin weiter theoretische Leitprinzipien der Politik seien, tröstete Steinmeier. Man habe das Land nach dem letzten Weltkrieg wiederaufgebaut und werde das auch diesmal schaffen. Das Land habe die Kraft und den Willen, "Zusammenhalt zu bewahren und das Zusammenwachsen weiter zu befördern".
"Es ist ein ernstes Problem, das wir so noch nicht hatten", sagte der Präsident. Er sei viel in Deutschland unterwegs gewesen und habe dabei auch Orte kennengelernt, in denen es keine Tankstelle oder Lebensmittelgeschäfte mehr gebe, die Gaststätte geschlossen sei und "die Wege zum Arzt immer weiter werden und die letzte Busverbindung eingestellt ist". Mehr als ein Ortsschild sei oft nicht mehr zu finden gewesen. "Solche Orte gibt es zu viele, im Osten wie im Westen unseres Landes", sagte Steinmeier. Für die dort Gebliebenen sei das Leben schwer geworden. "Und ich kann verstehen, dass die Menschen dort unzufrieden sind, sich sogar abgehängt fühlen."
Balsam auf die Seelen derer, die schon packen und ihr Heil in der Flucht suchen wollten. Steinmeier ermunterte die Betroffenen, ihre Orte nicht aufzugeben. Die Bundesregierung arbeite am Zuzug, man dürfe den Mut nicht sinken lassen. Auch er habe damals, als es mit dem Einzug ins Kanzleramt nicht klappte, nicht die Flinte ins Korn geworfen, sondern einfach weitergemacht. Wenig später sei er schon Außenminister gewesen, mit sicherem Gehalt, Auslandsreisen und einer Aufgabe, die spannend war. Das habe ihn gelehrt, so Steinmeier, "wir können Vertrauen haben!"
Medien sind begeistert von Ruckrede
Ein Appell, der draußen im Lande bei den führenden Medienhäusern hervorragend ankam. Solche Menschen wie Steinmeier machten Mut - und sie verdienen Ermutigung, hieß es. Steinmeiers Rede mit der erstmals von einem Spitzenpolitiker vorgebrachten inständigen Bitte, Vertrauen zu verschenken, auch wenn es nach der kürzlich auf die Schnelle durchgepeitschten Diätenerhöhung überhaupt keinen Grund oder Anlass mehr dafür gebe, sei ein gutes Zeichen, schrieben Kommentatoren: Die Botschaft, dass die alternativlos richtige Politik der Bundesregierung nur noch viel besser erklärt werden müsse, sei offenbar im Berliner Regierungsviertel angekommen.
Beobachter erwarten, dass sich die amtierende Kanzlerin Angela Merkel in ihrer traditionellen Silvesteransprache an Steinmeier orientieren, Abbitte für Fehleintscheidungen leisten und zu einem neuen Aufbruch in Gemeinsamkeit und Solidarität aufrufen wird.
6 Kommentare:
Quentin Quencher
Weihnachten ja, aber ohne selbstgerechte Laberpfaffen
Sollen doch die Pfaffen labern, was sie wollen. Zusammenrottungen von Selbstgerechten müssen wir uns nicht anschließen.
Roger Letsch
Der nichtssagende Herr Steinmeier: Ein Fest der Floskel
er gibt sich mühe, und das sieht man
Wenn mich Hr. Steinmeier ansieht, fühle ich mich ignoriert.
Immer daran denken: Steinmeier war Kanzleramtsminister während der Döner-Morde.
ein einfacher Arbeiter im Garten des Herrn ; eine Schachfigur auf dem Brett der Maurer
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