Dienstag, 12. September 2017

Brecht hat Recht: Die Notwendigkeit der Propaganda



1

Es ist möglich, daß in unserem Land nicht alles so geht, wie es gehen sollte.
Aber niemand kann bezweifeln, daß die Propaganda gut ist.
Selbst Hungernde müssen zugeben
Daß der Minister für Ernährung gut redet.

2

Als das Regime an einem einzigen Tage
Tausend Menschen erschlagen ließ, ohne
Untersuchung noch Gerichtsurteil
Pries der Propagandaminister die unendliche Geduld des Führers
Der mit der Schlächterei so lange gewartet
Und die Schurken mit Gütern und Ehrenstellen überhäuft hatte
In einer so meisterlichen Rede, daß
An diesem Tage nicht nur die Verwandten der Opfer
Sondern auch die Schlächter selber weinten.

3

Und als an einem andern Tage das größte Luftschiff des Reiches
In Flammen aufging, weil man es mit entzündbarem Gas gefüllt hatte
Um das nicht entzündbare für Kriegszwecke zu sparen
Versprach der Luftfahrtminister vor den Särgen der Umgekommenen
Daß er sich nicht werde entmutigen lassen, worauf
Sich lauter Beifall erhob. Selbst aus den Särgen
Soll Händeklatschen gekommen sein.

4

Und wie meisterhaft ist die Propaganda
Für den Abfall und für das Buch des Führers!
Jedermann wird dazu gebracht, das Buch des Führers aufzulesen
Wo immer es herumliegt.
Um das Lumpensammeln zu propagieren, hat der gewaltige Göring
Sich als den größten Lumpensammler aller Zeiten erklärt und
Um die Lumpen unterzubringen, mitten in der Reichshauptstadt
Einen Palast gebaut
Der selber so groß wie eine Stadt ist

5

Ein guter Propagandist
Macht aus einem Misthaufen einen Ausflugsort.
Wenn kein Fett da ist, beweist er
Daß eine schlanke Taille jeden Mann verschönt.
Tausende, die ihn von den Autostraßen reden hören
Freuen sich, als ob sie Autos hätten.
Auf die Gräber der Verhungerten und Gefallenen
Pflanzt er Lorbeerbüsche. Aber lange bevor es soweit war
Sprach er vom Frieden, wenn die Kanonen vorbeirollten.

6

Nur durch vortreffliche Propaganda gelang es
Millionen davon zu überzeugen
Daß der Aufbau der Wehrmacht ein Werk des Friedens bedeutet
Jeder neue Tank eine Friedenstaube ist
Und jedes neue Regiment ein neuer Beweis
Der Friedensliebe.

7

Allerdings: vermögen gute Reden auch viel
So vermögen sie doch nicht alles. Manchen
Hat man schon sagen hören: schade
Daß das Wort Fleisch allein noch nicht sättigt, und schade
Daß das Wort Anzug so wenig warm hält.
Wenn der Planminister eine Lobrede auf das neue Edelgespinst hält
Darf es nicht dabei regnen, sonst
Stehen seine Zuhörer im Hemd da.

8

Und noch etwas macht ein wenig bedenklich
Über den Zweck der Propaganda: je mehr es in unserem Land Propaganda
Desto weniger gibt es sonst.

Bertold Brecht, 1937


8 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Vor dem Urnengang nimmt Maddin Chulpf, der Heilfbringer der FPD, noch mal einen kräftigen Schluck aus der Pulle.

teu hat gesagt…

Danke für diesen Beitrag!

Anonym hat gesagt…

Ich "vergas" bei meiner Äußerung zu braunen Eiern, Briefen an Sherlock Holmes usw. noch eines zu erwähnen: Vor so acht, neun Jahren haben zwei schon etwas bejahrte Zecken im Wachsfigurenkabinett der Adolfpuppe den Kopf abgerissen. Kurz, die haben erstaunlich einen an der Ralle, es schadet ihnen aber gerade mal gar nichts.
Was ich sagen will: Die platteste, plumpeste Holzhammerpropaganda wirkt, schlicht und ergreifend. Den Maddin betreffend, dürften sich nicht wenige Pappnasen sagen: Einer von uns - kein Schnösel - kein feiner Pinkel - und zwar in voller Überzeugung. Oder die Wahlplakate der Linken Titten, der DKP, MLPD (Spalter!!!) - Den "Reichen" dat Fell över de Ohren trekken - dann wird alles gut - funzt durchaus.

suedwestfunk hat gesagt…

Manche Texte vom armen BB hatten Klasse. Dass er selbst mal zu Propagandazwecken würde herhalten müssen, hat er 1937 nicht geahnt. Als es soweit war, hat es ihm nicht gefallen, aber der Apparat hatte ihn mit genügend Privilegien korrumpiert. Dazwischen lagen nur 15 Jahre. Und er hatte nur noch vier zu leben. Danach wurde er von der Propaganda verdaut.

Volker hat gesagt…

"Manche Texte vom armen BB hatten Klasse."

Mir kommt in letzter Zeit immer wieder das Gleichnis des Buddha vom brennenden Haus in den Sinn.

Die Menschen sind schon unzufrieden mit Merkel & Gen. Auf den Hinweis, es doch mal mit einer Alternative zu versuchen, kommen dann die gleichen Antworten wie in besagtem Gedicht. "Bist Du sicher, dass es mit der AfD besser wird?"
Da kann man nur mit Brecht reagieren «dem Habe ich nichts zu sagen.»

Anonym hat gesagt…

alle wählen AfD !

Anonym hat gesagt…

Naja, Brecht. Zum Beispiel ist das mit dem Helium in diesem Machwerk plump gelogen - LZ 129 sollte damit ja gefüllt werden - nur haben unsere späteren Befreier die Lieferung verweigert.
Auch sein Sprüchlein von den drei Kriegen, die das große Karthago geführt hatte, enthält eine grobe intellektuelle Unredlichkeit: Um den Dritten Punischen Krieg haben sich die Karthager bekanntermaßen (nehme ich jedenfalls an) nicht eben gerissen!

Anonym hat gesagt…

------------
In einem 90er-Jahre Eulenspiegel stand einmal eine gar köstliche Parodie: "Die Bahnhofspenner von Wanne-Eickel ehren Helmut Kohl" - kann sich da wer entsinnen?
"Oft wurde geehrt der große Kanzler Kohl... Rosen wurden nach ihm benannt und Meisen..." Schluß: "Sie taten also, und setzten die Lache."
(Inzwischen ist die Eule so lustig wie die Moskauer "Krokodil" der Sechziger.)
-- Halbgott in Weiß --
Januar 27, 2015

Ai ripiet...