Dienstag, 22. August 2017

Merkels Fischerhütte: Erst gingen die Fischer, dann ging ihr Haus

Wahlkampf in Deutschland
Ausgelöscht: Mit dem Ende der Fischerhütte endet eine Ära.
Es ist der Ort, an dem Angela Merkel entstand. Nah am Strand steht sie hier, eine Fischerhütte, in der handfeste Männer sitzen, die Ellenbogen auf den Tisch gelegt, lustige Kapitänsmützen auf den Köpfen. Zwischen ihnen sitzt damals die Frau, die sich anschickt, Deutschland zu führen. Es stehten Bierflaschen auf dem Tisch, Aschenbecher, drei Männer rauchen, Merkel hat ganz kurze Haare und sie sieht ernsthaft neugierig aus.

Ende der Fischerhütte


1990 war das, in einem Land, das längst nicht mehr existiert. Wie sinnbildlich dafür steht das Schicksal der Fischerhütte, in der Merkel sich zum ersten Mal als das inszenierte, was ihr bis heute politischen Erfolg beschert: Die bescheidene Zuhör-Politikerin, die sachlich auftretende Verwalterin, die sich Urteile nur bildet, um sie später korrigieren zu können. Die Fischerhütte hat ihren Weg begleitet, Merkel ist hier im Wahlkampf immer wieder aufgetreten. Doch während sie immer erfolgreicher wurde, traf es die Fischer und ihre Hütte hart und immer härter.

Erst lohnte sich die Fischerei nicht mehr für alle, dann nur noch für wenige, schließlich für keinen mehr. In die Hütte zog ein Eishändler ein, der sozialabgabensparend Studenten beschäftigt, die mit Wurst und Magnum die Strände auf- und abfahren.


Angela Allmächtig, Retterin Europas und Alptraum der deutschen Sozialdemokratie, startete ihren ersten Wahlkampf vor 23 Jahren in Lobbe, einem Örtchen auf Rügen und setzte sich dort in eine halbzerfallene, noch fast volkseigene Fischerhütte. Interessant beleuchtet, scharte sie mehrere kernige Fischersleut´ um sich und demonstrierte intensivst Volksverbundenheit.

 Angela wohnt hier nicht mehr


Mit so großem Erfolg, dass sie 2009 zurückkehrte, in dieselben Gesichter schaute und dieselben Augen ähnlich konsterniert zurückblickten. Merkel wurde wieder gewählt, der einzige Unterschied war: Die Fischerhütte direkt am Strand war von der Dorfjugend halb bemalt worden, die Autos davor waren etwas größer, die Fische im Netz etwas kleiner geworden.



Davon ist nichts geblieben. So wie Angela Merkel das Land über zwölf Jahre hinweg in die komplette Bewegungslosigkeit regiert hat, bewegt sich auch nichts mehr am Strand von Lobbe. Ein paar bessere Restaurants sind entstanden, in denen polnische Saisonarbeiter die früheren deutschen Türkeiurlauber bedienen wie einst einheimische Hausmädchen die deutschen Kolonialbeamten in Südwest. Ein paar Merkel-Plakate, ein paar verzweifelt im Regen hängende Schulkz-Bilder. An Stelle der Fischerhütte eine Leerstelle, ein Stück Wiese, der freie Blick zum Horizont.

Als nächstes wird hier irgendwas gebaut werden, eine Investition in die Zukunft, die ohne viele frühere Urlaubsländer auskommen muss. Freie Scholle, Platz für Beton. Der Fisch, den die Deutschen essen, kommt ohnehin schon lange aus dem Ausland.

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