Sonntag, 18. Juni 2017

SPD auf Youtube: Schulz, einer von denen


Genau 66 Sekunden lang war die Botschaft von der Ankunft des Heilands. Ein älterer Mann mit verwüstetem Gesicht gestikuliert, er ist "leidenschaftlich", "vertrauenswürdig", er "erklärt", er reißt mit, er redet auf Leute ein, die mit leeren Gesichtern neben ihm stehen. Er lässt sich feiern, er begeistert, er läuft durch Hallen, durch lange Gänge, seine Hände fliegen, sein Bart ist schütter, seine Augen sind müde.

So stiegt Martin Schulz, der Mann, den die Hinterzimmer der deutschen Sozialdemokratie auserkoren haben, Deutschlands nächster Kanzler zu sein, beim Videoportal Youtube in den Wahlkampf ein. Etwas weniger erfolgreich als bei "Spiegel", Stern", SZ, FR und dem Rest des Medienchores. 65.000 Zuschauer fand sein Werbeclip "Einer von uns" in den zurückliegenden drei Monaten. Und die Mehrzahl derer, die das schnell geschnittene Filmchen bewerteten, senkten den Daumen. Danach wurde es immer schlimmer. Tritt Schulz heute vor die Kamera, helfen auch keine flotten Schnitte mehr. Tausend, vielleicht auch mal 3000 Hartgesottene schauen sich Clips mit Titeln wie "Sachgrundlose Befristung beenden" an. Zahlen, die denen der Vorstellung der Hangrutsche auf dem Schulhof der Realschule Damme gleichen.

Wie Verzweiflung klingt es da, dass die SPD in einem Video barmt "Wir brauchen dich für ein gerechteres Land. Unterstütze uns dabei. Es ist Zeit für mehr Gerechtigkeit. Es ist Zeit für Martin Schulz. Mach mit: http://www.KAMPA17.SPD.de". Geht es nach der Resonanz auf Schulzens Videos, dann darf die deutsche Sozialdemokratie im Herbst allenfalls hoffen, ein paar tausend Stimmen zu bekommen: "Einer von uns" ist schon fast Schulzens erfolgreichstes Video. Nur zwei weitere der im Wochenrhythmus veröffentlichten Werbefilme kommen auf fünfstellige Zuschauerzahlen.

Sind daran "die Medien schulzd", wie Kurt Beck, der frühere Mecki-Igel der SPD herausgefunden haben will? Und wenn ja, wie ist es ihnen gelungen, auch auf Youtube dafür zu sorgen, dass niemand mehr Schulz zuschaut, wie eingehüllt in eine technokratische Ästhetik aus viel Glas, Beton und menschenleeren Wandelgängen seinen angegrauten "Zottelbart" (Wagenknecht) präsentiert, die kratertiefen Nasenporen und die wild wuchernden Augenbrauen?

Ein Rätsel, das nur lösen kann, wer in den Sphären lebt, die Schulz und Beck bewohnen, in grauen Anzug und roten Schlipsen, die auch immer grau wirken, selbst in HD.  Zwei Jahrzehnte lang hat er mitgebaut an dem bürokratischen Monster, das aus dem Europa der Eliten geworden ist. Nun aber sitzt er da, einmal mehr am Rande des Scheiterns, und redet bleich wie eine Wand über "Rente, Terror in der Welt und Trump" die Sachen halt, "worum es diese Woche geht und was zu tun ist".

Hinter Schulz steht eine spanische Karavelle aus dem 15. Jahrhundert. Vorn verspricht der "undemokratische Faschist“, wie ihn der britische Europaabgeordnete Godfrey Bloom einst nannte, das Blaue vom Himmel.

Wenn er sich meint, sagt er immer "uns". Es sei falsch, wegen des Terrors die Grundrechte einzuschränken wie es Theresa May in Großbritannien angekündigt habe. Die Partei des "lebenden Werbespots für die EU-skeptische Bewegung" (Basler Zeitung) hat allein in den letzten paar Wochen das Recht auf Freizügigkeit eingeschränkt, mitten im Schengenraum wieder Grenzkontrollen eingeführt, das Post- und Fernmeldegeheimnis weiter ausgehöhlt, den Staatstrojaner für Messengerdienste mitbeschlossen und die Meinungsfreiheit unter Facebook-Vorbehalt gestellt.

Die Karavelle segelt in den Sonnenuntergang. Keiner mehr am Ruder. Und das reicht nicht mehr bis ins Wasser.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Naja als beck den chefsessel verloren hat, muss ich zugeben, dass ich das auch merkwürdig fand wie jede zeitung täglich über wochen hinweg negative artikel veröffentlicht hat.

Vielleicht sollte die SPD pewdiepie als wahlkampfhelfer an bord holen, statt schleichwerbung für möbelhäuser.