Freitag, 5. Mai 2017

Angst vor Frankreich: Die Retterin und die Vernichterin

Sachliche Informationen kündigen ein weiteres Mal das Ende der Welt an.
Unterschiedlicher könnten diese beiden Frauen nicht sein. Der einen ist seit dem Ausbruch der Finanzkrise, die eine "rein amerikanische" (Steinbrück) war, immer wieder gelungen, den Euro endgültig und für alle Zeiten zu retten. Angela Merkel wurde mit dieser welthistorisch einmaligen Leistung zur Mutter der europäischen Völker, sie schenkte den Menschen mit der Gemeinschaftswährung jeden Tag auch Frieden, Prosperität und die von Lissabon über Madrid, Paris, Köln, Warschau bis nach Kopenhagen, Athen, Wien und Mailand reichende gleichmäßige Vielfalt der Rossmanns, H&Ms, Zaras und Lidls. Um Merkel herum entfaltet der Kontinent seine Stärke, er strahlt aus auf die ganze Welt, die heute nicht mehr ist, was sie einmal war. Sondern in etwa das, was sie nach dem Hades-Plan von Anfang der 90er Jahre werden sollte.

Deutschland hat den Kontinent im Griff, ohne das Plazet der Regierung in Berlin bewegt sich zwischen Moskau und Washington nichts mehr. Angela Merkel hält Europa zusammen und den Euro am Leben, sie hat von einer großen Zeitung gerade wieder "elf Wochen" Zeit eingeräumt bekommen, um die Weltwirtschaft zu retten. Und sie wird das zuverlässig tun, wie sie es immer getan hat.

Allerdings sind die Bedingungen zunehmend schwieriger geworden. Einst, als Merkel noch mit Nikolas Sarkozy an ihrer Seite ausritt, den Angriff von Spekulanten und anderem Gelichter - zumindest aus Übersee - mit einem nächtlichen Gegenangriff abzuwehren, stand das Publikum staunend auf den Traversen. Und wagte kein Widerwort.

dann aber erschienen die Quertreiber, Europafeinde, EU-Kritiker, Gemeinschaftsleugner und rechtspopulistischen Krypto-Nationalisten, die Leute, die darauf verwiesen, dass deutsche Zeitungen bei Unfallnachrichten aus fernen Ländern immer zuerst nach deutschen Opfern suchen wie das französische Blätter mit französischen tun. Was ja wohl ein Hinweis sei, dass selbst die weltoffenen und komplett durchglobalisierten Latte-ohne-Gluten-Redaktionen tief im Herzen ein dunkles Loch aus nationalistischen Ressentiment bergen.

Seitdem treten sie alle den Gegenbeweis an. Im Kampf gegen Trump standen deutsche Medien wie die 6. Armee: Auf verlorenem Posten, aber treu zur Sache. Zumindest der Österreicher und der Holländer dankten es mit europatreuem Abstimmungsverhalten: Statt für den Hitlererben Hofer und den holländischen Hetzer Geert Wilders zu stimmen, entschieden sie sich für van der Bellen und den europafreundlichen Mark Rutte.

Wie es um dessen Versuche einer Regierungsbildung steht, ist in deutschen Medien seit Mitte März kein Thema mehr. Die Schlachtenbummler sind weitergeeilt, diesmal steht Frankreich auf der Kippe, es gilt auch, hier, dem deutschen Wähler Angst zu machen, auf dass er in die richtige Richtung denkt und womögliche französische Freunde vom richtigen Kreuzchen überzeugt. "Gewinnt Marine Le Pen am Sonntag die Präsidentschaftswahl, droht Europa die wirtschaftliche Kernschmelze", warnt der "Spiegel", der zuletzt vor knapp sechs Monaten das "Ende des Westens" ausgerufen hatte.

Diesmal werden die Investoren aus Frankreich und Südeuropa fliehen, binnen 48 Stunden oder wenigen Tagen würde der Euro zerstört, Banken, mühsam mit EZB-Billionen aufrecht gehalten, geraten in Schieflage, selbst der coole Euro-Rettungsschirm ESM, in den die europäischen Regierungen ihre Rettungsbemühungen schon vor Jahren ausgelagert hatten, um die fortwährend notwendigen Bemühungen um den Bestandserhalt der Wackelwährung aus der öffentlichen Wahrnehmung zu entfernen, könnte ins Wanken geraten. Denn Marine Le Pen will Geld in die Gesellschaft pumpen - und das widerspricht ausdrücklich den seit 2003 rund 6000 Mal gebrochenen Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts.

Deutschland wird also wählen müssen. Entscheidet sich Frankreich richtig und wählt den deutschen Kandidaten Emanuelle Macron, dann könnte Berlin ihm einen Wachstumspakt finanzieren oder im Fernsehen könnte gemeinsam noch einmal die große Lissabon-Strategie präsentieren, die im Jahr 2000 festgelegt hatte, dass die EU innerhalb von zehn Jahren, also bis 2010, zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensgestützten Wirtschaftsraum der Welt werden würde.

Kommt aber Le Pen durch, bleiben nur Sanktionen, wie sie bisher noch nie ihr Ziel verfehlt haben.



Keine Kommentare: