Am Ende wie erschlagen: Marvin Ajani zeigt Anzeichen von Verzweiflung. |
Richtig langweilig war es nun doch nicht. Der Hallesche FC hat sich auch im Spiel gegen den Tabellenvorletzten aus Paderborn auf der Höhe seines derzeitigen sportlichen Vermögens gezeigt. Und die Begegnung mit dem Ex-Erstligisten auf Tauchgang zu einer denkwürdigen Partie werden lassen.
Denn wie unter einem Brennglas wurde in den 90 Minuten gegen die Ostwestfalen gezeigt, was alles in der Mannschaft nicht stimmt, die vor nicht einmal sechs Wochen noch Chancen auf den Aufstieg in die 2. Liga zu haben schien. Seitdem aber ist alles den Bach runtergegangen, was den HFC bis etwa gegen Weihnachten ausgemacht hatte. Die mannschaftliche Geschlossenheit ist weg, die Heimstärke, die sichere Abwehr, das betonharte zentrale Mittelfeld, die schnellen Außen... Übrig ist der Torso einer Elf, deren Hühnerhaufenhaftigkeit an eine frischformierte D-Jugend-Mannschaft erinnert.
Leichtes Spiel für die in Schwarz auflaufenden Gäste, die von Anfang an nicht den Eindruck machen, sich von Halle beeindrucken lassen zu wollen. Zwar holt der HFC in den ersten fünf Minuten fünf Einwürfe heraus. Aber Paderborn erobert Bälle und kontert schnell, zu schnell für die Abwehr der Gastgeber, die nach sechs Minuten nur zur Ecke klären kann. Eine Torchance oder auch nur eine Annäherung an das Paderborner Tor hat das Team von Trainer Rico Schmitt bis dahin nicht erreicht, dafür aber setzen sich die Gäste nun in der Hälfte der Hallenser fest. Drei-, viermal nehmen sie Anlauf zu einer Flanke oder einem Abschluss. Dann segelt der Ball in die Mitte und Paderborns Aykut Soyak versucht es nochmal, trifft aber einen Hallenser. Der Schuss wird abgefälscht, segelt hoch Richtung Tor. Und senkt sich hinter dem verblüfft nachschauenden Fabian Bredlow ins Netz.
Seit der Wechsel des früheren Rasenballers nach Nürnberg feststeht, scheint ein Fluch auf den bis dato daheim ungeschlagenen Hallensern zu liegen. In vier Heimspielen seitdem gab es zwei Unentschieden und zwei Niederlagen. Zwei Pünktchen insgesamt von zwölf möglichen. Die Bilanz eines Absteigers - und weil es auswärts kaum besser aussieht, muss es heute werden. Wann denn sonst?
Immerhin noch über 5000 Zuschauer
Doch es sind die 37 Paderborner Fans unter den immerhin noch 5.242 Zuschauern im Erdgas-Sportpark, die den Ton angeben. Und die schwarzen Spieler auf dem Platz, die die Gastgeber immer wieder ins Leere laufen lassen. Fast hätte Zlatko Dedic in der 15. Minute sogar das 0:2 erzielt und die Partie damit früh entschieden. Aber aus fünf Metern tritt er halb am Ball vorbei und Bredlow kann retten.
Hoffnung kommt auf, als einer der eher ungestümen als planvollen Angriffe der Hausherren, die stets von einer minutenlangen Doppelpasserie zwischen den beiden Innenverteidigern Kleineheistmann und Franke angekündigt werden, mit einem Pfiff von Schiedsrichter Justus Zorn beendet wird. Paderborns Torwart Ratajczak hat knapp außerhalb des Strafraums einen versuchten Lupfer Rösers aufs Tor mit der Hand geklärt. Rote Karte, Paderborn nur noch zu zehnt und der HFC jetzt am Drücker. Zumindest ein bisschen. Zwar bleibt es bei den gemütlichen Ballwechseln in der heute als Dreierkette mit Max Barnowsky aufgelaufenen HFC-Verteidigung, die in der Regel jeweils nach einer handgestoppten Viertelstunde mit langen, hohen Bällen nach vorn aufgelöst werden. Doch Schmitts Männer drücken jetzt auf den Ausgleich.
Und sie treffen. Nach zwei versuchten Flanken von Florian Brügmann und einer Phase, in der sich der immer wieder völlig freistehende Marvin Ajani schier die Arme abzuwedeln droht, ohne dass ihn jemand beachtet, rutscht ein Ball doch mal durch den gesamten Strafraum. Und am langen Pfosten steht Fabian Baumgärtel und netzt ein.
Das kann jetzt was werden, vielleicht doch noch. Glaube und Liebe ergeben in Fußballstadien stets Hoffnung, selbst angesichts einer sportlichen Leistung, die immer noch in Erbärmlichkeit ertrinkt. Aber 70 Minuten in Überzahl, der Ausgleich und das jetzt erwachte Publikum dazu, das müsste reichen.
Muss aber nicht. Denn nach Wiederbeginn, jetzt mit Kaiserslauternschreck Hilal El-Helwe als zweitem Stürmer und ohne Franke als behäbigem Bolzpartner von Kleineheistmann, greift die Ratlosigkeit sich mehr und mehr Raum. Während Paderborn auf Konter lauert, wird die Ruhe, mit der der HFC nach der Lücke sucht, zur Lähmung. Es gibt kein Mannschaftsspiel mehr, das Zweikampfverhalten gestandener Spieler wie Sascha Pfeffer oder Dominique Fennell singt Lieder von Verzweiflung und Angst vorm Versagen. Der Hühnerhaufen wimmelt durcheinander, es ist kein Plan zu sehen, keine Idee zu erahnen. Kein Benjamin Pintol und schon gar nicht die vielen, vielen anderen in die Spitze aufgerückten Spieler Röser, Ajani und El-Helwe sind das, was in der modernen Reportersprache "Zielspieler" heißt.
Und wieder kein Zielspieler
Was ist überhaupt das Ziel? Rico Schmitt winkt seine Leute an der Seitenlinie nach vorn. Dort aber stehen sie sich dann auf den Füßen. Schnell wird es nur, wenn Paderborn denBall hat. Halle dagegen hat zweimal, was sie hier neuerding "kein Glück" nennen: Röser trifft mit einem Freistoß nur die Latte. Und Fennell ist noch näher dran, doch Ratajczak-Ersatz Kruse pflückt seinen Schuss von der Linie. In der 72. Minute noch eine Premiere: der erste Fernschuss von Sascha Pfeffer. Nein, falsch verstanden. Es ist nicht der erste von Sascha Pfeffer, sondern der erste überhaupt an diesem Abend, an dem das Drittliga-Licht langsam ausgeht am Himmel über Halle.
Dass da unten nichts mehr geht, ist von oben gut zu sehen. Ein Trauerspiel ohne Musik, zu dem die dann auch mehr mit eigenen Angelegenheiten beschäftigte Fankurve Schmährufe gegen den Oberbürgermeister anstimmt, der einen städtischen Fanbetreuer versetzt hat, ohne die Ultras zu fragen. "Wiegand raus" hängt am Zaun.
Noch ein bisschen weiter so, und der Name auf dem Plakat wird sich schnell ändern.
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