Dienstag, 28. März 2017

Spiegel: Neue Lust auf mehr Irrsinn der EU-Bürokraten

Warum nicht loben und anprangern gleichzeitig?

Neue Runde im Kampf gegen das abbröckelnde Vertrauen zu den Staatsmedien: Mit einer Doppelstrategie des Dafür und gleichzeitigen Dagegen hat das führende deutsche Nachrichtenmagazin eine neue Phase im Krieg um die Rückeroberung traditioneller Leserschichten eingeleitet.


Weg mit der plumpen Propaganda der zurückliegenden Monate, her mit einer ambivalenten Darstellung der Welt, die auch Höhergebildete, abtrünnige SPD-Wähler und die Randschichten der vom Glauben an die Vier-Parteien-Demokratie abgefallene Sachsen akzeptieren können. Mit dieser neuen Strategie versucht das frühere Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" einem Bericht des Branchenportals InsidePress zufolge, ehemalige Abonnenten und Gelegenheitsleser wieder an sich zu binden. Deutlich wird die Abkehr von der bisherigen Methode der unbedingten Verteidigung abendländischer Werte durch die ungebremste Enttarnung aller Feinde unserer Ordnung nicht nur in den Ausgaben, in denen das von Rudolf Augstein gegründete Magazin an alte Sternstunden anknüpft. Sondern vor allem auch im Online-Auftritt.

Der war bisher eine Art Bento für Bildungsbürger, knapp über dem geistigen Horizont eines graugewordenen "Bravo"-Lesers, ideologisch keimfrei und der Politik der ganz großen Koalition in Solidarität ebenso liebevoll zugeneigt wie der Idee eines ganz friedlich errichteten deutschen Europa, wie sie die Erfinder des Hades-Planes einst so kühn entworfen hatten.

Die klare Linie, geboren aus staatspolitischer Verantwortung, hatte zu drastisch sinkenden Auflagezahlen und einem nie erlebten Stellenabbau im Hamburger Verlagshaus geführt. Nun reagiert die Spitze des Hauses - mit einer raffinierten Doppelstrategie, die treue Konsumenten von Beruhigungsliteratur ("In den großen Dingen brauchen wir mehr Europa") nicht vor den Kopf stößt, eurokritische Kreise aber wieder einfängt.

Das gelingt dem "Spiegel" handwerklich gut. So entdeckt er spontan eine "Neue Lust auf mehr Europa", wie sie zuletzt der heute als Banklobbyist dienende SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück vor vier Jahren propagiert hatte. Gleichzeitig aber warnt der "Spiegel" hyperkritisch vor Europa: "Der Irrsinn der EU-Bürokraten" wird bei Spiegel online nur wenige Zentimeter von der neuen Europalust entfernt gnadenlos ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt.

Ein Markstein der solidarisch-kritischen Auseinandersetzung mit Europa, das beweist, wie relevant die alten Leitmedien in der gesellschaftlichen Diskussion um Deutschlands Weg in eine lichte Zukunft noch immer sind. Wer auf beiden Seiten spielt, liegt immer richtig. Perspektivisch plant die "Spiegel"-Redaktion allerdings nach Angaben von InsidePress, die Doppelarbeit an divergierenden Texten in Richtung Synergie und Effizienz zu verschlanken.

Inhaltlich breiter aufgestellt, suchmaschinenoptimiert und für mehr Lesergruppen attraktiv könnte es dann direkt und ohne Umwege über geteilte Beiträge zu Europalust und Eurofrust heißen: "Neue Lust auf mehr Irrsinn der EU-Bürokraten".

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