Tiere leiden, Tiere sterben. Und Menschen sind immer wieder schuld daran. Damit sie essen können, züchten Großfarmen bedenkenlos Rinder, Schweine und Hühner, für ein Goulasch oder ein Linsengericht mit Schinken sind viele Leute immer noch bereit,
auf Vegetarismus und
das traditionsreiche Veganertum zu verzichten.
Ein Umstand, den eine Gruppe junger Männer aus dem ostdeutschen Mühlhausen nicht länger hinnehmen will. Sie
nutzen die Möglichkeiten von Internet und sozialen Netzwerken, um Mitschuldige am Mord an Kaninchen, Hähnen, Kälbern und Puten zu benennen - mit vollem Namen, Anschrift und Telefonnummer.
PPQ hat mit Jakob gesprochen, einer der Initiatoren der "Clean out, come veggie"-Bewegung, die sich auch "Animal revenge" nennt.
PPQ: Jakob, Sie Fan des mittelalterlichen Prangers?
Jakob: Uns geht es weniger um das Anprangern von Nicht-Vegetariern als um den Schutz der Tiere vor ihnen und die Rache für ihr Opfer. Wenn eine Firma jemanden einstellt oder eine Wohnung vermietet werden soll, dann werden die Daten der Bewerberinnen und Bewerber von der Personalabteilung in der Regel gegoogelt. Und wenn jemand dann in einem unserer Kommuniqués fündig wird, dann ist klar: Vorsicht, diese Person ist kein Vegetarier, sie isst Fleisch, sie tötet Tiere, auch Tierbabies, die ganz süß sind.
PPQ: Des einen Schutz ist des anderen Schaden. Und das ist ja wohl kein Zufall?
Jakob: Nein. Wir wollen Fleischessern natürlich schaden, so gut es geht. Sie sollen Ärger mit ihrer Nachbarschaft bekommen und am Arbeitsplatz. Wir wollen ein Klima schaffen, in dem es sich nicht mehr lohnt, Fleisch zu essen, in dem Grillen geächtet ist und in dem sich Fleischesser - wir nennen sie Carnivoren - sich nicht mehr wohlfühlen.
PPQ: Wer ist für Sie ein Fleischesser?
Jakob: Das fängt bei Leuten an, die zum Beispiel Gummibären essen. Die sind aus Rinderblut! Andere lieben Steaks, Teile toter Kühe. Und das nur, weil das in ihr faschistisches Weltbild passt. Das geht bis hin zu Leuten, die Naziideologie verbreiten, es sei den Menschen auferlegt, Tiere zu essen. Das sei "natürlich". Nein, eindeutig, Fleischessen ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen.
PPQ: Ist das heute immer so eindeutig, was Nazi-Ideologie ist?
Jakob: Wir benutzen den Begriff inflationär. Er soll an den Tätern hängenbleiben. Fleischessen ist Faschismus, Fleisch zu essen, bedeutet, Schwächere zu töten, zum eigenen Vergnügen. Ein Outing muss wehtun. Aber wir prüfen jeden Fall genau. Bisher haben wir noch niemand zu Unrecht beschuldigt.
PPQ: Sie machen keine Fehler?
Jakob: Wir bemühen uns sehr, keine Fehler zu machen. Ein Grundsatz unserer Anprangerungsarbeit ist: Wir bleiben anonym, unsere Zielpersonen nicht. Wenn etwas in unseren Kommuniqués steht, dann kann man sicher sein, dass wir das für richtig halten. Es muss nicht richtig sein, wo Menschen engagiert arbeiten, passieren Fehler. Aber wir sind auch sehr vorsichtig. Bevor wir etwas veröffentlichen, checken wir alles sehr gründlich im Internet, bis wir wirklich sicher sind.
PPQ: Stellt das Outing von Fleischessern nicht einen indirekten Aufruf zur Ausgrenzung oder sogar zur Gewalt dar?
Jakob: Die Veggie-Szene ist sehr verantwortungsvoll und überlegt sich genau, was sinnvoll ist und was nicht. Totschlagen? Niemals. Das stellte uns ja auf eine Stufe mit den Kannibalen. Wir liefern Menschen nur differenzierte Informationen darüber, wer immer noch Fleisch essen zu müssen glaubt, wer grillt, wer sich Bratwurst reinschiebt oder eben verschämt Gummibären. Wir werfen nicht alle Fleischesser in einen Topf. Wenn jemand kein Gehacktes ist, sondern nur Gebratenes, schreiben wir das auch.
PPQ: Einen Gehacktesessen kann man härter angehen als einen Bulettenfreund?
Jakob: Das habe ich nicht gesagt. Bisher hat es jedenfalls keinen Fall gegeben, in dem einem geouteten Carnivoristen etwas passiert ist, was wir für unangemessen hielten. Wenn am Wohnort der Person warnende Flugblätter an die Nachbarn verteilt werden, finden wir das ausdrücklich gut. Und wenn Zeitungen doer Magazine beim Arbeitgeber eines Geouteten anruft und der dann den Job verliert, freuen wir uns.
PPQ: Sie legen auch peinliche Vorlieben offen. Finden Sie Persönlichkeitsrechte vernachlässigbar?
Jakob: Die Persönlichkeitsrechte von Carnivoristen interessieren uns tatsächlich nur wenig. Andererseits wollen wir aber auch nicht ablenken: Wir outen jemand, weil er ein gefährlicher Tieresser ist, und nicht, weil er Eigenheiten hat, die ihm peinlich sind, also schiefe Zähne oder einen Sprachfehler oder eine Rechtschreibschwäche. das wird genannt, um denjenigen zu treffen. Aber es steht nicht im Mittelpunkt.
PPQ: Aber Sie machen peinliche Details bekannt, weil Sie wissen, dass der Betroffene nun in Freundekreis und von seinen Kollegen verspottet wird …
Jakob: Etwas Zersetzung ist natürlich mit dabei. Aber wir erfinden nichts, sondern teilen nur Dinge mit, die wir belegen können.
PPQ: Geht es Ihnen auch um Einschüchterung?
Jakob: Ja. Wir zeigen mit den Kommuniqués, welchen Einblick wir in die Fleischesser-Szene haben. Und dass wir vielleicht noch viel mehr wissen.
PPQ: Sie schaffen ein Klima der Bedrohung, eine Stimmung, in der jeder damit rechnen muss, dass es auch ihn treffen kann.
Jakob: Das ist der Sinn der Sache. Das Tierwohl verlangt, dass wir mit harten Bandagen zurückfighten. Diese Leute töten, wir verletzen nur.
PPQ: Wie kommen Sie an Informationen?
Jakob: Wir googeln. Oder wir lassen und zu Grillparties einladen und machen dort Fotos. das ist nicht einfach für uns, der Geruch nach totem Tier allein macht depressiv. Oft laden die Leute gerade zu soclhen Parties persönlich ein. Und später fragen sie sich, woher wir das wohl wissen.
PPQ: Macht Ihnen das Sammeln solcher belastender Informationen Spaß?
Jakob: Natürlich. es ist, als würde man in die Haut seines Feindes schlüpfen. Wie die Stasi versuchen wir aber, effizient zu arbeiten. Und uns beim Sammeln von Informationen nicht zu verzetteln. Das Ausspionieren ist kein Selbstzweck. Es geht uns nicht um irgendwelche Trophäen.
PPQ: Arbeiten Sie mit Spitzeln aus der Carnivoren-Szene zusammen?
Jakob: Wir unterstützen keine Fleischesser, indem wir ihnen Geld geben.
PPQ: Sind Sie so etwas wie der Verfassungsschutz?
Jakob: Der Vergleich ist abwegig. Unsere Methoden ähneln sich, aber wir kämpfen für eine gute Sache. Der Verfassungsschutz dagegen verteidigt ein System, das Fleischessen bis heute nicht unter Strafe gestellt hat. Es kassiert sogar Steuern aus der Tötung von Tieren und dem Handel mit sterblichen Überresten.
Anmerkung: Jakob (Name geändert) ist Mitglied der Aktivgruppe "Clean out, come veggie", die von wechselnden Orten aus Fleischesser outet. Ungefähres Alter und etwaiges Geschlecht sind der Redaktion bekannt.