Mittwoch, 31. August 2016

Apple: Die Macht der Kommissare

Ein souveräner Staat ist auch deshalb einer, weil er die Steuerhoheit über sein Staatsgebiet hat. Er legt die Höhe fest, er entscheidet, wann und ob er sie eintreibt. Auch der Beitritt zur EU ändert daran nichts, weil die EU keine Kompetenz hat, in die Steuergestaltung der Einzelstaaten einzugreifen. Die können immer noch bestimmen, wie hoch ihre Steuern sein sollen. Und wann sie sie von wem beitreiben.

Allerdings eben nur rein theoretisch. Denn so wie die EU das Rauchen in Gaststätten, das formal gar nicht in ihren Zuständigkeitsbereich fällt, über einen Umweg verboten hat – in Gaststätten arbeiten Barkeeper und Kellner, die der EU-Arbeitsschutzrichtlinie unterliegen – so greift die EU jetzt über einen Bandenschuss in die Steuerhoheit der Einzelstatten ein. Irland, das Apple als Steuerzahler gewonnen hatte, habe mit der Steuergestaltung für den US-Konzern nicht Steuernachlässe wegen großer Volumina gewährt. Sondern unzulässige Beihilfen, meint das Brüsseler Kommissariat. Das zufällig nicht für Steuern, aber für Beihilfen zuständig ist.

Das kann so richtig sein, muss aber nicht. Wäre aber in jedem Fallein Streit zwischen der selbsternannten Europaregierung in Brüssel und der irischen Administration in Dublin. Diese beiden haben einen Vertrag miteinander, über dessen Auslegung sie sich nun einigen müssten. Nicht einigen müsste sich hingegen Apple mit Brüssel, weil Apple mit Brüssel nur über Dublin zu tun hat.

Theoretisch. Praktisch will die EU-Kommission der irischen Regierung aber nicht nur vorschreiben, wie sie ihre Steuerpolitik zu gestalten hat. Sondern auch, dass sie von Dritten zu wenig gezahlte Steuern rückwirkend auf 13 Jahre nachträglich einziehen muss. Der Rechtsgrundsatz, dass jeder – auch jede Firma - darauf vertrauen können muss, dass ihm ein rechtmäßiges Handeln nicht zu einem späteren Zeitpunkt nachteilig angelastet wird, findet sich damit von höchster europäischer Ebene ausgehebelt. Von der deutschen Presse kommt lauter Jubel: "Damit erreicht der Kampf gegen Steuerhinterziehung und Steuervermeidung ein bisher unbekanntes Niveau", applaudiert die SZ.  "Die EU-Kommission verdonnert den US-Konzern jetzt zu einer Nachzahlung von 13 Milliarden Euro", teilt  der "Spiegel" freudig erregt mit. Geklärt werden müsse laut SZ nur noch: "Wer bekommt das zusätzliche Geld?"

Geld, das es nach einem deutschen Verfassungsgerichtsurteil nicht geben kann. Das höchste deutsche Gericht jedenfalls hatte festgestellt, dass eine nachträgliche Besteuerung von „bereits entstandenen, steuerfrei erworbenen Wertzuwächsen“ nicht durch „die bloße Absicht, staatliche Mehreinkünfte zu erzielen“ gerechtfertigt werden kann. Treu und Glauben. Rückwirkungsverbot. Legale Steuergestaltung im Rahmen geltender Gesetze.

Ist das also der europäische Konter wegen der Diesel-Affäre? Ist es ein Teil der europäischen Rückabwicklungsbemühungen der neoliberalen Globalisierung, die nach dem Wahlkämpfer Sigmar Gabriel auch die wahlkämpfer in Frankreich nicht mehr haben wollen?

Die EU stellt sich gegen Irland, damit gegen Apple und gegen die USA. Irland dagegen stellt sich gegen die EU. Und Fakt ist: Es riecht nach Wirtschaftskrieg.


4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

In Brüssel wurde ein Furz gelassen, und es fallen nicht alle Iren auf die Knie und danken der Heiligen Kommission für die Erleuchtung und Anleitung, sondern zweifeln rotzfrech an der Allweisheit Brüssels. Was ist denn bloß in Irland los.
Vielleicht verliert ja eine Administration, die ihre eigenen Gesetze nur dann durchsetzt, wenn es ihr in den Kram passt, ein wenig von ihrer Strahlkraft.

ppq hat gesagt…

wenn das allgemein bekannt würde, bliebe nur noch auf der spruch: "es gibt den befürwortern des brexit nachträglich recht"

Gernot hat gesagt…

Das erläuterte Prinzip lässt die (Wieder)-Einführung rückwirkenden Strafrechts befürchten, wie bei der Todesstrafe in der Türkei oder bei den Nürnberger Prozessen.

Argonautiker hat gesagt…

Die Sache mit der Souveränität. Staaten haben sie angeblich. Konzerne wollen so behandelt werden als wären sie es, nur der Mensch ist rechtlich ein Arsch.

Wie kann das sein? Ein Mensch hat eine eigene Wirklichkeit, ein Staat nicht. Wie kann etwas, was keine eigene Wirklichkeit hat, vom sogenannten Gesetz her, mehr Rechte haben, als der Mensch der eine eigene Wirklichkeit hat? Wie kann ein Staat, der durch den Menschen erzeugt wird, mehr Rechte erhalten als der Mensch selbst?

Das geht nur mit Betrug. Betrug ist etwas, was in Wirklichkeit nicht so ist.

Kein Wunder, wenn Konzerne, die ebenso keine eigene Wirklichkeit haben, sondern meinen ihre Rechte aus der Wirklichkeit der an ihnen beteiligten Menschen ziehen zu dürfen, ebenso gerne betrügen wollen.

Der Mensch sollte seine Souveränität wieder an sich binden, und sie nicht so schnell an Staaten und Konzerne abtreten. Das würde einiges ändern.