Samstag, 25. Juni 2016

Brexit: Fünf grausame Lehren aus dem EU-Referendum

Erste Beschlüsse nach dem Brexit: Eigennutz vor Gemeinnutz!
Statt für Europa zu kämpfen, hat die europäische Elite sich in ihrer Brüsseler Wagenburg verschanzt und allein David Cameron den Kampf überlassen. "Wenn wir uns melden, entscheiden sich nur noch mehr Menschen für den Brexit", hieß es in der EU-Kommission. 

Die politische Kultur ist kaputt, weil die Führer Europas um ihre Unbeliebtheit wissen. Der Ruf nach Information statt Propaganda blieb ungerufen, die Medien setzten durchweg auf die Angstkarte. Und jetzt?


Von Heinz Heikel, London

Erstens: Lügen, verdammte Lügen … und Demokratie?

Es waren grauenhafte Wochen, verlogen und bösartig. Beide Seiten waren unaufrichtig und versuchten, den Menschen in Großbritannien und auf dem Kontinent Angst zu machen. Der Respekt vor den Wählern ging vollkommen verloren. Den wahrhaftigen Umgang mit Fakten schüttelten die Wahlkämpfer ab wie einen lästigen Mantel – es wurde unverfroren gelogen wie in allen Wahlkämpfen, nur dass hier die meisten Lügen nicht geglaubt werden mussten,  um zu wirken. Zahlenspiele, Türkeibeitritt, Gurkenkrümmung – das Image der EU ist so schlecht, dass ihr alles zugetraut wird, Hauptsache es ist unsinnig. Die Wähler bekamen einen Wahlkampf aus der Schule des populistischen Demagogen präsentiert, der an Instinkte appelliert und den kritischen Intellekt verbannt – deutsche Medien arbeitet in diesen Wochen, als seien sie berufen, den Briten Europaliebe beizubringen.

Zweitens: Irgendwas schadet immer dem Land

Der Grund für das Referendum war weder die EU noch das britische Volk, sondern die Zerstrittenheit der Konservativen Partei und die Unfähigkeit ihres Parteichefs, den Streit zu schlichten – so die Lesart der Europafreunde. David Cameron gilt hier als Schuldiger dafür, dass es überhaupt ein Referendum gab. Die EU hätte lieber mit einer Mehrheit EU-hassender Briten in der Union weitergemacht als mit einer EU ohne Briten. Wie konnte es kommen, dass der Plan scheiterte? Die EU wird regiert von Männern, die sich als Elite fühlen. Sie schieben sich gegenseitig Posten zu, besprechen selbst Postentausch in „Hinterzimmern“ (Gabriel), regieren mit Notverordnungen und schieben jede Pleite ihrer Versuche, sich noch mehr Macht von Bufett zu nehmen, den nationalen Regierungen zu.

Drittens: Gespalten, zerrissen, Brüssel

Europa ist sich nicht grün, leidet unter einer Wirtschaftskrise, die inzwischen länger dauert als der Zweite Weltkrieg. Grundschüler kennen ihren Heimatkontinent inzwischen nur so, so lange sie leben, war es nie anders. Großbritannien dagegen wuchs zuletzt, es hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einem Raumschiff entwickelt, das isoliert vom Rest der Union flog. Man fährt dort andersherum, wächst andersherum, hat Rabatte auf den EU-Beitrag ausgehandelt. Der materielle Graben korrespondiert mit einem Bildungsgraben. Sieben Prozent aller Schüler in Großbritannien besuchen eine Privatschule. In den hochbezahlten Jobs in der Londoner City, in den Spitzenmedien (von BBC bis Guardian) und mittlerweile auch in der Regierung sind die Absolventen von Privatschulen oft in der Mehrheit vertreten – das vertieft den Graben zum restlichen Europa, das auf staatliche Schulen und seine Parlamente am gern mit Berufsstudenten setzt.

Viertens: Die Feigheit vor dem Feind

Polterer wie Nigel Farage – ein von deutschen Medien früh als rechtspopulistischer Mistkerl gebrandmarkt – rissen den Mund auf. Die EU-Spitzen aber schwiegen. Weder der beliebte Deutschnationalist Martin Schulz noch Elmar Brok oder der von eigener Hand von jeder Schuld an nationalen Alleingängen freigesprochene EU-Kommissionschef Juncker wagten es, aus der Deckung zu kommen und für Europa in die Bütt zu gehen. Still und leise warteten sie in ihrer Brüsseler Wagenburg ab, ob es Cameron gelingen würde, mit einer großen Angstkampagne genug Wähler zu überzeugen, dass ein als lästig empfundener Verbleib in der Union immer noch besser sei als ein ungewisses Schicksal als souveräner Staat. Es war dieser Kleinmut, der auch als Feigheit vor dem Feind begriffen werden konnte, der den Wählern in Großbritannien klarmachte, dass nicht einmal mehr die Spitzen der EU an die gemeinsame Union glauben. Warum hätten es die Briten tun sollen?

Fünftens: Europa verzeiht nie

Die Menschen auf dem Kontinent sind es gewohnt, Briten als komische Gestalten wahrzunehmen, die zu viel trinken, schnell rot werden und nie braun, die glauben, sie hätten Hitler besiegt und deren Autos klappern und schnell kaputtgehen. Die Briten dagegen sehen den Kontinent als deutsches Projekt siehe: Der Hades-Plan, als einen erneuten Versuch der Deutschen, die Kontrolle über den Kontinent zu erlangen. In zwei Kriegen gelang das nicht, in einem EU-Frieden aber, so scheint es von London aus gesehen, droht die deutsche Dominanz für alle Zeiten. Die drolligen Außenseiter Europas mögen diese Zukunftsaussicht gar nicht, auch wenn sie verbrämt wird mit Versprechen, Rabatten und Zusicherungen, dass das alles nur gut gemeint sei. Während die Eliten auf dem Festland sich gegenseitig versichern, sie seien entschlossen, „kleingeistigen Nationalismus zu überwinden“, denken die Briten nicht im Traum daran, tausend Jahre eigener Geschichte auf dem Altar einer Verordnungsbürokratie von deutschen Gnaden zu opfern.


3 Kommentare:

derherold hat gesagt…

Neuer Vorwruf in der Illustrierten: Spalter

Demnächst kommen noch Diversanten und Saboteure
(Heribert P. hat ja schon "Steuervermeider" als neue Kulaken entdeckt)

ppq hat gesagt…

wir werden ihnen keine träne nachweinen!!!!

derherold hat gesagt…

FinanhaiTimes als Gründe (u.a.):

- If Johnson had backed Remain
- If Tony Blair had taken a more restrictive approach to eastern European immigration
- If Jeremy Corbyn had inspired Labour voters to back Remain
- If the EU had not been wracked by crises