Montag, 31. August 2015

Jesus war nicht Facebook: Jedes Wort ist eine Tat

Hassbotschaften wie diese sollen ausgemerzt werden.
Es war ein wichtiger Vorstoß, den Justizminister Heiko Maas da unternommen hat, um den US-Konzern Facebook zu zwingen, sogenannte „Hass-Kommentare“ zu löschen. Da nach einem Gutachten, das der Meinungswissenschaftler Haznain Kazim für den „Spiegel“ erstellt hat, „jeder Satz eine Tat“ ist, entspricht jede Bezeichnung eines Menschen als "empathieloses Pack", das sich "verpissen" soll, weil es "zum kotzen" sei, einem „verbalen Gewaltakt“.

Vorbei die Tage, als Lieder noch davon sangen, dass Wind alle Worte fortträgt, und die braune NSU-Bande die "Tat" als einzige Form des rechten Widerstandes rühmte. Heute ist das Wort sich schon Tat genug.

Und es gehört deshalb bestraft, mit „aller Härte“, wie SPD-Chef Sigmar Gabriel kürzlich festgelegt hat. Dabei darf allerdings beim ausgesprochenen Gedanken nicht halt gemacht werden. Wichtig sei es vielmehr, nach den abendländischen Tradition des Prinzips der Inneren Sünde (Römer 6,14 EU) bereits das reine Denken von gewalttätigen Gedanken oder Vorstellungen, die Erinnerung an bereits begangene Gewalttaten und die Sehnsucht nach Gedanken an verbale Gewaltakte streng zu sanktionieren.

„Es gibt kein Recht auf Facebook“, hat Christopher Lauer in der „Welt“ ebenso klar wie rätselhaft beschrieben. Man könne „der Intoleranz nicht mit Toleranz begegnen“, wie das Jesus einst tat, als er Sünder willkommen hieß und mit ihnen aß (Lukas 15:2).

Facebook aber ist nicht Jesus, Facebook ist ein privatwirtschaftliches Unternehmen, das die Meinungsfreiheit nach Belieben einschränken kann, ohne dass dies zu einer Einschränkung der Meinungsfreiheit führt, weil diese durch das Grundgesetz grundsätzlich immer garantiert wird, hat Lauer herausgefunden. „Facebook greift ständig in die Sichtbarkeit und Verfügbarkeit von Inhalten auf seiner Plattform ein“, heißt es in der "Welt". Deshalb könne die Plattform das doch künftig auch gut im Auftrag des Staates und nach dessen Vorgaben tun.

Kritiker, die das anders sehen, leben in einer verkehrten Welt, in der grenzwertige Kommentare grenzwertige Kommentare sind, aber eben keine Gewalttaten. In der verbal geäußerter Hass auf Andersdenkende, Andersaussehende und Andersglaubende sich unterscheidet von handgreiflich verwirklichtem Hass, so wie der nach der Verhängung eines zweiwöchigen Hausarrests gegenüber der Mutter geäußerte Gedanke einer 15-Jährigen„ich wünschte, Du wärst tot“ eben nicht direkt zu einer Mordanklage führt.

Noch nicht. Maas, Gabriel, Kazim und Lauer arbeiten allerdings daran, das zu ändern. Äußerungen, die durch Zugespitzung Konflikte schüren und Zwistigkeiten betonen, sollen nach den aktuellen Plänen der Bundesregierung künftig behandelt werden wie körperliche Händel: „Ich hau dir auf Maul“ würde als Körperverletzung bestraft, „ich wünschte, du fällst tot um“ als Totschlag.

In einer vom Bundesblogampelamt noch zu erstellenden Selektorenliste werden die einzelnen Verbalverbrechensbestände in den nächsten Wochen noch konkretisiert. So herrscht derzeit offenbar noch Unklarheit darüber, wie mit derzeit noch erlaubten Beleidigungen umgegangen werden soll. Fest steht, dass es bei der Umsetzung der neuen Beschlüsse für jeden anständigen Deutschen darauf ankommen wird, bürgerschaftliches Engagement bei der Zusammenarbeit mit den Behörden zu zeigen, um renitente Hassäußerer zu melden.

Eine entsprechende Meldepflicht, die das das Unterlassen von Meldungen von Hassbotschaften selbst zur Straftat macht, soll vorerst noch nicht in das neue „Gesetz über die Bewährung bei Gedankenverbrechen“ aufgenommen werden. Dies bleibe einer späteren Stufe vorbehalten, die nach einer Evaluierung der neuen Vorschrift in Kraft treten könne, hieß es im politischen Berlin.

Abschied vom Ewigen: Sven schon, denn schon

Es ist eine der frühen Sichtungen des Sven Köhler in Halle: Ein Mann in dicker Wattejacke sitzt auf einer Bank, er schaut aufs Spielfeld und er wirkt ratlos. Gera heißt der Gegner an diesem Dezembertag im Jahr 2007. Sven Köhler ist seit fünf Monaten Trainer in Halle, und er bekommt noch immer keine Linie in seine Mannschaft. In der stehen erfahrene Spieler wie Kevin Kittler, David Bergner, Michel Petrick und Maik Kunze, aber zum Ende des Anfangs einer Ära, die schließlich mehr als acht Jahre dauern wird, ist noch nicht zu bemerken, dass sein Team mit 50:21 Toren und 60 Punkten direkt aus der Oberliga Nordost/Staffel Süd in die Regionalliga führen wird.

Der Chemnitzer, als Nachfolger einer langen Reihe von Missverständnissen von Dynamo Dresden geholt, war ein bescheidener Arbeiter im Weinberg des Fußballgottes. Bescheiden war sein Auftreten, bescheiden sein Sprachschatz, zu bescheiden aber waren in den letzten Monaten und Jahren vor allem seine Ansprüche. Köhler schien stets mit dem zufrieden, was ihm Manager und Präsident an Möglichkeiten boten. Anfangs machte er daraus zuverlässig mehr als erwartet werden konnte. Später aber verstärkte sich der Eindruck, als könne er das, was er kann, nicht mehr können.

Ruhig am Rande: Köhler und Strozniak 2008.
Acht Jahre hielt die Ehe zwischen dem Fußball-Handwerker aus Freiberg und dem gefühlten Scheinriesen von der Saale. Auf den ersten Aufstieg folgte der zweite, Spieler kamen und Spieler gingen, kaum dass sich die Älteren auf den Tribünen noch an ihre Namen erinnern. Köhler aber blieb, durch Berge und Täler.

Köhlei, wie sie ihn nannten, hat vor ein paar Dutzend Zuschauern gegen Jena gecoacht und im Exil in Halle-Neustadt, er ist von Gagelmann verpfiffen worden und steckte über Jahre hinweg in Geiselhaft bei einer selbsternannten Fußball-RAF. Er hat Punkte am grünen Tisch verloren, sich eine Abwehr gebaut, die fast tausend Minuten am Stück ohne Gegentreffer blieb. Und als es nicht mehr ganz so gut lief, reichte es immerhin noch, beste Auswärtsmannschaft zu werden. Heute stehen in der Kurve Fans, die niemals einen anderen Trainer auf der HFC-Bank haben sitzen sehen.

Sie werden sich umgewöhnen müssen. Als Sven Köhler im Spiel gegen Preußen Münster nach 84. Minuten zum ersten Mal wechselte, schrieb der 49-Jährige damit vermutlich sein Kündigungsschreiben. Köhler brachte, nachdem ein 1:0-Vorsprung sich in ein 1:3 verwandelt hatte, zwei Abwehrspieler. Als wollte er das schmähliche Ergebnis nun wenigstens halten.

Acht Jahre früher: Sven Köhler ratlos gegen Gera.
Mag sein, der Fußballlehrer, der nie ein "moderner" Medientrainer war wie Jürgen Klopp, setzte auf die Kopfballstärke von Wallenborn und auf die Flanken von Baude. Kann sein, er hatte irgendeine andere geniale Idee. Was draußen ankam, war Konfusion, wie sie schon zum Ausdruck kam, als vor der Saison immer neue Torleute und Abwehrspieler eingekauft wurden - fünf insgesamt. Während die bekannt anämische Offensive mit Verstärkungen aus dem Lazarett und zwei dazugeholten Teilzeitspielern aus Aue und Dresden auskommen musste. Nach sechs Spieltagen und fünf Niederlagen steht die siebtteuerste Mannschaft der Liga im Ergebnis auf Platz 19 der Tabelle. Und daran muss nun  der "Svennie", wie er halb liebevoll, halb nachsichtig genannt wurde, schuld sein.

Jeder sieht, da stimmt etwas nicht. Köhlers Auswechslungen an seinem letzten Tag im Halle-Dress sind nur ein Signal, dass dieser dienstälteste deutsche Trainer nicht mehr weiß, was er tun soll. 24 Stunden später hatte das Präsidium des Halleschen FC den Weggefährten von fast 3000 gemeinsamen Tagen durch drei Ligen, zwei Aufstiege, Pokalsiege, unvergessliche Derby-Sekunden und drei aufeinanderfolgende jeweils schlechteste Saisonstarts freigestellt. 

Ein Ende mit Schrecken. Sven schon, denn schon. Der Neue steht schon in den Startlöchern: Nach HFC-Logik, die auf Nähe und Vertrautheit setzt und Experiment scheut, wird es Dirk Wüllbier, 49 Jahre alt, geboren in Aschersleben und zuletzt bei Kardemir Karabükspor in der türkischen Süper Lig. Zwischen 1985 und 1992 war er aktiv als Spieler beim HFC.

Sonntag, 30. August 2015

HFC: Tief drunten, im Loch

Schiedsrichter Heft schickt HFC-Manager Kühne auf die Tribüne.
Nach seinem zweiten Saisontreffer ahnte Timo Furuholm wohl schon, wie das alles noch kommen würde, an diesem spätsommerlichen Sonnennachtmittag in Halle. Halb erleichtert, halb wütend trat der 27-jährige Finne in die Werbebande: Tor! 1-0 für den Halleschen FC, der wie jedes Jahr im August auch in diesem wieder alles tut, um die Tabellentiefen bis ganz nach unten zu durchtauchen.

Fünf Spiele bis hierher, vier Niederlagen. Der schlechteste Saisonstart seit dem letzten schlechtesten Saisonstart. Und immer unglücklich verloren, musste nicht sein, hätte, wenn und aber, zuletzt in Dresden, wo ein mutig aufspielender HFC bis zur 85. Minute einen 2:1 Vorsprung hielt. Um dann doch noch 3:2 geschlagen nach Hause zu fahren.

Gegen Preußen Münster, im Frühjahr humorlos mit 3:0 abgefertigt, signalisiert Furuholms Tor nach 34. Minuten die Rückkehr zum Fußballalltag, wie ihn die Kurve wünscht. Auch mal siegen! Münster, begleitet vomn einem dauertrommelnden Anhang, der bis dahinkaum eine vielversprechende eigene Aktion gesehen hat, steht unter dem, was der HFC-Fan Dauerdruck nennen würde. Und alles rochiert nach kaum nachvollziehbaren Regeln: Rau tauscht seinen Verteidigerplatz auf der rechten Seite mit Pfeffer, Pfeffer tauscht mit Bertram auf links, Kruse fällt in die Abwehr zurück und Furuholm überholt den vormn ihm postierten Osawe.

Schön anzusehen, wenn auch brotlos, sieht man vom Tor ab und von zwei Pfeffer-Schüssen und einem Osawe-Kopfball. Gegen einen schwachen Gegner, wie es die einstige Spitzenmannschaft aus Münster heute ist, müsste das allerdings reichen.

In einer gerechten Welt. In dieser hier aber hat die Liga einen jungen Mann namens Florian Heft als Schiedsrichter eingesetzt. Heft ist Münsterländer, Heft scheint auch Fan der Grün-Schwarzen zu sein. Denn als sich die 5200 auf den Rängen und die Spieler auf dem Rasen bereits darauf eingerichtet haben, dass hier keinzweites Tor, aber sicher auch kein Ausgleichtreffer fallen wird, greift Hecht ein. Bei einem halleschen Angriff steigt ein Münsteraner Verteidiger Osawe mit seiner ganzen Körperlichkeit auf den Rücken.

Doch statt abzupfeifen, lässt Hecht weiterlaufen. Ein langer Ball erreicht Reichwein, den Preußen-Trainer Ralf Losse kurz zuvor eingewechselt hat. Ausgleich.


Halle hadert jetzt mit dem Schiedsrichter, der bis dahin schon strikt gegen die Heimmannschaft gepfiffen hatte. Ein Viertelstunde noch versucht der HFC über Furuholm, Bertram und Rau, der im HFC-Dress noch nie so offensiv gespielt hat wie heute, erneut in Führung zu gehen. Aber dann, nach einem harmlosen freistoß an der Mittellinie dreht sich das Spiel endgültig. Der Freistoß selbst fliegt harmlos über alle hinüber, Fabian Bredlow fängt ihn sicher. Und Heft pfeift Elfmeter.

Mehmet Kara macht den sicher rein, der Hallesche FC, dessen Manager inzwischen von der Bank auf die Tribüne verbannt worden ist, hadert und zetert nur noch mit einem Spiel, das ihm augenscheinlich komplett aus der Hand genommen wurde. Furuholm meckert, Engelhardt schimpft. Die taktische Ordnung ist jetzt originell: Mit Pfeffer, Furuholm, Kruse, Osawe und Bertram stehen gleich fünf Spieler bei eigenem Ballbesitz auf einer Linie in der Münsteraner Hälfte.

Florian Heft ist der Chef.
Das ist natürlich nichts. Was Osawe abtropfen lässt, haut irgendein Mann in grün-Schwarz raus. Von hinten rücken sie auf und geht dann ein Ball erneut verloren, brennt es wie in der 81., bis zu der im halleschen Lager die Hoffnung auf ein Remis brennt. Doch dann kommt Reichwein, dreht sich einmal um den neuen HFC-Verteidiger Jonas Acquistapace und schießt zur Endstand von 1:3 an Bredlow vorbei.

Immer noch ist die HFC-Bank im Koma. Trainer Sven Köhler hat weder auf die zwei Einwechslungen der Preußen reagiert noch auf den Ausgleich noch auf den Rückstand. Erst jetzt regt sich was - und wie. Mit Brügmann und Rau müssen die beiden Außenverteidiger gehen, für die kommen positionsgerecht Baude und Wallenborn. Auch Pfeffer wird ersetzt, für ihn spielt nun - positionsgerecht - Selim Aydemir.

Das muss höhere Trainingswissenschaft sein, vielleicht ist es aber auch klugen Köhler-Kalkül. Immerhin hat der HFC das Spiel in Dresden erst in den letzten fünf Minuten verloren, das soll diesmal wohl nicht passieren. Grafik links: @rifter

Der Plan geht auf. In den letzten fünf Minuten passiert nichts Bedeutsames mehr, die Zeit tickt so runter, der Hallesche FC versinkt geschockt erneut im Tabellenkeller. Sechs Spiele, ein Sieg, fünf Niederlagen, dabei nur sieben Tore geschossen und zwölf kassiert. Viermal geführt und das Spiel dreimal doch noch aus der Hand gegeben. Das ist noch mal schlechter als vergangenes Jahr, als zum selben Saisonzeitpunkt sieben Punkte zu Buche standen. Es ist auch schlechter als in der Saison davor, als es sechs waren. Und schlechter als in der Drittliga-Debütsaison, als nach sechs Spieltagen elf Punkte gesammelt waren, ist es sowieso.

Keine guten Zeiten für Optimisten.




Mann aus Sachsen kämpft in USA um Asyl

"Jeder Mensch hat ein Recht darauf, einen Antrag auf Asyl zu stellen", sagt Lutz B., "den Begriff ,Asylmissbrauch´ gibt es nicht." B., 42, Dreitagebart und raspelkurzes Haar über den Ohren, kämpft derzeit in den USA um sein Recht, als erster Sachse als Flüchtling in den USA anerkannt zu werden. Dafür habe er in Boston eine Aussetzung der bevorstehenden Ausweisung beantragt, berichtete Radio WJFG. B. argumentiert, dass er sich nach Gründung einer Facebook-Gruppe im vergangenen Jahr in Deutschland individueller Verfolgung durch staatliche Behörden und Medien ausgesetzt sieht. Er könne sich wegen der Nachstellungen seines Lebens in seiner Heimat Dresden nicht mehr sicher sein und sein Leben auch nicht mehr nach seinen eigenen Vorstellungen leben. Mit dieser Begründung hatte er für sich, seine Frau und die drei Kinder beim US-weit zuständigen Service Center in Lincoln, Nebraska, Asyl beantragt.

Unterstützung bekommt Lutz B. nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland. Die Juso-Hochschulgruppen machen sich dafür stark, dass B. in den Vereinigten Staaten bleiben darf. "Keine Person darf verpflichtet werden, ein Land zu verlassen oder wieder gezwungen werden, in ihr Herkunftsland zurückzukehren", argumentieren die Jusos. Deshalb fordere man ein generelles und dauerhaftes Bleiberecht für Flüchtlinge.

Die USA haben die Gewährung von Asyl allerdings derzeit auf 50.000 Personen im Jahr begrenzt, dass Deutsche den Asylstatus gewährt bekommen, ist die seltene Ausnahme. Im Gegenzug hatte sich die Bundesregierung verpflichtet, US-Bürgern kein Asyl zu gewähren, auch wenn Verfolgungsgründe offensichtlich vorliegen.

Lutz B., der mehrfach mit dem Gesetz in Konflikt geriet, wegen Drogenhandels verurteilt wurde und sich noch vor Haftantritt nach Südafrika absetzte, ehe er später doch noch ins Gefängnis ging, betrieb in Deutschland eine Foto- und Werbeagentur, trat dann aber bei islamfeindlichen Demonstrationen auf und geriet wegen seiner Wohlwahl in öffentlichen Facebook-Einträgen ins Visier der Staatsanwaltschaft. Darin hatte er unter anderem betont, dass der Staat verpflichtet sei, "zu verhindern, dass Familienväter und -frauen arbeitslos werden, weil Fremdarbeiter zu niedrigen Löhnen ihnen die Arbeitsplätze wegnehmen“.

In einem Gutachten hat das zuständige Bundesamt für die Verfolgung von Flüchtlingen Lutz B. einen positiven Bescheid mitgegeben. "Politisch ist eine Verfolgung dann, wenn sie dem Einzelnen in Anknüpfung an seine politische Überzeugung, seine religiöse Grundentscheidung oder an für ihn unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein prägen, gezielt Rechtsverletzungen zufügt, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen", heißt es da. Zwar stelle nicht jede negative staatliche Maßnahme eine asylrelevante Verfolgung dar. Doch Ausnahmen gelten, "wenn die nichtstaatliche Verfolgung dem Staat zuzurechnen ist oder der nichtstaatliche Verfolger selbst an die Stelle des Staates getreten ist".

Zustimmung kam von Linken und Grünen. „Es gibt keine Flüchtlinge erster und zweiter Klasse", betonte der brandenburgische Landes-Vizechef der Linken, Sebastian Walter. Die Grünen-Innenexpertin Ursula Nonnenmacher sagte, eine restriktive Asylpolitik dürfe nicht zum Maßstab werden. "Gerade angesichts steigender Asylzahlen verbietet es sich, Stimmung gegen Flüchtlinge zu machen", warnte auch die innenpolitische Sprecherin der
Linksfraktion, Ulla Jelpke.

Samstag, 29. August 2015

Hades-Plan: Deutschland, der bescheidene Dominator

Über Jahre hinweg war es das am besten gehütete Geheimnis des neuen Europa, als "Verschwörungstheorie" verleumdet und als "Stasi-Erfindung" verleumdet. Obwohl harte Fakten und unwiderlegbare Beweise für die tatsächliche Existenz des geheimnisumwitterten Hades-Planes sprachen, mühten sich die Leitmedien einhellig, dem Gespenst eines "deutschen Europa" mit allerlei mit allerlei Tünche und witziger Kostümierung seinen Schrecken zu nehmen.

Das Eingeständnis kommt jetzt, vier Jahre nach der Enthüllung, dass der Hades-Plan existiert und seit inzwischen zweieinhalb Jahrzehnten konsequent umgesetzt wird. Stefan Kornelius, bei der "Süddeutschen Zeitung" über Jahre hinweg mit der Aufgabe betraut, die Machtmechanismen hinter den Kulissen zu deverbalisieren, spricht nun, offenbar nach einer von oben angeordneten Strategiewende, Klartext.

"Deutschland ist Europas führende Macht, daran führt kein Weg vorbei", schreibt der Beirat der Bundesakademie für Sicherheitspolitik, dessen enge Vernetzung mit Thinktanks und politischen Eliten von Berlin bis Washington zuletzt in der Sendung "Die Anstalt" thematisiert worden war.

Wenn Kornelius fordert, Deutschland müsse "also einen Weg finden, mit dieser Macht umzugehen, ohne Europa zu zerstören", dann ist das eine Forderung, die die USA in Richtung Berlin aufmachen. Infolgedessen wirft Stefan Kornelius denn auch einen "Blick auf die USA", auf dass sich Deutschland daran orientiere, wie sich "Imperialismus, Diktat, Unterdrückung, Knechtschaft, blindes Machtstreben, ökonomische Folter" anwenden lassen, ohne dass das ihnen ausgesetzte Gegenüber sich darüber beklagt.

Verbrämt als "Kritik an der deutschen Dominanz" finden sich hier Handlungsanweisungen, wie ein "machtbesoffener Hegemon" (Kornelius) seine "enorm potente politische Kraft" einsetzen kann, ohne sich die von ihm beherrschten Völker zum Feind zu machen. Frank Steinmeier, der als Deutschlands Außenminister berufen ist, Europa zu führen, setzt auf "politischen Druck", um dem Kontinent Richtung und Leitplanken zu geben. Und erntet harsche Kritik: Als "wohlmeinende Führungsnation" müsse Europas künftige Führungsmacht auftreten, so Stefan Kornelius, stets gelte es, öffentlich mit "Herrschaftsfantasien" (Kornelius)  zu fremdeln und den eigenen Unwillen am Führen mit ausgestellter Zögerlichkeit und Bescheidenheit zu betonen.

So gelinge es, "Erschütterungen zu vermeiden, den Laden zusammenzuhalten, Verbündete zu suchen, Zeit zu gewinnen". Bis das Ziel der Hades-Planer endlich erreicht ist: "Lieber das ganze Europa ganz als das halbe Deutschland halb".

Freitag, 28. August 2015

Neues vom Pack: Absage an Absage

Ist es ein erstes Einlenken? Von der falschen Seite? Reichen die alten und neuen Nazis, die Verschwörungstheoretiker, Reichsbürger und Ausländerfeinde ihrer Bundesregierung die Hand? Oder hat der Druck, den die gesamte organisierte Öffentlichkeit zunehmend ausübt, die renitenten Abweichler, Nörgler, Hetzer und Hasser nun endlich doch überzeugt, dass es kein bisschen deutsch ist, sich gegen die Führer der Nation zu stellen?

Die Gründe sind offen, das Ergebnis aber ist klar: Die Facebook-Gruppe Schnauze voll von der BRD GmbH Pseudostaat-Regierung hat auf die Forderungen von Justizminister Heiko Maas nach einer Löschung rassistischer Facebook-Einträge zur Sicherung der gesamtstaatlichen Stabilität reagiert. Und den geplanten Boykott der Bundestagswahl im Jahr 2017 abgesagt.

Aufatmen in Berlin, wo Kanzlerin Angela Merkel derzeit ausschließlich damit beschäftigt ist, die abwechselnd aufbrechenden Krisenherde abwechselnd kurzzeitig auszutreten. Ein Tanz auf Vulkanen, den die Hamburgerin dank professionell flankierender Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit bislang routiniert meistert. Doch ein endgültiges Einlenken der Hetzer, Verschwörer und Rechtspopulisten ist das neue Ja zur Wahl nicht. "Wir werden nicht nur politisch vergiftet, sondern auch durch unsere Nahrung, Kosmetik, Kleidung, Mediz Produkte und auch v Zahnpasten..."

Das Ende ist offen.  Der Kampf geht weiter.

Zensurvorwürfe: Gendertalk wird nachgestellt

Nach dem Aufschrei wegen einer aus der WDR-Mediathek gelöschten Aufzeichnung einer Talksendung mit Frank Plasberg reagiert der kritisierte Sender mit einer ungewöhnlichen Maßnahme. Wie "Bild" und Morgenpost übereinstimmend berichten, wird Moderator Plasberg im September noch einmal mit denselben Gästen wie im Frühjahr über die Gleichstellung von Frau und Mann diskutieren. Die Sendung mit dem Titel "Nieder mit den Ampelmännchen - Deutschland im Gleichheitswahn?" war nach Kritik von mehreren Frauenverbänden - darunter die Landesarbeitsgemeinschaft der GleichstellungbeauftragtInninnen - vom WDR aus der Mediathek entfernt worden, weil sie Verdacht erregt hatte, Geschlechterforschung und Gleichstellungspolitik lächerlich zu machen.

Die Entfernung der "wenig gelungenen "Hart aber fair"-Ausgabe" (Der Spiegel) hatte wiederum Kritik von Frauenhassern und Genderverweigerern erregt. Fernsehdirektor Jörg Schönenborn sah sich dadurch zur Entscheidung genötigt, dass das Thema noch einmal aufgegriffen werden soll. Nach einem Bericht der "Bild"-Zeitung soll dabei dieselbe Runde noch einmal zusammenkommen wie bei der Premiere im März.

Demnach haben alle Teilnehmer bis auf den im Urlaub weilenden Grünen-Politiker Anton Hofreiter bereits zugesagt. Entscheidender Unterschied: Die Diskutanten - darunter der FDP-Vize Wolfgang Kubicki und die Rammstein-Gattin Sophia Thomalla - werden diesmal nicht frei sprechen, sondern gescriptete Dialoge vortragen, die zuvor von führenden Frauenverbänden auf Korrektheit gegengelesen worden sind.

Der WDR wollte sich gegenüber "Bild" zunächst nicht äußern und verwies auf den Planungsprozess der Sendung. Richtig sei jedoch, dass führende Frauenrechtlerinnen gebeten worden seien, für die TeilnehmerInnen Manuscripte zu erarbeiten, die "seriöse Positionen zur Frage der Gleichstellung von Mann und Frau und allen weiteren Geschlechtern" aufgreifen.

Einen großen Teil der Dialoge werde die mit dem Grimme-Award für Sexismus ausgezeichnete #aufschrei-Erfinderin Anne Wizorek liefern. Weil Moderator Frank Plasberg zuletzt "manipulative" Fragen vorgeworfen worden waren, sollen diesmal die anerkannte Frauenrechtlerin Alice Schwarzer die Fragen ausarbeiten, die in der Sendung diskutiert werden. Damit hofft der WDR, der zuletzt geäußerten massiven Kritik an der Talkshow begegnen zu können.

Donnerstag, 27. August 2015

Zitate zur Zeit: Eine Lösung, die nicht zu Lösungen führt

Am 21. Juli hat das Meinungsforschungsinstitut Allensbach die Ergebnisse einer Befragung von 500 Führungskräften aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung zum Thema „Migrationspolitik“ vorgestellt. Ein Ergebnis sticht hervor und lässt aufhorchen:

- Auf Frage 1 „Kann Deutschland mehr Flüchtlinge aufnehmen?“ antworteten 78% mit „Ja“ und 20% mit „Nein“.
- Auf Frage 2 „Ist das Problem der Flüchtlingsströme aus Afrika in absehbarer Zeit lösbar?“ antworteten 77% mit „Nein“ und 22% mit „Ja“.
- Auf Frage 3 „Lassen sich durch Ausweitung legaler Einwanderung Schlepperbanden erfolgreich bekämpfen?“ antworteten 55% mit „Nein“ und 44% mit „Ja“.
- Auf Frage 4 „Soll Europa, ähnlich wie Australien, Flüchtlingsboote abfangen und zurückschicken?“ antworteten 77% mit „Nein“ und 21% mit „Ja“.

Die Kombination der jeweiligen Mehrheitsantworten ist merkwürdig inkohärent: Das „Ja“ zu mehr Einwanderung verbindet sich nicht mit der Vorstellung, dass dadurch das Problem gelöst werden könnte.

Selbst wenn man es nicht so krass ausdrücken will, so gilt doch zumindest: Die Lösung, die den deutschen Eliten in der Migrationsfrage vorschwebt, ist schlicht rätselhaft. Die Rechnung aus den vier Antworten geht einfach nicht auf. Es gibt keine Ordnungsidee, die den Antworten Kohärenz verleihen würde. In der Summe signalisieren sie eine merkwürdige Gleichgültigkeit. Die Eliten lassen das Land mit den Konsequenzen der Migration allein.

Gerd Held analysiert die Schockstarre der deutschen Entscheidungsträger angesichts der Flüchtlingskrise

Politikersprache: Mit Hass gegen Hass

Sprache ist kein bloßes Kommunikationsmittel, das auf neutrale Weise Informationen transportiert, Sprache ist immer eine konkrete Handlung, Ausdruck einer dem Individuum immanenten Denkstruktur, die sich so nach außen verrät. Kollektiv, oder wie es heute richtiger heißt, gesellschaftlich, sind Veränderungen im Wortgebrauch so auch immer Versuche, mit einer veränderten Realität Schritt zu halten, während dieselbe Realität sich durch die Sprachformung weiter verändert. Aus Moslems werden Muslime, aus Schwarzen Neger und schließlcih PoC, das Wörterbuch des Unmenschen wird beständig fortgeschrieben, was heute noch richtig ist, kann morgen das soziale Todesurteil bedeuten.

Die AG Feministisch Sprachhandeln am An-Institut für Angewandte Entropie der Bundeskulturstiftung in Halle an der Saale hat die fortlaufenden Bewegungen in der medialen und politischen Nutzung vor allem von sogenannten Zuschreibungsbegriffen über einen längeren Zeitraum untersucht und analysiert und dabei Erschreckendes zutage gefördert: Angeführt von den Chefs der politischen Parteien und willfährig nachgeahmt von den zumeist staatlichen Medien, ist es in den zurückliegenden Jahren mehr und mehr hoffähig geworden, "ganz ungeniert im Jargon von Neonazis zu schwadronieren", wie es in einer Meta-Analyse im Blog Le Penseur heißt.

Wo Goebbels von Ratten sprach, Hitler gegen "Schweine" hetzte und der Völkische Beobachter mit Menschen mit Tierkarikaturen entmenschlichte, greift das Führungspersonal der Republik heute zu ähnlich strukturierten Begriffen, um den Kampf für Toleranz und Mitmenschlichkeit voranzubringen.

“Keinen Millimeter dem rechtsradikalen Pack”, tönt der Vizekanzler, ein auf ewig der Einheit aller Deutschen verpflichtetes Blattmöchte einen "Mob abräumen", die Tagesschau sieht in ihren Zuschauern "Tiere" und wer in Grundfragen der europäischen Politik anders denkt als alle, ist im günstigen Fall ein "Rebell" oder "Abweichler", im übelsten ein "Populist" oder "Rechtsextremer", gern auch kombiniert als "Rechtspopulist".

Rechtspopulist zu sein, das war zu Zeiten von Franz Josef Strauß ein durchaus ehrenwertes Amt. Rechtspopulisten schützen die Demokratie nach rechts außen, wie sie die SPD und später die Grünen nach links schützten. Rechts neben der CSU gab es nichts, was ernstgenommen werden musste, links der Grünen ebenso. Diese breite Mitte wurde zumeist stilvoll verteidigt: Joschka Fischer entschuldigte sich förmlich, ehe er einen Parlamentskollegen "Arschloch" nannte. Und ging es mal wirklich hoch her, klapperten die Abgeordeneten des Bundestages mit ihren Pultdeckeln.

Auf die Idee aber, die eigenen Wähler als "Ratten" zu bezeichnen, wie es der sächsische Innenminister Markus Ulbig im Zuge der Pegida-Kriege tat, oder sie wie Cem Özdemir im Goebbels-Stil als “komische Mischpoke” zu beschimpfen, wäre niemand gekommen. Ganz im Gegenteil: Rutschte einem Edmund Stoiber die Einschätzung heraus, im Osten lebten nur "Frustrierte", dann entspann sich darum eine Beleidigungsaffäre und die künftige Bundeskanzlerin selbst pfiff den Beleidiger so energisch zurück, dass der sich binnen Stunden tief gebückt entschuldigen musste.

Auch Kurt Beck, ein älteren Wählern noch ob seines hübsches Mecki-Bartes in Erinnerung gebliebener großer Gescheiterter, musste in jener empfindsamen Vorzeit nicht einmal direkt beleidigend werden, um als Volksbeleidiger durchgereicht zu werden.

Sigmar Gabriel, der einen Teil seines rhetorischen Munitionsvorrats traditionell aus dem Dritten Reich bezieht, poltert nun über das "Pack", das "weggesperrt" gehöre. "An die Stelle der Staatsmänner von früher, sind Personen getreten, die in ihrer Fähigkeit, zum Pöbeln, denen, die sie anpöbeln, in nichts nachstehen", heißt es dazu bei in einer Analyse bei Sciencefiles. Hass gegen Hass, Hetze gegen Hetze.

Der Pöbel und die Politik, in ihrer Sprache finden sie sich auf Augenhöhe.

Mittwoch, 26. August 2015

Aktion gegen Rassismus: Initiative fordert Umbenennung des Schauspieler Peter Mohr

Bereits umbenannt: Das Mohren-Bier heißt jetzt No Mohr - Foto unten.
Eine Anti-Rassismus-Initiative fordert die Umbenennung des Schauspieler Peter Mohr. Die Initiatoren empfinden den Namen als stark diskriminierend. Denn er erinnert Betroffene an eine Zeit, in der dunkelhäutige Menschen per Gesetz erniedrigt und versklavt wurden.

Wenn es sich vermeiden lässt, verzichtet Tahir Della auf den vollständigen Namen. Für ihn ist der Schauspieler Peter Mohr nur der M-Mann. Della, 53, gehört zur „Initiative schwarzer Menschen in Deutschland“ und jetzt haben er und seine Mitstreiter vom Bündnis „Decolonize Mitte“ gegen den Leipziger Pfeffermühlen-Kabarettisten protestiert und gefordert, ihn umzubenennen. „Betroffene empfinden diesen Begriff als rassistisch. Wir vermeiden ihn, weil wir rassistischen Sprachgebrauch nicht reproduzieren wollen.“

Der Zeitpunkt für die Aktion war gut gewählt. Am Sonntag war der Internationale Tag zur Erinnerung an den Handel mit Versklavten und seine Abschaffung. Vor allem die Mohrenstraße in Mitte, Mohrenapotheken in nahezu sämtlichen deutschen Städten, aber auch Gasthöfe, Verlage, IT-Firmen und Weingüter erinnern bis heute unzulässigerweise an den mittelalterlichen Begriff.

Die Initiatoren forderten, dass der Schauspieler, aber auch gleichnamige Buchautoren, Herzchirurgen, Designer, Fußballspieler, Kameramänner und Theologen einen neuen Namen bekommen. Ein Vorschlag wäre, sie sich künftig alle "Mandela" zu nennen, ein anderer, dass sie sich den Namen Amo geben. Amo, um 1703 in Ghana geboren, war der erste Akademiker afrikanischer Herkunft in Preußen und setzte sich als Philosoph und Rechtswissenschaftler in Wittenberg für die Rechte schwarzer Menschen in Europa ein.

Bereits im vergangenen Jahr haben die Initiatoren um Tahir Della die Umbenennung aller Mohren gefordert. „Doch es tut sich nichts“, klagt Tahir Della. Dabei sei der Begriff Mohr die älteste diskriminierende Fremdbezeichnung für schwarze Menschen, obwohl es ursprünglich auf eher hellhäutige Nordafrikaner gemüntzt war.

Das Wort ist bereits im Althochdeutschen des 8. Jahrhunderts in der Form "mōr" belegt. Damals bezeichnete es einen Mauren, also Mauretanier. Der Ausdruck Maure selbst stammt vom rassistischen griechischen Schimpfwort "Μαῦρος", schon seit der eurozentrischen geografie Strabos eine abwertende Bezeichnung für die Bewohner Nordwestafrikas, in Latein der "maurus".

Zuerst falsch verstanden, dann falsch verwendet und das zunehmend diskriminierend: Im Mittelhochdeutschen wurde von Rassisten noch zwischen "swarzer mōr" („Maure mit dunklerer Hautfarbe“) und "mōr" („Maure“) differenziert. Heute noch findet sich im Deutschen die Bezeichnung schwarzer Mohr, aber auch "Schwarzer Peter", was sich direkt auf den namensgleichen Schauspieler bezieht, wie Wissenschaftler glauben. Doch moderne Rassisten verzichten zunehmend auf die Konkretisierung und sprechen nur noch vom "Mohr".

Terror mit Schimmelmittel: Kommando späte Einsicht

Es dauert manchmal doch nur ein paar Monate und schon hat sich der gesunde Menschenverstand durchgesetzt. Als im April die ersten Flüchtlingsboote sanken, der NSA-Skandal und die Griechenlandkrise wieder hochkochten, Judenhass sich im Bundestag breitmachte und Putins Schergen auf Motorrädern versuchten, das Andenken an all die tapferen deutschen Soldaten zu beschmutzen, die den II. Weltkrieg verloren hatten, kam im rechten Moment der um seinen Ruf besorgte Verfassungsschutz und ließ ein Ehepaar in Oberursel festnehmen, das einen Terroranschlag geplant hatte. Gleich danach wurde noch eine rechte Terrorgruppe namens Oldschool Society hochgenommen, um nicht den Vorwurf des racial profiling zu riskieren. Und erledigt.

Während von der hakenkreuzgefährlichen Oldschool Society seitdem nie wieder auch nur eine Silbe zu hören oder zu lesen war, ließ sich bei der Oberurseler Salafistenbande schon aufgrund der einheitlich hanebüchenen Berichterstattung erkennen, dass es sich bei den mutmaßlichen Tätern womöglich um Islamisten, nicht aber um islamistische Terroristen am Vorabend eines Großanschlages handeln konnte. Außer einer "funktionsfähigen Rohrbombe" fanden sich im Terrorhaus "nicht zusammengesetzte Bauteile" für ein Sturmgewehre G3 und 100 Schuss Munition vom Kaliber neun Millimeter, die nicht mit dem G3 verschossen werden kann, weil das Kaliber 7,62 hat. Zudem entdeckten die Ermittler ein aus angemaltem Blech bestehendes Übungsgeschoss für eine Panzerfaust, drei Flaschen mit Wasserstoffperoxid (Kaufpreis 25 Euro) und eine Flasche Brennspiritus.

Das als "Terrorgruppe" herumgereichte Paar lief offensichtlich Gefahr, sich selbst schwer zu gefährden. Die Herstellung von Acetonperoxid mit Hilfe von Wasserstoffperoxid ist zwar theoretisch leicht. Praktisch aber detoniert der gewonnene Sprengstoff bereits bei leichten Schlägen oder geringem Druck und eignet sich deshalb zu vielen. Nur nicht dazu, es in ein Stahlrohr zu stopfen. Das Internet-Lexikon Wikipedia warnt Amateure gar: "Jegliche praktische Nutzung" sei "aufgrund der großen Gefährlichkeit ausgeschlossen".

Bei SZ und FAZ und folglich auch bei allen anderen angeschlossenen Abspielanstalten ist die Botschaft vom angebrachten Zweifel an offenkundigen Märchen inzwischen auch angekommen.

Für einen öffentlich-rechtlichen Einheitsqualitätsrechercheverbund aus SZ, WDR und NDR bewertete ein Sachverständiger des hessischen LKA die gefundene Rohrbombe jetzt als "eigenartig und sprengtechnisch unlogisch". Der Bastler habe anscheinend "versucht, einen handelsüblichen Böller zu kopieren". Die bei Halil D. gefundenen Waffenteile, darunter Teilstücke des Sturmgewehrs G3, könnten zudem nicht zu einer funktionsfähigen Waffe zusammengefügt werden. Das Wasserstoffperoxid, das das Islamistenpaar von nebenan angeblich zur Sprengstoffherstellung gekauft hatte, war zur Schimmelbeseitigung in der Wohnung verwendet worden, wie ein Gutachter bereits kurz nach der Verhaftung im Mai bestätigt hatte.

Dienstag, 25. August 2015

Wir müssen langsam schneller machen

Das Magazin "Der Spiegel" arbeitete bereits 1991 mit diskriminierenden Zuschreibungen - in NRW, wo das Blatt viel gelesen wird, führt das heute zu einer Vielzahl von fremdenfeindlichen Straftaten.
Auf einmal brennt die Luft, die Politik ist aufgeregt, ratlos, unsicher, was zu tun sein könnte. Gilt es, den hochschwappenden "Zustrom" (Spiegel) an Flüchtlingen weiter klein zu reden, um bei den anstehenden Wahlen Punkte zu machen? Oder soll man lieber die harte Karte spielen, die Grenzen hochziehen und die Schotten dichtmachen, um beim Wahlvolk gut anzukommen?

Noch ist die Strategie der einzelnen Parteien nicht ganz klar, noch testen alle die Wassertemperatur und warten auf belastbare Daten der Demoskopen. SPD-Vordenkerin Manuela Schwesig hat allerdings im Tagesspiegel bereits deutlich gemacht, wo die Reise für die SPD vermutlich hingehen wird - in der Übersetung des Gesprächs durch Gebärdendolmetscherin Frauke Hahnwech zeigt die Körpersprache der schönsten Sozialdemokratin alle Anzeichen von diskursiver Panik.


Die Bundesregierung rechnet mit mehr als 800.000 Flüchtlingen in diesem Jahr. Ist Deutschland mit dieser Zahl überfordert?

Schwesig: Nein, aber diese Zahl bedeutet eine große Herausforderung vor allem für die Städte und Gemeinden. Deshalb sage ich für den Bund, der gar keine Probleme damit hat, wir können das stemmen. Dazu muss die Bundesregierung, der ich ja auch angehöre, endlich die Zusagen umsetzen, die wir den Ländern und Kommunen gegeben haben, wonach der Bund sich dauerhaft an den Kosten beteiligt. Hier habe ich es ja geschafft, seit Oktober letzten Jahres ergebnislos prüfen zu lassen. Und wir müssen die Asylverfahren endlich beschleunigen, das sage ich hier zum allerersten Mal. Und die Politik muss die Bürger, die den Flüchtlingen freiwillig helfen, unterstützen, das ist eine Pflicht des Staates, wie ich sie verstehe.

Die SPD ist doch Teil der Bundesregierung. Warum dauert es so lange, bis der Bund sich an den Kosten der Flüchtlingsunterkunft beteiligt?

Jetzt muss ich direkt an ihrer Frage vorbei antworten. Sigmar Gabriel hat das Thema schon vor einigen Monaten angestoßen. Auf dem letzten Flüchtlingsgipfel haben Bund und Länder sich verständigt, im September eine gemeinsame Lösung zu finden. Und das muss jetzt auch wirklich passieren.

Warum?

Jetzt seien Sie doch nicht so hartnäckig. Ich erlebe überall im Land, dass die Bürger viel Verständnis für Flüchtlinge haben und bereit sind zu helfen, denn dort, wo diese Leute sind, gehe ich gern hin. Das gibt immer gute Bilder. Aber die Menschen erwarten leider auch, dass die Politik nicht nur gute Bilder präsentiert, sondern dass die Aufnahme vor Ort funktioniert. das bekommen wir aber nicht hin, weil derzeit alle überfordert sind. Damit besteht die Gefahr, dass die positive Stimmung, die wir erzeugen wollen, kippt. Deshalb müssen wir zumindest sagen, dass wir jetzt zügig handeln. Das beruhigt die Gemüter und erspart meiner Erfahrung nach häufig sogar die Notwendigkeit einer wirklichen Handlung.

Sie haben Ihrem Kabinettskollegen Innenminister Thomas de Maizière (CDU) vorgeworfen, fremdenfeindliche Ressentiments zu schüren. Warum?

Auch das ist Teil einer probaten Strategie, um vom Eigentlichen wegzukommen. Bei der netzpolitik.org-Affäre haben wir am Ende genau wie bei Kollegen Edathy diskutiert, wer wann wem was gesagt hat, damit war der ganze Gegenstand der Angelegenheit erfolgreich beseitegeschafft. Ich habe also jetzt in die Flüchtlingsgeschichte gesagt, dass ich es schlimm finde, wenn eine Partei mit einer solchen Diskussion über das Taschengeld Punkte beim Wähler macht, während die andere Partei - in diesem Fall wir - vom eigentlichen Problem ablenken muss. Auch das, so hoffe ich, lenkt vom Kern der Debatte ab. Nämlich, dass Deutschland inzwischen zu attraktiv ist, die Asylverfahren nicht schnell genug bearbeitet werden und abgelehnte Bewerber dann doch nahezu alle bleiben dürfen. Als Sozialdemokraten dürfen wir das nicht sagen, weil unsere Wählerschaft das nicht hören mag. Aber jeder, der die Situation vor Ort gesehen hat, weiß, dass es so ist, selbst wenn Asylbewerber bereits vorwiegend Sachmittel bekommen. Wenn die Bearbeitung der Asylanträge schneller funktionieren würde, könnten anerkannte und abgelehnte Asylbewerber schneller integriert werden. Denn bei uns bleiben ja in der Regel auch jene, die nicht hier bleiben können. Mit der Forderung nach Kürzung des Taschengelds suggeriert man den Bürgern, die Flüchtlinge kämen alle nur wegen 140 Euro Taschengeld nach Deutschland. Die meisten kommen aber, weil sie vor Krieg und Vertreibung fliehen, etwa in Albanien, in Serbien, dem Kosovo, Mazedonien und Bosnien.

Haben Sie mit Ihrem Kabinettskollegen inzwischen über den Vorwurf geredet?

Hier nehme ich mal eine Ausflucht ins Allgemeine. Ich habe frühzeitig dafür geworben, dass wir ein Gesamtpaket zur Lösung der Probleme auf den Weg bringen, damit dieses Thema nicht zerredet wird in einem kleinlichen Parteienstreit um die optimale Lösung. Diese Herausforderungen müssen wir als Bundesregierung gemeinsam schultern, blablabla.

Was ist der Beitrag der Familienministerin zur Lösung der Probleme?

Für solche Nachfragen haben wir ein Programm „Willkommen bei Freunden“ aufgelegt, das absichtlich nicht direkt das frühere WM-Motto "Zu Gast bei Freunden" zitiert, weil ich es diskriminierend finde, wenn manchen Menschen nur Gast sein sollen, während andere hier leben. Wir fördern mit zwölf Millionen Euro über einen Zeitraum von zunächst drei Jahren Kommunen und Bürgerinitiativen, die sich um Flüchtlinge kümmern. Das sind vier Millionen im Jahr, die auf sechs regionale Servicebüros aufgeteilt werden. Das sind also 660.000 Euro, mit denen Städten und Landkreisen, die im Moment nicht wissen, wie sie Betten, Hotels, Essen und Sicherheitsdienste bezahlen sollen, dabei geholfen wird, junge Flüchtlinge mit Blumen und klingendem Spiel in Kitas und Schulen willkommen zu heißen, die wir weitsichtigerweise seit Jahren ausgebaut haben. Zudem hilft das Geld bei der Etablierung ehrenamlich engagierter lokaler Bündnisse aus Behörden, Vereinen sowie Bildungs- und Flüchtlingseinrichtungen. Außerdem unterstützen wir Sprachförderung und Sprachkurse.

Sie sind Ostdeutsche. Tun sich die Menschen in den neuen Bundesländern schwerer mit Flüchtlingen als Altbundesbürger?

Da muss ich wieder ausweichen. In den neuen und in den alten Bundesländern können Flüchtlinge aufgenommen werden. Und in ganz Deutschland finden Sie engagierte Helfer, skeptische Zuschauer, aber leider auch Fremdenfeinde.

Die Hälfte der fremdenfeindlichen Straftaten wird laut Innenministerium in Nordrhein-Westfalen und Berlin begangen, obwohl in den beiden Bundesländern nur 20 Prozent der deutschen Bevölkerung leben. Widerspricht das nicht Ihrer Argumentation?

Rechtsextreme sind bekanntlich bewusst in dünn besiedelte Regionen nach Ostdeutschland gezogen, aber nicht alle. Das Problem der Fremdenfeindlichkeit ist folglich keines, das nur NRW oder Berlin betrifft. Etwas anderes zu behaupten, ist fahrlässig. Aber jetzt fragen Sie nicht wieder warum. Das ist eben so im Wahlkampf.

Bock auf die Weiten Mecklenburgs

In Deutschland wird es niemals eng, Flüchtlinge brauchen keine Wohnung und wer vom Balkan oder aus Afrika kommt, hat später voll Bock drauf, in den menschenleeren Weiten Mecklenburg-Vorpommerns oder den Wüsteneien der Altmark eine florierende Wirtschaft aufzubauen. In einer großen Abrechnung räumt die Wochenzeitschrift Die Zeit endgültig auf mit den Mythen, die Hetzer und Hasser vor allem im Internet über die aktuelle Einreisewelle verbreiten.

Punkt für Punkt werden sie hier widerlegt: Zwar nehme Deutschland derzeit die meisten Flüchtlinge auf, das aber erst seit kurzem. Rechne man zudem gegen, dass die Grenzlänge Luxemburgs kaum dem Umfang des Parlamentsgebäudes in Berlin entspreche, während die Bundeswehr durch ihren Zelteinsatz im Inneren beweise, was bürgerschaftliches Engagement sei, dann liege die Bundesrepublik übrigens auf keinem vorderen Platz im Ranking der Länder.

Auch das Argument, es gebe gar keinen Platz mehr in Deutschland, weist die „Zeit“ von der Hand. Nur Erstaufnahmeeinrichtungen seien voll und einige Städte mit der Organisation der Flüchtlingsunterkünfte überfordert. Insgesamt aber entvölkerten sich ganze Landstriche Deutschlands zusehends, weil dort niemand mehr wohnen wolle, in vielen Gemeinden ständen Wohnungen leer. Der Flüchtlingsstrom werde so zur einmaligen Chance für eine zweite Besiedlung. Wenn nur die Hälfte der Flüchtlinge dieses Jahres bleiben dürfe, könne die Einwohnerzahl von Mecklenburg-Vorpommern schon im nächsten Jahr auf knappe zwei Millionen steigen. Schöner Nebeneffekt: Die Pro-Kopf-Verschuldung sänke schlagartig von rund 10000 auf nur nur 7.500 Euro.

Angstmache wie von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU), der behauptet, wir könnten „die Probleme Afrikas doch nicht dadurch lösen, dass die Hälfte der Menschen Afrikas nach Europa kommt", enttarnt die Zeitung als rassistische Hetze. Die Mehrheit der Flüchtlinge weltweit stamme nicht aus Afrika, sondern aus Syrien, Afghanistan und Somalia. Die andere Hälfte hingegen aus dem Sudan, dem Kongo, Zentralafrika, dem Irak, Myanmardemfrüherenburma und Eritrea. Das leite grob in die Irre, denn unter den Top drei der Asylländer Deutschlands sei dank der weitsichtigen Grenzziehungspolitik der früheren Kolonialmächte nur ein afrikanisches Land, nämlich Eritrea, das bereits im letzten Jahr etwa acht Prozent seiner Bevölkerung durch Flucht verlor und in diesem Jahr bereits einen Wert von 10 Prozent anpeilt.

Deutschland profitiert durch die Zuwanderung von dort derzeit dennoch nur mit drei Prozent der Asylsuchenden – und auch hier ist das Ende absehbar. Bereits in etwa sieben Jahre wird niemand mehr in Eritrea leben, der noch flüchten kann. Bei den derzeitigen Abwanderungsraten werden dann alle Eritrier im Ausland leben.

Montag, 24. August 2015

Song Meanings: Was ich haben will, das krieg ich nicht

"Was ich haben will, das krieg' ich nicht, und was ich kriegen kann, gefällt mir nicht", sang Peter Hein in einer anderen Zeit, in einem anderen Land in seinem dunklen Trauerepos für "Paul". Nur die Länder ändern sich, die Dinge nicht, aber die Bereitschaft der Menschen, sich mit der Realität zu arrangieren, ist gestiegen. 30 Jahre und ein Lied später heißt es "Well if you can't get what you love, you learn to love the things you've got, if you can't be what you want, you learn to be the things you're not, if you can't get what you need, you learn to need the things that stop you dreaming, oh the things that stop you dreaming".

Auf einmal sind da Flüchtlinge, schlagartig. Niemand hat etwas geahnt, niemand konnte etwas wissen, denn es war wichtiger, sich um Managerquoten, Dämmungsnormen und die Verlängerung der Schuldenkrise zu kümmern. Dann sind sie da, mit "no money in my hand or my coat or my pocket", wie der Liedermacher Mike Rosenberg reimt, "won't get to space 'cause I haven't got a rocket". Dann eben Europa, am besten Deutschland, denn "I have air in my lungs, eyes in my sockets and a heart that beats like a tap that leaks".

800.000 kommen in diesem Jahr, aber 8.000 aus dem vorigen sind auch schon wieder abgeschoben worden. Ein Rest von 792.000 bliebe, Quersumme 18. Das ist zu schaffen, das kann man stemmen. Ein riesiges Konjunkturprogramm wird das, wenn hunderte neue Heime gebaut werden, dazu Wohnungen, Schulen, neue Theater, die eben weggespart werden mussten. Und der Flüchtlingschor, er singt "Well this boat may sink but I'm not gonna rock it 'cause the sea doesn't know my name".

Die Rettung für Deutschland, einen Staat in Wohlstandsagonie und politischer Lähmung, kommt übers Mittelmeer. Wie ein Joker, der auf einmal ins Spiel kommt, ändert der "Zustrom" (Spiegel), den niemand kommen sehen wollen konnte, alles. Vier, vielleicht aber auch acht Millionen neue Bürger in den nächsten zehn Jahren, bis zur Mitte des Jahrhunderts dann ist jedes vierte Gesicht in der Nachbarschaft ein neues. "Well if you can't get what you love, you learn to love the things you've got, if you can't be what you want, you learn to be the things you're not, if you can't get what you need you learn to need the things that stop you dreaming".

Paul ist noch nicht tot. Aber im Sterben liegt er.


Songs meanings: Wie erklär' ich's meinem Kind?

Open range: Europa und die Binnenflucht

Die coole Idee, vier mazedonische Zöllner und einen serbischen Schaffner die deutschen Außengrenzen kontrollieren zu lassen, macht neuerdings Probleme.
Ein Zittern in der Macht ist zu spüren, seit "die stark steigende Zahl von Flüchtlingen" die deutsche Politik vor eine ernste Frage stellt. Wie die nicht beantworten? Wie vermeiden, dass es vielleicht ein Fehler war, die deutschen Außengrenzen nur noch von vier mazedonischen Zöllnern und einem serbischen Schaffner bewachen zu lassen? Wie verbergen, dass ein Schengen-Abkommen, in dem am Ende Tschetschenen mit Asylstatus in Polen nach Deutschland flüchten können, nicht der Weißheit letzter Schluss sein kann?

Sie heben die DiskussionDiskussion einfach auf eine andere Ebene. In Tagen, in denen sich deutlich er noch als in der Finanzkrise zeigt, dass am ende eines jeden Tages allein nationale Verantwortung zählt, weil sie die einzige ist, die zu tragen Männer und Frauen demokratisch legitimiert sind, versucht neben diversen Unionskämpen auch das moribunde SPD-Spitzenduo Sigmar Gabriel und Frank Steinmeier, eine europäische Verantwortungsebene zu erfinden, um das eigene Versagen zu vertuschen.

Nun geht es plötzlich um "eine einheitliche Asylpolitik in der EU", der sich die europäischen Nachbarstaaten nicht länger verweigern sollen. Die Forderung nach Einheitlichkeit ist hier natürlich nichts anderes als eine Forderung nach einheitlichen Quoten für alle - die Slowakei und Polen, Estland und Portugal sollen so viele Flüchtlinge aufnehmen wie Deutschland.

Bislang verweigern die Länder das. Und die beiden Sozialdemokraten kritisieren, dass sei keine Reaktion, die dem Anspruch entspricht, "den Europa an sich selbst haben muss."

Gabriel und Steinmeier tanzen dabei weiter im Illusionswalzer, der davon singt, dass "eine faire Verteilung von Flüchtlingen in Europa" (Gabriel, Steinmeier) geben könne, die durch staatliche Verfügung und einen europaweit verabredeten Kodex herstellbar ist. Doch Kodex, Pakt, europäischer Schulterschluss hin und her: So lange Flüchtende es reizvoll finden, in Schweden, Dänemark oder Deutschland zu leben, nicht aber, eine neue Heimat in Spanien, Lettland oder Tschechien zu finden, wird die "Lage, in der - wie heute - nur einige wenige Mitgliedstaaten die ganze Verantwortung tragen" (Gabriel, Steinmeier) nicht zu ändern sein.

Die offenen Grenzen in der Union, von Dänemark bereits vor vier Jahren als Achillessehne der staatlichen Autorität erkannt, zementieren "ein System, das Lasten einseitig auf die Länder verteilt, die zufällig die Außengrenze der EU bilden" (Gabriel, Steinmeier). Oder eben bei Flüchtigen als besonders attraktiv gelten.

Nun heißt es, Spuren verwischen, Verantwortlichkeiten vertuschen, falsche Fährten legen, Sprachballons ins Nirgendwo steigen lassen, wo sich wie bei all den Pakts und Runden Tischen bisher jede individuelle Entscheidungsmöglichkeit in eigener Sache in einem anonymen Streit auflöst. Dessen Überschrift ist schon gefunden, die Bundesworthülsenfabrik hat "europäischer Asyl-Kodex" vorgeschlagen. Gemeint ist eine "neue, viel ehrgeizigere Integration der europäischen Asylpolitik" (Steinmeiner, Gabriel) die "entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit nach verbindlichen und objektiv nachvollziehbarem Kriterien Aufnahmequoten für alle Mitgliedstaaten festlegt".

Wie diese Quoten bei offenen Grenzen eingehalten werden sollen, sagen Steinmeier und Gabriel selbstverständlich nicht.

Sonntag, 23. August 2015

Zitate zur Zeit: Euro-Gruppe gestattet Griechen Wahl

"Wenn alle Vereinbarungen des Rettungspaketes erfüllt werden, dann sind Wahlen natürlich zulässig."

Jeroen Dijsselbloem, Chef der informellen, von niemandem gewählten und von Beamten dominierten sogenannten Eurogruppe, gestattet Griechenland ausnahmsweise noch einmal die Durchführung von Wahlen

ARD zensiert Werbespot für Willkommenskultur

Die Frohe Botschaft, einfach herausgeschnitten.
Auf den Straßen tobt der gewalttätige Mob, Demonstrationen vor Heimen, Hassangriffe auf Schauspieler, eine ratlose, wortlose Politik. Aber wenigstens Medien und Prominente funktionieren wie gewohnt: Die "Tagesthemen", ursprünglich eine Nachrichtensendung, räumten deshalb Platz frei, um Stars wie Udo Lindenberg, Christine Neubauer und Markus Lüperz Gelegenheit zu geben, ihren Optimismus zu bekunden, was die Lösbarkeit der großen Aufgabe der zunehmenden Attraktivität Deutschland für Zuwanderer betrifft.

Drei Minuten für ein besseres Deutschland, drei Minuten mitten in der meistgesehensten Nacht-Nachrichtensendung, drei Minuten, die hätten die Welt verändern können. Doch dazu hätte es einer nachhaltigen Verbreitung der Botschaft bedurft, die drei - geschmackvoll mit sanfter, beruhigender Klaviermusik unterlegten Minuten hätten wenigstens im Internet in Dauerschleife rotieren können müssen, bis sie jede und jeden Dumpfdeutschen in Nazisachsen von "Hass, Extremismus und Abschottung" (Die Zeit) geheilt hätten.

Dagegen aber hatte die ARD etwas. Statt die frohe Botschaft von Lindenberg, Lüpertz, der Frau mit den herben Zügen und all der anderen konsequent über alle Kanäle zu drücken, sperrte der staatliche Sender ausgerechnet die wichtigen drei Minuten der Live-Sendung für die weltweite Verbreitung im Netz. Statt Lindenberg, der derzeit in Deutschland "Progrom wie in schlimmsten Nazizeiten" sieht, und Jeanette Biedermann, die mit neun Jahren nach Paderborn flüchtete, zuzuhören, steht da nur ein Schild "Kurze Unterbrechung", das alle Bemühungen um Aufklärung und Umerziehung konterkariert.

Angebliche "rechtliche Gründe" werden vorgeschoben, den Spot (unten) nicht zu zeigen. So aber überlässt das deutsche Fernsehen dem entmenschten Mob endgültig die Straßen und Plätze, siegt der dumpfe Fremdenhass über die aufklärende Propaganda etwa der Lilo Wanders, geboren 1955, aber schon bei der letzten Flüchtlingswelle mittendrin: "Wir haben nach dem Krieg Millionen aus den deutschen Ostgebieten aufgenommen - und wir haben sie integriert."


Samstag, 22. August 2015

HFC: Rückkehr per Hausgeburt

Tor des Tages: Sören Bertrams direkter Freistoß zum 2:0.
Kurz vor Spielbeginn sieht es noch so aus, als würden sie sich umarmen und auf einen Sieg einschwören wollen. Doch Mannschaften, die Sven Köhler trainiert, sind keine, die es theatralisch mögen. Nach drei punkt- und beinahe auch torlosen Spielen in der neuen Saison, ein tragisches Pokalaus und die blamable Derby-Niederlage in Magdeburg inbegriffen, steht der Hallesche FC wie so häufig im August kurz davor, den schlechtesten Saisonstart aller Zeiten hinzulegen. Und dennoch gilt die große Geste der sich umarmenden Männer am Mittelkreis nicht einem Schwur. Sondern dem Gedenken an einen windigen Multifunktionär aus Schwaben.

Es geht aber dann auch so. Der HFC zeigt von der ersten Minute an, dass er heute hier gewinnen will - nur ist Wille kein Plan und ein Sascha Pfeffer, der beim Anpfiff auf Rechtsaußen hinter dem etatmäßigen Verteidiger Dominic Rau steht, kein Plan für einen schnellen Führungtreffer. Pfeffer, völlig verstört ob der sofort schwer pressenden Hessen, bringt den Ball mit Mühe zu Kruse und den in Verlegenheit. Nach 33 Sekunden steht Wiesbadens Blacha ganz allein mit dem Ball vorm Tor. Kullert ihn aber - womöglich aus Rücksicht auf die gequälten Gemüter der nur noch knapp über fünftausend leidensbereiten Zuschauer im Erdgas-Sportpark - an Bredlows Hand und der lenkt ihn am rechten Pfosten vorbei.

Glück gehabt, und davon gibt es heute noch mehr, auf beiden Seiten. Denn der 20. und der 14. der Tabelle, beide bis hierhin sieglos, wollen sichtlich Wiedergutmachung leisten für die bisher bescheidenen Ergebnisse. Mit Neuzugang Jonas Acquistapace für Neuzugang Kleineheismann in der Innenverteidigung, Sören Bertram von Anfang an und Tim Kruse auf der Sechserposition werfen sich die von sich selbst enttäuschten Gastgeber mit Verve nach vorn. Nicht alles klappt, nicht einmal das meiste. Aber das Bemühen ist das von Braunschweig-Spiel, nicht das aus der Begegnung mit Magdeburg.

Dorian Diring ist bienenfleißig, Sascha Pfeffer immer zu einem Sprint bereit, Marco Engelhardt versuch von hinten heraus, öffnende Pässe zu spielen. Überraschend aber vor allem, wie Timo Furuholm, der wieder eine hängende Spitze hinter Osayamen Osawe spielen soll, seine Rolle annimmt: Der Finne, vom Charakter her eher Meckerer als Fighter, hakt und rennt, drückt und spielt wie vielleicht noch nie zuvor.

Es reicht allerdings erstmal nicht. Über eine halbe Stunde ist der HFC überlegen, auch weil Wiesbaden schwach spielt. Aber vier, fünf Torchancen - unter anderem von Furuholm, Diring und Bertram - bringen nichts ein, weil immer noch irgendein Wiesbadener Bein zwischen Ball und Tor kommt.

Florian Brügmann bricht den Bann.
So ist es auch in der 35. Minute, als der HFC nach einer Ecke von rechts zwei Einschusschancen nicht nutzt, Wiesbaden den Ball aber auch nicht wegbkommt. Stattdessen rollt er nach links, dort steht Florian Brügmann. Und der schießt ihn aus spitzem Winkel in gemessenem Tempo ins lange Eck.

Jubel, aber noch lange keine Erleichterung, obwohl es vergangene Saison erst im dritten Heimspiel gelungen war, den ersten Heimtreffer zu erzielen. Hier aber wackelt es doch heftig weiter, Diring, Kruse und Engelhardt sind mehr damit beschäftigt, Wiesbadener Angriffe zu zerstören als eigene einzuleiten. Immerhin reicht das bis in die Pause.

Danach will Halle die Gäste kommen lassen, um über den schnellen Osawe zu kontern. Gegen wen, wenn nicht gegen Wiesbaden, mag Trainer Sven Köhler in der Kabine gesagt haben. Schließlich war es der SV Wehen, gegen den in der vergangenen Saison am achten Spieltag der 1. Heimsieg gelang.

Hier ist es trotzdem knapp. Halle schwimmt zeitweise, weil Zuspiele zu ungenau kommen oder der offensiv überforderte Dominic Rau plötzlich in die Verlegenheit kommt, von rechts außen flanken zu müssen. Gefährlich für Wiesbaden wird es, wenn Osawe einen der vielen Zuspielversuche stoppen und mit dem Ball loslaufen kann. Ein Knarren im Gebälk der SVW-Abwehr. Aber noch hält der knappe Rückstand, weil Furuholm, Bertram und Engelhardt spektakulär vergeben oder an Keeper Kolke scheitern.

Da muss erst der bis dahin unter seinen Möglichkeiten spielende Sören Bertram kommen. Seit Andy Gogia nicht mehr da ist, lassen sie den Quatsch mit den zwei Mann, die vor der Ausführung ein Rudel an der Eckfahne bilden. Von links schießt jetzt Diring, von rechts Bertram, der folglich auch einen Freistoß ausführt, den Pfeffer in der Nähe der Eckfahne herausgekämpft hat. Und wie er das macht: Direkt. Unhaltbar.

Timo Furuholm trifft zum 3:0.
Es ist die 63. Minute und das Spiel entschieden. Aber einen haben sie noch in Halle: Osawe sprintet fast von der Mittellinie los, wird gefoult, läuft aber weiter, immer weiter. Und legt nach innen zurück, wo Furuholm wartet, der den Ball kompromisslos unter die Latte zimmert.

Welche Freude, auch weil sie so überraschend kommt. Wiesbaden hat das Spiel nach dem dritten Gegentor abgehakt, Halle würde jetzt noch, wenn sich was ergäbe, will aber vor allem nicht, dass noch was passiert. Einmal kommt noch der eingewechselte Aydemir, der es wie immer slebst machen will. Einmal zeigt noch der Debütant Jonas Acquistapace mit einem raumgreifenden Sturmlauf, dass er mehr kann als Bälle hinten rausschlagen. Dann ist Schluss, drei Punkte per Hausgeburt geholt. Es gibt Applaus, Sven Köhlers Trainerstuhl ist gerettet und Dresden weiß, dass man vorher nie wissen kann, wie das Spiel gegen Halle am nächsten Mittwoch ausgeht.

Neu bei Wikipedia: Völkerwanderung 2.0

Wo gewandert wird, herrscht Erklärungsbedarf.

Aus dem Internetlexikon Wikipedia:

Der Begriff „Völkerwanderung 2.0“ taucht im Deutschen zuerst am Anfang des 21. Jahrhunderts auf. Die Internetsuchmaschine Google listet auf Platz 1 der entsprechenden Suche ein Gebet des Wiener Sozialdemokraten Gerald Kitzmülleras, in dem von der „Völkerwanderung 2.0“ die Rede ist.[1] Auch der führende europäische Friedenspolitiker Elmar Brok, zuletzt aktiv in Nordafrika, der Ukraine und Griechenland, bezeichnet die gegenwärtige Phase der Weltentwicklung, die im "Spiegel" als "Masssenwanderung" bezeichnet wird, als "Völkerwanderung" - und Brok muss es wissen, denn Brok weiß es stets.

Als feste Epochenbezeichnung benutzt ihn deshalb auch die amtliche staatliche Nachrichtensendung "Tagesschau" in einem Kommentar zur Streichung von Finanzleistungen für Geflüchtete [2].

Der Begriff fand dann recht schnell allgemeine Verbreitung.[3] Problematisch ist, dass der Terminus Völkerwanderung einerseits eine Epochenbezeichnung ist, andererseits aber ebenfalls bestimmte Entwicklungen kennzeichnet, die sich in dieser Zeit vollzogen.

Außerhalb des deutschen Sprachraums wird der konfliktträchtige Aspekt dieser Epoche  –  als migration period  oder sogar invasion(s) barbare(s) und invasioni barbariche hervorgehoben.[4]  Im deutschen Sprachraum konzentriert sich die Verwendung weniger auf das im Ausland entworfene Bild von „wandernden Völkern“, sondern auf die Tatsache, das einzelne Menschen mit jeweils besonderen Talenten zureisen, wenn auch in großen Gruppen.

Gelehrte und Politiker verweisen dabei darauf, dass es nicht entscheidend ist, wie man „Volk“ definiert. Es komme zwar zur Zeit zu Zügen von verschiedenen mehr oder weniger großen Gruppen, die aber in der Regel heterogen zusammengesetzt sind.[5] Von einem einheitlichen Prozess der „Wanderung“ ganzer Völker könne kaum die Rede sein, weil die meisten Angehörigen in den alten Heimatstaaten zurückbleiben.

Die in rechten Kreisen populäre Vorstellung einer "Völkerwanderung" gilt den meisten Forschern als „Mythos“, der auf Reste von Nationalismus in der Vorstellungswelt schlechter ausgebildeter und einkommensschwacher Bevölkerungsgruppen zurückgeht.

Ebenso besteht kein zwingender Grund, die zweite Völkerwanderung als radikalen Einschnitt zu verstehen, da das Ende der Moderne ein wesentlich vielschichtigerer Prozess sein wird.[6] Die Völkerwanderung ist hier nur ein Teilaspekt, Elemente der europäischen Kultur werden, wenn auch bisweilen in anderer Form, noch nach dem Ende der Wanderungsbewegung fortbestehen.