Freitag, 31. Juli 2015

Netzpolitik.org: Aufgewacht in einem anderen Land

Sie hätten das wissen können. Als damals im Zuge der Wulff-Schlachten klar wurde, dass die große Politik selbst die großen Zeitungen über direkte Kontakte dirigiert. Oder damals, als der sogenannte NSU aufflog und aus einer niemals aufgeklärten Abfolge an Ungereimtheiten, offensichtlicher Vertuschung und staatlicher Beteiligung ein Schauprozess wurde. Oder dann, als sich in der Edathy-Affäre zeigte, wie politische Funktionshalter den Staat benutzen, dessen Gesetze für sie nicht mehr gelten. Oder aber natürlich in der Causa Snowden, als alle Hinweise darauf vorlagen, dass fremde Mächte mit deutscher Unterstützung systematisch deutsche Gesetze auf deutschen Boden brechen. Aber nichts geschah.

Die Medien haben geschwiegen. Sie haben ihre Scheinkriege gegen wechselnde Scheinkrisen geführt. Mal musste Griechenland gerettet, mal der Euro zusammengehalten, mal das Mittelmeer durchgetrocknet und mal eine Maut verhindert werden. War das nicht, war da immer noch der rechte Popanz, der sich alleweil durch den Saal tragen lässt, wenn die Leute anfangen, Fragen zu stellen. Prinzipiell war Ruhe an der Front. Ein paar kritische Kommentare, als niemand wegen nichts ermitteln wollte. Ein paar Anmerkungen im Kleingedruckten. Aus.

Aber nun auf einmal sind sie alle ganz aufgeregt: Der Generalbundesanwalt ermittelt gegen eine Internetredaktion, die Interna zu Verfassungsschutzplänen zur umfassenden Gesamtüberwachung aller Bürger öffentlich gemacht hatte.

Das ist nur konsequent in einem Land, in dem die staatliche Allmacht ein Maß erreicht hat, das dem in der ehemaligen DDR herrschenden kaum nachsteht. Staat meint in diesem Fall die Exekutive mit der unumschränkt herrschenden Bundeskanzlerin an der Spitze: Spätestens, seit die Große Koalition regiert, "läuft etwas schrecklich verkehrt im Staate Deutschland" (Vera Bunse). Nicht nur, dass die gewählte Regierung durchregiert, ohne Rücksicht auf irgendeine Art ernsthafter Opposition nehmen zu müssen. Nein, sie setzt ihre staatlichen Machtmittel auch schamlos jenseits der verfassungsmäßigen Zulässigkeit ein, um ein Land nach ihrem Bilde zu formen: Unter einer Einheitsmeinung, mit einer Einheitspartei, die nur eben hilfsweise noch fünf Namen trägt, mit einer Einheitsansicht zu Krieg und Frieden und Marschrichtung in ein supranationales Europa.

Dass dieses Land nach Bedarf regiert wird, ist unübersehbar. Mal gibt es Zuwendungen, mal Strafandrohungen, was gerade angeboten wird, richtet sich nicht nach objektiven Maßstäben, sondern nach den Erfordernissen der Lage: "Als der Generalbundesanwalt nach dem Empfinden des gesunden Menschenverstands hätte ermitteln sollen – nach den Snowden-Enthüllungen –, passierte: nichts", heißt es bei Roland Tichy. Als Netzpolitik.org Hintergründe dieser Entscheidungen veröffentlichte, ritt der für seine notorische Tatenlosigkeit bekannte oberste Strafverfolger aus, das kleine Blog stellvertretend für alle, die Demokratie und Pressefreiheit noch wörtlich nehmen, abzustrafen.

Huch, welche Aufregung! FAZ, Spiegel, SZ, taz und all die anderen, aufgewacht in einem anderen Land. Dummerweise in einem, das sie selbst mitgestaltet haben. Natürlich weiß der greise Generalbundesanwalt, dass er mit seinen Ermittlungen nicht zu einem Gerichtsverfahren kommen wird. Er - beauftragt von dort, wo solche Entscheidungen letztinstanzlich getroffen werden - hat das Ermittlungsverfahren dennoch angestrengt, um nach außen hin zu zeigen, dass niemand mehr sicher sein kann. Das Verfahren ist hier bereits die Strafe - wer immer es wagt, gegen Staatsinteressen zu verstoßen, die ein kleines Grüppchen von Berufspolitikern definiert, riskiert Verfolgung und im Ernstfall Verurteilung.

Das ist erschreckend. Noch erschreckender aber ist vielleicht das späte Erschrecken über das schon so lange Offensichtliche. 

Das Kreutz mit der Kleichheit

Alle sehen gleich aus, also treffen alle auch gleich oft ins Ziel.
Es geht, wie immer öfter, um Gleichheit. Und es muss, wie immer öfter, ein Gericht entscheiden. Muss ein Abiturient, der am Ende seiner Schulzeit nicht schreiben und lesen kann, in seinem Abschlusszeugnis einen Vermerk dulden, der erklärt, dass er wegen einer "fachärztlich festgestellten Legasthenie" keine Rechtschreibnote erhalten hatte? Oder diskriminiert das den Betreffenden, wie drei Abiturienten glauben, die wegen eines solchen Hinweises im Zeugnis geklagt hatten.

Ein fall für Martin Schulz. Gleich und gleich gesellt sich gern, aber woher weiß man, dass man gleich ist? Wenn es verboten würde, gleichzusetzen? Wenn ein Arbeitgeber künftig sieht, dass ein Schulabgänger keine Rechtschreibnote hat, wird er wissen, woran das liegt. Die nächste Klage wird sich damit vermutlich gegen das diskriminierende Weglassen der Rechtsschreibnote richten, die daraufhin künftig virtuell erteilt werden wird - Maßstab etwa "wie gut könnte der Schüler schreiben, wenn er schreiben könnte".

Jede Benachteiligung fällt weg, außer die derjenigen, die schreiben können, das aber zuerst einmal lernen mussten. Ein erneuter Sieg eines Gesellschaftsbildes, das Gleichheit nicht mehr als Gleichheit in der Chance versteht, durch eine Kombination von Talenten, Mühe, Förderung und Glück gleich zu werden. Sondern die Gleichheit darin sieht, gleich zu machen, was unterschiedlich ist.

Wichtigstes Mittel dabei ist naturgemäß die Vermeidung der Benennung von Unterschieden. Wo Schwarz nicht mehr Schwarz und Weiß nicht mehr Weiß, weiblich nicht mehr weiblich und männlich nicht mehr Mann genannt werden kann, wird Klein zu Groß, Hell zu Dunkel und Dunkel zu Hell. Der Mensch bekommt die Chance, sich neu zu erfinden: Aus Mann wird Frau, auch Weiß wird Schwarz, wer winzig ist, darf sich beklagen, dass ihn kein Basketballverein einstellen mag, und der mittelalte Herr mit Glatze sucht sich einen Anwalt, um Heidi Klum zu verklagen, die ihn nicht zu Deutschlands Topmodel küren will.

Die Menschen bleiben wie sie sind, Individuen, die zu einem großen Teil aus Verschiedenheit bestehen. Doch es entsteht gleichzeitig eine Gleichheit nicht der gleichen Rechte und Chancen, sondern eine Ungleichheit, die einfach nicht mehr beschrieben werden kann. Eine allgemeine Flucht vor konkreten Begriffen für konkrete Sachverhalte folgt, aus dem Neger muss der Schwarze werden, der "Afrikaner", der "People of Color", aus dem "Mohammedaner" wird der "Moslem" und später der "Muslim".

Es ist ein ständiger Nachschub an neuen Begriffen, der benötigt wird, um die weiterhin vorhandene Grundungleichheit durch sprachliche Kosmetik zu übertünchen. Der alte "Wirtschaftsflüchtling" muss dem "Balkanflüchtling" weichen und die "Überwindung der Bedeutung von Geschlecht, Rasse und sexueller Orientierung für das soziale Leben" als "eines der großen Fortschrittsprojekte" (Tagesspiegel) wird zu einem Humbug aus Sprechverboten, Ritualhandlungen und Zirkuskasperei.

Donnerstag, 30. Juli 2015

Verfolgung in Frankreich, Flucht nach England


Sie werden verfolgt, sie müssen Angst vor Abschiebung haben, sie sehnen sich danach, ein Land zu verlassen, das ihnen keine Heimat sein kann. Tausende Flüchtlinge sammeln sich seit Monaten vor dem Eurotunnel bei Calais, um sich in die Freiheit zu retten.

Es ist eine Flucht mit hohem Risiko, die zuweilen tödlich endet. Doch Verfolgung und die unhaltbare Situation in der Eurozone lassen die Menschen aus Afrika keine andere Wahl: "Tod oder England" (Die Zeit) heißt ihre Parole. Frankreich, Deutschland, Italien oder Schweden können ihnen keine angemessenen Lebensbedingungen bieten. „Noch nicht einmal die Normen der Vereinten Nationen werden respektiert“, beklagen die Hilfsorganisationen „Médecins du Monde“, „Solidarités International“, „Secours Catholique“ und „Secours Islamique“. Ein Fluchtgrund.

Ist es eine Absage an den Euro? Ein Votum für die britischen Austrittspläne aus der EU? Weswegen muss, wer manchmal über viele Monate mit letzter Kraft vor Verfolgung, Terror und Hoffnungslosigkeit bis nach Mitteleuropa geflohen ist, von hier weiterfliehen auf die britische Insel? Wird in den anderen EU-Ländern wirklich politisch verfolgt? Werden religiöse Bekenntnisse und eine Vorliebe für bestimmte sexuelle Praktiken bestraft? Gibt es Krieg, Korruption, eine gekaufte Justiz?

Bekanntgeworden ist es nicht, doch irgendeinen Fluchtgrund muss es geben, der allein in der ersten Jahreshälfte 2015 mehr als 37.000 Menschen dazu trieb, sich in Lkw zu versteckten, um illegal den Ärmelkanal zu überqueren. 37.000 – das sind im Schnitt 100 pro Tag. Und es sind, wie Videos verraten, stets junge, kräftige Männer. Wie bei den gefährlichen Mittelmeerüberfahrten, die im April für so große Aufregung sorgten, sind sie auch hier wieder die am stärksten betroffene Bevölkkerungsgruppe.

Nun also Eurotunnel-Aufregung auf allen Kanälen, die zuletzt bei der Flucht übers Mittelmeer eingesparten Krokodilstränen strömen nun ungehemmt im Namen der Opfer von Calais.

Demnächst wird sich Martin Schulz melden, die Führungskraft der europäischen Sozialdemokratie und der höchste Europa-Parlamentarier aller Zeiten. Er wird mahnen, die Flüchtlingskatastrophe abzumildern, indem der Eurotunnel geöffnet wird. Die Edelfeder Heribert Prantl, einer der aufrechtesten Ankläger der europäischen "Notverordnungs-Demokratie" (Prantl), wird ein anklagendes 40-Seiten-Heftchen bei Amazon verkaufen und erklären, dass all die Menschen aus Frankreich flüchten müssen, "weil dort die Hölle los ist. Und statt sie aufzunehmen, schützt Großbritannien zynisch seine Grenzen". Das Tunnel werde zum Friedhof, das würde auch die deutsche Talkshowelite feststellen, wäre nicht gerade Sommerpause. Ist die vorbei, wird das Thema durch sein.

Aufgeflogen: Putins neueste Teufelei

Also doch! Neun Monate nach dem Aufkommen ernster Verdachtsmomente, dass Wladimir Putins Geheimdienst in schwedischen Gewässern spionier, haben Taucher jetzt tatsächlich ein fremdes U-Boot vor der schwedischen Küste gefunden. Der Rumpf trägt kyrillische Zeichen, ist demnach vermutlich russisch – alles deutet auf Putins Schergen hin, ganz so wie das demokratische Presse bereits von Anfang an vermutet und als bewiesen beschrieben hatte.

Offenbar handelt es sich bei dem Vordringen der Kreml-U-Boote auch nicht um einen einmaligen Fall. Wie Experten angeben, liegt das jetzt gefundene Boot schon seit 99 Jahren in schwedischen Gewässern. "Das U-Boot ist komplett intakt, hat keine sichtbaren Schäden am Schiffskörper und die Luken sind geschlossen", erklärte Stefan Hogeborn vom Ocean X Team am Montag in Stockholm. Wie es der Besatzung gehe, sei noch nicht bekannt, aus dem Bootskörper antwortet offenbar niemand.

Klar ist, dass Russland durch das aufgeflogene U-Boot noch mehr als bisher unter Druck gerät. Monatelang hatte sich der Kreml gegen den Verdacht gewehrt, mit U-Booten in der Ostsee herumzufahren. Putins Verteidigungsministerium warnte, dass eine Suche nach vermeintlichen russischen Spionageschiffen nur zu einer Instabilität in der Region führe. Zitat: „Derartige unbegründete Aktionen des schwedischen Verteidigungsministeriums, verbunden mit einer Rhetorik wie zu Zeiten des Kalten Kriegs, führen zu einer Eskalation der Spannung in der Region.“

Der Fund eines Bootes, das augenscheinlich Teil der russischen Flotte im Ersten Weltkrieg war und bereits vor 1916 gegen Schweden spionierte, beweist nun die ein weiteres mal die Haltlosigkeit der russischen Versicherungen. Die Nato tagt derzeit in Istanbul. Auf der Tagesordnung steht auch eine Verschärfung der Sanktionen gegen Moskau.

Mittwoch, 29. Juli 2015

Großprojekte und Insolvenzen - Versagen auf ganzer Linie

Flughafen ohne Flugzeuge: Berlin-Brandenburg ist zum Synonym für staatliches Versagen geworden.

Wenn der rote Teppich am Berliner Flughafen Tegel ausgerollt wird, dann ist soeben ein äußerst wichtiger Staatsgast gelandet. Wenn zusätzlich eine britische Limousine und Salutschüsse abgefeuert werden, so ist es keine Geringere als die britische Queen Elizabeth II. (89), die mit ihrem Ehemann Prinz Philip (94) Deutschland einen Besuch abstattet. Neben der royalen Euphorie stellen sich aber auch immer wieder Journalisten und interessierte Bürger die Frage: „Warum muss der exklusive Privatjet eigentlich nach wie vor auf dem mickrigen Flughafen Tegel landen?“. Die Queen ist sicher auch not amused.

Über das peinliche Mammut-Projekt Berliner Flughafen und das kollektive Versagen aller involvierten Personen ist in der Vergangenheit ja mehr als genug berichtet worden. Trotz allem ist das Thema nach wie vor brandaktuell, da fast zwei Jahre später nach dem damaligen Artikel immer noch nichts passiert ist. Trotz lustigem Ringelpiez bei den Verantwortlichen ist ein Ergebnis bei diesem beschämenden Großprojekt nach wie vor in weiter Ferne. Aus vielerlei Hinsicht kann man da als Berliner froh sein, dass die Hauptstadt nicht als Deutscher Kandidat ins Rennen für die Olympischen Spiele 2024 geschickt wurde. Nicht auszudenken, wenn die Bewerbung auch noch positiv ausgefallen wäre und man hätte überlegen müssen, wo in Brandenburg denn genügend Parkplätze errichtet werden können, da es wohl äußerst optimistisch erscheint, dass im Jahre 2024 der neue Berliner Flughafen bereits für den Flugbetrieb genutzt werden kann.

Gott sei Dank haben wir mit Hamburg nun einen würdigen Vertreter für Deutschland, der bereits in der Vergangenheit in der Durchführung von Großprojekten keine unbedingt positive Figur abgab. Das Prestigeprojekt in der Hamburger HafenCity reiht sich zusammen mit dem BER Flughafen und Stuttgart 42 in eine beschämende Reihe medienwirksamer Flops ein.

Horrende Mehrkosten für Großprojekte gehören mittlerweile ja international betrachtet eh schon zum guten Ton, da ist die nächste Steigerung nach amerikanischem Vorbild sicher nur eine Frage der Zeit. Als Beispiel für die Vorgehensweise der Amerikaner lässt sich dort wunderbar das Spielemekka Las Vegas aufzeichnen.

Die von der Finanzkrise im Jahre 2008 stark gebeutelte Stadt zeigt an vielen Stellen deutlich, was passiert, wenn das Geld ausgeht: es entstehen gigantische Hotelruinen, die gleichermaßen von zerplatzten Träumen und mangelhafter Finanzierung zeugen.

Aber auch das andere Extrem gehört zur amerikanischen Unternehmenskultur dazu und wird sehr gut von der Caesars Entertainment Corporation gelebt. Die zwischenzeitlich mit mehr als 26 Milliarden US-Dollar verschuldete Unternehmensgruppe, die unter anderem das weltberühmte Caesars Palace betreibt, investierte trotz horrender Schulden einen – Schätzungen zufolge - weiteren hohen neunstelligen Betrag in ein neues Prestige-Projekt, welches neben Hotel-Renovierungen auch direkt das weltgrößte Riesenrad mitten auf dem Las Vegas Strip umfasste. Warum auch kleckern, wenn man mit weiteren Schulden direkt klotzen kann?

Um das Unternehmen liquide zu halten, erarbeitete der gebeutelte Konzern eine nur allzu bekannte Master-Strategie: ein Schuldenschnitt soll her. Bei diesem fühlten sich aber einige Gläubiger, die auf bis zu 90 Prozent ihrer Forderungen verzichten müssten, übervorteilt und beantragten kurzerhand bei einem Konkursgericht die Insolvenz von Caesars Entertainment Corporation. Das Unternehmen musste daraufhin eine eigene, freiwillige Insolvenz nach Chapter 11 anmelden, um den Betrieb aufrecht zu erhalten. Ironischerweise hat sich wohl die Bank bei dieser Pokerpartie selbst verzockt und es bleibt mit Spannung zu erwarten, was zukünftig passiert und was aus den 30.000 betroffenen Arbeitsplätzen wird.

Aber auch in Europa treffen sich die gewählten Volksvertreter aktuell ja täglich zu immer neuen Pokerpartien, bei denen wohl schon keine Partei mehr wirklich durchschauen kann, wer denn jetzt wen blufft und was eigentlich die tatsächlichen Karten in der Hand sind. Anstatt dabei mit dem Schicksal von der krisengebeutelter Bevölkerung zu spielen, hätten sich die Zockerkönige aus Brüssel und Griechenland ja auch einfach bei einer virtuellen Partie austoben und in der Zwischenzeit mal wirklich im Sinne der gewählten Bevölkerung entscheiden können.

Wir sind auf das Ergebnis gespannt, wenn bald die Karten im Showdown auf den Tisch gelegt werden.

Urlaubszeit: Mit dieser Sprache kommen Sie in Spanien am weitesten

Ungewohnt heiße Temperaturen, Zeitverschiebung und überall Menschen, die einen nicht verstehen. Es gibt viele Faktoren, die die Erholungswirkung des großen Sommerurlaubs beeinflussen können. Was Sie beachten müssen, um sich auch im Urlaub sicher zu verständigen, verrät PPQ-Experte Manfred Heikler, der Bundesaußenministerium die Abteilung Interkulturelle Kommunikation (BuInKu) leitet.

Die Supermärkte sind voll, doch auf allen Waren stehen nur schwer leserliche Anweisungen. Straßennamen, Busfahrpläne und Mietverträge - überall im Ausland lauern Fallstricke für unerfahrene Urlauber. Hierzulande für die meisten Deutschen überhaupt kein Problem. Doch wie kann man sich schützen, wenn man in den sonnigen Süden reist? Mit welcher Sprache komme ich in Spanien am weitesten? Wie verständige ich mich in Italien? Was ist mit Portugal, worauf muss ich in der Türkei achten und wie gehe ich mit echten Griechen um, die mich nicht verstehen wollen?

Ein paar Sprachen mehr machen im Ausland in der Regel nichts aus, sagt Heikler. Aber: Welche wo wählen? Er warnt deshalb: Europa sei ein Kontinent großer sprachlicher wie kultureller Gegensätze, und die Europäer haben schon immer mit dem Bewusstsein sprachlicher Vielfalt gelebt. Doch die Verteilung der Sprachen ist trotz aller Bemühungen der EU immer noch extrem unausgewogen: In den Regionen, wo die Zahl der einheimischen Sprachen relativ gering ist (Westeuropa), finden wir die meisten Immigrantensprachen. Der Blick auf Osteuropa verdeutlicht, dass dort die Zahl der einheimischen Sprachen wesentlich größer ist, andererseits die der Immigrantensprachen deutlich geringer als im Westen. An der Peripherie, in der Kaukasusregion, ist die Sprachenverteilung am dichtesten. Dort sind mehr als 50 Sprachen verbreitet, die zu einem halben Dutzend Sprachfamilien gehören. "Die kann man nicht alle lernen", sagt Manfred Heikler.

Besser sei es, sich auf einer der 48 sogenannten Million-Sprecher-Sprachen zu konzentrieren. So werden die Sprachen Europas genannt, die von mehr als einer Millionen Menschen beherrscht werden. Entsprechend ihrem Anteil von 31 Prozent an der Gesamtzahl von 143 sei es mit Hilfe dieser 48 Sprachen möglich, sich mit rund einem Drittel der Europäer zu verständigen. Wer nicht mehrere lernen kann oder will, dem kommt der laufende Prozess der Neuentstehung von Pidgin-Sprachen entgegen: Immigranten entwickeln die Sprachen der alteingesessenen Europäer dabei über Interferenzen und Abwandlungen so weiter, dass vor allem in den urbanen Milieus der Großstädte Sprachenlandschaften neuen Typs entstehen, die Europa eine bislang ungekannte Dimension soziolinguistischer Fusionsprozesse öffnen. Heikler überraschender Befund dieser Entwicklungen: "Unter Umständen können Sie sich mit einem Sonnenbrillenverkäufer in Spanien besser auf Türkisch oder Arabisch verständigen als auf Spanisch, eventuell versteht sie der Kellner in Bansin besser, wenn Sie Polnisch sprechen, als wenn sie es auf Deutsch versuchen."

Dienstag, 28. Juli 2015

Verbot der Woche: Alpha-Kevin muss weichen

Der Mann in der Mitte heißt Kevin und er kommt nicht drüber weg.
Im Zuge des allgemeinen Kulturabbaus wird seit Jahren nicht nur nach dem "Wort" und dem "Unwort des Jahres" gesucht, sondern auch nach dem "Jugendwort", nicht allerdings - in klarem Widerspruch zur EU-Diskriminierungsrichtlinie - nach einem "Seniorenwort des Jahres". Und auch bei "Jugendwort" wird die Luft dünn: Der Langenscheidt-Verlag, der das "Jugendwort" aus PR-Gründen erfunden hat, nutzt den laufenden Wettbewerb dazu, erstmals eine Kandidatenliste vorzustellen, die nicht nur komplett sinnfrei, sondern auch politisch-moralisch hundertprozentig korrekt.

Dazu wurde der bis dahin im Ranking führende Begriff "Alpha-Kevin" aus der Kandidatenliste gestrichen. Er sei gehalten, zahllose Kevins weltweit zu diskriminieren, hieß es bei Langenscheidt. Das aber habe niemand gewollt. Der Verlag zieht damit auch Konsequenzen aus der Wahl im vergangen Jahr, aus der das Wort "fappieren" als Sieger hervorgegangen war. Noch vor der öffentlichen Verkündung hatte Langenscheidt der Siegerbegriff daraufhin gegen die Wortgruppe "läuft bei dir" ausgetauscht, um die Medienpräsenz der Siegerehrung sicherzustellen.

Der Austausch hatte für zusätzliches Echo gesorgt, ähnliches erhofft saich Langenscheidt auch in diesem Jahrgang. Das Verbot von "Alpha-Kevin" trifft deshalb einen Begriff, der bis zum Zeitpunkt seines Verschwindens keinerlei Spuren hinterlassen hatte. Durch die öffentlichkeitswirksame Zensurmaßnahme im Namen aller Kevins hat er nun jedoch beste Chancen, weiteste Verbreitung zu finden.

Verbot der Woche: Bußgelder für Bettelkinder

Verzockt: Merkel in der Goldfalle

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und ihr Finanzminister Wolfgang Schäuble gelten als starke, unabhängige Vertreter deutscher Interessen, die zudem hervorragend rechnen können. Darum wollten beide ihr Land in Zeiten der Finanzkrisen loslösen von den Kurskapriolen der westlichen Währungen. Sie häuften Staatsvermögen in Gold an: Mehr als 3300 Tonnen ließen sie die Bundesbank anhäufen. Zuletzt versuchten sie sogar, kleine Mengen, die zuvor an die USA verliehen worden waren, zurückzuholen.

Doch das ging offenbar mächtig schief. Wie die Zeitung „Die Welt“ berichtet, hat dieses Vorgehen Deutschland mächtig Geld gekostet: Der Wertverlust des deutschen Goldschatzes beträgt allein im jüngsten Kurssturz des Edelmetalles rund 33 Milliarden Euro - Geld, das fehlt, um die Bundeswehr aufzurüsten, die Verluste aus der Pkw-Maut auszugleichen und die aktuelle Flüchtlingskrise durchzufinanzieren.

Merkels Problem könnte aber noch größer werden. 2012 war der deutsche Goldvorrat noch 137 Milliarden wert gewesen, derzeit sind es nur noch 104 Milliarden. Experten fürchten, dass der aktuelle Kurssturz beim Gold noch weiter gehen könnte. Deutschland würde dies weitere Milliarden kosten.

 Stürzt der Kurs auf den Preis von 2008, kurz vor Beginn der Finanzkrise, bliebe nur noch ein Restwert von etwa 50 Milliarden Euro übrige.

Montag, 27. Juli 2015

Der Feind meines Feindes ist mein Feind

Es braucht mittlerweile höhere Mathematik, um die Konfliktlinien zu verstehen, die sich im Kampf um den Nahen Osten gebildet haben. Deutschland und die EU etwa führen die kurdische Arbeiterpartei PKK als "Terrororganisation", rüsten sie gleichzeitig aber mit Waffen aus. Denn die Kurden kämpfen gegen den Islamischen Staat, ebenso wie in der Ukraine Faschisten und Islamisten für westliche Werte streiten. Nebenbei allerdings kämpfen die kurdischen Milizen natürlich auch noch gegen die Türkei, der sie über kurz oder lang einen Teil des Gebietes ihre künftigen Kurdenstaates abringen wollen.

Dagegen wiederum kämpft die Türkei, Deutschlands Nato-Partner und langfristig EU-Aufnahmekandidat, neuerdings auch wieder mit Luftangriffen auf PKK-Camps. Nicht gut finden des die Deutschen und der Rest Europas, weil die PKK und ihre irakischen und syrischen Schwesterorganisationen für die EU den Stellvertreterkrieg gegen die IS-Islamisten führen soll. Gut dagegen finden das die USA, die im Krieg gegen Russland darauf angewiesen sind, dass Griechen und Türken die Südflanke der Nato halten.

Vier Parteien, zwei Ansichten, die medial kaum vermittelbar sind: Die Türkei zerbombt Lager voller Waffen die die Bundeswehr den verbündeten Terrormilizen der Kurden eben erst geliefert hat. Die deutsche Kanzlerin beschwert sich darüber, angemessen zart. Der große Verbündete USA dagegen lobt die Angriffe ausdrücklich: Die PKK sei schließlich eine Terrororganisation.

Eine mit Deutschland verbündete und von Deutschland ausgerüstete, die sich ab sofort wieder im Krieg mit der Türkei befindet, die von Deutschland in den zurückliegenden 15 Jahren Waffen im Wert von rund zwei Milliarden Euro erhalten hat.

Deutsche Waffen auf der einen Seite schießen auf deutsche Waffen auf der anderen Seite, ein Nato-Partner fliegt Luftangriffe auf zwei unabhängige Nachbarstaaten, begleitet von Maschinen der USA, die es zumindest offiziell gern sähen, wenn die Türkei den Islamischen Staat nicht mehr unterstützen würde. Mittendrin steht eine ratlose deutsche Spitzenpolitik: "Der Friedensdialog", heißt es da, dürfe nicht "abbrechen".

Spiegel: Sechs Cover zur Flüchtlingskrise

Lobenswert! Und mutig! Der "Spiegel" beschäftigt sich im Titelkomplex seiner neuen Ausgabe diesmal mit dem Thema Flüchtlinge - und dazu erscheint das Heft erstmals mit sechs verschiedenen Titelbildern - jedes zeigt eine andere Facette der Krise.

So können Leser im "Spiegel" etwas über den "Ansturm der Armen" erfahren, das "Versagen der Politiker" wird thematisiert und es geht darum, wer denn nun am Ende all die Flüchtlinge aufnimmt. Wird Deutschland dadurch wirklich zum "Mekka Deutschland", wie es auf einem Titelbild heißt? Bilden "eine Million Türken" tatsächlich auf eigene Faust "Ghettos"? Und was ist mit den "Zigeunern" (Spiegel)? Sind die alle "auf dem Weg nach Deutschland"?

Zudem beinhaltet das Heft einen Artikel über den Umgang mit Flüchtlingen in der Vergangenheit und beschäftigt sich mit der Auslotung möglicher Grenzen einer Willkommenskultur. Außerdem werden die Gründe dafür beleuchtet, warum Angela Merkel nach langem Zögern doch für ein Einwanderungsgesetz ist.

Früh und entschieden bezieht der "Spiegel" hier Stellung gegen Flüchtlinge, gegen Mitmenschlichkeit, gegen Hilfe und Gerechtigkeit. Ewiggestrig fordert das Magazin kontrollierte Einwanderung, den Verzicht auf das Teilen von Reichtum, eine abgeschottete Zukunft für unser Land und gegen die Kanzlerin, die allein diese Zukunft im Offenen ermöglicht. Von dort aus, wo Spiegel-Schreiber titeln, denen der fremdenfeindliche Geifer aus den Mundwinkeln läuft, ist es nur noch ein Stück bis Mauerbau, Schießbefehl, Honecker, Hitler, Massengrab und Demokratieverbot.

Lesen lohnt sich!

Sonntag, 26. Juli 2015

Song Meanings: Scheidung im Gaslicht


Ein Lied, auf das Europa gewartet hat, in diesen schweren Jahren der permanenten Entscheidungsfindung. Milliarden stehen auf dem Spiel, im Kleingedruckten sind die Zahlen kaum noch erkennbar. Helmut Kohl, der Vollender deutschen Einheit, der auch Schmied einer europäischen Verschmelzung sein wollte, singt im Hintergrund "We were the magnificent dreamers in secret lamplight hideouts", denn er ist sicher "we swore the world couldn't break us, even when the world took us down". Spendenaffäre, Nato-Stationierungslüge. Es war es wert!

Musik, die eine geheime Bedeutung hat, losgelöst von dem, was zu hören ist. Als der Zug der deutschen Einheit Fahrt aufnahm und der Mantel der Geschichte wehte, blieb nur die Alternative, in leer abfahren zu lassen. Oder einzusteigen. "So here I am strugglin' out in the mighty jungle, movin' 18 miles a minute but not slowing down for nothin'", gurgelt Kohl, "I look to my left and I look to my right and I'm callin' out for my brothers but it's so dark in this night - Am I alone?"

Niemals und nirgendwo! Der Sturz folgt auf den Höhenflug wie die Landung auf den Start, was bleibt, ist die Frage, ob das, was man bekommen hat, das ist, was man haben wollte. "Were the things that we wanted when we were still 16, only passing and fleeting or just too far out of reach?" Deutsche Einheit, europäische Union, Führungsmacht, Weltmacht?

"On a Sunday morning the whole crowd assembled, I've done some things that I'm not too proud of". Passiert, da heißt es weitermachen, voranschreiten, Geschichte wartet nicht. Hauptsache, man hat es versucht. Mit der EU. Mit dem Euro. Mit dem postdemokratischen Zentralismus als Antwort auf den monetären Globalismus.

"It's all right, man, I'm only bleeding, man, stay hungry, stay free, and do the best you can".

Khaled Idris: Wenn aus Mord eine tiefe Stille wird

Im Januar war es #aufschrei wie seit Brüderle nicht mehr. Ein Flüchtling war feige ermordet worden und wie einst in Mittweida stürmte ein enthemmter Medienmob los, die Täter zu stellen. Tausend Artikel am Tag, einer inhaltsleerer als der andere, nichts genaues weiß man nicht, aber das muss niemanden abhalten, laut darüber zu sprechen. "Rache für Khaled!" riefen tausende Freunde des Ermordeten auf den Straßen von Dresden und Berlin. Alle waren Khaled, niemand blieb zurück. Ein Volk in Angst vor Nachahmungstäten, die erst Hakenkreuze schmieren und dann wie stets zum Messer greifen, gedeckt von einer "sächsischen Polizei" (SZ), die mit den Mördern unter einer Decke steckte.

Still wurde es zehn Tage später, als ein 26-Jähriger Flüchtling aus Bahrain unter dem dringenden Verdacht verhaftet wurde, seinen Mitbewohner Khaled Idris getötet zu haben. Schlagartig verebbte bei sämtlichen 788 deutschen Medien g jedes Interesse an einer weiteren Verfolgung des Falles. Es trat ein dröhnendes Schweigen ein, mit dem die Berichterstatter, die bis dahin emsig jede Hakenkreuzkritzelei in Dresden, Sachsen und Ostdeutschland überhaupt notiert hatten, jedermann mitteilten, dass ihnen ein Mordopfer gleichgültig ist, sobald es sich nicht in einer imaginierten ewigen Schlacht gegen das Rechte, das Böse, das Früher benutzen lässt.

Dabei ist es geblieben. Als die Staatsanwaltschaft Dresden Ende Mai gegen den 27-jährigen Beschuldigten Anklage wegen Totschlags beim Landgericht Dresden erhob, fanden sich noch fünf große Medienhäuser, die meinten, das sei eine Nachricht. Die Sächsische Zeitung, das Dresdener Fernsehen, das Boulevarblatt MOPO24 und die Dresdner Neuesten Nachrichten beurteilten das allerdings aus rein regionaler Sicht – derselbe Mord in Wuppertal wäre ihnen keine Zeile wert gewesen.

Darüberhinaus war es nur das Nachrichtenmagazin Focus, im Normalfall ein gescheiterter Versuch, Huffington Post und heftig.co in einem zu sein, das über „eine verbale Auseinandersetzung wegen der Gestaltung von Haushaltsangelegenheiten“ berichtete, das nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft einem „Totschlag nach § 212 Absatz 1 StGB“ vorausging.

Die Strafkammer des Landgerichts wird nach der Zustellung über die Zulassung der Anklage und die Eröffnung des Hauptverfahrens entscheiden. Wie die Entscheidung ausgegangen ist,  wird außerhalb Dresdens aber vermutlich niemand erfahren.

Aktenzeichen: 300 Js 3472/15

Samstag, 25. Juli 2015

Zitate zur Zeit: Da sind wir wieder

Ich würde den Stalinismus, also den autoritären Sozialismus, definieren als eine Herrschaft einer zentralen monopolistischen Bürokratie, die unnotwendig und zusätzlich ist. Das Maß der notwendigen Repression über die Menschen auf der Grundlage der Entwicklung der Produktivkräfte, auch auf der Grundlage der Entwicklung des Bewusstseins, sagen wir es positiv: das Maß der Freiheit - wurde nicht bestimmt durch die Bewusstheit der Menschen selbst, sondern wurde bestimmt durch bürokratische Entscheidungen von oben, und jeder Ruf nach individueller und gesellschaftlicher Freiheit wurde denunziert als Konterrevolution.

Rudi Dutschke zum inneren Zustand der Europäischen Union nach der ersten Griechenlandrettung

Dauerbetreuung im Kinderlager

Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) will mehr Kitas, die Eltern den immensen Betreuungsaufwand für ihren Nachwuchs dauerhaft abnehmen. Dazu wolle ihr Ministerium bis zu 100 Millionen Euro für 2016 bis 2018 bereitstellen, sagte die Ministerin. Für Menschen, die arbeiten, aber auch immer mal ins Kino oder die Kneipe gehen oder ungestört in den Urlaub fahren wollen, sei es wichtig, dass es auch in sogenannten Abwesenheitszeiten der Eltern eine Möglichkeit gebe, "die Kinder gut betreut zu wissen", glaubt Schwesig. Sie hoffe, mit ihrer Initiative an die erfolgreiche Politik zur Hebung der Geburtenrate anknüpfen zu können, die ihre Vorgängerin Ursula von der Leyen nd eingeleitet hatte.

Den Plänen zufolge geht es nicht nur um eine längere Betreuung der Kinder, sondern um Angebote allumfassender Natur. Nach der Ablösung des alten Begriffs Kindergarten durch die neue Vokabel Kita werden die neuen Monatskinderlager in einem nächsten Schritt des Ausbaus der staatlichen Rundumbetreuung vielen Kindern noch früher und länger mehr noch mehr Möglichkeiten von frühkindlicher Bildung bieten. Die Anwesenheit ist verpflichtend.

Als Vorteil der neuen Regelung gilt die höhere Zuverlässigkeit bei durch staatlich zertifizierte Fachkräfte vermittelten Bildungsinhalten gegenüber den individualistischen Bildungsangeboten von Eltern, deren Qualifikation nicht geprüft wurde. Eine neue Studie zeigt, dass Kinderlager als Ersatz für die Großfamilie gerade kleinen Kinder sehr gut tun. "Bei Jungen und Mädchen, die zu lange in der Familie erzogen wurden, ist die Wahrscheinlichkeit für psychische Auffälligkeiten wie Hyperaktivität doppelt so hoch", hat der Leiter der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Uniklinik Dresden, Professor Veit Roessner, herausgefunden.

Ins Spiel kommt hier auch wieder die Betreuungspflicht für Kinder ab drei bis 18 Jahre. Die sei perspektivisch nötig, um die neuen Lager auslasten zu können, heißt es in Berlin. Das Geld für den Ausbau der Maßnahmen stammt aus zusätzlichen Investitionsmitteln des Bundes, der aufgrund der Griechenlandkrise bei den Zinszahlungen Milliarden eingespart hat. Dazu schielt Schwesig auf eine knappe Milliarde, die das verfassungsfeindliche Betreuungsgeld nach dem Urteil des Bundesverfassungsgericht nun nicht kosten wird.

Ab kommenden Herbst sollen Kita-Träger ihren Förderbedarf beim Bund anmelden können, die Umrüstung und Umbenennung der Einrichtungen erfolgt dann ab 1. Januar.

Freitag, 24. Juli 2015

Bosbach: Aufrecht liegen

„Bosbach bleibt sich treu - und wird jetzt zur noch größeren Herausforderung für die Kanzlerin“, fabuliert der „Focus“ kurz nach der Ankündigung des CDU-Politikers, sich „treu zu bleiben“ und in den großen Tagen der Rettung ganz Europas „nicht länger die Kuh sein, die quer im Stall steht“. Bosbach, der sich selbst stets als knorrigen Politfelsen inszeniert, dem sein Gewissen mehr wert ist als eine Polit-Karriere, hatte schon vor der Abstimmung zum neuerlichen Rettungspaket für Griechenland angekündigt, dass er wie immer mit Nein stimmen werde. Nun, so schreiben es die Gazetten, mache er wahr, was er versprochen habe: Ein Rückzug, aller Ehren wert. Endlich mal ein Politiker, der zu seinem Wort steht. "Ein Politiker, der für seine Überzeugung kämpft!" (Focus) .

Hut ab, Wolfgang Bosbach!

Aber das sind eben dann doch nur Ehren, wie sie in Zeiten grassierender Gewissenlosigkeit gratis verteilt werden. Bosbach, 63 Jahre alt und nach eigener Erklärung unheilbar an Krebs erkrankt, legt letztlich einen Ausschussvorsitz nieder, nicht sein Mandat, wie er es eigentlich nur wenig verklausuliert versprochen hatte.

Von „persönlichen Konsequenzen“ sprach er damals. Er werde bei einem Verlangen nach neuen Griechenlandhilfen nicht mitstimmen, „aber ich werde auch nicht nur nein sagen“, ließ er den harten Kerl raushängen, der störrisch seinem Gewissen folgen muss, egal, was es ihn kostet. „So einen Politiker liebt das Volk“, freut sich die staatliche Danachrichtensendung Tagesschau über den Mann, der zeigt, dass es möglich ist, aufrecht zu liegen.

Bosbachs CSU-Kollege Peter Gauweiler hatte es bnoch ganz anders gehalten. Er war letztlich konsequent genug, auch den Posten als kritisches Aushängeschild und Vorzeigebeispiel für Binnendemokratie in der Union aufzugeben, als er einsehen musste, dass die Politik seiner Partei planmäßig und streng strukturiert gegen alle Grundsätze verstößt, die die Union einst postuliert hatte.

Bosbach dagegen verzichtet nun nur auf den Vorsitz im Innenausschuss, einen Posten, den er überhaupt erst im Zuge der Edathy-Affäre geerbt hatte,übrigens als erster CDU-Politiker überhaupt. Mit der Verzicht verliert Bosbach rund 1300 Euro "Funktionszulage". Die öffentlichen Meriten dagegen: Unbezahlbar.

In der Rettungswelt

Die wachsende Bedeutung Griechenlands für die Welt: Nie war das Zehn-Millionen-Volk so wertvoll wie heute.
"Immer noch ein Krisengipfel, immer noch eine letzte Frist, eine allerletzte Nachverhandlung, immer wieder Bedingungen, immer wieder Zahlungen - und dann wieder ein Krisengipfel mit Sitzungsende spät in der Nacht", schreibt R.A. bei Zettels Raum zur Analyse der endlosen Griechenland-Rettung. Seit Jahren dasselbe Lied, und es findet keinen Schluss, weil die "fette Lady" immer weitersingt.

Muss sie, denn wenn auch PPQ-Leser bereits im Januar 2009 sicher waren, dass es noch mehr als ein weiteres Rettungspaket geben werde - die Leitmedien richteten sich lieber in der Illusion ein, wer nicht an eine schnelle Rettung durch eine beherzte Angela Merkel glaube, sei ein populistischer Hetzer gegen das vereinte Friedensprojekt Europa.

Fünf Jahre hat es gebraucht, bis es von "Spiegel" bis "Zeit" nicht mehr als protofaschistisch gilt, Artikel 125 des EU-Vertrages von Lissabon zu zitieren, in dem es heißt: "Ein Mitgliedstaat haftet nicht für die Verbindlichkeiten der Zentralregierungen, der regionalen oder lokalen Gebietskörperschaften oder anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften, sonstiger Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder öffentlicher Unternehmen eines anderen Mitgliedstaats und tritt nicht für derartige Verbindlichkeiten ein".

Dafür sind sie nun alle zur Stelle, die frischgebackenen Realisten, denen jetzt nichts mehr einleuchtet als der Umstand, dass die Euro-Zone in dieser Form nie gelingen konnte. Das sei doch absehbar gewesen!

Selbstverständlich hindert das dieselben Blätter nicht daran, die mystischen Märchenmeldungen der staatlichen deutschen Nachrichtenagentur nachzubeten, in denen die Rede davon ist, dass die aktuellsten "Sparvorschläge" umgesetzt würden, indem die Umsatzsteuer erhöht wird. Der alte Trick aller Staaten, die "Sparen" sagen, wenn sie es darauf angelegt haben, ihre Steuerzahler noch gründlicher zu schröpfen.

Fällt niemandem auf, rechnet keiner nach. Es geht schließlich darum, die Illusion zu erhalten, irgendjemand habe die Dinge in der Hand und die Lage im Griff. "Es wird schlicht noch lange so weitergehen: Es gibt Auflagen, die werden teilweise umgesetzt, teilweise nicht. Man wird die Altschulden strecken und verschieben, so dass es egal ist, ob man das "Schuldenschnitt" nennt. Man wird jährlich ein Stück Geld überweisen, das dann wirklich kassenwirksam wird und nicht nur der virtuellen Schuldenumwälzung dient - und dieses Geld werden die Europäer problemlos verschmerzen", heißt es bei Zettels Raum.

Das kommt der Wahrheit gefährlich nahe.

Donnerstag, 23. Juli 2015

Friedrich Liechtenstein: Deutscher Künstler hilft Griechenland

Der deutsche Popstar Friedrich Liechtenstein (Mitte) als Abgeordneter bei der Abstimmung im griechischen Parlament.
Das griechische Parlament hat den Weg für das von Ministerpräsident Tsipras vorgeschlagene erneute Hilfspaket freigemacht - um eine Mehrheit zu bekommen, setzte Tsipras' Partei Syriza auf die Unterstützung eines Freundes aus Deutschland.

Liechtenstein vor dem Abflug zu seiner Rettungsmission daheim in Berlin.
Es war eine Marathonsitzung und sie war besonders wichtig, um es den Geldgebern zu erlauben, Griechenland die Möglichkeit und das Geld zu geben, alte Kredite mit neuen Schulden zu begleichen. Die Abstimmung war knapp, doch dank der Hilfe des deutschen Unterhaltungskünstlers Friedrich Liechtenstein (Edeka) gelang es , eine ausreichende Mehrheit für die neuen Reformen zusammenzubekommen. Damit erfüllt Griechenland die Bedingungen der Geldgeber für Verhandlungen über ein drittes Hilfspaket.

Liechtenstein, im vergangenen Jahr berühmt geworden durch einen nackten Youtube-Auftritt für eine Supermarktkette, war nach Griechenland geeilt, um seine auch bei deutschen Fans so beliebte Stimme für eine Rettung Griechenlands abzugeben. Er kenne die Situation des Landes, sagte er, "ich besitze seit Jahren bloß ein paar Unterhosen und etwas Kleidung zum Wechseln". Aus dieser prekären Erfahrung heraus wisse er, wie sich Griechenland fühle. "Deshalb habe ich nicht gezögert und bin nach Athen geeilt, um bei der Abstimmung zu helfen."

Mit Hilfe des deutschen Popstars konnte Athen die letzte Voraussetzung für die Aufnahme von Verhandlungen mit den Gläubigern über ein neues Hilfspaket erfüllen: In der Nacht wurden nach mehrstündiger Debatte mit großer Mehrheit zwei Reformgesetze gebilligt, deren Verabschiedung die Geldgeber zur Bedingung für ein drittes Hilfspaket gemacht hatten: Sparguthaben über 100.000 Euro können jetzt auch in Griechenland ersatzlos durch den Staat eingezogen werden. Zudem werden künftig Hausbesitzer, die mit ihren Kreditraten im Verzug sind, schneller zur Zwangsversteigerung vorgeladen.

Warren Buffett: Die geheimnisvolle Insel

Auch Kubas Diktator Fidel Castro soll sich eine griechische Insel zugelegt haben.
Immerhin war es der "Spiegel", Deutschland führendes Nachrichtenmagazin, das die Meldung zuerst hatte. "Warren Buffett kauft sich in Griechenland eine Insel", berichtete das Hamburger Blatt, kaum dass das erneute Privatisierungsprogramm der griechischen Regierung beschlossen war.

In welchem Zusammenhang der Kauf einer privaten griechischen Insel bei einem privaten griechischen Verkäufer mit der Rettung Griechenlands steht, blieb unklar. Aber wie einst bei der berühmten Erfindung des "Makarow-Gewehrs" und bei den "Ehec-Toten, die nie mehr ganz gesund" zu werden drohten war umgehend die gesamte deutsche Abschreibpresse am Start, um mit mehr oder weniger fantasiereichen Nacherzählungen der "Buffett-kauft-Insel"-Story zu zeigen, dass sie auch wissen, was eine richtig geile Geschichte ist.

Der milliardenschwere Buffett schnappt sich die Insel Agios Thomas, der Ausverkauf in Griechenland geht los! Das Problem dabei ist nur, dass es nicht stimmt. Die Meldung über den Inselkauf, ursprünglich von der griechischen Nachrichtenagentur ANA veröffentlicht, seifalsch, Buffett habe Berichte über den angeblichen Inselkauf als "frei erfunden" zurückgewiesen. Eine Meldung, die an den meisten Lesern vorbeigehen wird. Denn die meisten Zeitungshäuser, die den Kauf der Insel gemeldet hatten, verzichten lieber darauf, mitzuteilen, dass der Kauf gar nicht stattgefunden hat.

Mittwoch, 22. Juli 2015

Jeder Pöbler ist ein Terrorist

Dass ein Norwegerpullover in der Vorstellung der Menschen ein Kettenhemd sein kann, wenn es die Umstände erfordern, ist bekannt. Auch dass abweichende Auffassungen zur Euro-Politik, zum Umgang mit Russland oder zur Frage, ob jeder, der sich auf das Asylrecht beruft, wirklich ernsthafte Asylgründe vorbringen kann, schnell zum Ausschluss aus der Selbstvergewisserungsgemeinde des öffentlichen Gesprächs führen, ist klar. Gesellschaftlich akzeptiert ist ein Vierteljahrhundert nach dem Export der Meinungsfreiheit hinter den Eisernen Vorhang auch die Tatsache, dass nicht alles, was gedacht wird, ausgesprochen werden darf, und nicht jeder, der meint, öffentlich auf sein Anliegen hinweisen zu müssen, dasselbe Recht dazu hat wie jeder andere.

Dennoch blieb es einem Peter von Becker von der TagesspiegelTochter Potsdamer Neueste Nachrichten vorbehalten, den seit Jahren anhaltenden Trend zum allmählichen Rückbau der Grundrechte in einen Satz zu fassen: „Wer vor Flüchtlingsheimen pöbelt, ist ein Terrorist“, heißt es in einem Verfassungsgutachten, das der studierte Jurist, Soziologe, Kunstgeschichtler und Philosoph in grundguter Aufwallung über die aktuelle „Serie von Brandanschlägen auf bestehende oder künftige Flüchtlingsunterkünfte“ verfasste.

Nun ist die Empörung vielleicht verständlich, die Gleichsetzung von Pöbler und Terrorist hingegen zeigt von Becker als einen Feind der freien Gesellschaft, die die Grenzen der Strafbarkeit eben nicht vor Pöbler und Terrorist zieht, sondern genau zwischen beiden: Wer jemandem „verschwinde“ zuruft, darf das hierzulande ungestraft tun. Wer jemandem den Hals umdreht, damit er verschwindet, darf das nicht.

Aber von Becker will nun eben mal, dass „Deutschland den Aggressionen, Pöbeleien und Angriffen gegen Flüchtlingsheime klarer begegnet“. Warum also nicht das Verbale zur Gewalt erklären, die ebenso gewalttätig ist wie Selbstmordanschläge, Morde, das Köpfen der IS oder ein paar Verkehrsmaschinen, die in ein paar Hochhäuser fliegen? Aus der Ferne seiner sicheren Schreibstube sieht er „Landfriedensbruch, Volksverhetzung, öffentliche Billigung von Straftaten - Taten, die man auch terroristisch nennen kann“.

Nennen ja, denn das lässt die Meinungsfreiheit zweifellos zu. Doch wer Menschen, die „Menschen, die vor dem IS, vor Boko Haram oder Assad geflohen sind, in ihrer psychischen und sozialen Not bedrohen“ (von Becker), Terroristen nennt, wie nennt derjenige dann Menschen, die vom IS, Boko Haram oder Assad ermordet werden?

Rechtslage in Deutschland: Chinesisches Demorecht

Fünfzig Milliarden aus frischer Luft

In Griechenland machen die "Geldgeber" (DPA) keine Kompromisse mehr. Das wankende, schwankende Euro-Land, das das fragile innere Gleichgewicht der Eurozone seit Jahren gefährdet, muss im Zuge eines neuen "Reformpaketes" (Wolfgang Schäuble) nicht nur massiv seine Steuern erhöhen, um neue Anreize für Schwarzarbeit und Schwarzmarkt zu setzen und die Konkurrenzfähigkeit des Urlaubslandes Türkei zu verbessern. Nein, Griechenland muss auch beginnen, sein Tafelsilber zu vergolden: Staatlicher Besitz im Wert von 50 Milliarden Euro soll in den kommenden 30 Jahren an Investoren verkauft werden.

EU-Parlamentschef Martin "mehr Hilfe wird es nicht geben" Schulz verfügt bereits über detaillierte Pläne dazu, wie diese 50 Milliarden eines Tages ausgegeben werden können. Sie werden helfen, Schulden zu senken, man wird mit ihnen kräftig investieren und überhaupt viel Gutes tun.

Was aber wird verkauft werden? Der PPQ-Vorschlag, Kreta gegen einen finanziellen Ausgleich an Deutschland abzugeben, wurde in Athen abgelehnt. Auch die griechischen Goldreserven will die Regierung behalten - das Gold im Wert von 3,9 Milliarden Euro wird für schlechte Zeiten gebraucht.

Was bleibt also? Es sind vor allem drei große Unternehmen, an denen der griechische Staat Anteile hält: Der Energiekonzern Hellenic Petroleum, der Lotto- und Sportwettenanbieter Greek Organization of Football Prognostics SA (Opap) und der Versorger Public Power. Das Problem aller drei Firmen: Sie sind nach fünf Jahren Krise zwar das wertvollste, was Athen noch hat. Aber wirklich viel wert sind sie nicht.

Public Power Greece bringt es nach zehn Jahren Kursrückgang gerade mal noch auf einen Gesamtfirmenwert von 1,4 Milliarden Euro, auch Opap spielt etwa in dieser Liga. Hellenic Petroleum schafft das nicht ganz - etwas eine Milliarde ist die komplette Firma wert. Zusammen macht das etwa vier Milliarden, nicht berücksichtigt, dass der Regierung in Athen an allen drei Firmen zwar eine Mehrheit, nicht aber hundert Prozent der Anteile gehören. Beim angestrebten Verkauf an private Investoren könnte Griechenland folglich bestenfalls unter vier Milliarden Euro einnehmen - keinesfalls aber mehr. Und schon gar nicht einen bedeutenden Anteil der anvisierten und von Martin Schulz auch schon wieder ausgegebenen 50 Milliarden.

Die bestehen im Grunde genommen ausschließlich aus frischer Luft und haltlosen Behauptungen, sogar mehr noch als vor drei Jahren, als Griechenland seinen Geldgebern zum ersten Mal zusichern musste, Staatsbesitz zu privatisieren, um neue Kredite zu bekommen. Seinerzeit hatten die drei Vorzeigeunternehmen nach einem zweijährigen Kursrutsch neue Börsentiefs erreicht, ihr Wert lag unter dem Buchwert, Investoren standen dennoch nicht Schlange. Bis Mitte 2014 verdoppelte, verdreifachte und vervierfachte sich der Börsenwert aller drei Firmen, zusammen brachten sie im Sommer letzten Jahres noch eine Marktkapitalisierung von mehr als zehn Milliarden auf die Waage.

Mit der erneuten Forderung nach einem Verkauf wartete Europa dennoch bis heute, wo mögliche Erlöse allenfalls noch bei einem Bruchteil dessen liegen werden, was früher ein zuspielen gewesen wäre. Aber um Einnahmen geht es ja auch gar nicht. Sondern ausschließlich dazu, eine Berechtigung dafür zu schaffen, dass die EU-Länder dem insolventen Griechenland weitere 86 Milliarden Euro zur Erhaltung des Anscheins der Zahlungsfähigkeit zuschieben.

Dienstag, 21. Juli 2015

Ramadan-Bilanz: Überwiegend friedlich

Überwiegend friedlich, so fällt sie aus, die diesjährige Bilanz des Fastenmonats Ramadan in der islamischen und sonstigen Welt. Zwar forderte der heilige Monat der Muslime in diesem Jahr mehr Todesopfer als je zuvor. Die Mehrheit der Korangläubigen aber überlebte die Gewaltorgie nicht nur, sondern blieb auch völlig unbeteiligt an den Übergriffen.

Ganz im Gegensatz zu dem, was Hassseiten wie "religionofpeace.com" behaupten, entfiel nach 63 Selbstmord-Attentaten und 314 Terror-Attacken mit 2988 Toten und 3696 Verletzten auf je etwa 22 Millionen Muslime nur eine einzige Straftat. Zum Vergleich: Allein im Jahr 2014 wurden nur in Deutschland rund 6,08 Millionen Straftaten polizeilich registriert - die Wahrscheinlichkeit, binnen eines Jahres mitten in Deutschland Opfer einer Straftat zu werden, ist damit hierzulande fast 15.000 Mal höher als die, als Muslim während des vierwöchigen Ramadans einem Anschlag zum Opfer zu fallen.

Sprachgebrauch im Wandel: Wie aus Moslems Muslime wurden und warum

NSU: Hinterm Rand der Katastrophe

Zwei Jahre scheiterte er so vor sich hin, der große NSU-Prozess in München, und gerade als ein wichtiger Zeuge die Hauptangeklagte Beate Zschäpe hätte der Mittäterschaft am Aufhängen einer fremdenfeindlichen Puppe im Thüringen des Jahres 1996 überführen sollen, steht das Verfahren plötzlich vor dem Aus. Die Verteidiger der Angeklagten wollen aussteigen, „NSU-Prozess am Rande der Katastrophe“, schreibt die „Welt“, bemerkenswert hellsichtig angesichts eines Prozessverlaufes, der vom ersten Tag an nur mit dem Wort katastrophal zu beschreiben war.

Worum ging es doch gleich in München? Erst um Stuhltanz, dann um das große Ganze, um den Beweis, dass weder Geheimdienste noch deutsche Staat, weder Polizei noch die deutschen Medien, ihres Zeichens Erfinder des Labels „Döner-Morde“, irgendetwas mit den Taten des selbsternannten Nationalsozialistischen Untergrundes zu tun gehabt haben könnten. Zschäpe war es, und neben ihr die beiden toten Uwes, alles andere sind böse Gerüchte. 219 Verhandlungstage lang nahm sich das Oberlandesgericht München Zeit für Nebensächlichkeiten. Tief stieg man ein in die Geschichte, man eröffnete eine Beweisaufnahme zu längst verjährte Taten aus den 90er Jahren, man hörte tagelang Opfer von Angehörigen, als könnten Aussagen zu deren Leiden irgendetwas zur Beweisfindung beitragen.

Ganz vergessen wurden dabei die zahllosen Ungereimtheiten und Unstimmigkeiten, die sich rund um das Kerntrio des NSU abspielten. Die Nachbars-Oma, die Zschäpe laut Anklage mit der Branstiftung im NSU-Hauptquartier hatte töten wollen, wurde nicht gehört, bis sie dement genug war, um nicht mehr vernommen werden zu können. Fotos aus dem Wohnmobil, in dem die beiden Uwes umkamen, wurden von unbekannten Beamten eingezogen und verschwanden. Welche Waffe eigentlich wann wo gefunden wurde, ist unklar. Wie der eine tote Uwe den anderen erschoss, ebenso. Feuerwehrleute, die als erste am Tatort waren, wurden sagenhafte vier Jahre lang nicht um eine Aussage gebeten. Bis heute weiß niemand, woher Zschäpe wusste, dass die Uwes tot waren. Niemand weiß, wer sie aus einem sächsischen Ministerium anrief, wer die Bekenner-DVD erstellte und verschickte…

Nichts. Und nun haben drei der neuerdings vier Anwälte von Beate Zschäpe beantragt, von ihrem Mandat entbunden zu werden. Drei Anwälte, deren Verteidigungsstrategie darauf beruhte, die andere Seite mal machen zu lassen. Ohnehin schien ja hier vom ersten Tag an festzustehen, auf welches Ende der Prozess hinausläuft: Brandstiftung im besonders schweren Fall macht zehn Jahre, dazu versuchter Mord an der Oma und zwei zum Tatzeitpunkt abwesenden Handwerkern – auch ohne eine Verurteilung wegen der Beteiligung an der Mordserie wäre Zschäpe so lange weggeschlossen, bis alle Chefs aller an der Aufklärungsvertuschung beteiligten Behörden im Ruhestand sind.

Ein Gau. Nun ist Deutschland nicht mehr nur nicht in der Lage, einen Flughafen zu bauen oder ein paar tausend Flüchtlinge menschenwürdig unterzubringen. Nein, nun kann Europas größte und beste Zivilgesellschaft nicht einmal mehr eine mutmaßliche Rechtsterroristin anklagen und verurteilen. Er sei zu der Überzeugung gelangt, dass die Bedingungen für eine ordnungsgemäße Verteidigung nicht mehr gegeben seien, sagt Pflichtverteidiger Wolfgang Heer. Er muss aber lau Gerichtsbeschluss weitermachen, genauso wie auch seine Kollegen Anja Sturm und Wolfgang Stahl. Das Recht auf ein faires Verfahren ist ein Grundpfeiler des Rechtsstaatsprinzips, die in Art. 6 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten niedergelegt ist.

Hier bei NSU-Leaks finden sich die geheimnen Akten aus dem NSU-Prozess



Ein Land schreibt einen Thriller:

NSU: Todesursache blauer Fleck
NSU: Morde aus dem Grab heraus
NSU: Mit großem Pomp am Ziel vorbei
NSU: Beweisschau im Internet
NSU: Klein, schmal und knochig
NSU: Die Toten auf dem Rücksitz
NSU: Hundert Tage April, April
NSU: Banküberfalltäter im Tattooarchiv
NSU: Die Fassade auf der Anklagebank
NSU: Nicht nur sauber, sondern rein

NSU: Doppelselbstmord zu dritt
NSU: Vorladung für Hollywood
NSU: Rufnummernmitnahme
NSU: Robert Redford gegen rechts
NSU: Strafe muss sein
NSU: Terror fürs Museum
NSU: Herz, Stern oder Halbmond
NSU: Schweigekomplott am Bosporus
NSU: Nazi per Nachname
NSU: Platznot auch im Alex-Prozess
NSU: Killerkatzen im Untergrund
NSU: Das weltoffene Deutschland im Visier
NSU: Liebes Terrortagebuch
NSU: NSU: Push the forearm fully forward
NSU: Heiße Spur nach Hollywood
NSU: Die Mutter von Hirn und Werkzeug
NSU: Musterstück der Selbstentlarvung
NSU: Rettung durch Rechtsrotz
NSU: Schreddern mit rechts
NSU: Softwarepanne halb so wild
NSU: Neues Opfer beim Verfassungsschutz
NSU: Im Namen der Nabe
NSU: Handy-Spur ins Rätselcamp
NSU: Brauner Pate auf freiem Fuß
NSU: Rufmord an den Opfern
NSU: Heiße Spur ins Juwelendiebmilieu
NSU: Eine Muh, eine Mäh, eine Zschäperättätä
NSU: Von der Zelle in die Zelle
NSU: Die Spur der Schweine
NSU: Gewaltbrücke zu den Sternsingern
NSU: Gebührenwahnsinn beim Meldeamt
NSU: Nun auch auf dem linken Auge blind
NSU: Die Welt ist klein
NSU: Verdacht auf Verjährung
NSU: Weniger hats schwer
NSU: Terrorwochen abgebrochen
NSU: Rechts, wo kein Herz schlägt
NSU: Was steckt dahitler?
NSU: Neue Spuren ins Nichts
NSU: Tanz den Trinitrotoluol
NSU: Der Fall Braun
NSU: Honeckers rechte Rache
NSU: Die Mundart-Mörder
NSU-Todeslisten: Sie hatten noch viel vor
NSU: Was wusste Google?
NSU: Kommando späte Reue
NSU: Die tödliche Bilanz des braunen Terrors
NSU: Mit Hasskappen gegen den Heimsieg
NSU: Mordspur nach Möhlau



Montag, 20. Juli 2015

Putins neueste Teufelei: EU vereitelt PR-Coup

Nach der Ankündigung prorussischer Separatisten, binnen Stunden ihre schweren Waffen von der Front abzuziehen, verstärkt die EU den Druck auf Kreml-Chef Wladimir Putin und verlängert ihre Sanktionen. Das haben die Außenminister der EU-Staaten in einer Schaltkonferenz nach Bekanntwerden des Waffenabzugs an den Grenzen der Gebiete Donezk und Lugansk beschlossen. Die Strafmaßnahmen seien nun bis Januar kommenden Jahres in Kraft, verlautete aus EU-Kreisen. Die Entscheidung war bereits erwartet worden, weil die EU bislang jeden Trick Putins, eine Entspannung der Lage zu simulieren, um auf billige Weise Propaganda zu machen, mit verschärften Gegenmaßnahmen beantwortet hatte.

Auch der ukrainische Präsident Petro Poroschenka zeigt klare Kante gegen Putins perfide Hinterlist: Mit einer verlängerten Wehrpflicht, neuen Aushebungen junger Rekruten und modernen Waffen aus dem Westen bereitet seine Regierung einen langandauernden Abnutzungskampf gegen die Separatisten vor. Die russischen Versorgungswege seien längst überdehnt, bald komme der kalte russische Winter.

Russland durch die konsequenten westlichen Sanktionen dabei, wirtschaftlich in die Knie zu gehen, das Land habe - im Gegensatz zur Ukraine und der EU - kein langfristiges Wachstumsmodell. "Die Sanktionen wirken langsam", analysiert das Fachblatt Die Zeit angesichts eines Rubelkurses, der in den vergangenen zwölf Monaten rund 30 Prozent an Wert gewonnen hat.

Die Mehrheit der Deutschen befürwortet eine Verlängerung der Sanktionen, auch wenn diese auch hierzulande teils zu Problemen führen. Das ist das Ergebnis einer Umfrage unter den Mitgliedern des Bundestages. Die Liste der von Putin ausgetüftelten Teufeleien sei so lang, dass eine Rückkehr in die Familie der friedliebenden Völker derzeit kaum vorstellbar sei, hieß es in Berlin.

Hades-Plan: Faszinierende Phase IV

Hitlergrußübungen in England belegen die Unterwerfungsbereitschaft der Insel, Jahrzehnte bevor der Hades-Plan erdacht wurde.
Bis kurz vor Toresschluss taten Francois Hollande und Angela Maerkel noch so, als gäbe es soetwas wie einen gemeinschaftlichen europäischen Willen. Zwar waren alle anderen Regierungschefs da schon rausgewählt, auf den Hof geschickt und einer Verpflichtung zur Mitbestimmung enthoben. Aber der kleine Franzose stand noch auf den Zehenspitzen, als komme es wirklich darauf an, was er fordert.

Eine Illusion, denn Merkel allein war es am Ende, die die Richtung vorgab, ganz so, wie es die Mütter und Väter des Hades-Planes seinerzeit gewollt hatten. Während Cem Özdemir angesichts dieses letzten Schrittes hin zu jenem deutschen Europa, das Helmut Kohl insgeheim errichten wollte, als er den Plänen zum Ausbau der EWG zur EU zustimmte, noch mit einem weinerlichen „jetzt habt ihr die Hauptstadt Europas nach Berlin verlegt“ begleitete, ist George Friedman, Gründer und Vordenker des US-Think-Tanks Stratfor, schon ein Stück weiter.

Friedman sieht eine „Wiederauferstehung der deutschen Vorherrschaft“, die in Phase IV der Umsetzung des Hades-Planes zum ersten Mal auch für das bloße Auge nicht mehr zu übersehen ist. „. Die Deutschen sind schon lange sichtbar die kontrollierende Kraft der Europäischen Union, diesmal haben sie keinen Hehl daraus gemacht“, schreibt der Daueranalytiker des Weltgeschehens. Letztlich hätten die Deutschen in der Griechenland-Krise erstmals „das Banner der deutschen Vorherrschaft erhoben, des deutschen nationalen Interesses, und der deutschen Bereitschaft, die Opposition zu zerschmettern“. Franzosen und Italiener wurden in den Stunden der Entscheidung von ihrer Scheingröße zurückgeschrumpft auf das Maß von Mitmach-Nationen ohne weitergehende Bedeutung. „Die Deutschen berieten sich mit diesen anderen Regierungen, aber Berlin entschied über die Verhandlungsposition. Diese Verhandlung fand im Zusammenhang der Europäischen Union statt, aber es war eine deutsche Verhandlung.“

Eine Diagnose, die keinen Zweifel mehr daran lässt, dass Deutschland – wie im Hades-Plan vorhergesehen – am Ende einer durchgreifenden Schuldenkrise wieder vorherrschende Nation in Europa ist. Keinen Weltkrieg hat es gebraucht, keinen Einmarsch, nur Geduld und die richtige Strategie. Nun kann die große Nation, so lange gedemütigt und auf die Sünderbank verbannt, zeigen, dass sie „die Macht und die Absicht hat, ihren Willen den anderen Nationen einseitig aufzuzwingen“.

Ein symbolischer Schritt, der allerdings gerade in Großbritannien mit wachem Blick betrachtet werden wird. Verliert Deutschland durch seinen Aufstieg zur Hegemonialmacht Europas seinen Status einer Nation unter vielen in der Europäischen Union, verliert die EU damit eines der Hauptziele der europäischen Integration: Deutschland so in eine multinationale europäische Körperschaft einzubetten, dass es sich wirtschaftlich entwickeln, aber nicht die Rolle spielen konnte, die es zwischen 1871 und 1945 gespielt hat. Nur diese Aufgabe aber billigen die Briten der Gemeinschaft letztlich zu – ist sie nicht mehr aktuell, ist Britannien nicht mehr bereit, sich selbst in einem großen Melting Pot aufzulösen.

Vielmehr greift nun eine Abwandlung der alten britischen Marine-Doktrin. Deren Two-Power-Standard forderte, dass die Royal Navy immer mindestens so stark sein müsse wie die beiden nachfolgenden Flotten zusammen, entsprechend versucht Großbritannien seit Jahrhunderten, konkurrierende Mächte so gegeneinander auszuspielen, dass die eigene Stellung unangreifbar bleibt.

Die derzeit propagierte Idee eines deutsch dominierten Kerneuropa, das sich mit einem Kranz aus Vasallenstaaten umgibt, isoliert Großbritannien, dem nur zwei Wege offenstehen: Sich zu unterwerfen, wie es die spätere Königin Elisabeth offenbar bereits 1933 während ihrer Hitlergruß-Übungen mit ihrem Edward plante. Oder sein Heil in der Flucht unter die Fittiche Amerikas zu suchen, das aus der Insel zweifellos einen festen Flugzeugträger zur Überwachung des dann endgültig deutsch beherrschten europäischen Kontinentes machen wird.

Sonntag, 19. Juli 2015

Zitate zur Zeit: Die Gegenwart in einem Satz

Es ist einfach cooler und funktioniert besser bei den Mädchen, für die Schwachen, die Rebellen und die Armen zu sein.

Malte Fischer auf der Achse des Guten an Jan Böhmermann und Klaas Meyer-Umlauf