Freitag, 26. Dezember 2014

Fremde Federn: Vom Abflauen der Eurorettung

Immer war die Rettung nahe, es brauchte nur eine einzige weitere, letzte Anstrengung, und das große Friedensprojekt Europa würde wie vor Jahren geplant doch noch die dynamischste Wirtschaftsregion der Welt werden, die all ihren Bürgern das höchste Wohlstandsniveau überhaupt bietet. Wolfgang Schäuble, einer der führenden Rettungspolitiker, sagte es schon 2012 voraus: 2013 werde es zu einer Abschwächung der Eurokrise kommen. "Ich glaube, wir haben das Schlimmste hinter uns", war Helmut Kohls früherer Spendenkofferträger sicher.

Seitdem ist viel geschehen und die Eurorettung ist tatsächlich ebenso abgeflaut wie die Berichterstattung darüber. "Die Trennung der realen Welt von der Modellwelt der Zentralbanken wird immer deutlicher", analysiert eine Rettungsbilanz des Bankhauses Rottmeyer: "Während man im Elfenbeinturm munter mit Modellen spielt, kommt die Realwirtschaft nicht auf die Beine."

Zwölf Jahre nach der Einführung des Euro steht Europa vor einem Scherbenhaufen. Die Arbeitslosigkeit ist rekordhoch, die Jugendarbeitslosigkeit übertrifft sie noch und die deutsche Volkswirtschaft, bisher die Lokomotive, die den Rest Europas unter Dampf hielt, stottert dank Russland-Embargo langsam in die Wachstumsflaute. Über den gemeinsamen Kurs sind die Mitgliedsstaaten so zerstritten, dass nicht einmal mehr um ihr gestritten wird. Länder wie Griechenland steuern auf die Unregierbarkeit zu, Großbritannien steht vor dem Abfall, Frankreich und Italien nehmen Kurs darauf, die Gemeinschaftswährung – ohnehin aufgebläht mit der Notenpresse - durch neue Schulden noch energischer zu inflationieren.

Die Europäische Zentralbank regiert den Kontinent, sie folgt dem klaren Kurs, die Sparer für die angerichteten Schäden zahlen zu lassen. Gebracht hat es nichts, aber "die Theoretiker stört dies nicht, sie tun weiterhin „whatever it takes“", heißt es bei Rottmeyer. Bringt nichts, aber "man begegnet dem Problem nun mit dem immer gleichen Mittel: Wenn das vermeintliche Medikament nichts bringt, dann nehme mehr davon. Wer mit der Unterhose im winterlichen Regen also eine Erkältung bekommt, der hat vermutlich einfach noch nicht genug Kleidung abgelegt."

Eine bemerkenswerte Herangehensweise, ebenso bemerkenswert wie der Umstand, dass deutsche Zeitungen und Magazin nach Monaten der hektischen Krisenberichterstattung weitgehend aufgehört haben, überhaupt noch über das Thema Euro, Schuldenkrise und wirtschaftliche Misere zu berichten. "Zeit", Berliner Zeitung, Handelsblatt und FAZ nutzen den Begriff im Dezember 2014. Drei Jahre zuvor waren es noch sämtliche Leitmedienredaktionen, jeweils mehrfach.

Die Berichterstatter haben aufgegeben, das Publikum hat sich abgewandt. Die Politik spricht nicht mehr über das Thema; sie hofft einfach, dass "eher symbolisches Herumspielen an der Zinskurve" (Rottmeyer) die Sache schon richten wird, irgendwann. Durchhalten ist die Parole, Ablenken und auf bessere Zeiten hoffen.

Der ganze schöne Erklärtext von Rottmeyer steht hier.



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