Montag, 24. November 2014

MH17: Starforensiker auf Schmauchspurensuche

Die "Zeit" jagt unverdrossen nach dem Raketenwerfer, der "Spiegel" weiß zumindest, wie es bestimmt nicht war. Aber wie ist es gewesen? Auch fünf Monate nach dem Absturz des malaysischen Fluges MH17 über der Ostukraine gibt es keinerlei verlässliche Angaben über die Absturzursache oder gar tragfähige Hinweise auf die Täter. Das ist umso erstaunlicher, als es einfache, klare und unwiderlegbare Hinweise auf die Verursacher gibt, wie Abigail Sciuto im PPQ-Exklusiv-Interview verrät.

Sciuto arbeitet seit 2003 als Forensic Specialist beim Naval Criminal Investigative Service, der internen Strafverfolgungsbehörde des United States Department of the Navy. Sciuto ist Expertin für Computertechnik, Bildbearbeitung, Forensik und Ballistik, sie gilt weltweit als Koryphäe bei der Spurensicherung und hat große Erfahrung auch mit der Einordnung von Geschossspuren, die von Kriegswaffen stammen. PPQ sprach mit der Expertin über die Möglichkeiten, anhand der aufgefundenen Trümmer am Absturzort Daten zu gewinnen, die die offenen Frage der Verantwortung für den Absturz lösen helfen können.

Frau Sciuto, fünf Monate nach dem Absturz von Flug MH17 tappt die Welt noch immer im Dunklen, was die konkrete Absturzursache betrifft. Wie ist Ihre Sicht als Forensik-Expertin darauf?

Sciuto: Es ist rätselhaft. Wir würden eine solche Vorgehensweise in der Kriminalistik, mit der ich zu tun habe, einfach nicht akzeptieren. Es gibt in diesem Fall natürlich objektive Schwierigkeiten bei der Beweissicherung, aber die gibt es häufiger. Wir hatten schon Einsätze auf U-Booten, im Irak und anderswo, oft unter erschwerten Bedingungen. Dennoch ist es uns immer gelungen, die entscheidenden Beweise oder aber Indizien schnell und umfassend zu sichern, sie zu analysieren und daraus Rückschlüsse auf die Tatwaffe, den Tathergang und damit auch häufig auf den mutmaßlichen Täter zu ziehen.

Nun wird beim Fall der MH17 darauf hingewiesen, dass eben diese Möglichkeiten, Beweise zu sichern, nicht bestünden, da die sogenannten Separatisten den Zugang zum Tatort erschwert haben?

Sciuto: Das ist nebensächlich. Man ist am Tatort gewesen und es hätte damit die Chance bestanden, die entscheidenden Beweise zu sichern, die eindeutig belegen können, welche der drei Tathypothesen, die derzeit im Umlauf sind, zutreffend ist.

Sie sprechen von drei Tathypothesen. Welche sind das?

Sciuto: Da wäre einmal der Abschuss vom Boden aus, durchgeführt mit einem Buk-Raketensystem. Dann der Abschuss durch einen Jäger, entweder durch Beschuss aus einer Bordkanone oder aber durch einen Angriff mit einer Luft-zu-Luft-Missile, je nachdem, wen Sie fragen, auch kombiniert.

Sie versichern nun, Sie könnten binnen einer Stunde gerichtsfest belegen, welche Waffe ursächlich verantwortlich für den Abschuss war?

Sciuto: Ja, das könnte ich! Wir müssen dazu nur auf einen sehr einfachen Test zurückgreifen, der zum Graubrot der Forensik gehört. Das ist die Schmauchspurenanalytik, bei der Rückstände des Mündungsfeuers einer Tatwaffe gesucht und analysiert werden.

Doch aber normalerweise an Hand und Kleidung eines mutmaßlichen Täters? Den haben Sie doch hier nicht?

Scutio: Aber wir haben Hinweise auf die drei womöglich verwendeten Waffen: Bordkanone, Luft-zu-Luft-Missile und Boden-Luft-Missile. Alle drei Waffen haben eine so verschiedene Wirkspezifik, dass wir aus den Schmauchspuren eindeutig auf die Art der verwendeten Waffe schließen können. Und damit womöglich auch auf die Person des Schützen.

Erklären Sie uns das genauer.

Sciuto: Sehen Sie, ein Buk-Raketensystem arbeitet so, dass das Geschoss in unmittelbarer Nähe zum Ziel explodiert und auf das Ziel einwirkt, indem ein Vielzahl von Schrapnell verstreut werden. Eine Bordkanone einer Mig oder SU dagegen wirkt auf das Ziel aus großer Entfernung ein. Die dritte Möglichkeit, eine von einem Jäger abgeschossene Rakete, arbeitet wiederum anders: Sie detoniert im Ziel.

Welche unterschiedlichen Spurenlagen ergeben sich daraus?

Sciuto: Nun, das einfachste Ausschlusskriterium trifft die vom Jäger abgefeuerte Rakete. Die hat ein Trefferbild, das sich mit dem an der Boeing vorgefundenen der vielen kleinen Einschläge nicht vereinbaren lässt. Das können wir, nach reiner Bildforensik, ausschließen.

Experten sind sich aber uneins, ob diese vielen kleinen Einschläge nun von einer Bordkanone oder von den Schrapnells einer Buk-Rakete stammen.

Sciuto: Sehen Sie, und hier hilft uns die Schmauchspurenanalyse. Bordkanonen werden aus einer größeren Entfernung abgefeuert, üblich sind 2000, in Ausnahmefällen aus 500 Meter. Jedenfalls weit genug vom Ziel entfernt, dass wir an den nicht durchschlagenen Partien keinerlei Verbrennungsprodukte des Anzündsatzes und der Treibladung der Munitionspatronen finden werden. Die Mig etwa feuert mit einer Grjasew-Schipunow GSch-301 im Normalfall Wuchtgeschosse, die im Ziel allein aufgrund ihrer kinetischen Energie wirken.

Sie haben also einen sauberen Durchschuss ohne Schmauchspuren?

Sciuto: Genau das. Eine Buk-Rakete dagegen wirkt völlig anders. Wir müssen uns das vorstellen wie eine explodierende Wolke in unmittelbarer Zielnähe. Neben den Schrapnellgeschossen, die das Ziel treffen, fängt dieses dadurch auch Bestandteile des Explosivstoffes auf, der den Sprengkopf zündet. Darunter sind neben metallischen Rückständen auch organische Substanzen des Anzündsatzes, des Treibladungspulvers sowie verdampftes Material der äußeren Hülse.Bedenken Sie, hier explodiert ein 70-kg-HE-Gefechtskopf mit einem effektiven Zerstörungsradius von 17 Metern, der von einem Radar-Näherungszünder ausgelöst wird.

Das hinterlässt Schmauchspuren?

Sciuto: Das hinterlässt Schmauchspuren, natürlich. Nachweisbar sind sie durch die Aufnahme mit Klebebändern, die dann analytischen Rasterelektronenmikroskop üer Tape-Lift-Verfahren oder auf chemografischem Wege mit dem Polyvinylalkohol-Abzugsverfahren, dem Weinsäure-Rhodizonat-Verfahren oder dem Griess-Testuntersucht werden. Das ist forensische Vorschule.

Findet man also Schmauchspuren, spricht das für ein Buk-Sysstem, fehlen Sie, wären eine Luft-Luft-Rakete oder ein Maschinengewehr für den Abschuss verantwortlich?

Sciuto: Kurz gesagt ist das der Punkt. Ein einfacher Test, innerhalb einer Stunde von jedem Forensiker durchzuführen. Ich weiß nicht, was die mit der Untersuchung betrauten Kollegen   bisher unternommen haben. Diese simple Untersuchung, die die Hälfte aller kursierenden Gerüchte und Theorien schlagartig bestätigen oder aber für immer verstummen lassen würde, haben sie nicht vorgenommen. Ich frage mich ernsthaft, warum.

19 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Bordmaschinenkanonen werden normalerweise mit einer Mischung verschiedener Geschosse geladen. Bei der Waffe der A-10 Thunderbolt II werden meist Wucht- und HE-Brandgeschosse im Verhältnis 4:1 verschossen, weil dort auch Gebäude und gepanzerte Ziele vernichtet werden müssen. Für die Grjasew-Schipunow sind auch diese beiden Geschosstypen angegeben.
Für die Bekämpfung eines Luftzieles wird man Waffen überwiegend mit Spreng-/Brandgeschosse laden. Wuchtgeschosse würden durch eine fliegende Coladose wie eine Boeing einfach durchgehen wie durch Papier. Es bliebe genug Zeit, eine Meldung über Funk abzugeben.

ppq hat gesagt…

das spurenbild spricht gegen diese vermutung, siehe bild oben

das sind saubere durchschüsse, nicht wie die hier: http://www.shoutwiki.com/w/images/acloserlookonsyria/thumb/9/9f/MH17_frag_dir_1.png/880px-MH17_frag_dir_1.png

Gerry hat gesagt…

Ich als notorischer Chauvinist kann mir nicht vorstellen, dass die Dame auf dem Foto dieselbe ist, die diesen trockenen, technischen Stoff mit dieser Selbstverständlichkeit verkündet.

Ansonsten ist es dieses von Kleinstsplittern durchsiebte Stück der Bordwand, welches Zweifel an einen reinen Bordwaffenbeschuss aufkommen lässt.

Die Anmerkung hat gesagt…

die Frau hat das eben drauf. Das ist noch keine große wissenshaft, was sie da verkündet. Große wissenschaft ist, warum eineige Trümmerteile (Spuren) der im Zugriff der rebellisch separatistischen moskautreuen Putinfreunde nicht längst im Moskauer Ingenieurwissenschaftlichen Institut aufgeschlagen sind?

Stattdessen liegen die auf'm Acker, sind wind und Wetter ausgesetzt. Schmauchspuren sollte man deswegen inzwischen abhaken.

Materialanhaftungen von den Schrapnells, die sollte man locker finden können.

Was die A2A-Rakete betrifft, das hängt von Typ ab , der unter die Flügel geschnallt war, was die für ein Trefferbild generiert.

Fotografiert wurden beide Materialschäden, sowohl Schrotkörner als auch dicke Wumme.

Tja, wer hat ein Interesse daran, daß keine Materialuntersuchungen stattgefunden haben bzw. stattfinden?

Es ist beruhigend, daß selbst RIA Nowosti dieser Tage verkündete, man müsse das kürzlich neu aufgetauchte Satellitenbild, das es auch im Oktober schon gab, auf Echtheit überprüfen.

ppq hat gesagt…

vor gericht ruft ein guter anwalt nur den zeugen, von dem ern vorher weiß, was er sagen wird.

da hier beide seiten keine zeugen rufen, wissen sie es wohl entweder nicht. oder sie haben hinter den kulissen beschlossen, dass es für alle besser ist, wenn die wahrheit unter verschluss bleibt.

den zweiflern sei gesagt: ja, das bild zeigt wirklich frau scutio! was ihr auch immer zweifeln müsst an dem, was im internet steht" manches stimmt!!!!

SF-Leser hat gesagt…

Mmmh, gibt es eigentlich einen Grund grundsätzlich auszuschließen, daß eine Bombe innerhalb des Flugzeugs explodiert ist. Das würde mich doch auch mal interessieren.

Das Bild zeigt Pauley Perrette, die die Figur der Frau Scutio darstellt.

Grüße

Die Anmerkung hat gesagt…

Nach dem PPQ-Artikel geht es sofort zur Sache. Der Privatermittler erhöht die Belohnung für sachdienliche Hinweise um 17 Millionen Dollar auf insgesamt 47 Mio.

"für Hinweise darauf, wie die Aufklärung in einigen Ländern vertuscht oder verhindert wird"

Mein Gott, wer heutzutage alles PPQ liest. Ist schon erstaunlich.

Gerry hat gesagt…

Naja, Russland spielt eben seine Rolle als Angeklagter, der darauf wartet, dass man seine Schuld nachweist. Die Fragen an die ukrainische Regierung wurden gestellt. Ansonsten werden auf den Konferenzen hin und wieder die entsprechenden Vertreter mit diesem Thema getrollt. :)

Anonym hat gesagt…

Es sollte auch mal darauf hingewiesen werden, dass das englische Wort shrapnel immer häufiger als Schrapnell übertragen wird, seit die Praktikanten des deutschen Wegwerfjounalismus das Thema bearbeiten.

Fragmente eines Explosivgeschosses heißen im Deutschen seit vielen, vielen Jahrzehnten Splitter.
Ein Schrapnell im militärtechnischen Sinn liegt vor, wenn eine Granate eine Zerlegerladung enthält, die dedizierte, in eine nichtreaktive Masse (Schwefel oder Kolophonium) eingeschlossene Geschosse wegschleudert.
Alles andere sind Splitter, was im Deutschen die gleiche generalisierte Bedeutung hat wie shrapnel im Englischen.
Bei Fragmenten von Granatenhüllen sind es immer Splitter, bei Sprengköpfen mit Einlagen, die bei der Explosion zerrisssen werden, gib es möglicherweise eine definitorische Grauzohe, aber es sind zunächst auch Splitter.

ppq hat gesagt…

bekommt frau scutio jetzt das geld?

@SF-leser: typische handlungsweise der dienste, kritikern die sachkunde abzusprechen!!!

da hat frau scutio wohl jemanden aufgeschreckt

Die Anmerkung hat gesagt…

Mag sein, daß es vor dem hohgen Gericht von bedeutung ist, was ein Schrapnell doer Splitter ist. Di BUK hat das Problem, daß sie tausende dieser vorgefertigen Schrotkörner, also Splitter, Diabolos, Stahlfäden, wie immer beliebt...

Jedenfalls, wenn so eine BUK zehn Meter vor dem Cockpit explodiert, schleudert sie mit der Detonationswolke tausende solcher kleinen ekelhaften Metallteile in alle Himmelsrichtungen, auch in das Ziel, das ganze mit einer dermaßen hohen kinetischen Energie, daß es eben zu Aufrupfungen der Außenhülle nebst Bränden in der Verkleidung kommt, die letztendlich...

Die vielen kleinen Löcher deuten auf Splitter, Schrapnells, vorgefertigte Metallfäden, wie immer man es zu bezeichnen beliebt.

Die Anmerkung hat gesagt…

Für alle Fans von Forensik ein ergänzender Gedanke.

Im Zuge der Detonation werden definierte Fragmente der Rakete auf weit mehr, als 1.000 m/s beschleunigt ..., die in einem Radius > 200 m das Umfeld schrotschussartig perforieren und auseinander reißen.

Darüber hinaus bewirken Zusätze im verwendeten Sprengstoff eine Zünd- und Brandwirkung der entstehenden brennbaren Schwaden sowie auf Alles, was im Nahfeld des Sprengpunktes brennbar sein könnte. Die abgestürzte 777 kann je nach Modell bis zu 170.000 Liter Kerosin tanken - schätzen wir einfach mal so 100.000 Liter an Bord zum Zeitpunkt des Vorfalls.

Wäre es tatsächlich eine BUK gewesen, hätte die Detonation des Gefechtskopfes den Treibstoff der völlig ungepanzerten Zivilmaschine größtenteils quasi schlagartig zerstäubt und die entstandene Aerosolwolke aus Kerosin und Luftsauerstoff ... zur Explosion gebracht!


Das mit der Explosion des Kerosin-Suerstoff-Gemischs in 10 km Höhe relativiert der Autor. Das habe ich hier mal weg gelassen.

derherold hat gesagt…

"Fragmente eines Explosivgeschosses heißen im Deutschen seit vielen, vielen Jahrzehnten Splitter."

I want to go home, I want to go home,
I don't want to go in the trenches no more,
Where whizzbangs and shrapnel they whistle and roar.
Take me over the sea, where the alleyman can't get at me;
Oh my, I don't want to die, I want to go home.

ppq hat gesagt…

ich dachte bisher immer, der baumstamm im auge heißt splitter. oder so, seit jesus

Volker hat gesagt…
Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
Volker hat gesagt…

Bei anderen Dingern kriegt man mit der Zeit doch mit, was passiert ist.
Hier ist das irgendwie anders. Bis heute ist mir keine einzige Erklärung untergekommen, die das Tatgeschehen auch nur plausibiliert hätte, von Beweisen nicht zu reden. Das deutet meiner Meinung nach darauf hin, dass es wohl so ist wie der Hausherr vermutet:
Die haben sich hinter den Kulissen verständigt, dass die Wahrheit unter Verschluss bleibt.
Warum auch immer.

Anonym hat gesagt…


ferngesteuerter Flug MH17 = MH370?

hier:
http://homment.com/Fern_gesteuert

Anonym hat gesagt…

Die Frage ist aber doch: Wem gut?
Warum sollten unbeliebte Nazis wie Gundolf Köhler friedlich zechende Volksgenossen in die Luft sprengen - um sich damit beliebt zu machen?
---
"Wer auf die Dummheit des Pöbels spekuliert, hat einen sicheren Augenblickserfolg im Sack."
Feuchtwanger, "Der falsche Nero".

Anonym hat gesagt…

Soso Abigail Sciuto von Navi CIS hat das gesagt ..:D

Tolle Satire.