Sonntag, 28. September 2014

Medien voller Menthol

Nichts ist wirklich neu in der Welt, weder der viel zu warme kalte Sommer noch die staatstheaterreifen Stücke, mit denen deutsche Massenmedien um die Aufmerksamkeit des Publikums betteln. Immer schnellerer, immer höherer oder tieferer, immer grausamer und erschröcklicher müssen die Meldungen sein, die das Volk bei der längst laveden Stange halten sollen.

Eine Wirtschaftskrise, die nicht die erste ist und nicht die letzte bleiben wird, findet sich ausgerufen zur allesbeendenden Apokalypse. Ein Bürgerkrieg in Nordafrika wird zum Menetekel für den kommenden Jüngsten Tag, der Russe, der eben noch Befreier war, ist nun wieder ein kalter Krieger, der Friedensnobelpreisträger aber bombardiert sein neuntes islamisches Land, während das Publikum sich fragt, wo das auf einmal alles herkommt: Früher gab es den Islam, das war der Glaube der Moslems. Jetzt aber? Islam und Islamismus, Salafismus und Wahabiten; gemäßigte Taliban und radikaler Extremismus gegen extreme Radikale.

Eine Welt der Rekorde, eine Welt des Irrwitzes, eine Welt nicht vor dem Ende, aber kurz vor dem Ende der Vernunft, die geschichtserfahrere Beobachter wohlig-warm erinnert an das letzte Zeitalter, das mit fantastisch zusammenfabulierten Schlagzeilen zu Ende ging: Geschichten aus der alten Zeit, als die Arbeiter und Bauern noch herrschten, neu erzählt für ein junges Publikum.

Damals also, vor 20 Jahren, die Bevölkerung der Deutschen Demokratischen Republik war gerade dabei, aus dem Urlaub in Ungarn nicht zurückzukehren an den Arbeitsplatz, obwohl der doch ein Kampfplatz für den Frieden war, damals also druckte das DDR-Staatsorgan Neues Deutschland eines Tages im September eine ganzseitige Dokumentation, die den stabsmäßig organisierten Menschenhandel durch die Bundesrepublik aufdeckte. Unter der Überschrift „Ich habe erlebt, wie BRD-Bürger gemacht werden“ enthüllte der Mitropa-Koch Hartmut Ferworn, "Mitglied der SED, glücklich verheiratet, drei Kinder" (ND), wie er aus dem geliebten Vaterland DDR nach Wien entführt worden war. Unbekannte betäuben den Arglosen mit einer Menthol-Zigarette, „professionelle Menschenhändler“ wollen ihn dann in den Westen verschleppen. So, das ist nun klar, verschwinden also die vielen, vielen Menschen aus der DDR Richtung Westen. Sie gehen nicht freiwillig. Nein, sie werden geholt.

Wie es weitergeht, ist klar, denn so geht es immer weiter. In der Nachdrehe zum Bericht veröffentlicht das SED-Parteiblatt dreispaltig empörte Lesermeinungen, die DDR-Fernsehsendung „Objektiv“ im DDR-Fernsehen am gleichen Abend wäscht scharf nach. Eine irrsinnige, durch keinen Beweis und keinen Fakt befeuerte Medienkampagne läuft, die nur die, die sie miterleben durften, an all die irrsinnigen, durch keinen Beweis und keinen Fakt befeuerten Medienkampagnen erinnert, die heute fröhlich und gänzlich sinnfrei durch die Gegend rollen: Das Land hält sich den Bauch vor Lachen über den Unsinn, der ihm als Wahrheit verkauft werden soll.

Aber wie ein guter Skispringer bleiben die Staatsmedien auch damals in der Vorhalte, so nah der Hang auch rückt und so sehr jedem ihrer Schreiber klar sein muss, dass niemand auf der ganzen Welt auch nur eine einzige Zeile glauben wird. Aber die unsichtbaren Panzer, das Spargarantieversprechen der Merkelin mit dem schmalen Gehalt, die Sache mit dem Untergang von Tuvalu und Gabriels Versprechen, der Tod der Glühbirne werde uns alle retten, haben sie doch auch geglaubt.

Also wo steht der nächste Schwachsinn? Wo ist die Dummheit heute zu hause, wo hat noch einer einen zu erzählen, der noch absurder, noch bizarrer, noch dreister um die Ecke kommt als die 2300-Kilometer Grenzmauer der Ukraine, als die V2, die übernächstes Jahr Amerikaner in den Weltraum bringen wird und als die Märchen vom wohlstandsbringenden Gesamteuropa? Das Neue Deutschland braucht seinerzeit anderthalb Monate, ehe es am 3. November 1989 „in eigener Sache“ eine Entschuldigung druckt, knirschend. Am 5. Januar 1990 schließlich folgt der endgültige Rückzug: Hartmut Ferworn zieht seine Darstellung zurück. Alles war gelogen. Schade, denn das wissen die meisten schon seit dem ersten Tag.

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Nur, im Unterschied zu den schon durch die infame stalinistische Lügenwelt immunisierten und resistenten DäDä-Ärr-lern, glauben die Bä-Ärr-Dä-ler unserer heutigen Lügencocktails mit glühender Inbrunst. –

Denn sie (insbesondere die Fraktion der 68-Intellektualinskis) waren ja nach dem Exorzismus ihrer erschröcklichen braundämonischen Vorfahren zu den grössten Durchblickern und lupenreinsten Edeldemokraten aller Länder und Zeiten avanciert.

Daher die Verve und die hysterische „Engage-itis“ mit der sich auf solche Irrsinns-Hypen gestürzt wurde wie:

· Das grosse Waldsterben
· Die entsetzliche, europaentvölkernde AIDS-Pandemie
· Das mit uvstrahlenalleerblindenlassende Ozon-Loch
· Die dritteweltabsaufenlassende Klimaaaa-Katastrophööö#
· Die pööösen, atoooomtoooodbringenden Atooomkraftwerke ( gemeint:Kernkraftwerke)
· Die erlösungbringenden Windräder

Kurzum: Es gibt heute wohl kaum einen, arroganteren, ignoranteren, verblendeteren, verblödeteren, pitbullhaft in Wahniden verbisseneren, sich aber gleichzeitig als weltmissionierend, weltenrettend gerierenden Klugscheisser, als den Standard- Bä-Ärr-Dä-ler, so wie er von seinen Müllstrommedien sauber grundformatiert wurde.

Ano-Nymus

Volker hat gesagt…

Hab ichs doch geahnt.

Ansonsten schließe ich mich dem Beipflichter an. Damals war die Aktuelle Kamera verpöhnt.
Heute fühlen sich die AK-Gucker als Teil einer Gemeinschaft der absoluten Durchblicker.

Anonym hat gesagt…

Ja, das ist das wirklich erstaunliche an der Freien Welt, die glauben ihre eigen Propaganda - sogar Lieschen Müller glaubt das, sowas wäre ihr unter Honnecker oder Schickelgruber nicht passiert.

Anonym hat gesagt…

Plastmüll ist auch böse . Ich nutze zwar den Mülleime um meine Plast und Elastwertstoffe zu entsorgen - aber da die pösen Schinesen und InderInnen ihren Plastmüll ins Meer kippen müssen hier harte , anstrengend ( aber notwendigerweise ) protestantisch -vertikalvespannte Übungssysteme her . Volkspädagogik muss sein denn das Volk ist dumm .

Gott sei Dank bearten SoziologiestudentInnen ( aber nur die mit Rundschal ) demnächst den dummen Souverän und Bürger damit dieser nicht erneut schuldig wird ( Slogan meiner Kampagne : " darf es nach NS und DDR überhaupt Plastkonsum in Deutschland geben ?" ) Vor dem Hintergrund unserer schweren Schuld ( Chlorchemie , Bitterfeld , Plastkombinate ) sollten alle guten Gutbürger nur noch mit Jutesäcken ausgerüstet werden .

Die Einhaltung des Verbots wird von der Plasteschariapsychologin ( mit Rundschal ) überwacht .

Kürzlich : " Duuu , Sepp ... "

ja ?

"Du hast da eine HO Tüte aus Plastmaterial .

ja

"hast du denn gar nix aus der deutschen Plastegeschichte gelernt ?? Bist du ein Menschenfeind ? "

es tut mir so schrecklichleidundichwerdedasniewiedertun aber bitte melden Sie mich nicht

der Sepp ,

Pilldungsbörger