Ein heute längst vergessener großer Kämpfer für die Freiheit und gegen staatliche Gängelung, das war Eugen Richter, um die vorletzte Jahrhundertwende Reichstagsabgeordneter und 1898 Autor des Buches "Sozialdemokratische Zukunftsbilder".
In dem knapp 100-seitigen Büchlein, das seinerzeit ein Bestseller war, entwirft Richter das Bild einer Welt nach der Übernahme der Regierungsmacht durch die Sozialdemokratie. Der Ich-Erzähler, ein begeisterter Anhänger von Gleichheit und Gerechtigkeit, berichtet hier in Form eines Tagebuches, wie fabelhaft sich die Gesellschaft ändert, nachdem die Fortschrittskräfte die "rote Fahne der internationalen Sozialdemokratie auf Königs-Schloss und alle öffentlichen Gebäude Berlins" gepflanzt haben.
Richter, der die Mehrheit des Reichstages für "ein Angstprodukt der Wähler“ hielt, zeigt das Umkippen der menschenfreundlichen Vision in ein System aus Entmenschlichung, Zwang und offener Gewalt im Eiltempo - zwei Jahrzehnte vor Lenin, fast drei vor Stalin und genau 115 Jahre vor dem Leipziger Parteitag der SPD in Leipzig. Ein Horrorgemälde, das wir mit Dank an Stuff zum Anlesen empfehlen. Der Auftakt atmet noch Pathos und Siegestrunkenheit, Zuversicht und Hoffnung. Von dort an aber strudelt der Text in Abgründe, die vielen Nachgeborenen im Prinzip bekannt vorkommen werden.
Link zum kompletten Buch unten.
In dem knapp 100-seitigen Büchlein, das seinerzeit ein Bestseller war, entwirft Richter das Bild einer Welt nach der Übernahme der Regierungsmacht durch die Sozialdemokratie. Der Ich-Erzähler, ein begeisterter Anhänger von Gleichheit und Gerechtigkeit, berichtet hier in Form eines Tagebuches, wie fabelhaft sich die Gesellschaft ändert, nachdem die Fortschrittskräfte die "rote Fahne der internationalen Sozialdemokratie auf Königs-Schloss und alle öffentlichen Gebäude Berlins" gepflanzt haben.
Richter, der die Mehrheit des Reichstages für "ein Angstprodukt der Wähler“ hielt, zeigt das Umkippen der menschenfreundlichen Vision in ein System aus Entmenschlichung, Zwang und offener Gewalt im Eiltempo - zwei Jahrzehnte vor Lenin, fast drei vor Stalin und genau 115 Jahre vor dem Leipziger Parteitag der SPD in Leipzig. Ein Horrorgemälde, das wir mit Dank an Stuff zum Anlesen empfehlen. Der Auftakt atmet noch Pathos und Siegestrunkenheit, Zuversicht und Hoffnung. Von dort an aber strudelt der Text in Abgründe, die vielen Nachgeborenen im Prinzip bekannt vorkommen werden.
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Wenn solches unser verewigter Bebel noch erlebt hätte! Hat er uns doch immer vorausgesagt, daß die „Katastrophe schon vor der Tür steht.“ Noch erinnere ich mich, als ob es gestern gewesen wäre, wie Bebel am 13.September 1891 in einer Versammlung zu Nixdorf in prophetischemTone ausrief, dass „eines Tages der große Kladderadatsch schnellerkommen werde, als man es sich träumen lasse.“ Friedrich Engels hatte kurz vorher das Jahr 1898 als dasjenige des Triumphs der Sozialdemokratie bezeichnet.
Nun, ein wenig länger hat es doch noch gedauert. Aber gleichviel, unsere langjährigen Mühen und Kämpfe für die gereifteSache des arbeitenden Volkes sind nunmehr durch den Erfolg gekröntworden. Die morsche Gesellschaftsordnung des Kapitalismus und des Ausbeutersystems ist zusammengebrochen. Meine Aufzeichnungen sollen, so gut ich es vermag, die Auferstehung des neuen Reiches der Brüderlichkeit und der allgemeinen Menschenliebe für meine Kinder und Kindeskinder beschreiben.
Auch ich habe meinen Anteil an der Wiedergeburt der Menschheit. Was ich während eines Menschenalters an Zeit und Geld als rechtschaffener Buchbindermeister erübrigen konnte und nicht für meine Familie bedurfte, habe ich der Förderung unserer Bestrebungen gewidmet. Der sozialdemokratischen Literatur und unseren Vereinen verdanke ich die Festigkeit in unseren Grundsätzen und die geistige Fortbildung. Frau und Kinder sind mit mir eines Sinnes. Das Buch unseres Bebel von der Frau ist längst das Evangelium meiner Paula gewesen.
Der Geburtstag der sozialdemokratischen Gesellschaft war unser silberner Hochzeitstag. Der heutige Siegestag hat zu neuem Familienglück den Grund gelegt. Mein Franz hat sich mit Agnes Müller verlobt. Die beiden kannten sich schon lange und lieben sich herzinnig. In der gehobenen Stimmung des feurigen Tages wurde der neue Bund geschlossen. Beide sind zwar noch etwas jung, aber tüchtige Arbeiter in ihrem Fach. Er ist Setzer, sie Putzmacherin; da wird es hoffentlich nicht fehlen. Sobald die neue Ordnung in den Arbeits- undWohnungsverhältnissen eingetreten ist, wollen sie heiraten.Wir alle wanderten nach Tisch hinaus „unter die Linden“. War das dort ein Menschengewühl, ein Jubel ohne Ende. Kein Misston störte die Feier des großen Siegestages. Die Schutzmannschaft ist aufgelöst. Das Volk hält selbst die Ordnung in musterhafter Weise aufrecht...
Das komplette Büchlein findet sich hier
1 Kommentar:
Die Epoche war die grosse Zeit der Freiheit, des Unternehmertums und eines Aufschwungs an wirtschaftlicher Globalisierung. Und doch wurden hier schon die Keime für eine desaströse Zukunft gelegt.
Nicht die Ideen von Richter vom selbständigen Arbeiter, sondern die sozialdemokratischen Ideen Lassales und Bebels wurden verwirklicht. Bismarck legte den Grundstein der Sozialsysteme, welche langfristig bindende Traditionen und die Familie zerstörten.
Heute wird durch die dauernde Berieselung mit politischen Nachrichten die Illusion erreicht, dass die Politik im Alltag des Einzelnen eine entscheidende Rolle spielt. Dabei soll verdeckt werden, dass die Staatsquote von weniger als 10% aus der Zeit Richters heute weit über 60% erreicht wird; wir werden ausgesaugt, sind vom Staat abhängig wie ein Leibeigner zu Feudalzeiten und begrüssen es sogar. Das ist die wahre Kunst.
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