Weit, weit, so weit muss der EU-Bürger reisen, um nach der Europawahl eine Analyse zu lesen, die der Wirklichkeit nahekommt statt sich in Wählerschelte, „Weiter so“ und der Beschimpfung von Minderheiten zu üben. Eugen Sorg aber zeigt, dass es zumindest in der Schweiz noch Journalisten gibt, die eine Ohrfeige für die Eurokraten in Brüssel eine Ohrfeige nennen und die vermeintliche Wahl richtig einschätzen als demokratisch getünchtes Schultheater.
Keine Übersetzung aus dem Propagandistischen nötig, der Text in der Basler Zeitung spricht für sich:
Mit einem kleinen PR-Trick versuchten die EU-Strategen das chronisch tiefe Publikumsinteresse an europäischen Wahlveranstaltungen zu steigern. Erstmals traten die grösseren Parteien bei den jüngsten Parlamentswahlen mit so- genannten «Spitzenkandidaten» für den Posten des Kommissionspräsidenten an. Abgesehen davon, dass kaum jemand weiss, dass solch ein Amt existiert, und noch weniger, welchem Zweck es dient, wird der Präsident zudem ohnehin von der stärksten Partei und nicht vom Stimmvolk bestimmt. Die Personalisierung sollte aber die politische Temperatur und die Aufmerksamkeit für das Wahlgeschehen steigern. Die Konservativen präsentierten Jean-Claude Juncker, abgewählter Ministerpräsident des Zwergstaates Luxemburg, ein blasser, intrigengestählter Bürokrat. Die Sozialisten wiederum portierten den nassforschen Deutschen Martin Schulz, glückloser ehemaliger Bürgermeister der Kleinstadt Würselen und heutiger europäischer Parlamentspräsident. Beide lieferten sich in verschiedenen TV-Shows Scheinduelle. Doch die Rechnung der Europolitiker ging nicht auf.
Nicht nur blieb wie bei allen Wahlen der letzten Jahre weit mehr als die Hälfte der 400 Millionen Stimmberechtigten zu Hause, auch die neuen Mitgliedsstaaten in Osteuropa erzielten gar neue, «besorgniserregende» (Tages-Anzeiger) Rekorde der Wahlabstinenz. Was die Brüsseler Eurokraten aber wie eine schallende Ohrfeige traf, war die Tatsache, dass euroskeptische Parteien in beinahe allen der 28 Mitgliedstaaten, vor allem aber in mächtigen wie Grossbritannien und Frankreich, überwältigend zulegen konnten. Erste Schätzungen gehen von einem 30-Prozent-Anteil an den abgegebenen Stimmen aus. Und dies, obwohl die EU, das «Projekt Europa», die Unterstützung der linksliberalen Eliten geniesst.
Alle Politiker oder Publizisten, die eine kritische oder ablehnende Position gegenüber der EU einnahmen, wurden vom Gros der Medien mit Schmähungen eingedeckt. Als ob Euroskepsis keine politische Einstellung, sondern ein Charakterdefekt sei. Ihre Namen werden nicht ohne den Zusatz «schrill», «rechtsaussen», «Europahasser», «fremdenfeindlich», «rassistisch und islamophob» erwähnt. Und die Fotoredaktionen der Medien verstärken diese Charakterisierungen regelmässig mit ausgesucht unvorteilhaften Bildern der «Rechtspopulisten». Während im Gegensatz dazu den EU-Befürwortern a priori attestiert wird, aus einer Position der Menschenfreundlichkeit heraus zu handeln und zu denken.
«Die Resultate zeigen London als eine offene, tolerante und farbige Stadt», twitterte die Labour-Abgeordnete und ehemalige Ministerin Tessa Jowell nach den Europawahlen. In London hatte die euroskeptische Partei Ukip von Nigel Farage im Gegensatz zum übrigen Land wenig Stimmen erhalten. Eine vermeintliche moralische Überlegenheit sollte Jowell darüber hinwegtrösten, dass ihre europhile Partei gerade eine demütigende Niederlage kassiert hatte. Berufspolitikerin Jowell übersieht dabei, dass ihr weltoffenes «London» eine kleine, reiche Blase ist, das innerstädtische London der Finanzspezialisten, Spitzenbeamten, Anwälte, Lobbyisten, Medien- und Werbekader. Deren Kontakt zur sozialen Aussenwelt verläuft vornehmlich über Kindermädchen, Chauffeure, Pförtner, Putzfrauen aus aller Herren Länder. Toleranz ist aus dieser feudalen Position wohlfeil zu haben. Der Durchschnitts-Engländer kann sich die Gegend aber längst nicht mehr leisten.
Viele Journalisten unterliegen derselben Wahrnehmungsverengung wie Dame Jowell. Sie funktionieren als Aktivisten einer scheinbar fortschrittlichen Idee und übergehen in grandioser Überheblichkeit, was sich direkt unter ihren Augen in der Realität abspielt. Im ganzen Euroland, von Irland bis Italien, von Polen über Frankreich bis nach Portugal, findet ein Aufstand statt. Ein «Bauernaufstand», wie es Londons Bürgermeister Boris Johnson nennt, «eine Jacquerie», ein grenzüberschreitender, bis jetzt friedlicher, mit Stimmzetteln statt mit Mistgabeln ausgetragener Aufstand einer unordentlich gemischten Truppe. Wie damals der schmarotzende Adel ist heute das Bürokratiemonster von Brüssel Objekt des wachsenden Unmutes.
Anstatt sich über die ungehobelten Tischmanieren des undankbaren Pöbels zu enervieren, wie weiland die blasierten Oberschichtler, sollten die Medienleute sich besser auf ihre primäre Aufgabe besinnen und sich mit den Ursachen der Unzufriedenheit befassen. Beispielsweise damit, wie eine demokratisch nicht legitimierte Clique mit fürchterlichen Fehlentscheiden die Zahl der Langzeitarbeitslosen innert wenigen Jahren verdoppelt, ganze Volkswirtschaften in den Bankrott treibt und über zehn Prozent der arbeitsfähigen Europäer auf die Strasse stellt.
Keine Übersetzung aus dem Propagandistischen nötig, der Text in der Basler Zeitung spricht für sich:
Mit einem kleinen PR-Trick versuchten die EU-Strategen das chronisch tiefe Publikumsinteresse an europäischen Wahlveranstaltungen zu steigern. Erstmals traten die grösseren Parteien bei den jüngsten Parlamentswahlen mit so- genannten «Spitzenkandidaten» für den Posten des Kommissionspräsidenten an. Abgesehen davon, dass kaum jemand weiss, dass solch ein Amt existiert, und noch weniger, welchem Zweck es dient, wird der Präsident zudem ohnehin von der stärksten Partei und nicht vom Stimmvolk bestimmt. Die Personalisierung sollte aber die politische Temperatur und die Aufmerksamkeit für das Wahlgeschehen steigern. Die Konservativen präsentierten Jean-Claude Juncker, abgewählter Ministerpräsident des Zwergstaates Luxemburg, ein blasser, intrigengestählter Bürokrat. Die Sozialisten wiederum portierten den nassforschen Deutschen Martin Schulz, glückloser ehemaliger Bürgermeister der Kleinstadt Würselen und heutiger europäischer Parlamentspräsident. Beide lieferten sich in verschiedenen TV-Shows Scheinduelle. Doch die Rechnung der Europolitiker ging nicht auf.
Nicht nur blieb wie bei allen Wahlen der letzten Jahre weit mehr als die Hälfte der 400 Millionen Stimmberechtigten zu Hause, auch die neuen Mitgliedsstaaten in Osteuropa erzielten gar neue, «besorgniserregende» (Tages-Anzeiger) Rekorde der Wahlabstinenz. Was die Brüsseler Eurokraten aber wie eine schallende Ohrfeige traf, war die Tatsache, dass euroskeptische Parteien in beinahe allen der 28 Mitgliedstaaten, vor allem aber in mächtigen wie Grossbritannien und Frankreich, überwältigend zulegen konnten. Erste Schätzungen gehen von einem 30-Prozent-Anteil an den abgegebenen Stimmen aus. Und dies, obwohl die EU, das «Projekt Europa», die Unterstützung der linksliberalen Eliten geniesst.
Alle Politiker oder Publizisten, die eine kritische oder ablehnende Position gegenüber der EU einnahmen, wurden vom Gros der Medien mit Schmähungen eingedeckt. Als ob Euroskepsis keine politische Einstellung, sondern ein Charakterdefekt sei. Ihre Namen werden nicht ohne den Zusatz «schrill», «rechtsaussen», «Europahasser», «fremdenfeindlich», «rassistisch und islamophob» erwähnt. Und die Fotoredaktionen der Medien verstärken diese Charakterisierungen regelmässig mit ausgesucht unvorteilhaften Bildern der «Rechtspopulisten». Während im Gegensatz dazu den EU-Befürwortern a priori attestiert wird, aus einer Position der Menschenfreundlichkeit heraus zu handeln und zu denken.
«Die Resultate zeigen London als eine offene, tolerante und farbige Stadt», twitterte die Labour-Abgeordnete und ehemalige Ministerin Tessa Jowell nach den Europawahlen. In London hatte die euroskeptische Partei Ukip von Nigel Farage im Gegensatz zum übrigen Land wenig Stimmen erhalten. Eine vermeintliche moralische Überlegenheit sollte Jowell darüber hinwegtrösten, dass ihre europhile Partei gerade eine demütigende Niederlage kassiert hatte. Berufspolitikerin Jowell übersieht dabei, dass ihr weltoffenes «London» eine kleine, reiche Blase ist, das innerstädtische London der Finanzspezialisten, Spitzenbeamten, Anwälte, Lobbyisten, Medien- und Werbekader. Deren Kontakt zur sozialen Aussenwelt verläuft vornehmlich über Kindermädchen, Chauffeure, Pförtner, Putzfrauen aus aller Herren Länder. Toleranz ist aus dieser feudalen Position wohlfeil zu haben. Der Durchschnitts-Engländer kann sich die Gegend aber längst nicht mehr leisten.
Viele Journalisten unterliegen derselben Wahrnehmungsverengung wie Dame Jowell. Sie funktionieren als Aktivisten einer scheinbar fortschrittlichen Idee und übergehen in grandioser Überheblichkeit, was sich direkt unter ihren Augen in der Realität abspielt. Im ganzen Euroland, von Irland bis Italien, von Polen über Frankreich bis nach Portugal, findet ein Aufstand statt. Ein «Bauernaufstand», wie es Londons Bürgermeister Boris Johnson nennt, «eine Jacquerie», ein grenzüberschreitender, bis jetzt friedlicher, mit Stimmzetteln statt mit Mistgabeln ausgetragener Aufstand einer unordentlich gemischten Truppe. Wie damals der schmarotzende Adel ist heute das Bürokratiemonster von Brüssel Objekt des wachsenden Unmutes.
Anstatt sich über die ungehobelten Tischmanieren des undankbaren Pöbels zu enervieren, wie weiland die blasierten Oberschichtler, sollten die Medienleute sich besser auf ihre primäre Aufgabe besinnen und sich mit den Ursachen der Unzufriedenheit befassen. Beispielsweise damit, wie eine demokratisch nicht legitimierte Clique mit fürchterlichen Fehlentscheiden die Zahl der Langzeitarbeitslosen innert wenigen Jahren verdoppelt, ganze Volkswirtschaften in den Bankrott treibt und über zehn Prozent der arbeitsfähigen Europäer auf die Strasse stellt.