Donnerstag, 20. März 2014

Merkel: Verfolgungswahn in der Waschmaschine

Angela Merkel igelt sich zunehmend ein: DDR-ähnliches Parteiensystem, eingeschränkte Pressefreiheit, antirussische Propaganda. Verliert die Ex-FDJlerin den Kontakt zur Wirklichkeit? Eine Analyse von Manfred Turring in der "Welt" geht dem Phänomen auf den Grund. PPQ dokumentiert das scharfsinnige Stück in seiner sozialkritischen Reihe "Diktaturenvergleich im Wandel der Zeiten".

Die Deutschen nennen es die "Arroganz der Macht". Hebt ein Vorgesetzter ab, ignoriert er auch wohlmeinende Einwände seiner Mitarbeiter, erheben sich Bundestagsabgeordnete oder Bürgermeister über ihre Umwelt und wissen alles, und das auch noch besser, verliert ein gefeierter Künstler den Kontakt zur Realität, lautet die Diagnose "Plemplem".

Fritz Fischer aus Röglabrun hatte diesen Eindruck offenbar nach einem Telefonat mit Kanzlerin Angela Merkel gewonnen. Sie lebe "in einer anderen Welt", erzählte er später seinem Nachbarn Werner Heilmann. Im politischen Berlin ergänzt man schon seit Längerem hinter vorgehaltener Hand: "in einer ganz anderen".

Der steile Aufstieg der früheren FDJ-Kultursekretärin aus Mecklenburg ist nicht spurlos an der Frau vorbeigegangen, die heute aus der Kanzlerwaschmaschine in der Berliner Mitte Europas mächtigste Demokratie regiert. Sie blickt heute auf eine, auf ihre Welt, die nur noch selten Berührungspunkte mit der Realität findet. Merkel und ihre devote Umgebung sehen sich umzingelt von übelwollenden Feinden, die nur darauf aus sind, Deutschland zu schwächen, zu zerstückeln, von der Landkarte zu fegen.

Das ist nicht so ganz neu. Schon auf einem der vielen Gipfel zur Euro-Rettung fühlte sie sich 2008 von den anwesenden Staats- und Regierungschefs angegriffen. Deutschlands Stärke sei gut für Europa, kommentierte sie eine der zahlreichen Klagen aus dem Ausland, das ihr vorwarf, mit zu viel Export Exporte anderer zu verhindern. Wenn heute einige deutsche Kommentatoren verständnisinnig behaupten, Europa habe Merkel in den vergangenen Jahren regelrecht "dämonisiert", dann haben sie nicht mitbekommen, was sich in den Jahren der Merkel-Regentschaft in der "veröffentlichten Meinung" und in der Realität in Deutschland abgespielt hat. Das einstige Doppel-Imperium, der Nachfolgestaat der 1989 zusammengebrochenen DDR und der westgebundenen BRD, bewegte und bewegt sich, angetrieben von der Frau, die das Wirtschaftsmagazin "Forbes" seit 2006 alljährlich zur einflussreichsten Politikerin des Jahres kürt, stetig weg von den demokratischen Anfängen, hin zu einer "Postdemokratie", wie es immer mehr Buchautoren (oben) nennen.

Stattdessen ist in Deutschland längst eine Pseudodemokratie entstanden. Bei der Formung dieses Gebildes hat sich die Bundeskanzlerin wohl auch von ihren Erfahrungen in der DDR inspirieren lassen. Bis 1990 hatte sie dort gelebt, sie pflegte Kontakte zu Behörden, Parteien, gesellschaftlichen Organisationen, badete am FKK, lernte Radeberger Bier lieben und heiratete. Ihre politische Karriere startete sie noch in der DDR.

Dort erlebte Merkel, dass man die "führende Rolle" einer Partei auch anders sichern kann. In der DDR gab es ein Mehrparteiensystem, eine Nationale Front, in der die Parteien zusammengeschlossen waren, ein Volkskammer genanntes Pseudoparlament und zahlreiche gesellschaftliche Organisationen. Dennoch blieb die SED-Diktatur unangetastet, bis sie 1989 über Nacht zusammenbrach. Das Parteiensystem in Merkels Deutschland ähnelt dem der DDR auf erstaunliche Weise. Auch hier existiert eine "führende Partei" in Form der Kanzlerpartei CDU/CSU sowie drei weitere, völlig von Merkel abhängige Parteien. Eine Opposition dagegen ist nicht mehr nötig.


Die Verfassung aus dem Jahr 1949, die bis heute unablässig verändert wurde, entspricht auf dem Papier rechtsstaatlichen und demokratischen Anforderungen. Deutschland ist als demokratischer, föderativer Rechtsstaat verfasst. Die demokratischen Institutionen sind ebenso garantiert wie die Gewaltenteilung. Die Rechte und Freiheiten der Menschen genießen laut Verfassung höchste Priorität. Der Staat ist zu ihrem Schutz verpflichtet. Ergänzend gibt es einen weit gefassten Grundrechtskatalog, der internationale Vergleiche nicht zu scheuen braucht.

In der Wirklichkeit ist davon nicht mehr viel geblieben, seit Merkel, begünstigt von der Aufgabe ihres Vorgängers Gerhard Schröder, zum ersten Mal ins Kanzleramt einzog. Die Gewaltenteilung existiert nicht mehr, wie zuletzt der Fall Edathy zeigte. Das Kanzleramt hat das Parlament zu einem Befehlsempfänger degradiert. Gesetze werden ohne lange Debatten "durchgewinkt". Eine Opposition, die diesen Namen auch verdient, gibt es nicht mehr. Sie wurde bereits im Vorfeld von Wahlen aus dem Wege geräumt.

Die Judikative geriet zur Unterabteilung der Macht im Land. Medienfreiheit existiert nur noch der Form halber. Die – verglichen mit der DDR-Zeit – zahlenmäßige Vielfalt täuscht darüber hinweg, dass die Medien bis auf einige wenige Zeitungen und Blogs gleichgeschaltet wurden. Das Fernsehen, wichtigstes Instrument zur Machtausübung, ist völlig in der Hand der Regierenden, die in Senderäten sitzen und die Chefredaktionen bestücken. Die großen Energieunternhmen sind Staatsbesitz, das größte Kommunikationsunternehmen ebenso, der öffentliche Nahverkehr und die Gesundheitsfürsorge hängen am Tropf des Staates, die Krankenkassen sind staatlich und sie erhalten ihre Zuweisungen aufgrund von Beschlüssen der Politik, die in kleinen Runden getroffen werden. Die Steuerbehörden des Staates sind die umsatzstärksten Unternehmen im Land. Merkel, so analysierte der Ökonom Ralf Gunter, hat in Deutschland ein System geschaffen, "in dem die Staatsmacht zu einem erdrückenden Monopol" geworden ist. Doch das spezifisch Deutsche bestehe darin, dass die kleine herrschende Gruppe um die Kanzlerin dieses Monopol nach privatem Gusto benutzt. Soll etwas entschieden werden, trifft sich ein kleiner Kreis, bespricht und entscheidet.

"Im Grunde hat die Staatselite eines der reichsten Länder der Welt gekapert und privatisiert", resümiert Gunter. Das ist die Realität in Deutschland, hervorgebracht durch einen Vorgang, den die deutsche Führung als "Reformen" bezeichnet. Profitieren Merkel und ihre ihr loyal ergebene Umgebung von diesem System? Wenig ist darüber bekannt, die Mauern des Kanzleramtes sind undurchlässig. Doch Statussymbole wie Luxusfahrzeuge, Immobilien in prestigeträchtigen Gegenden Deutschland legen diese Vermutung nahe. Mit den normalen Einkommen sind derlei Besitztümer nicht zu erklären. Merkel selbst, so jedenfalls glaubt der britische Geheimdienst MI6, soll bescheiden leben. Doch sie schielt, sagen Kenner, auf den Nachruhm, auf Geschichtsbücher und die Historienschreibung.

Das mag erklären, warum die Pfarrerstochter aus Hamburg, die in der DDR ausgbildet wurde, so knallhart reagiert, wenn sich Widerspruch regt. Ihr System der Teilhabe, das für einen relativ kleinen geschlossenen Kreis gilt, liefe bei einem echten Machtwechsel Gefahr, zu einem Bumerang zu werden.

Die Nutznießer des gegenwärtigen Zustands müssten nicht nur Macht- und Einnahmeverlust, sondern auch weitreichende rechtliche Konsequenzen fürchten. Merkel würde natürlich gerne überall im Ausland geliebt werden, aber wichtiger ist ihr ihre unangefochtene Rolle im Inland. Und dafür braucht sie letztlich die Reputation in Europa, den USA oder in Rußland nicht. Sie nimmt sie entgegen, wenn sie sie bekommen kann. Wenn nicht – auch gut. Sie gewinnt sogar noch, wenn sie europäische Partner ablehnen. Denn das stärkt sie bei den Wählern im Inneren.

Die straff vom Kanzleramt gelenkte Propagandamaschine hat das Reich des Bösen inzwischen längst in Rußland ausgemacht. Waren es zuvor die USA, China und die Schweiz, die als Horte des Bösen, Kriegstreiber, Menschenrechtsverletzer und Unterschlupf für asoziale Steuerlriminelle beschrieben wurden, so richtet sich jetzt alle Bezichtigungskraft nach Osten. Brot und Spiele auf Merkel-Deutsch.

Glaubt Merkel das? Glaubt sie sich selbst, wenn sie behauptet, ihr Amtskollege Wladimir Putin habe "den Kontakt zur Realität verloren"? Glaubt sie generell an die Gefahr aus dem Osten? Diese Fragen zu beantworten, ist schwer in einem geschlossenen System wie dem deutschen.

Was Merkels Überzeugung ist und was Propaganda, das ist unter den obwaltenden Umständen kaum zu trennen. Einmal hat sie alle Sparguthaben mit einem Satz garantiert - Billionen Euro - und ihr ist geglaubt worden. Warum also diesmal nicht? Es eher unerheblich, ob Merkel Deutschland tatsächlich als letztes Bollwerk von Gerechtigkeit und Anstand in einem heranbrandenden Meer von Neoliberalismus und Globalisierung sieht oder es nur verkünden lässt. In dem Moment, in dem ihre Wähler, oder zumindest eine Mehrheit, daran glauben, entfaltet es seine Wirkung. Die Festungswälle werden dichter, die Position Angela Merkels gefestigter.

Im Falle der jüngsten Krise in der Ukraine hat Merkel, so scheint es, letztlich auf die Warnungen der Demoskopen gehört. Sie versicherte der Ukraine nicht die bedingungslose Solidarität Gerhard Schröders, sie beließ es bei Forderungen nach verbalen Sanktionen, die aggressiven Töne wurden abgeschwächt, statt großer Manöver an der Grenze gab es ein paar Awacs-Übungsflüge mit Symbolcharakter.

Was das bedeutet, ist dennoch ungewiss. Über ihre eigentlichen Ziele spricht die Bundeskanzlerin nicht. Selbst ihre Pseudowahlkämpfe führt sie ohne Programm. So lassen sich positive Ergebnisse im Nachhinein als eigene Erfolge, Unerwünschtes als Folge widriger Umstände "verkaufen", oder man lastet sie dem Treiben fremder Kräfte an. An ihren ursprünglichen Absichten kann Angela Merkel nicht gemessen werden, sie nennt sie nicht.

Wie Deutschland Europa eroberte: Der streng geheime Hades-Plan

7 Kommentare:

Cordt hat gesagt…

Dass diesem Artikel Hand und Fuß fehlt, beweist das Abschneiden des DSV bei den Olympischen Winterspielen. Ein autokratisches Regime zeichnet sich gewöhnlich durch einen vorderen Rang im Medaillenspiegel aus.

Den Begriff des Doppelimperiums werde ich gleichwohl nach Rücksprache mit der Gleichstellungsbeauftragten für politische Angelegenheiten künftig gern verwenden.

ppq hat gesagt…

cordt, platz 6 ist doch vorderer rang! http://ard.br.de/olympia-sotschi-2014/medaillen/index.html

Anonym hat gesagt…

Nach den "Hitler-Vergleich" fehlt nur noch "der Irre von Moskau". Wenig später darf dann das russische Volk mit Hilfe von Marschflugkörpern, intelligenteren Bomben und überlagertem Kriegsschrott, der endlich raus muß, von der drückenden Diktatur der Putin-Medwejew-Partei befreit werden.

Teja hat gesagt…

ppq deckt auf. Der Autor in der Welt wollte im Windschatten des Putinbashings seine eigene Kritik am Merkelsystem loswerden, ist ja wohl glasklar.

Die Anmerkung hat gesagt…

Der Bundeskanzler Angela Merkel ist eben ein echter Kerl.

An ihren ursprünglichen Absichten kann Angela Merkel nicht gemessen werden, er nennt sie nicht.

derherold hat gesagt…

Apropoß Sanktion, das hier ist lustsch:

http://www.newyorker.com/online/blogs/borowitzreport/2014/03/us-freezes-putins-netflix-account.html

derherold hat gesagt…

Nur ein paar kleine Änderungen:

01. April Belgien beschließt den Ankauf us-amerikanischer Staatsanleihen zu 100% des belgischen BSP

04. Mai Deutsche Luftwaffe stellt Kampfhandlungen wg. Mangel an Ersatzteilen ein

17.Mai Mai Obama verspricht den 30.000 frisch angeworbenen Analphabeten aus Costa Rica und Peru die US-Staatsbürgerschaft, sofern sie sich in der Ukraine einsetzen lassen

02. Juni GEW beschließt Annexion durch die Russische Föderation, sofern "Frühpensionierung" von Gesamtschullehrern gesichert.