Sonntag, 12. Januar 2014

Die Stadt der Dichter und Banker

Es ist die Stadt der schönsten Himmel, die Stadt der seit Jahrzehnten vor sich hinscheiternden Fußballklubs und die Stadt, zu deren Ehren Rapper zu singen versuchen. halle, gelegen direkt an der sagenumwobenen Straße der Gewalt, ist arm, alt und unfähig, doch Halle ist auch eine Stadt der Dichter, in der Kassiererin und Taxifahrer, Bauarbeiter und Rathausbürokrat immer einen Füller für gefällige Poesie im Rucksack tragen.

Meist ist das Gedichtete, von einer urbanen Bewegung aus Zettelklebern und freiwilligen Schmierfinken an Laternenpfähle gepinnt und auf Trafokästen geklebt, mit einem Blick gelesen. Manchmal aber liegen in den wenigen Versen Schicksale versteckt, die den flüchtigen Leser zu rühren verstehen: Etwa im Fall des namenlosen Poeten, der auf einer Bank im Park seine Leiden um eine verlorene Liebe öffentlich macht. Hier "traff" er sie, hier hat er sie nicht erkannt, hier ist sie ihm verloren gegangen, noch ehe er sie fand.

Ein Menschenschicksal, das nach Art der Ortsansässigen endet. Das liebevoll auf einem Stück Plastik geschnittene Gedenktäfelchen klebt nicht mehr, ein Fan, ein Feind, ein Ordnungsamtsfanatiker hat es kalt lächelnd entfernt. Keine neue Liebe, kein neues Leben. Peter Albert, Großhandelskaufmann aus dem benachbarten Erfurt und als Schlagersänger stilbildend für die junge Dichterszene an der Saale, hatte unrecht.

1 Kommentar:

derherold hat gesagt…

Apropos, Dichter und US-Amerikaner, das könnte ein neues Freizeitvergnügen sein: Selbtverbrennung.

http://www.latimes.com/nation/nationnow/la-na-nn-boiling-snow-20140107,0,6070776.story#axzz2qBPnlzGl