Mittwoch, 17. Juli 2013

"Dieses Gedicht überschreitet alle Grenzen"


In der Debatte um das frankreichfeindliche Hass-Gedicht von Heinrich von Kleist hat sich jetzt auch Innenminister Friedrich eingeschaltet. Er sieht Grenzen überschritten. Kleists hatte in seiner Dichtung „Germania an ihre Kinder" unter anderem zum Sturm auf das europäische Bruderland aufgerufen. „So verlaßt, voran der Kaiser, Eure Hütten, eure Häuser, schäumt, ein uferloses Meer, über diese Franken her!“ heißt es an einer Stelle, an einer anderen beschreibt der umstrittene Lyriker den Überfall auf Frankreich als „eine Lustjagd“, bei der die „Schützen auf die Spur dem Wolfe sitzen“. Im Wolf ist unschwer der europäische Partner zu erkennen und Kleist fordert dreist: „Schlagt ihn tot! das Weltgericht fragt euch nach den Gründen nicht!“

Kritik wurde umgehend laut. Der notorisch aktenkundige Kleist wurde wegen Volksverhetzung und überzogener Europakritik angegriffen. Auf einigen Internetseiten ist der Text des Gedichtes bereits nicht mehr zu finden. Das Gedicht enthalte Tötungs- und Gewaltfantasien sowie franzosenfeindliche Parolen, der eutropäische Partner werde namentlich genannt und „voller Hass beleidigt“. So dichte Kleist: " Alle Triften, alle Stätten färbt mit ihren Knochen weiß; welchen Rab' und Fuchs verschmähten, gebet ihn den Fischen preis; dämmt den Rhein mit ihren Leichen, laßt, gestäuft von ihrem Bein, schäumend um die Pfalz ihn weichen und ihn dann die Grenze sein!“

Jetzt könnte das Gedicht für Minderjährige verboten werden. Am Montag seien entsprechende Anträge gegen den Gedichtband und im Internet noch einsehbare Textkopien eingegangen, sagte die Vorsitzende der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien, Elke Monssen-Engberding. Die Behörde kann Gedichte auf den Index stellen – dann dürfen sie nur Volljährigen nach einer Altersprüfung zugänglich sein.

Zusätzlich muss der im November 1811 am Kleinen Wannsee verstorbene Dichter mit juristischen Konsequenzen rechnen: Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), der sich von der Formulierung „Gift und Dolch der Afterbrut!“ angegriffen fühlt, stellte Strafanzeige. Kleists Inhalte hätten Wowereit zu rechtlichen Schritten bewogen, sagte Sprecher Bernd Kodrowski. Zum konkreten Tatvorwurf der Anzeige äußerte er sich nicht. Nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa geht es unter anderem um Beleidigung. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft bestätigte den Eingang der Anzeige zunächst nicht. Man warte auf ein Telegramm.

Kleist droht eine Umbenennung von Kleist-Straßen in Potsdam, Köln, Mülheim an der Ruhr, Leipzig, Berlin, Bad Homburg, Wolfsburg und Dresden, auch eine kursierende Kleist-Briefmarke könnte verboten werden. Der Dichter selbst äußerte sich nicht.

Der Grünen-Politiker Volker Beck hingegen wertete den Liedtext im Radiosender NDR-Info als Aufruf zum Völkermord. Auf eine solche Hetze folge in Deutschland normalerweise eine strafrechtliche Sanktion, sagte er. Die Berliner Staatsanwaltschaft prüft das Gedicht deshalb bereits seit dem Wochenende. Das Machwerk gehöre "schnellstens auf den Index" äußerte sich Innensenator Frank Fenkel (CDU). Kleist bettle mit seinem "menschenverachtenden Machwerk" um Aufmerksamkeit. "Diese verbale Gewaltorgie muss sich niemand bieten lassen", sagte Fenkel.

Beck ist überzeugt, das Heinrich von Kleist aus "purer Lust an der Provokation" handele. "Weil er künstlerisch nicht viel drauf hat, ist er immer darauf angewiesen, sich durch Aufmerksamkeitserzeugung ins Gespräch zu bringen." Der hessische Integrationsminister Jörg-Uwe Kahn (FDP) verlangte gegenüber hr-online, das Kleist-Denkmal in Frankfurt/Oder solle abgerissen werden.


PPQ-Dokumentation des Machwerks "Germania an ihre Kinder"

1.

Die des Maines Regionen,
Die der Elbe heitre Au'n,
Die der Donau Strand bewohnen,
Die das Odertal bebaun,
Aus des Rheines Laubensitzen,
Von dem duft'gen Mittelmeer,
Von der Riesenberge Spitzen,
Von der Ost- und Nordsee her!

Chor.

Horchet! – Durch die Nacht, ihr Brüder,
Welch ein Donnerruf hernieder?
Stehst du auf, Germania?
Ist der Tag der Rache da?

2.

Deutsche, mut'ger Kinder Reigen,
Die, mit Schmerz und Lust geküßt,
In den Schoß mir kletternd steigen,
Die mein Mutterarm umschließt,
Meines Busens Schutz und Schirmer,
Unbesiegtes Marsenblut,
Enkel der Kohortenstürmer,
Römerüberwinderbrut!

Chor.

Zu den Waffen, zu den Waffen!
Was die Hände blindlings raffen!
Mit dem Spieße, mit dem Stab
Strömt ins Tal der Schlacht hinab!

3.

Wie der Schnee aus Felsenrissen,
Wie auf ew'ger Alpen Höh'n
Unter Frühlings heißen Küssen
Siedend auf die Gletscher gehn:
Katarakten stürzen nieder,
Wald und Fels folgt ihrer Bahn,
Das Gebirg hallt donnernd wider,
Fluren sind ein Ozean –

Chor.

So verlaßt, voran der Kaiser,
Eure Hütten, eure Häuser,
Schäumt, ein uferloses Meer,
Ueber diese Franken her!

4.

Der Gewerbsmann, der den Hügeln
Mit der Fracht entgegenzeucht,
Der Gelehrte, der auf Flügeln
Der Gestirne Saum erreicht,
Schweißbedeckt das Volk der Schnitter,
Das die Fluren niedermäht,
Und vom Fels herab der Ritter,
Der, sein Cherub, auf ihm steht –

Chor.

Wer in unzählbaren Wunden
Jener Fremden Hohn empfunden,
Brüder, wer ein deutscher Mann,
Schließe diesem Kampf sich an!

5.

Alle Triften, alle Stätten
Färbt mit ihren Knochen weiß;
Welchen Rab' und Fuchs verschmähten,
Gebet ihn den Fischen preis;
Dämmt den Rhein mit ihren Leichen,
Laßt, gestäuft von ihrem Bein,
Schäumend um die Pfalz ihn weichen
Und ihn dann die Grenze sein!

Chor.

Eine Lustjagd, wie wenn Schützen
Auf die Spur dem Wolfe sitzen!
Schlagt ihn tot! das Weltgericht
Fragt euch nach den Gründen nicht!

6.

Nicht die Flur ist's, die zertreten
Unter ihren Rossen sinkt;
Nicht der Mond, der in den Städten
Aus den öden Fenstern blinkt;^
Nicht das Weib, das mit Gewimmer
Ihrem Todeskuß erliegt
Und zum Lohn beim Morgenschimmer
Auf den Schutt der Vorstadt fliegt!

Chor.

Das Geschehne sei vergessen!
Reue mög' euch ewig pressen!
Höh'rem als der Erde Gut
Schwillt an diesem Tag das Blut!

7.

Rettung von dem Joch der Knechte,
Das, aus Eisenerz geprägt,
Eines Höllensohnes Rechte
Ueber unsern Nacken legt!
Schutz den Tempeln vor Verheerung!
Unsrer Fürsten heil'gem Blut
Unterwerfung und Verehrung!
Gift und Dolch der Afterbrut!

Chor.

Frei auf deutschem Grunde walten
Laßt uns nach dem Brauch der Alten,
Seines Segens selbst uns freun
Oder unser Grab ihn sein!

5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Von Kleist mit dem Fall eines rappenden Kretins a.k.a Anus Monchichi zu verbinden ist untermaßig, derb untermaßig.

Anonym hat gesagt…

"Am 9. April 1809 erklärte Österreich Frankreich den Krieg. Nach dem Scheitern des Phöbus-Projektes und dem Bruch mit Adam Müller in Dresden brach Kleist mit dem acht Jahre jüngeren Friedrich Christoph Dahlmann nach Prag auf. Dort wollten sie den Krieg mit patriotischer Propaganda unterstützen und ein literarisches Wochenblatt veröffentlichen, die Germania. Ziel war es, die Deutschen in den Volkskrieg zu treiben..."

eulenfurz hat gesagt…

"Frei auf deutschem Grunde walten...", ist wohl die schrecklichste Forderung, die dieser Volksverhetzer da äußert. Tut so, als würden wir nicht im freiesten Staat leben, den es je auf deutschem Boden gab. In den Kerker mit ihm!

Thomas hat gesagt…

Mein Französisch ist nicht so gut, deshalb die Frage: Hat Kleist etwa die Marsellaise übersetzt?

ppq hat gesagt…

@anonym 1: zeiten ändern sich