Donnerstag, 30. Mai 2013

EUKZ: Die Zeit ist mit Europa


Nicht einmal einen Monat intensiven Schweigens hat die EU gebraucht, um sich zu harten und entschlossenen Maßnahmen zur Rettung des gemeinsamen Projektes Euro-Krise zu entschließen. Anfang des Monats erst hatten die Spitzen der europäischen Spitzen angekündigt, den Krisenstaaten mehr Zeit zur Verfügung zu stellen. Jetzt ist es amtlich: Die EU lockert nicht wie befürchtet die Sparziele für Frankreich, Spanien und weitere Länder, sondern greift zu ungewöhnlichen kalendarischen Maßnahmen. Dabei werden die Tage in den Krisenländern rückwirkend ab Januar 2013 auf vorerst 48 Stunden verlängert, so dass das Jahr 2013 in Griechenland, Frankreich, Portugal, Spanien und Belgien zwar wie üblich am 31.12.2013 endet. Dieser 31.12. 2013 entspreche jedoch in allen nicht von der Umstellung auf europäische Krisenzeit (EUKZ) betroffenen Staaten wie Deutschland, den Niederlanden und Österreich dem 31.12. 2014.

Trotz verschiedener Pakte, Bremsen und Pakete haben Europas Führer damit wieder einen Weg gefunden, gemeinsam vereinbarte Regeln nicht einzuhalten, ohne sie zu brechen. Über die Verlängerung des kalendarischen Jahres im Krisenfall verdoppele sich der Zeitraum, der den Regierungen zur Verfügung stehe, um ihre Haushaltsdefizite unter die vorgeschriebene Grenze zu drücken. Nach der Nestbeschmutzung des außer Rand und Band geratenen deutschen Kommissars Günter Oettinger scheint die EU-Kommission bereit, ihre Notstandsmaßnahmen auch weiter auszuweiten: Solle die Zeit trotzdem noch nicht reichen, stehe eine Verlängerung der Tageslänge auf 78 oder 96 Stunden zur Verfügung, hieß es in Brüssel. Ein eigens präzisierte Arbeitszeitregelung soll dabei sicherstellen, dass Arbeitnehmer keine Nachteile durch die Anwendung des sogenannten Krisen-Kalenders erleiden.

Als Geste des guten Willens hat Deutschland zugestimmt, den einstigen Achsen-Verbündeten Italien auf Ehrenwort aus dem laufenden Defizit-Strafverfahren der EU zu entlassen.. Die Neuverschuldung soll sich in Italien mit 2,9 Prozent in 2013 und 2,5 Prozent im kommenden Jahr im erlaubten Rahmen bewegen, nachdem alle überstehenden Beträge mit zahlreichen und zum Teil lustigen Begründungen abgezogen wurden. Damit muss das klamme Land keine neuen Schulden aufnehmen, um Geldbußen an die EU zu zahlen. Dasselbe gilt für vier weitere EU-Länder, die nicht zum Euro-Währungsgebiet gehören: Lettland, Ungarn, Litauen und Rumänien. Kritiker befürchten, dass das ein Loch in den gerade erst mühsam zusammengeschwindelten Europa-Haushalt reißt.

Angesichts von Massenarbeitslosigkeit und Wirtschaftskrise erwägt die EU-Kommission, auch für sich selbst die EUKZ einzuführen. Das Defizit der Gemeinschaft liegt im Moment bei rund vier Prozent, die EU dürfte damit nicht bei sich selbst Mitglied werden. Die EUKZ helfe, die Maastrichter Grenze von drei Prozent einzuhalten, hieß es in Brüssel. Die Länder sollen jedoch Struktur-Reformen am Arbeitsmarkt, bei Rentensystemen und in einzelnen, bisher stark vom Wettbewerb abgeschotteten Branchen durchsetzen, um das Wachstum anzukurbeln.

Die Vorschläge sind Teil der Empfehlungen der EU-Kommission an alle 27 EU-Staaten zur Haushaltspolitik und zu Reformen. Die EU-Staaten hatten zur Abwehr der Schuldenkrise im Euro-Raum eine engere Abstimmung der Finanz- und Wirtschaftspolitik mit stärkerem Einfluss der Kommission beschlossen.

Desaster-Area: Europa, 20 Jahre danach

3 Kommentare:

Cordt hat gesagt…

Es darf nicht sein, daß die europäische Idee dem Diktat der Zahlen zum Opfer fällt. Ich fordere von Buchhaltern künftig mehr Zivilcourage. Bei Maastricht hat es schließlich auch geklappt.

ppq hat gesagt…

meiner meinung nach steckt die schweizer uhrenindustrie sowieso hinter dem zeitdiktat

apollinaris hat gesagt…

Vor diesem mißlichen Hintergrund wird es Zeit für einen neuen Ausbildungsberuf: Europäischer Krisenbilanzbuchhalter (IHK). Losgelöst von allen herkömmlichen Bilanzierungsregeln kann hier nach Herzenslust kreativ gebucht und ausgebucht werden. Besonders empfohlen wird dieser neue Ausbildungsgang für Zuwanderer mit ausgeprägter Rechenschwäche und fehlenden sonstigen sog. "Kernkompetenzen".